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Der Kampf um die Dresdner Bank – detailliertere Information

Frischer Wind für die Deutsche Bank: Bankers Trust Während in München noch die Fetzen flogen, hatte der Deutsche- Bank-Chef Rolf-E. Breuer seinen größten Coup schon gelandet. Im November 1998 kündigte Breuer stolz die Übernahme des US- Investmenthauses Bankers Trust an. Der Preis: die Rekordsumme von 9,2 Milliarden Dollar. Damit legte die Frankfurter Bank 93 Dollar für jede ausstehende Aktie auf den Tisch. Die Börse honorierte den Abschluss der Übernahme im Juni 1999 mit leichten Kursgewinnen. Breuer hatte die beiden Geldhäuser zum größten Finanzinstitut der Welt zusammengebracht, mit 95.847 Beschäftigten und einer Bilanzsumme von 840 Milliarden Euro. Dass Bankers Trust in der Vergangenheit immer wieder durch riskante Deals mit hohen Verlusten aufgefallen war, konnte Breuer nicht bremsen. Mit dem Zukauf würde Deutschlands größtes Geldhaus endlich auch in der Königsdisziplin des Geldgewerbes – im Investment Banking-ganz oben mitspielen können. Es wird eine neue Deutsche Bank geben, verkündete er stolz auf der Welcome-Party für die neuen Mitarbeiter, die unter dem viel versprechenden Motto Let’s go global am 4. Juni 1999 in der Frankfurter Konzernzentrale mit Konfetti und Miller-Bier gefeiert wurde. Wir sind weltweit führend in allen wichtigen Bereichen der Finanzdienstleistungen. Breuer versprach auch die fugenlose Integration der rund 20.000 Bankers-Trust-Mitarbeiter.

Doch das durften die Neuankömmlinge nicht allzu wörtlich nehmen: 5.500 Mitarbeiter in New York und London waren nicht erwünscht. Abteilungen, die riskante Geschäfte abgeschlossen hatten, wurden dichtgemacht. Nicht einmal den Namen des Instituts wollten die Frankfurter übernehmen, nur die Bankers-Trust- Tochter Alex Brown durfte weiterleben. Mit dem Name-Dumping wollten die Frankfurter die schillernde Vergangenheit ihrer 103 Jahre alten Neuerwerbung auslöschen. Bankers Trust war zum Zeitpunkt der Übernahme kein lupenreiner Edelstein. Zu Beginn der 90er Jahre hatten die New Yorker Investmentbanker schwere Verluste im Handel mit Derivaten – das sind hochkomplizierte Finanzwetten – erlitten und 1997 mit hohen Risikopositionen für Aufregung an der Wallstreet gesorgt.

Selbst als in Frankfurt die Übernahme-Party gefeiert wurde, war noch ein Gerichtsverfahren gegen die alte Bankers-Trust- Führung anhängig. Das Management der Investmentbank stand in den USA wegen Bilanzfälschung unter Anklage. Namenlose Kundenkonten im Wert von 19 Millionen Dollar waren als Eigenkapital verbucht worden. Die Strafe in Höhe von 60 Millionen Dollar, die den Managern ihrer neuen Tochter für dieses Vergehen auferlegt wurde, musste die Deutsche Bank zahlen.

Dennoch ließen sich die Stars unter den neuen amerikanischen Deutsch-Bankern den Wechsel kräftig vergolden. Rund 335 Millionen € garantierten die Frankfurter den fünf Spitzenmanagern von Bankers Trust, wenn sie wenigstens fünf Jahre dabeiblieben. Doch der Topfmanzmanager, nach Bankers-Trust-Chef Frank Newman der wichtigste Mann des Investmenthauses, schlug das Angebot aus, das ihm neben einem Jahreseinkommen von 4,5 Millionen Dollar einen Treuebonus von neun Millionen Dollar beschert hätte.

