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Credit Management als Herausforderung im Unternehmen

Zum Stellenwert des Credit Management in der Unternehmenspraxis Kaum ein anderes Thema aus dem Bereich der Unternehmensführung ist in den letzten Jahren derart in den Mittelpunkt gerückt wie das Credit Management. Ein wesentlicher Grund für diese Entwicklung sind die durch den nationalen wie internationalen Anstieg der Unternehmens- und Privatinsolvenzen verursachten Kreditausfälle. Das hohe Verlustvolumen, das bei Kreditinstituten, Leasinggesellschaften, Kreditversicherungen und auch im Bereich der Lieferantenkredite aufgetreten ist, hat die Notwendigkeit zur intensiveren Auseinandersetzung mit den Bedingungen und Konsequenzen der Kreditvergabe deutlich gemacht. Während im deutschen Kreditwesen durch die Mindestanforderungen an das Kreditgeschäft der Banken (MaK) Standards zur Organisation und Disposition der Kreditfunktion verbindlich erlassen wurden, um die Risiken der Kreditvergabe besser zu bewältigen, ist dieses Thema im Nichtbankensektor der privaten Unternehmen weitestgehend unreglementiert. Dies ist, was das Volumen der Forderungen in den Bilanzen deutscher Unternehmen angeht, mit erheblichen Risiken verbunden. Die nächste Tabelle zeigt die durchschnittlichen Forderungsbestände in den Bilanzen deutscher Unternehmen. Unterschiedliches internationales Engagement, Zahlungsbedingungen als Ergebnis von Branchenusancen sowie der Umgang mit fälligen Forderungen sind als Begründungen für die wertmäßig größeren Unterschiede in der Bilanzposition zwischen den einzelnen Branchen zu nennen. Durch die gesetzlichen Vorgaben des KonTraG1 sind bereits im April 1998 Vorschriften für den Umgang mit Risiken in 1 Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich.

Bedeutung der Bilanzposition Forderungen

                                                                   Forderungsbestände in % der Bilanzsumme
Wirtschaftszweig kurzfristig langfristig gesamt
Verarbeitendes Gewerbe 31,5 2,5 33,5
Ernährungsgewerbe 28,0 4,5 32,5
Verlags- und Druckgewerbe 36,5 3,0 39,5
Herst, v. Gummi-/Kunststoffwaren 31,0 2,0 33,5
Maschinenbau 37,0 2,5 39,0
Elektrotechnik 34,0 1,5 35,5
Baugewerbe 24,0 2,0 26,0
Großhandel u. Handelsvermittlung 42,0 2,0 44,5
Einzelhandel 24,5 1,5 26,0
Herstellung v. Metallerzeugnissen 30,0 2,5 32,5
Dienstleistungen 34,3 1,9 36,2
Datenquelle: Deutsche Bundesbank, Monatsbericht April 2003, S. 68-71; angegeben sind die Verhältniszahlen über alle Rechtsformen.

