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Das Geschäftsmodell der Direktbroker verstehen

Bis in die 1990er-Jahre hinein galt das filiallose Bankgeschäft trotz seiner vereinzelten Erfolge als Nischenangebot, das von den Kunden vornehmlich für einfache Sparformen oder zur Aufnahme von Ratenkrediten genutzt wurde. In Bewegung kam die Branche durch den Markteintritt der bereits erwähnten Direkt- oder Discountbroker. Das Prinzip klingt überzeugend: Der Anleger ordert seine Aktien, Rentenpapiere oder Fondsanteile online oder per Telefon und spart die zum Teil recht hohen Transaktionskosten, die von den Filialbanken verlangt werden. Egal, ob der Kunde Wertpapiere kauft oder verkauft, immer muss er mit Kosten rechnen, die im günstigen Fall seinen Gewinn schmälern und im ungünstigen Fall seine Verluste erhöhen. Bei einem Onlinebroker zahlt der Anleger erheblich geringere Gebühren. Mitunter erhält er zudem ein kostenloses Wertpapierdepot, für das er von den Filialbanken ebenfalls zur Kasse gebeten wird.
Im Gegenzug muss der Kunde auf eine persönliche Beratung verzichten. Zwar bieten die Direktbanken und Onlinebroker im Internet mittlerweile ausgefeilte interaktive Tools, die es dem Anleger ermöglichen, sein eigenes Risikoprofil zu bestimmen und die dazu passenden Wertpapiere zu finden, doch eine Anlageberatung „von Angesicht zu Angesicht“ findet bei Onlinebrokern schon wegen der fehlenden Filialen nicht statt. Das spart hohe Personal- und Raumkosten und kommt dem Anleger letztlich in Form von niedrigen Transaktionskosten zugute. Der Verzicht auf persönliche Beratung wird von vielen Kunden sogar als Vorteil empfunden: Direktbanken und Onlinebroker arbeiten produktneutral. Das heißt, dem Anleger werden keine hauseigenen Produkte oder Aktien empfohlen, die das Institut möglicherweise selbst noch hält und gern an unbedarfte Kunden verkaufen möchte. „Selbstverantwortung“ lautet die Devise im Onlinebrokerage.

Der unkomplizierte und preiswerte Zugang zur Börse per Telefon oder Mausklick machte die Wertpapieranlage in Deutschland und den europäischen Nachbarstaaten populär. Mit der comdirect bank (Commerzbank), der DAB Bank (HypoVereinsbank) und Consors (inzwischen Cortal Consors) waren zwischen Mitte und Ende der 1990er-Jahre drei große Onlinebroker schon vor Beginn der Börsenhausse an den Markt gegangen. Als dann auf dem Höhepunkt des New-Economy-Fiebers die Börsenkurse keine Grenzen mehr zu kennen schienen und ständig neue Unternehmen den Sprung auf das Parkett wagten, boomte das Geschäft der Broker so sehr, dass deren Telefonleitungen mitunter schon mal zusammenbrachen. Immer mehr Onlinebroker kamen an den Markt und wollten von der Goldgräberstimmung an den Kapitalmärkten profitieren.
Doch so sehr der Erfolg der Online- oder Direktbroker das filiallose Bankgeschäft in Deutschland auch forcierte, der preiswerte Handel mit Wertpapieren als Kern des Geschäftsmodells barg erhebliche Risiken. Das anfänglich ungestüme Wachstum der Onlinebroker beruhte vor allem auf dem spektakulären Börsenboom. Nach dem Einbruch an den Finanzmärkten ab dem Jahr 2001 gerieten die Onlinebroker in erhebliche Turbulenzen. Kleinere Anbieter wie die Berliner Systracom verschwanden vom Markt. Der Broker pulsiv*com ging im neuen Sparkassen Broker auf, Easytrade wurde von der Muttergesellschaft Postbank reintegriert.
Die Onlinebroker haben ihre Lektion gelernt. Sie lässt sich in der Volksweisheit zusammenfassen: „Auf einem Bein steht man schlecht.“ Der geschäftliche Erfolg einer auf das Massengeschäft ausgerichteten Bank, die sich allein auf die preiswerte Abwicklung von Wertpapiertransaktionen konzentriert, hängt in hohem Maße von den Launen der Börsen ab. Als Konsequenz daraus bauten viele Onlinebroker ihre Produkt- und Dienstleistungspalette in den vergangenen Jahren weiter aus und entwickelten sich – wenngleich mit unterschiedlicher Geschwindigkeit – weiter zu kompletten Hausbanken. Für eine Hausbank ohne Filialen stellt das Direktbrokerage eine zwar wichtige, aber nicht die einzige Säule ihres Geschäfts dar. Hinzu kommen der allgemeine Geldverkehr (Girokonten), Spar und Kreditprodukte, der Bereich Baufinanzierung und teilweise die Vermittlung einfacher Versicherungsprodukte.