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Der Fall mit WestLB und die Folgen der Düsseldorfer Flugaffäre

Wann immer in Deutschland Firmen verkauft, Beteiligungen verschachert, junge Unternehmen an die Börse gebracht, Milliardenkredite organisiert oder marode Unternehmen gerettet werden sollen – schlicht: Wann immer in Deutschland Kapital gebraucht wird oder angelegt werden soll – mischen neben den privatrechtlichen Großbanken meist auch die öffentlich-rechtlichen Landesbanken mit. Sie sind natürlich auch dabei, wenn etwas schief geht. Die Bayerische Landesbank ist der größte Gläubiger der Kirch- Gruppe und auch beim Berliner Pleitier Hetzel im Boot.

Doch keines der regionalen Institute drehte in den vergangenen zehn bis 15 Jahren ein größeres Rad als die Westdeutsche Landesbank Girozentrale, die WestLB. An der Bank mit Hauptsitzen in Düsseldorf und Münster lief bisher keine bedeutende Kapitaltransaktion des bevölkerungsreichsten Bundeslands – oder meist auch der Bundesrepublik – vorbei.

Am 21. August 2001 trat eine der umtriebigsten und schillerndsten Figuren aus der deutschen Bankenszene in den Ruhestand: Ein Eckpfeiler der sozialen Marktwirtschaft in Deutschland, nannte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Wolfgang Clement den Pensionär auf dem Abschiedsempfang im WestLB- Schloss Krickenbeck und lobte den Banker als einen Mann, der die Spielregeln der internationalen Finanzmärkte beherrscht und die Bank zu einem sehr starken Stück Nordrhein-Westfalen gemacht habe. In seinen Augen, so der Landesvater, habe der Chef der Landesbank, einen unanfechtbaren, leidenschaftlichen Einsatz für das Land gezeigt. Friedei Neuber hat das Steuer der Bank auch dann auf Kurs gehalten, wenn die See einmal rauer war. So viel Lob zum Abgang mag manchen der anwesenden Gäste verwundert haben, denn das Verhältnis zwischen dem sozialdemokratischen Chef der Landesregierung und seinem Topbanker war längst nicht mehr das Beste. Zu viele Affären und Skandale, die sich in den letzten Jahren seiner Amtszeit um den hünenhaften Banker mit dem Hans-Albers-Lächeln rankten, hatten Clement längst auf Abstand gehen lassen. Im Netz von gegenseitigen Gefälligkeiten und Verpflichtungen, das Neuber in den 20 Jahren seiner Amtszeit an der Spitze der Landesbank geknüpft hatte, drohte sich auch Wolfgang Clement zu verfangen. Der rote Filz zwischen der Bank und der Regierung bot der Opposition im Düsseldorfer Landtag immer wieder eine breite Angriffsfläche.

Im Reich des roten Paten
Neuber verfügte nicht nur über glänzende Beziehungen in die Zentralen der nordrhein-westfälischen Konzerne, sondern als ehemaliger Abgeordneter der SPD im Düsseldorfer Landtag auch in die Politik. Doch nicht nur seine Gefolgsleute wurden von Neuber bedacht, er sorgte dafür, dass auch die Gegner nicht zu kurz kamen. Und so manchem Politiker und Wirtschaftsmann war sein persönliches Fortkommen schon mal einen Kotau vor dem mächtigen Financier wert. Gegen den Willen des roten Paten lief lange Jahre nichts in Nordrhein-Westfalen, gegen sein Veto konnte nicht einmal beim Energieversorger RWE ein Führungsposten besetzt werden.

Doch in der zweiten Hälfte der 90er Jahre hatte auch der oberste Landesbanker sein Konto überzogen. Im September 1996 fielen in der WestLB-Zentrale 600 Steuerfahnder ein. Zweck der Razzia war die Beschlagnahme von Aufzeichnungen, Akten und Dokumenten, mit denen der Verdacht auf Steuerhinterziehung erhärtet werden sollte. Zu ihrer Überraschung fanden die Beamten allerdings polierte Schreibtische und leere Aktenordner vor.

Offensichtlich war die Bank gewarnt worden. Es dauerte nicht lange, bis die Suche nach dem Tippgeber auf Neubers Vertrauten, den nordrhein-westfälischen Finanzminister und Verwaltungsratsmitglied der WestLB, Heinz Schleußer, stieß. Doch Schleußer, den mit dem Banker eine enge Freundschaft verband, wies jeden Verdacht von sich und bewiesen werden konnte ihm nichts. 1999 durchkämmten Steuerfahnder auch Neubers Privathaus. Gegen den Bankchef und einige seiner Vorstandskollegen wurde ebenfalls ermittelt.