Unternehmen erlassen worden, die unmittelbar auch für den Bereich des Credit Management Relevanz besitzen. So stellen Forderungen als ein Ergebnis der Umsatztätigkeit von Unternehmen rund ein Drittel der Vermögenswerte in der Unternehmenspraxis dar. Die Werthaltigkeit dieser Vermögensgegenstände hängt ganz wesentlich von der Bonität der Schuldner des Unternehmens ab. Die von den Rating-Agenturen veröffentlichten Ausfallwahrscheinlichkeiten über einzelne Rating-Klassen dokumentieren, dass Kreditausfälle in allen Bonitätsklassen („AAA“ bis „C“) auftreten können. Somit sind Forderungsrisiken zu konstatieren, die den Erfolg oder den Fortbestand des Unternehmens wesentlich beeinträchtigen können. Als ein exemplarischer Beleg für die These mag eine DGAP- Veröffentlichung der Porta Systems AG aus dem Jahre 2002 dienen: „ …Durch den hohen, einmaligen Wertberichtigungsbedarf, insbesondere im Zusammenhang mit der Insolvent ihrer Tochtergesellschaft Hain Fenster & Türen GmbH <& Co. KG, Pfaffing, ist im Geschäftsjahr 2001 bei der Porta Systems AG ein Jahresfehlbetrag entstanden, der das Grundkapital der Gesellschaft %u mehr als 50% aufgezehrt hat. Vorstand und Aufsichtsrat schlagen vor, zur Deckung von Verlusten das Grundkapital der Gesellschaft von 14.350.000 €, eingeteilt in 14.350.000 Stückaktien, im Verhältnis 5:2 um 8.610.000 € auf 5.740.000 € herabzusetzen. “ Rund 6 Monate nach dieser Veröffentlichung kündigte die Porta Systems AG im Januar 2003 im gleichen Medium an, dass sie für sich und ihre sämtlichen Konzerntochtergesellschaften Insolvenz wegen drohender Zahlungsunfähigkeit bei den zuständigen Gerichten beantragen wird. Dieser Schritt wurde notwendig, da es nicht gelang, dem Unternehmen zusätzliche Liquidität zuzuführen. Die Gespräche mit potenziellen Investoren hatten nicht dazu geführt, dass wesentliche Unternehmensteile verkauft wurden oder ‚die geplante Kapitalerhöhung durchgeführt werden konnte. Auch die Banken waren nicht bereit, weitere Mittel bereitzustellen. Dies alles sind nicht die Ursachen des Scheiterns, sondern die Wirkung der hohen Forderungsausfälle gewesen.

Definitionsansätze und Abgrenzungen des Credit Management
Neben der im deutschsprachigem Raum eingeführten Begrifflichkeit Credit Management wird die Wahrnehmung solcher Aufgaben in der Unternehmenspraxis oftmals auch dem Forderungs- oder Debitoren-Management zugeordnet. Daraus könnte der Eindruck entstehen, dass es sich bei den drei Begriffen um Synonyme handelt. Dem wird hier nicht gefolgt. Objekt des Debitoren-Managements sind die Debitoren oder Schuldner des Unternehmens. Das Debitoren-Management ist damit inhaltlich geprägt durch das Rechnungswesen des Unternehmens, welches in grober Unterteilung aus der Kreditoren- und Debitorenbuchhaltung besteht. Traditionell ist eine starke Rechnungswesenorientierung als wesentliches Begriffsmerkmal des Debitoren-Managements hervorzuheben. Aufgaben der Fakturierung, Verbuchung und Überwachung der Zahlungseingänge stehen damit im Vordergrund. Objekte des Forderungs-Managements sind die bilanziell abgebildeten Forderungen des Unternehmens. Fragen der Entstehung, Steuerung und Realisation von Forderungen sind somit in diesem Begriff ein prägendes Wesensmerkmal. Die Rollenverteilung zwischen Vertrieb und Forderungs-Management (Rechnungswesen) ist in der Regel in allen Unternehmen klar geregelt. Der Vertriebsbereich ist zuständig für den Umsatz und die damit verbundene Realisation der Wachstumsziele. Dagegen kümmert sich das Rechnungswesen um das „Back Office“. Fragen der Forderungsentstehung werden oftmals aus dem Blickwinkel der Umsatzerzielung beantwortet. Sofern unterstellt wird, dass die spätere Forderungsrealisation kein Problem darstellt, ist diese Arbeits-, Aufgaben- und Kompetenzverteilung als angemessen zu bezeichnen. Unter Berücksichtigung der Insolvenz- und Ausfallstatistik Europas kann dieses Aufgabenverteilungskonzept für den Zeitraum bis etwa 1990 als adäquat angesehen werden. Unter Berücksichtigung der jüngeren, aktuellen Entwicklungen, die durch einen starken Anstieg der Unternehmensinsolvenzen gekennzeichnet sind und einen erheblichen Wertberichtigungsbedarf bei den Forderungen bzw.