Als Breuer sich im Juli 1999 wegen des Bilanzfälschungsskandals von dem bisherigen Chef seiner Neuerwerbung trennen wollte, kostete die Bank der Abschied von Newman noch einmal rund 100 Millionen Dollar. Auch mit der Höhe dieser Abfindungssumme sorgte der Deutsche-Bank-Chef zumindest hierzulande für einen neuen Rekord. Sogar im Vorstand gab es einen Aderlass. Die Übernahme-Kritiker Michael Endres und Jürgen Krumnow mussten gehen: Endres wurde in den Ruhestand geschickt, Krumnows Vertrag nicht verlängert. Breuers Kommentar zu dem für die Deutsche Bank eher seltenen Vorgang: Auch für Vorstände gibt es keine Garantie für eine lebenslange Beschäftigung mehr.

Fürstlich wurden die entlohnt, die geblieben waren. Weil die Bank im ersten Halbjahr 1999 ein grandioses Ergebnis erwirtschäftet hatte, war Breuer nicht kleinlich. Die Wertpapierhändler allein kassierten Boni von 935 Millionen Euro – das war fast die Hälfte des Handelsgewinns, der allerdings in diesem Zeitraum um knapp 80 Prozent auf 2,3 Milliarden Euro gestiegen war. Die Aktionäre der Deutschen Bank spürten jedoch wenig von Breuers Shoppingtour. Wegen der Erstkonsolidierung von Bankers Trust und dem Wachstum des Geschäfts sei der Verwaltungsaufwand von 10,1 Milliarden Euro 1998 um rund 55 Prozent gestiegen, erklärte die Deutsche Bank zum Ergebnis des Jahres 1999. Die Anteilseigner wurden mit einer auf 1,15 Euro je Aktie erhöhten Dividende abgespeist. 1998 hatte die Ausschüttung je Anteilsschein 1,12 Euro betragen.

Mit der Übernahme von Bankers Trust änderte sich allerdings auch für die Mitarbeiter der Deutschen Bank vieles. Plötzlich gaben die Investmentbanker den Ton an. Allen voran Breuer machte aus seiner Abneigung gegen das Traditionsgeschäft der Bank keinen Hehl mehr. Weder die Industriebeteiligungen, die die Bank seit Jahrzehnten zur Absicherung ihres Kreditgeschäfts mehr oder weniger erfolgreich gepflegt hatte, noch das Retailbusiness mit den Kleinkunden oder das Firmenkundengeschäft mit den mittelständischen Unternehmern fanden Gnade vor den Augen des Bankchefs: Wir haben an faulen Krediten mehr als an allen Marktturbulenzen zusammen verloren, rechnete Breuer seinen Mitarbeitern kühl vor und erklärte knapp, dass die Bank künftig an einer Ausweitung dieser Geschäfte nicht interessiert sei.

Privatkunden mit Durchschnittseinkommen wurden von September 1999 an zur Deutsche Bank 24 abgeschoben – rund 900 Millionen Euro ließ sich Breuer diesen Transfer kosten, den sein Nachfolger Ackermann jetzt wieder rückgängig machen will. Für jede Sparte wurden Profitcenter gegründet: Die Industriebeteiligungen wurden in der DB Investor AG zusammengefasst, die Privatkunden betreut die Deutsche Bank 24. Die technischen Dienste werden in der European Transaction Bank AG verselbstständigt, die Deutsche-Bank-Tochter Morgan Grenfell wurde in Deutsche Asset Management umfirmiert und das Firmenkundengeschäft als eigenständiger Bereich organisiert.

Zusammengehalten wurde der neue Konzern im Vorstand, der als Holdinggesellschaft fungierte, und an der Basis. Der klassische Deutsche-Bank-Berater musste als Vermittler den Spagat zwischen den einzelnen Bereichen üben. So sollten die Schalterangestellten die Kunden an die jeweiligen Spezialabteilungen weiterleiten: Privatkunden dem Aktienhändler zuführen, Jungunternehmer den Expertenteams für Börsengänge und die Mittelständler den Spezialisten für Unternehmensverkäufe und Fusionen.