Im November 1999 enthüllt ein Bericht in dem Magazin Der Spiegel, wie großzügig Neuber sich gegenüber seinen politischen Freunden gezeigt hatte. Die SPD-Spitzen wurden jahrelang von der Düsseldorfer Flugfirma Privat-Jet-Charter transportiert. Ob der damalige Ministerpräsident Johannes Rau oder sein Finanzminister Schleußer geschäftlich oder privat unterwegs waren, ein Anruf in Neubers Vorstandssekretariat genügte und der Flieger stand bereit – die Bank zahlte. Der Spiegel konnte die Flugaffäre mit Hilfe der Aufzeichnungen, die der 1997 verstorbene PJC- Chefpilot Peter Wichmann angefertigt hatte, aufdecken.

Monatelang beschäftigten die Reisegewohnheiten von Rau, Schleußer und seltener auch des damaligen Leiters der Staatskanzlei, dem heutigen Ministerpräsidenten Wolfgang Clement, die deutsche Politszene und die Öffentlichkeit. Rund 200-mal pro Jahr waren die PJC-Flieger 1995 und 1996 im Dienste der Landespolitiker unterwegs gewesen.

Für die Flüge wurden der Bank zwischen 15.000 und 60.000 € in Rechnung gestellt – ein Businessflug der Lufthansa hätte in den meisten Fällen nicht einmal 1.000 € gekostet. Aus seinen Aufzeichnungen, die der PJC-Chef Wichmann erst nach seinem Tod zur Veröffentlichung freigegeben hatte, und den Aussagen seiner Witwe, ging allerdings auch hervor, dass die Bank von ihrem Chefpiloten kräftig abgezockt wurde. Wichmann hatte oft nachträglich die Flugzeiten verlängert und so einen satten Zuschlag kassiert. Doch das war den Bankern offensichtlich nicht aufgefallen, die Rechnungen wurden einfach abgezeichnet.

An manchen Tagen hoben die PJC-Flieger sogar mehrmals ab, um die viel beschäftigten SPD-Oberen pünktlich zu ihren dringenden Terminen in andere Landeshauptstädte zu bringen. Bei so vielen Flugbewegungen im Dienst der Bürger und Wähler war dann auch mal ein privater Zwischenstopp oder ein kleiner Urlaubsflug drin.

Vor allem Schleußer nutzte die private Flugbereitschaft der Bank gerne, um sich für ein paar Ferientage nach Kroatien zu seiner Yacht fliegen zu lassen. Das war allemal bequemer als eine Reise mit der Lufthansa, weil der Bootsbesitzer ja auch immer wieder größere Ersatzteile fürs Schiff mitnehmen musste, was sich die Lufthansa als Übergepäck gerne extra bezahlen lässt. Auch der mittlerweile zum Bundespräsidenten aufgestiegene ehemalige Landesvater Rau gehörte zu den Vielfliegern der von der Bank gecharterten Fluggesellschaft. Unrechtsbewusstsein war bei den Spitzen der SPD-Connection eher selten: Die WestLB ist ja zu über 40 Prozent unser Laden, zitierte Der Spiegel im Herbst 1999 einen führenden Politiker der Düsseldorfer SPD. Das Reise Business kam erst zum Erliegen, als die Steuerfahndung die Büros von PJC filzte und wenig später auch der Chefpilot verhaftet wurde, als er gerade seinen Hauptauftraggeber Neuber nach Frankfurt fliegen wollte.

Die Folgen der Düsseldorfer Flugaffäre Im Zuge der Ermittlungen kamen dann noch einige delikate Details aus dem Umgang der Düsseldorfer SPD-Prominenz mit ihrer Bank ans Tageslicht. So hatte Schleußer einige Trips in weiblicher Begleitung angetreten, ohne die Kosten für den Passagier, der nicht seine Frau war, zu begleichen. Da hatte sich der Ministerpräsident an seinem Wohnort Wuppertal Geburtstagsempfänge von der WestLB ausrichten lassen – allein die Party zu seinem 65. Wiegenfest soll die Bank 150.000 € gekostet haben. Und dann gab es bei der WestLB noch einen speziellen Investmentclub, in dem die Spitzengenossen durch geschickte Geldanlagen unter der Aufsicht von Bankexperten ihr Vermögen mehren konnten.