Krediten zur Folge haben, ist diese Organisation allerdings in den meisten Industrien längst überholt. Objekte des Credit Management sind sämtliche Entscheidungen, die mit dem gesamten Prozess der Kreditvergaben des Unternehmens im Zusammenhang stehen. Damit umfasst dieser Begriff einen wesentlich breiteren Aufgaben- und Problembereich als die ersten genannten Definitionskonzepte. Entscheidungen des Credit Management sind bereits vor dem Entstehen von Forderungen, also bei der Akquisition von potenziellen Schuldnern, zu treffen. Dabei geht es auch nicht um so genannte „Ja-Nein-Entscheidungen“. Das Credit Management soll Umsätze im Unternehmen unter Berücksichtigung der späteren Kreditrealisation überhaupt und grundsätzlich möglich machen. Es sind die Bedingungen zu definieren (Kreditpolitik; „Credit Policy“), wie das Unternehmen als Kreditgeber auftreten und wahrgenommen werden will. Der Vertrieb hat somit diese Bedingungen des Credit Management nicht nur zu beachten, sondern zu befolgen. Nicht die Umsatzerzielung ist damit die primäre Steuerungsgröße für den Unternehmenserfolg sondern der mit den Umsätzen erzielbare Mittelzufluss, die Transformation von Ware in Geld. Dieser Ansatz wird in der neueren Literatur und in der aktuellen Unternehmenspraxis als „Cash-to-Cash-Cycle“ bezeichnet. Neben Einzelentscheidungen gehört zum Credit Management auch die notwendige Strukturierung des gesamten Kreditportfolios des Unternehmens. Eine Risiko-Steuerung darf nicht bei der Bewertung von Einzelrisiken enden. Es ist vielmehr eine durch den Kreditbereich geprägte Risiko-Steuerung erforderlich, die zu einem transparenten Umgang mit Krediten führt. Es entsteht somit eine enge Verbindung des Kreditbereichs mit dem Risiko-Management im Unternehmen. Der Einsatz von Steuerungsinstrumenten soll dazu führen, dass es zu einem bewussten Umgang mit dem Risiko der Kreditvergabe kommt.

Zielorientierung und Leistungsbeiträge des Credit Management
Credit Management ist eine finanz- und marktwirtschaftlich geprägte Aufgabe, die wie alle anderen Unternehmensbereiche Leistungen zur Förderung der Unternehmensziele zu erbringen hat. Aus Sicht der Praxis erscheint es aber oftmals als schwierig, den Leistungsbeitrag des Credit Management hinreichend genau zu quantifizieren. Traditionell verfolgen Unternehmen Rentabilitäts-, Liquiditäts-, Sicherheits- und Autonomieziele. Im Vergleich zu dieser klassischen finanzwirtschaftlich geprägten Zieldefinition stellt die Wertorientierung ein relativ junges Zielsystem („Value Orientation“) dar. Die Maximierung des Marktwerts des Unternehmens ist gegenwärtig das dominierende Steuerungssystem der Unternehmenspraxis. Es basiert auf dem Grundsatz, dass die Entscheidungen und Handlungen des Unternehmens so auszurichten und zu realisieren sind, dass der Firmen- bzw. Unternehmenswert maximiert wird. Das grundlegende Rentabilitätskalkül besagt, dass nur solche Aktivitäten zu realisieren sind, deren Verzinsung über den durchschnittlichen Kapitalkosten (WACC; weighted average cost of Capital) des Unternehmens liegen. Um den Zusammenhang von Credit- und Wertmanagement herzustellen ist zu fragen, welche Wertbeiträge durch den Kreditbereich geleistet werden. Einige Thesen mögen dies verdeutlichen:

  • Kapitalbindungen verursachen Kapitalkosten. Ist die Verweildauer der Kredite länger als ursprünglich kalkuliert, z.B. weil der Schuldner verspätet zahlt, ist das Rentabilitätsziel durch ungeplan- te Kapitalkosten beeinträchtigt. Auch die Sicherstellung der jederzeitigen Zahlungsfähigkeit (Liquidität) des Unternehmens wird durch ungeplante Zahlungsverzögerungen gefährdet.
  • Kredite sind mit Ausfallwahrscheinlichkeiten behaftet. Fallen Forderungen z.B. durch die Insolvenz des Schuldners aus, ist das Rentabilitätsziel dadurch gefährdet und die eigene Liquidität beeinträchtigt.
  • Ist das Kreditportfolio des Unternehmens durch nicht oder schlecht gesicherte, offene Risiken geprägt, steigt das Ausfallrisiko des eigenen Unternehmens erheblich an. Nehmen Kreditgeber dies wahr, werden als Konsequenz höhere, dem Risiko angepasste Kapitalkosten von den Kapitalgebern verlangt. Die Liquiditätssituation wird zudem erheblich beeinträchtigt, wenn eine Refinanzierung des Unternehmens auf Grund der schlechteren Risikoklasse abgelehnt wird.

Credit Management kann wirkungsvolle und überlebenswichtige Leistungen und Wertbeiträge für das Unternehmen dadurch leisten, dass…

  • … eine Verkürzung der Verweildauer der Forderungen erreicht wird (Zeitdimension); ein Wertbeitrag entsteht in diesem Fall dadurch, dass Kapitalbindungen reduziert und Finanzierungskosten eingespart werden können,
  • … eine Verminderung der Ausfallquote der Forderungen erreicht wird (Ergebnisdimension); ein Wertbeitrag entsteht in diesem Fall dadurch, dass Umsätze zu Cash Income werden und das Volumen an Wertberichtigungen reduziert wird,
  • … eine positive Beeinflussung des Geschäftsrisikos (Business Risk) erreicht wird (Risiko-Dimension); ein Wertbeitrag entsteht in diesem Fall dadurch, dass das Unternehmen in eine bessere

Ratingklasse eingeordnet wird und damit günstigere Refinanzierungsbedingungen möglich sind. Es ist hier nicht der Raum, um rechnerische Nachweise zur Begründung dieser Thesen zu führen. Sie sind in Form von Szenariorechnungen an anderer Stelle veröffentlicht worden.3 Diese Szenarioanalysen dokumentieren sehr deutliche Wertbeeinflussungspotenziale, die vom Credit Management ausgehen. Sie leiten sich aus einer Reduzierung des Volumens an Umlaufvermögen, einer Senkung der Kapitalkosten („Cost of Capital“), einer risikogeprüften Ausweitung der Umsatztätigkeit des Unternehmens sowie einer Erhöhung der Gewinnmarge ab. Die Unternehmensführung wäre, dies zeigen die oben genannten Berechnungsergebnisse, schlecht beraten, wenn sie das Credit Management als ein Randthema der Unternehmensentwicklung betrachten würde. Aus der derzeitigen Diskussion um die Kreditfunktion im Unternehmensbereich lassen sich die folgenden vier Schwachstellen nennen:

  • Kompetenzen hinsichtlich der Kreditentscheidung sind «oftmals nicht klar geregelt. In vielen Fällen dominiert noch der Verkaufsbereich, dessen Handlungen oftmals ausschließlich an der Realisation vorgegebener Umsatzziele ausgerichtet sind.
  • Der Bereich Credit Management ist durch zahlreiche andere betriebliche Funktionsbereiche geprägt, wie z.B. das Rechnungswesen, die Fakturierung, das Reklamationswesen, der Vertrieb und die Geschäftsleitung. Die vorhandene Schnittstellenproblematik ist oftmals nicht hinreichend definiert und gelöst.
  • Der Kreditbereich wird regelmäßig als Loss-Center klassifiziert. Diese betriebswirtschaftlich nicht nachvollziehbare Einschätzung führt zu suboptimalen Ausstattungen mit dringend benötigten Ressourcen.
  • Für das gesamte Thema Credit Management ist eine kaum hinreichende Unterstützung mit geeigneten Methoden feststellbar. Erst

in letzter Zeit haben die Financial Services EDV-unterstützte Tools entwickelt, die zu einer Optimierung der Arbeitsabläufe und -ergebnisse beitragen sollen.5 Auf Grund der innovativen Produktmerkmale ist allerdings eine Preispolitik feststellbar, die eine breite Diffusion dieser Produkte noch verhindert.