Damit die Mitarbeiter diese neuen Aufgaben auch erfüllten, wurde ein ausgeklügeltes Belohnungssystem eingeführt. Für jede erfolgreiche Vermittlung wurde dem Kundenberater ein gewisser Prozentsatz der daraus resultierenden Leistung, die dann die Spezialisten erbringen mussten, gutgeschrieben – rein virtuell natürlich. Die Schattenbuchhaltung sollte ja vor allem dokumentieren, ob die Mitarbeiter bei der Reorganisation mitzogen oder sie blockierten. Doch bevor die bankinterne Kulturrevolution greifen konnte, plante Breuer schon den nächsten Coup. Diesmal ging es ihm darum, das für die Deutsche Bank wenig profitable Massenkundengeschäft und das kostenintensive Filialnetz der Bank loszuwerden. Um dieses Ziel zu erreichen, strebte Breuer den ganz großen Wurf an: eine Fusion mit dem Rivalen und Branchenzweiten – der Dresdner Bank.

Die Frankfurter Verlobung
Als sich Breuer im Februar 2000 mit dem Vorstandssprecher der Dresdner Bank, Bernhard Walter, zu ersten Sondierungsgesprächen traf, geschah dies mit Wissen und Billigung des größten europäischen Versicherungskonzerns. Allianz-Chef Henning Schulte-Noelle hatte durchaus Interesse daran, sich am gemeinsamen Filialnetz der beiden Banken zu beteiligen, um dort seine Versicherungspolicen zu verkaufen. Dadurch könnte auch die Rendite des Retail Banking erheblich verbessert werden. Vorausgesetzt die beiden Banken würden ihre Niederlassungen deutlich reduzieren. Das schien zunächst kein Problem, denn überall dort, wo sich Filialen der Dresdner Bank und der Deutschen Bank in enger Nachbarschaft Konkurrenz machten, könnte eine Filiale geschlossen werden. Auf diese Weise würde man 17.000 Mitarbeiter einsparen. Außerdem wollte sich die Allianz an der Deutschen Bank 24 beteiligen und der Deutschen Bank die Deutsche Herold Versicherung abnehmen, die erst 1992 gekauft worden war, als der Branchenerste im Geldgewerbe seine Zukunft noch im Allfinanzbereich gesehen hatte.

Breuer hatte gegen diesen Vorschlag nichts einzuwenden, denn unter seiner Führung marschierte die Deutsche Bank längst in Richtung Investmentbank. Des Weiteren hätte Schulte-Noelle gerne noch die Fondsgesellschaft DWS von der Deutschen Bank übernommen – mit einem Anlagevermögen von 175 Milliarden € schon damals eine der größten in Deutschland.
Das Plazet der Allianz war allerdings auch aus einem anderen Grund wichtig. Dem Versicherungsriesen gehörten 21,7 Prozent an der Dresdner Bank, ohne dessen Zustimmung ging gar nichts.

Als sich Breuer und Walter im Februar 2000 trafen, waren sich die beiden Banker schnell einig über die grobe Struktur des Deals. Die Details sollten kleine Teams von Vertrauten erarbeiten. Es wurde strikte Geheimhaltung vereinbart. Noch bevor Breuer seine Kollegen im Vorstand der Bank voll ins Bild setzte, hatte er schon auf eine Perle des Imperiums der Deutschen Bank verzichtet – die Fondsgesellschaft DWS war der Allianz zugesprochen worden. Erst am 27. Februar wurden die Vorstände der Deutschen Bank über das Geschäft umfassend informiert. Breuer hatte einen Merger of equals vorgeschlagen. Dieses Wort hatte seit dem Zusammenschluss von Daimler und Chrysler Konjunktur – es klang unverfänglich und kaschierte den Umstand, dass einer der beiden Fusionäre eben doch gleicher war als der andere und das Sagen hatte.

Bei diesem Bankencoup waren die Gewichte von Anfang an klar verteilt: Die Besitzverhältnisse an der neuen Gesellschaft hätten nach Ansicht von Investmentbankern anderer Institute auf 70:30 lauten müssen. Doch Breuer wollte seinen neuen, kleineren Partner nicht zu ärmlich aussehen lassen und so wurde das Verhältnis auf 62:38 zugunsten der Dresdner Bank leicht angehoben. Im Aufsichtsrat der Deutschen Bank musste Breuer für seine barmherzige Geste später heftige Kritik einstecken.

Beim Namen des neuen Instituts ging Breuer keine Kompromisse ein: Auch das neue Unternehmen würde Deutsche Bank heißen, aber die Hausfarbe Blau gegen das Grün des Juniorpartners getauscht werden. Die Begeisterung hielt sich in Grenzen, aber es legte sich auch kein Vorstand quer. Die in der Bank gebotene Einstimmigkeit bei Vorstandsentscheidungen wurde eingehalten, Breuer durfte weiter verhandeln. Etwas mehr Enthusiasmus schien Walter bei seinen Vorstandskollegen in der Dresdner Bank geweckt zu haben. Einige meinten damals noch, dass es ein schöner Deal werden könnte, zitierte Der Spiegel einen der Beteiligten.

Ein Juwel wird zum Stolperstein: Kleinwort Benson Am 9. März 2000 stellten sich die beiden Dealmaker im Atrium der Deutschen Bank der Presse. Gerüchte über die bevorstehende Fusion waren allerdings längst durchgesickert. Alle großen Tageszeitungen inklusive Bild spekulierten bereits über den bevorstehenden Megadeal. Sie stellten die Fragen, die Breuer und Walter selber noch nicht abschließend geklärt hatten: Welche Filialen geschlossen, wie viele Arbeitsplätze gestrichen werden sollten und wie der Koloss geführt werden sollte. Der drängendsten Frage aber ging die Financial Times nach, die versuchte, die Zukunft der Investmenttochter der Dresdner Bank, Kleinwort Benson, auszuloten. Dieses Institut mit seinen rund 7.000 Mitarbeitern wurde in der Dresdner Bank – und nicht nur dort – als Juwel geschätzt. Die Hälfte der Gewinne der Muttergesellschaft erwirtschaftete Kleinwort Benson.

In den Fusionsverhandlungen war das Schicksal der Investmenttochter offenbar weitgehend ausgeklammert worden. Die Financial Times berichtete nun jedoch, dass Kleinwort Benson dichtgemacht werden sollte. Damit war der Eklat perfekt, bevor der Deal öffentlich angekündigt worden war.

Um die ob der Zeitungsmeldung verprellten Investmentbanker bei der Stange zu halten, ging Rolf-E. Breuer auf der Pressekonferenz in die Vollen: Wir sind froh, dass wir durch unsere Transaktion ein solches Juwel zu dem vorhandenen Investment Banking hinzuaddieren können. Es wird weder geschlossen noch verkauft. Und alles, was dazu heute Morgen geschrieben oder gesagt wurde, ist blanker Unsinn.

Dieses Dementi, das Breuer den Journalisten in die Mikrophone und Blöcke diktiert hatte, löste bei den Investmentbankern der Deutschen Bank blankes Entsetzen aus. Edson Mitchell, der Chef der Abteilung Global Markets in London, aber auch die Truppe um den Deutsche-Bank-Vorstand Josef Ackermann in Frankfurt hatten längst ihr Urteil über den Konkurrenten gefällt. Kleinwort Benson passe nicht zur Deutschen Bank, eine Integration des Investmenthauses sei nicht zu machen. Nach der Übernahme von Bankers Trust habe man gerade erst wieder homogene Teams zusammengestellt, die jetzt nicht wieder gestört werden dürften; von den rund 7.000 Mitarbeitern könnten bestenfalls ein paar Hundert – die eigentlichen Topbanker mit ihren engsten Mitarbeitern – übernommen werden, der Rest der Belegschaft sei überflüssig, lautete die Botschaft an den Vorstandschef.

Um ihren Worten die angemessene Bedeutung zu verschaffen, sorgten die Investmentbanker dafür, dass ihre Meinung als Indiskretionen gestreut in Zeitungen und Branchendiensten auch publiziert wurde und die Gegenseite erreichte. Dort lösten sie immer wieder Schockwellen aus und schürten Aversionen gegen die Fusion. Die Deutsche Bank wurde von vielen Mitarbeitern der Dresdner Bank immer mehr als arroganter Raider gesehen, der den ungeliebten Rivalen niedermachen will.

Breuer war in eine Sackgasse geraten. Auf der einen Seite stand er bei Walter im Wort, das er unvorsichtiger Weise auch noch in aller Öffentlichkeit gegeben hatte, andererseits war klar, dass er gegen die Mauer der Ablehnung im eigenen Haus Kleinwort Benson nicht würde halten können. Die Position von Walter war nicht komfortabler. Auch im Vorstand der Dresdner Bank wuchs der Widerstand gegen die Fusion, die sich im Laufe der Verhandlungen als brutale Übernahme entpuppte. Kleinwort Benson wurde zur alles entscheidenden Frage für das Make or Break. Vor allem Leonhard Fischer, Investmentbanker im Führungsgremium und nach Walter der zweitwichtigste Vorstandsmann, bestand auf dem Erhalt der profitablen Tochter. Der Kampf um Kleinwort Benson fand vor einer zunehmend feindlicheren Kulisse statt. Nicht nur die Wirtschaftsjournalisten vermochten keinen echten Nutzen in der Fusion zu entdecken, weil sich beide Institute in allen Bereichen zu sehr ähnelten, auch die Analysten und Investmentbanker fanden keinen Gefallen an der Fusion. Blitzschnell wurde der eigentliche Sieger dieses Supercoups, der schon bald nach einem Megadebakel aussah, ermittelt: die Allianz. Die Versicherung sollte den Zugriff auf wesentliche Teile des Privatkundengeschäfts beider Banken erhalten und dazu noch die Pfründe, die die größte deutsche Fondsgesellschaft DWS mitbringen würde, als Zugabe obendrauf.

Kursverluste und Imageschäden
Der Aktienkurs der Allianz stieg, die Notierungen der Anteilsscheine der beiden Banken fielen: Innerhalb weniger Tage sackten die Kurse um 25 Prozent ab. Bei den Mitarbeitern in den Investmentabteilungen heizte der Kursverfall die Stimmung gegen die Fusion an: Die Topshots werden nach Leistung bezahlt und der Kurs der Aktie ist dabei ein wichtiger Gradmesser. Trotz dieser Widerstände liefen die Verhandlungen weiter: Integrationsteams wurden gebildet, die entscheiden sollten, welche Stellen man streichen würde und wer bleiben durfte. Die Aufsichtsräte beider Banken wurden informiert und die Mehrheit entschied sich für die Fusion. Nur die Arbeitnehmervertreter mochten nicht mitmachen: Sie stießen sich an dem drastischen Verlust von 16.000 Jobs.

Dann passierte ein weiterer folgenschwerer Fehler, der das ohnehin fragile Fusionsgebäude zum Wanken brachte. Der Dresdner-Bank-Vorstand Joachim von Harbou, der das Privatkundengeschäft betreute, plauderte öffentlich über den künftigen Umgang mit den Privatkunden nach der Fusion: Wer weniger als 200.000€ mitbringt, könne dann nicht mehr mit individueller Beratung rechnen, sagte der Banker. Mit dieser Enthüllung der geplanten Geschäftspolitik trat Harbou einen Sturm der Entrüstung los. Medien und Kunden hielten sich an den beiden Banken schadlos. Die Deutsche Bank 24, zu der nach der Fusion auch die Kleinkunden der Dresdner verlagert werden sollten, war zum Billigheimer verkommen. Die Kunden, die von der Deutschen Bank erst wenige Monate zuvor dorthin transferiert worden waren, fühlten sich betrogen. Die Glaubwürdigkeit der Banker, die immer beteuert hatten, der Kundenservice würde besser, nicht schlechter werden, war schwer erschüttert worden.

Alle Bemühungen der Presseabteilungen, den Imageschaden abzuwenden, schlugen fehl. Der eilends von den Banken ausgerechnet am 1. April organisierte Tag der offenen Tür in den Frankfurter Zentralen, mit Würstchen, Grüner Sauce und den beiden Vorstandschefs, die den erbosten Kunden Rede und Antwort stehen sollten, forderte vor allem die Konkurrenz heraus – zu Hohn und Spott.

Damit stand fest: Der größte Deal im deutschen Bankgewerbe, mit dem Deutsche-Bank-Chef Breuer auch international punkten und aller Welt zeigen wollte, wie gekonnt in Deutschland Megafusionen durchgezogen werden, war gescheitert – an nachlässiger Vorbereitung und schwacher Führung. In der internationalen Finanzwelt hatte sich die Deutsche Bank gründlich blamiert. Am 5. April wurde der Spuk endgültig durch die Erklärung der Dresdner Bank beendet. Der Chef der Bank, Bernhard Walter, legte mit sofortiger Wirkung sein Amt nieder, der Vorstand bestimmte umgehend Bernd Fahrholz zu seinem Nachfolger.

Bei der Deutschen Bank hingegen blieb alles beim Alten. In einem Brief an die Mitarbeiter dankte der Vorstand der Belegschaft der Bank für das große Engagement, das Sie alle während der vergangenen schwierigen Wochen gezeigt haben. (…) Wir werden unsere erfolgreiche Geschäftspolitik in allen Geschäftsfeldern konsequent weiter umsetzen und damit unsere Position im globalen Wettbewerb gezielt stärken. Der Vorstand mit Herrn Breuer als seinem Sprecher will die Dynamik dieses Erfolgs gemeinsam mit Ihnen bewahren und die Deutsche Bank zum führenden Finanzdienstleister der Welt weiterentwickeln. Dabei hat er die uneingeschränkte Unterstützung des Vorsitzenden des Aufsichtsrats. Unterzeichnet wurde dieses Schreiben von allen Vorstandsmitgliedern und dem Chef des Aufsichtsrats Hilmar Köpper.

Der Schulterschluss sollte den Vorstandssprecher vor vernichtender Kritik von innen und außen schützen – mit Erfolg: Konzernchef Breuer war zwar angeschlagen, wurde aber nicht verstoßen. Er blieb bis Mai 2002 in seinem Amt, danach übernahm er den Vorsitz im Aufsichtsrat. Noch ein versuchter Partnerwechsel: die Commerzbank Den größten Schaden aus der geplatzten Fusion trug die Dresdner Bank davon. Ihre Investmenttochter Kleinwort Benson war bereits gefleddert worden, Wettbewerber hatten Spitzenkräfte abgeworben, selbst die Deutsche Bank hatte noch während der Fusionsverhandlungen ein Team des Verhandlungspartners angeheuert, die Mitarbeiter waren ebenso verunsichert wie die Kunden, der Imageverlust unschätzbare. Obwohl der neue Chef Fahrholz öffentlich beteuerte, dass die Bank nun aus eigener Kraft wachsen wolle, ging die Suche nach einem künftigen Partner weiter. Als nächster logischer Kandidat bot sich die Commerzbank an, die bisher aus Überzeugung, Übermut oder auch Vorsicht allen Fusionsmoden widerstanden hatte. Nach dem Zusammenschluss der Münchner Regionalbanken, der Bayerischen Hypobank und der Bayerischen Vereinsbank zur HypoVereinsbank, war sie in der Rangliste der größten deutschen Bankhäuser immer weiter zurückgefallen.

Überdies hatte sich die Bank in einem Netz von Beteiligungen an europäischen Geldinstituten verheddert, ohne an Einfluss und Marktpräsenz zu gewinnen. Man hatte versucht das Investmentgeschäft aus eigener Kraft aufzubauen und zu diesem Zweck Investmentbanker anderer Institute angeheuert. Doch eine schlagkräftige Einheit wurde die zusammengewürfelte Truppe nicht. Die Folge: Bei den großen Deals kam die Commerzbank kaum zum Zuge und im traditionellen Retail Banking liefen ihr die Kosten davon. Von jedem Euro Ertrag wurden 77 Cents von den Kosten aufgefressen. Andere europäische Geldhäuser kommen auf eine Kostenquote von 50 bis 60 Prozent.

Solange die Kapitalmärkte boomten, konnte die Commerzbank, die sich gern als Institut für Privatkunden und den Mittelstand anbot, ihre Strukturschwächen noch kaschieren, im Superjahr 2000 wurde sogar ein Gewinn von 1,3 Milliarden Euro eingefahren. Doch seitdem die Börsen auf Talfahrt programmiert sind, fehlen die Erträge, mit denen die Ausgaben ausgeglichen werden könnten. Hinzu kam, dass die Commerzbank in der Vermögens- Verwaltung, wo Banken eigentlich immer verdienen, in schlechten Jahren mehr ausgab als sie einnahm. Zudem versuchte ein Großaktionär, die Cobra-Gruppe, die Bank zu dominieren, was die Führung des Geldhauses nicht gerade einfacher werden ließ.

Als Dresdner-Bank-Chef Fahrholz im Sommer 2000 mit dem Frankfurter Nachbarn ins Gespräch über ein Zusammengehen der beiden Konzerne kommen wollte, waren die gravierenden Schwächen der Commerzbank nur Insidern bekannt. Der auslaufende Aktienboom sorgte noch für glänzende Erträge, die vorwiegend aus dem Börsengang der Commerzbank-Tochter comdirect stammten. Trotzdem war von Anfang an klar, dass die angeschlagene Dresdner Bank, einst die ewige Zweite im deutschen Bankgewerbe, in diesem Fusionspoker die Spielregeln vorgeben würde. Daran scheiterte der Deal denn auch bevor er überhaupt in seinen Grundzügen skizziert worden war. Die Commerzbank, allen voran Commerzbank-Chef Martin Kohlhaussen, mochten sich nicht dem Diktat der Dresdner beugen. Die Gespräche wurden abgebrochen.

Freie Bahn für die mächtige Allfinanz-Allianz
Nach dem erfolglosen Fusionsversuch der beiden Banken war der Weg nunmehr frei für einen neuen Vorstoß der Allianz. Ihr Vorstandschef Henning Schulte-Noelle wollte die alte Branchenordnung endlich aufbrechen: Versicherer und Banken taten in der Vergangenheit gut daran, ihre Geschäfte sauber zu trennen. Aber die Zeiten haben sich geändert, und das liegt vor allem an der Altersvorsorge, bei der wir alle uns nicht mehr allein auf den Staat verlassen können. Die Folge: Versicherungen und Banken bieten schon heute nebeneinander ihre Produkte an, diese Überlappungen werden weiter zunehmen. Die Trennung von gestern ist damit längst aufgehoben, erklärte der Chef der größten europäischen Versicherungsgruppe in einem Interview mit dem Magazin Der Spiegel.

Im April 2001 schufen die beiden Spitzenmanager Schulte- Noelle und der Vorstandssprecher der Dresdner Bank, Bernd Fahrholz, das neue globale Powerhaus: ein Konzern der Superlative mit weltweit 68 Millionen Kunden in mehr als 80 Ländern, knapp 180.000 Mitarbeitern, einer Bilanzsumme von 943 Milliarden Euro und einer Marktkapitalisierung von 135 Milliarden Euro. Um diesen Deal realisieren zu können, musste die Allianz ihre Beteiligungen in der Bankenszene neu ordnen. Der HypoVereinsbank-Anteil wurde an den Konkurrenten Münchner Rück abgetreten. Im Gegenzug bekam man deren Dresdner-Bank-Paket von fünf Prozent sowie gut 40 Prozent der Allianz Lebensversicherung, die die Münchner Rück hielt. Gleichzeitig bauten die beiden Versicherungen ihre gegenseitigen Beteiligungen um rund fünf Prozent auf 20 Prozent ab. Danach wurde den Aktionären der Dresdner Bank ein kombiniertes Angebot von Seiten der Allianz und der Special Purpose Vehicle (SPV) gemacht, einer Gesellschaft, die eigens für diesen Zweck von der Deutschen Bank und den Gesellschaftern des Bankhauses Oppenheim initiiert worden war. Die Offerte bestand in einem Tausch, bei dem für zehn Dresdner-Bank-Aktien eine Allianz-Aktie und zusätzlich 200 Euro in bar ausgegeben wurden.

Auch die Mitarbeiter der Dresdner Bank haben von der Übernahme bisher eher profitiert: Sie bekamen erst einmal einen Bonus von 25 Prozent ihres Monatsgehalts und die Zusicherung, dass es keinen Stellenabbau geben werde. Der Name der Bank blieb erhalten, er wurde nur durch den Schriftzug der Allianz in der Unterzeile ergänzt. Selbst die Hausfarbe Grün durfte die Dresdner als Tochtergesellschaft des Blauen Versicherungsriesen behalten.

Für einige Bankvorstände hat die Allianz sogar drei Posten in ihrem Exekutivorgan geschaffen: Fahrholz wurde stellvertretender Vorstandsvorsitzender des Versicherungskonzerns, Leonhard Fischer leitete die Investmentbank und Horst Müller soll von der Vorstandsebene aus die Integration der beiden Konzerne überwachen. Das behutsame Vorgehen der neuen Eigentümer, die so ganz anders auftraten als die arrogante Herrentruppe von der Deutschen Bank im Jahr zuvor, beeindruckte sogar die sensiblen Investmentbanker. Bisher verzichteten sie offensichtlich auf die in diesem Gewerbe übliche Fahnenflucht, noch mehr dürfte sie allerdings die Zusage motiviert haben, dass die Investmentbank Dresdner Kleinwort Wasserstein rechtlich abgetrennt und in nicht allzu ferner Zukunft an die Börse gebracht werden soll.

Im Prinzip konnte uns nichts besseres passieren, sagte der Gesamtbetriebsratschef der Bank, Peter Haimerl zu dem – vorläufigen – Happyend im deutschen Bankgewerbe. Wenige Monate später verkündete jedoch auch die Dresdner Bank, dass 183 der 986 Filialen im Jahr 2001 geschlossen und 7.800 Arbeitsplätze abgebaut werden sollten – bis Ende 2001 waren bereits 4.000 Stellen weggefallen. Der Stellenabbau resultierte allerdings nicht aus der Übernahme, sondern war eine Reaktion auf die sehr schlecht laufenden Geschäfte der Dresdner Bank. Immerhin verzeichnete die Bank im Übernahmejahr einen Gewinneinbruch um 89,3 Prozent. Der Jahresüberschuss betrug nur noch magere 186 Millionen Euro – ein Jahr zuvor waren es noch 1,74 Milliarden Euro gewesen.

Nun ist es an der Allianz zu beweisen, dass sie den neuen Koloss so managen kann, dass mehr Wert entsteht als nur die Summe der beiden Großunternehmen.