Im Düsseldorfer Landtag wurde schließlich im Januar 2000 ein Untersuchungsausschuss eingesetzt, der die Vielflieger vernehmen sollte. Vor allem Schleußer verstrickte sich immer tiefer in Ausflüchte und Widersprüche. Noch im selben Monat trat der nordrhein-westfälische Finanzminister, ein SPD-Urgestein, von seinem Amt zurück. Rau kam glimpflich davon, weil er die meisten Flüge als Dienstreisen deklarieren konnte und die häufigen Empfänge zu seinen Repräsentationspflichten als oberster Landesvater zählten. Doch das Ansehen des Bundespräsidenten hatte schweren Schaden genommen. Auch Clement überstand die Affäre mit nur geringen Blessuren, er wurde jedenfalls bei seiner Wiederwahl im darauf folgenden Frühjahr in seinem Amt bestätigt.

Den größten Schaden trug – nicht überraschend – Neuber selbst davon. Mit seinen großzügigen Angeboten hatte der Pate die sich aufopfernden Politiker schließlich erst in die Bredouille gelockt. Die Düsseldorfer Flugaffäre mobilisierte auch andere Gegner des mächtigen WestLB-Chefs. Bei den Frankfurter Großbanken! hatte sich Neuber schon lange unbeliebt gemacht. Die feinen Herrschaften der großen Geldhäuser irritierte weniger sein barocker Lebensstil, seine Trinkfestigkeit und seine Nähe zu den Sozialdemokraten in Nordrhein-Westfalen als vielmehr der Nutzen, den der gewiefte Finanzmann Neuber aus dem Status seiner Bank als öffentlich- rechtliches Institut ziehen konnte.

Unter Neubers Führung war die WestLB zu einem der größten Kreditinstitute Deutschlands aufgestiegen. Die Bilanzsumme wuchs in den 20 Jahren seiner Regentschaft von 124 Milliarden auf 782 Milliarden €. Damit hatte die WestLB sogar den ewigen Dritten in der deutschen Bankenlandschaft, die Commerzbank, überholt. Während Neubers Amtszeit hatte sich die Regionalbank zu einem der großen Powerhäuser mit eigener Investmentbank gemausert. Die nordrhein-westfälischen Landesbanker haben Zweigstellen und Repräsentanzen in 18 europäischen Staaten eröffnet und sind auf der ganzen Welt in 35 Ländern vertreten. In Asien finanziert die Bank den Bau von Hafen- und Kraftwerken, in Nordamerika sind es Projekte im Energiebereich, in Europa engagiert sich die Bank im Telekommunikationssektor, bei Infrastrukturprojekten sowie im Tourismus und im Flugverkehr. In Großbritannien führt sie das Konsortium, das den geplanten Neubau des Londoner Wembleystadiums mit einem Gesamtkostenvolumen von 1,1 Milliarden Euro finanzieren will. Die WestLB soll dabei ein Finanzierungspaket für rund die Hälfte der Kosten schnüren.

So richtig in seinem Element war der Banker Neuber, wenn er über Beteiligungen im großen Stil Industriepolitik betreiben konnte. Die WestLB erweiterte ihr Imperium durch das Zusammengehen mit anderen Landesbanken. Jahrelang herrschte Neuber zudem über die Chartergesellschaft LTU und den größten europäischen Reiseveranstalter TUI. Mit diesen Engagements hat Friedei Neuber die Entwicklung des Tourismusmarktes entscheidend beeinflusst und beim Umbau des Maschinen- und Anlagenbauer Preussag zum Ferienveranstalter TUI kräftig nachgeholfen.

Die Großbanken versuchten den Macht- und Geschäftszuwachs des Düsseldorfer Powerhauses mit allen Mitteln zu bremsen. Der Weg führte die Neuber-Gegner nach Brüssel. Bei der EU-Kommission beschwerten sie sich über die Wettbewerbsverzerrungen, die im deutschen Markt durch die öffentlich rechtlichen Landesbanken entstünden. Weil sie nicht den Haftungsbedingungen und Mindestreserveauflagen der privaten Bankwirtschaft unterliegen, könnten sie sich günstiger refinanzieren und billigere Kredite vergeben. Für die Schieflagen der Landesbanken muss die jeweilige Landesregierung (und damit der Steuerzahler) einspringen. Nach jahrelangem Streit einigten sich die EU und die Landesbanken darauf, bis zum Jahr 2005 ihre Organisation zu teilen: Die Finanzierung der landespolitischen Strukturpolitik soll künftig die öffentlich-rechtliche Muttergesellschaft Landesbank NRW übernehmen, die kommerziellen Bankgeschäfte die Tochter WestLB AG.

