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Aufgaben der strukturellen und operativen Kreditvergabefunktion im Unternehmen

Grundlegende Gestaltungsanforderungen
Auf der Unternehmensgesamtebene hat das Credit Management grundlegende Richtlinien über das Kreditvergabeverhalten zu gestalten. Diese Richtlinien müssen die gegebene bzw. angestrebte Organisationsstruktur des Unternehmens berücksichtigen und gerade auch bei dezentralen Einheiten als verbindlicher Handlungsrahmen durchgesetzt werden. Es ist zu entscheiden, welcher Institution Kreditverantwortung übertragen wird und wer welche Kreditvergabekompetenzen (Vollmachten der Kreditgewährung) hat. Das grundlegende Problem dieser Aufgabenstellung besteht darin, dass die Kreditgewährung maßgeblich die Umsatztätigkeit des Unternehmens beeinflusst. Es kann somit ein Zielkonflikt zwischen anzustrebenden Umsatz- und notwendigen Sicherheitszielen bestehen. Da sich beide Einzelziele nicht simultan maximieren lassen, ist von der Unternehmensleitung eine Grundsatzentscheidung hinsichtlich der anzustrebenden Zielorientierung zu treffen.

Entscheidungsaspekte, die es dabei zu berücksichtigen gilt, sind die jeweilige Markt- und Wettbewerbsposition, die Finanzierbarkeit von Forderungen sowie die Möglichkeit, Forderungsrisiken auf andere Wirtschaftssubjekte (Kreditversicherung, Factor) abzuwälzen. Verbunden mit diesem Entscheidungsproblem ist die Frage, ob der Kreditbereich gegenüber dem Vertriebsbereich weisungsberechtigt ist. International agierende Unternehmen haben diese Frage durch eine Kompetenzstärkung des Kreditbereichs gelöst. Motiv für diese Kompetenzzuweisung ist die Erkenntnis, dass Umsatztätigkeit nur dann zum Unternehmenserfolg beitragen kann, wenn auch entsprechende Cashflows erzielt werden. Sofern eine Weisungsbefugnis des Kreditbereichs gegenüber dem Vertriebsbereich vermieden werden soll, erarbeitet das Kredit-Management auf der Grundlage einer umfassenden Bonitätsprüfung lediglich eine empfohlene Kreditlinie je Kunde. Als unzureichend haben sich in der Praxis Organisationsformen herausgestellt, bei denen der Vertrieb Kreditlinien prüft und autonom entscheidet. Als ursächlich dafür wird die im Vertriebsbereich vorherrschende Dominanz des Umsatzstrebens angesehen, wobei Sicherheitsaspekte nicht hinreichend berücksichtigt werden.

Dispositive Aufgabengestaltung durch das Credit Management
Im Lieferantenkreditbereich wird die Dauer der Kreditbeziehung maßgeblich determiniert durch die Zahlungskonditionen, die Kredit- Prozessorganisation sowie die Aktivitäten nach Fälligkeit zur Realisation der Forderungen. Das Credit Management hat Vorgaben zur Disposition der Forderungen zu gestalten, auf die die ausführenden Ebenen Bezug nehmen können; hierbei handelt es sich insbesondere um folgende Aufgaben- und Problembereiche:

  • Beurteilung und Überwachung der Bonität der Kreditnehmer

Das Credit Management hat festzulegen, welche Informationsquellen und Einzelinformationen zu berücksichtigen und wie diese methodisch auszuwerten sind, um eine hinreichende Einschätzung der Bonität über Einzelrisiken zu erstellen.7 Um eine dynamische Bonitätsprüfung zu erreichen, sind Vorgaben für die Überwachung (Monitoring) der Kundenbonitäten zu entwickeln.

  • Bestimmung der Zahlungskonditionen und Kreditlimite

Die grundsätzlich möglichen Zahlungskonditionen sind vom Credit Management in Abstimmung mit dem Vertrieb zu definieren. Die Bedingungen für die Entscheidung maximal zulässiger Kredithöhen (Kreditlimite) je Einzelrisiko sind in diesem Zusammenhang festzulegen.

  • Steuerung und Überwachung der Zahlungseingänge

Eine funktionstüchtige Überwachung der Einzahlungen aus dem Forderungsbereich ist wichtigste Grundlage für die Zielerreichung des Credit Management. Im Massengeschäft ist diese Anforderung nur durch den Einsatz von leistungsfähigen Informationssystemen möglich. Oftmals reichen die Grundfunktionalitäten von Standardsoftware nicht aus. Das Credit Management hat somit Vorgaben zur Weiterentwicklung der Systeme im Rechnungswesen zu entwickeln.

  • Beurteilung und Bewertung von Kreditsicherungsinstrumenten

In Abhängigkeit von der wirtschaftlichen Stellung können Kreditgeber unterschiedliche Instrumente zur Absicherung der Forderungen realisieren. Im Bereich der Lieferantenkredite ist das übliche Sicherungsinstrument der Eigentumsvorbehalt. Erfahrungen der Praxis belegen, dass im Falle der Insolvenz eines Schuldners dieses Sicherungsinstrument nicht hinreichend ist. Das Credit Management ist somit gefordert, alternative Strategien zur Absicherung der Einzelforderungen zu entwickeln. Soweit keine geeigneten Instrumente bei Vertragsverhandlungen durchsetzbar sind, ist zur Erhöhung des Sicherheitsgrades der Forderungen die Zusammenarbeit mit Kreditversicherungen oder Factoringanbietern erfolgswirtschaftlich zu prüfen.

  • Organisation und Durchführung des Mahn- und Inkassowesens

Das Verhalten des Unternehmens bei Zielüberschreitungen von Kunden ist eine weitere Grundsatzentscheidung des Credit Management. Es sind Richtlinien vorzugeben, wie und mit welchen Methoden säumige Zahler zu behandeln sind. Wesentlich dabei erscheint der Hinweis, dass grundsätzlich alternative Mahnstrategien mit dem Vertrieb abzustimmen sind. Auch sind alle administrativen Bereiche (z.B. Fakturierung, Kundendienst) dahingehend zu optimieren, dass dem Kunden keinerlei Ansätze geboten werden, um gerechtfertigt Zahlungen zu verweigern. Eine Analyse von Soll-Ist-Abweichungen bietet Anhaltspunkte zur Effizienzsteigerung in diesem Bereich. Ob eigene Mahnaktivitäten durch den Einsatz von Dienstleistungsunternehmen (Inkassounternehmen) wirkungsvoll zu ergänzen sind, ist unter erfolgswirtschaftlicher Perspektive zu prüfen. Restrukturierung des Kreditbereichs in der Untemehmenspraxis Die durch die Geschäftsleitung zu initiierende Restrukturierung der gesamten Kreditfunktion ist mit Leistungszielen zu verbinden, die zu einer Optimierung von Kosten, Zeiten und Qualitäten des Cash-to-Cash-Cycles führen. Im Bereich der Kosten sind besonders die Kapitalbindungs- und Administrationskosten zu nennen. Eng verknüpft ist damit die Anforderung, die zeitliche Ausdehnung der administrativen Prozesse zu reduzieren, sei es durch verbesserte Aufbau- oder Ablauforganisation oder durch effizientere Methodenunterstützung. Beide Aspekte wirken sich auch auf die Qualität der Leistungen des operativen Kreditbereichs aus. Als konzeptionelle Grundlage für die Ausgestaltung der Kreditfunktion im Unternehmensbereich können die Mindestanforderungen an das Kreditgeschäft (MaK) zitiert werden. Die MaK beinhalten Mindestanforderungen, die von allen Kreditinstituten zur Begrenzung der Risiken aus dem Kreditgeschäft unter Berücksichtigung der jeweiligen Art und des Umfangs des Geschäfts zu beachten sind. Außerdem werden bankübliche Prozesse der Kreditbearbeitung, der Kreditbearbeitungskontrolle, der Intensivbetreuung, der Problemkreditbearbeitung sowie der Risikovorsorge behandelt. Es ist grundsätzlich und im Einzelfall nahe liegend, die Übertragbarkeit der MaK auch auf den Unternehmensbereich zu hinterfragen. Eine an den MaK ausgerichtete Kreditpolitik des Unternehmens könnte als freiwillige Selbstverpflichtung von Unternehmen bei jeglichen Kreditverhandlungen (Banken, Kreditversicherungen) positiv wirken. Hervorgehoben sei an dieser Stelle exemplarisch der Anforderungskatalog zu den Organisationsrichtlinien, der folgende Bereiche beinhaltet:

  1. a) klare Regelungen der Aufgabenzuweisungen, zur Kompetenzordnung und zu den Kontrollaufgaben,
  2. b) generelle Vorgaben für die Prozesse der Kreditgewährung, der Kreditweiterbearbeitung, der Kreditbearbeitungskontrolle, der Intensivbetreuung und der Problemkreditbearbeitung,
  3. c) das Verfahren zur zeitnahen Bewertung der Engagements, auch im Hinblick auf gegebenenfalls erforderliche Risikovorsorgemaßnahmen (Wertberichtigungen, Abschreibungen, Rückstellungen),
  4. d) die Risikoklassifizierungsverfahren zur Beurteilung des Adressenausfallrisikos und des Objekt-/Projektrisikos (Ratingverfahren, Scoring etc.) sowie die Art und Weise der Beurteilung des Branchen- und gegebenenfalls des Länderrisikos,
  5. e) die Verfahren zur frühzeitigen Identifizierung sowie zur Steuerung und Überwachung der Risiken aus dem Kreditgeschäft,
  6. f) das Berichtswesen,
  7. g) das Verfahren zur Sicherstellung der zeitnahen Einreichung der für eine Beurteilung der Adressenausfallrisiken erforderlichen Unterlagen,
  8. h) das Verfahren zur Behandlung von Überziehungen bzw. das Mahnverfahren,
  9. i) das Verfahren zur Bewertung, Überprüfung, Verwaltung und Verwertung der Kreditsicherheiten,
  10. j) die DV-Verfahren.

Credit Management als Teil des unternehmerischen Risiko Managements Als Risiko können alle Ereignisse oder Handlungen definiert werden, die den Erfolg oder gar den Fortbestand eines Unternehmens gefährden können. Als Teil des unternehmerischen Risiko- Managements hat das Credit Management sicherzustellen, dass Risiko-Potenziale aus dem Kreditbereich mit geeigneten Verfahren der Risiko-Früherkennung identifiziert werden. Unter Anwendung dieser Verfahren soll gewährleistet sein, dass alle wesentlichen Risiken frühzeitig erkannt, vollständig erfasst und hinreichend überwacht werden. Die Steuerung der Kreditrisiken erfolgt im Kreditrisiko-Controlling durch die Entwicklung von Maßnahmen, die helfen das Risiko zu vermindern oder eine realisierte Gefahr, einen Schaden zu begrenzen. Bei diesen Entscheidungsproblemen steht besonders die Risiko- Tragfähigkeit des eigenen Unternehmens im Vordergrund. Hierbei können vier Maßnahmengruppen differenziert werden:

  • Risiko-Vermeidung: Verzicht auf riskante Geschäfte
  • Risiko-Begrenzung: Absicherung von Forderungen
  • Risiko-Streuung: Vermeidung von Konzentrationen
  • Risiko-Transfer: Abwälzung auf Dritte.

Ein wichtiges Informationsinstrument stellt der Risiko-Bericht des Credit Management dar, mit dem die Risiken offener Geschäfte transparent werden. Auch in diesem Bereich leisten die MaK hilfreiche Anregungen zur Gestaltung des Berichtswesens. Der Kredit- Risikobericht sollte demnach die folgenden Berichtselemente beinhalten:

  1. a) die Entwicklung des Kreditportfolios nach wesentlichen Strukturmerkmalen, insbesondere nach Ländern, Branchen, Risikoklassen und Größenklassen sowie gegebenenfalls Sicherheitenkategorien,
  2. b) den Umfang der vergebenen Limite; ferner sind Großkredite und sonstige bemerkenswerte Engagements aufzuführen und zu kommentieren,
  3. c) gegebenenfalls die gesonderte Darstellung des Länderrisikos,
  4. d) bedeutende Limitüberschreitungen (einschließlich einer Begründung) seit dem letzten Bericht,
  5. e) der Umfang und die Entwicklung des Neugeschäfts sowie des Kreditgeschäfts in neuartigen Produkten oder auf neuen Märkten seit dem letzten Bericht,
  6. f) die Entwicklung der Risiko-Vorsorge unter Berücksichtigung der Risiko-Tragfähigkeit des Unternehmens,
  7. g) seit dem letzten Bericht getroffene Kreditentscheidungen von wesentlicher Bedeutung, die von der Kreditrisikostrategie abweichen.

Personale Dimension des
CM Die mit dem Aufgaben- und Problemfeld des Credit Management betrauten Mitarbeiter müssen über die erforderlichen Kenntnisse verfügen, um die mit jeder Kreditvergabe verbundenen Risiken zweckdienlich zu beurteilen und zu steuern. Das Credit Management kann hierzu auf geeignete Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen Bezug nehmen, wie sie in jüngster Zeit von dem Verein für Credit Management e.V. (VfCM), Kleve, entwickelt und angeboten werden. Im hochschulzertifizierten Ausbildungsprogramm des VfCM befinden sich derzeit zwei Programme (CCM Certified Credit Manager; CCC Certified Credit Controller), die das erforderliche fachliche Rüstzeug zur erfolgreichen Bewältigung der Leitungs- bzw. Ausführungsaufgaben vermitteln. Bei der Konzeption dieser Qualifizierungsprogramme wurden die internationalen Vorgaben aus England, Frankreich, Belgien und den Niederlanden berücksichtigt. In diesen Ländern wird ein vergleichbares Qualifizierungsprogramm seit Jahren mit Erfolg umgesetzt. Die Organisation und inhaltliche Gestaltung des Qualifizierungsangebots sind so ausgerichtet, dass eine berufsbegleitende Ausbildung erfolgt und unmittelbare Anwendungs- und Nutzeffekte für die Teilnehmer aus der Unternehmenspraxis sichergestellt sind. Durch eine Kombination von erfahrenen Dozenten aus der Wirtschaftspraxis und dem Hochschulbereich wird eine Symbiose der Qualifikationsanforderungen aus theoretischen Grundlagen und anwendungsorientiertem Know-how erreicht. Beide Ausbildungen stellen ein Qualifikationsniveau sicher, das dem aktuellen Stand der Entwicklungen im Credit Management entspricht.