Unbewältigte Altlasten
Bei der alten WestLB war die EU-Kommission aber noch auf ein spezielles Problem gestoßen. Die Übertragung von Wohnungseigentum des Landes auf die WestLB zu Beginn der 90er Jahre wurde nach Ansicht der EU-Wettbewerbshüter zu einem Zinssatz vollzogen, der deutlich zu niedrig gewesen war. Nach langer Prüfung der Umstände deklarierte Brüssel diese Zuwendung 1999 als unzulässige Beihilfe und forderte die WestLB auf, Zinsen in Höhe von mehr als 800 Millionen € nachzuzahlen. Um diese Rückerstattung stritten sich WestLB und EU-Kommission noch im Sommer des Jahres 2002 vor dem Europäischen Gerichtshof.

Das sind aber längst noch nicht alle Altlasten, die Neubers Nachfolger Jürgen Sengera abarbeiten muss. Zu den weniger gelungenen Deals der WestLB zählt auch das Engagement der Bank im Formel-1-Rennsport. So hatte sie 1998 als Konsortialführerin eine Anleihe über 1,4 Milliarden Dollar für die Formel-1-Tochter Formula One Finance BV auf den Markt gebracht. Weil die Anleihe jedoch nicht zu platzieren war, musste die WestLB Papiere im Wert von rund einer Milliarde Euro ins eigene Portfolio nehmen, gut die Hälfte davon liegen da noch immer. Seit dem Konkurs der Kirch-Gruppe, der der Rennzirkus mehrheitlich gehörte, dürfte auch bei diesem Posten der Wertberichtigungsbedarf schnell steigen. Dazu könnten noch Schadensersatzforderungen von geprellten Infomatec- und EM.TV-Anteilseignem kommen. Denn auch am Neuen Markt hatte die Bank in den letzten Jahren des Paten kräftig mitgemischt und wie die Beispiele von EM.TV und Infomatec gezeigt haben, nicht immer eine glückliche Hand bei der Auswahl ihrer Börsendebütanten bewiesen.

Die Pannenserie ging weiter: Im Sommer 2003 musste auch Neubers Nachfolger Jürgen Sengera seinen Platzrähmen . Der WestLB-Chef stolperte über das Engagement der Bank in Großbritannien. Das NRW-Institut hatte nicht nur Großprojekte wie das Wembley-Stadion mitfinanziert, sondern war auch bei einigen maroden Unternehmen eingestiegen. Zu den teuren Missgriffen zählte die Finanzierung des TV-Geräteverleihers Boxclever, den Robin Saunders, die Top-Investmentbankerin des Kreditinstituts, erworben hatte. Mit Wertberichtigungen von 700 Millionen Euro trug Saunders Investment kräftig zum Verlust der Bank im Jahr 2002 bei. Miese von 1,7 Milliarden Euro musste die WestLB melden. Die Höhe des Verlustes und die riskanten Investments der Bankerin, die zu den schillerndsten Repräsentanten der Londoner Bankenszene gehört, alarmierten die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin).

Die Prüfer monierten die ungenügenden Risikokontrollen der Landesbank. Sengera ging, sein Nachfolger Johannes Ringel wies an, dass dünftig Kreditgeschäft und Investments getrennt werden müssten. Dem einstigen Star Saunders wurde verboten, neue Beteiligungen abzuschließen – was einem Berufsverbot gleichkam.

Saunders zog es vor, Ende 2003 die Bank zu verlassen. Ein Abgang ohne Abfindung, wie die Bank betonte. Allerdings etwas Geld gab es dann doch, die Bank versüßte der smarten Bankerin den Abschied mit ein bis zwei Millionen Euro – das wären Bonuszahlungen, die Saunders zuständen, ihr aber nach dem Boxelever- Desaster zunächst nicht ausgezahlt worden wären. Auch Interimschef Ringel ist vorzeitig in den Ruhestand gegangen, denn nun hat der frühere Deutsch-Bank-Vorstand Thomas Fischer das Ruder übernommen, um das schlingernde Bankhaus durch die Turbulenzen zu steuern.

Gegen Sengera, Saunders und andere Bankmanager ermittelt derweil die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft.