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Der Weg in die Abhängigkeit – soll man immer ein Gehaltskonto haben

Den Zwang zum Bankkonto und in den Würgegriff der Geldwirtschaft gibt es in Deutschland erst seit gut 30 Jahren. Noch Anfang der 60er Jahre war der bargeldlose Zahlungsverkehr per Scheck oder Überweisung vom Bankkonto ein Privileg der Reichen und Besserverdiener. Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen erhielten ihre Löhne und Gehälter an der Firmenkasse bar in der Tüte oder auf die Hand. Monatliche Abgaben ,wie Miete, Versicherungsprämien, Rundfunk- und Telefongebühren wurden per Postanweisung beglichen, das Haushaltsgeld im Küchenschrank verwahrt und was nicht gebraucht wurde, kam dann auf das Sparbuch, das meistens ebenfalls bei der Post geführt wurde.

Doch dann entdeckten die Banken diese Kleinkunden, die ein ungeheures Reservoir für die Zukunft versprachen. Allein die Millionensummen, die wochenlang unter Matratzen oder in Küchenschränken schlummerten, bis sie schließlich beim täglichen Einkauf ausgegeben wurden, stellten für das Bankgewerbe einen großen Schatz dar, den es zu bergen galt. Dieses Geld konnten die Institute gewinnbringend anlegen – zu ihren Gunsten.

Einträgliche Differenzen
Banken und Sparkassen leben schließlich davon, dass sie die Guthaben ihrer Kunden mit möglichst hoher Rendite investieren, sie beispielsweise als Kredite an andere Kunden ausleihen. Die Zinsen sind der Preis, der für diesen Transfer gezahlt wird. Der Sparer bekommt dabei immer einen deutlich niedrigeren Zinssatz als der Schuldner zahlen muss. Die Differenz – die Zinsmarge – ist der Verdienst der Bank. Im Frühjahr 2002 betrug diese Differenz acht bis zehn Prozentpunkte. So wurden Guthaben auf Sparbüchern mit gesetzlicher Kündigungsfrist von drei Monaten mit mickrigen 1,75 Prozent verzinst, für die Überziehung von Girokonten jedoch zwischen neun und 15 Prozent verlangt. Ein lohnendes Geschäft für die Geldbranche: Über die Einführung von Lohn- und Gehaltskonten für alle Arbeitnehmer konnten die Banken ihr Anlagevolumen in den 70er Jahren erheblich steigern.

Die Erfindung des Euroeheques
Auf Initiative des Deutsche-Bank-Vorstands Eckardt van Hooven wurde in den 60er Jahren der Eurocheque eingeführt. Eine geniale Erfindung des Bankiers, um die Entwicklung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs zu beschleunigen. In Kombination mit einer Eurochequekarte garantierte die Bank, die das neue Zahlungsmittel ausgab, dem Empfänger des Euroeheques die Einlösung bis zu einem Betrag von zunächst 300 €, ab den 90er Jahren bis zu 400 €. Durch Abkommen mit europäischen Banken zunächst in den wichtigsten Ferienländern der Deutschen – Italien, Spanien, Österreich und der Schweiz – verschafften die Banken ihrer Kundschaft ein europaweit gebräuchliches Zahlungsmittel.

Diesen grenzüberschreitenden Service konnte bis zur Einführung des Euroeheques nur die Post ihren Sparern bieten. Die Inhaber von Postsparbüchern konnten in vielen Ländern über die lokalen Postämter an ihr Geld kommen. Diese Monopolstellung der damals noch staatlichen Behörde hatte van Hooven mit seiner Erfindung gebrochen. Zum Wohle des Bankgewerbes: Natürlich ließen sich die Geldinstitute die Ausgabe der Scheckkarte mit zeitlich begrenzter Gültigkeit bezahlen. Mit fünf € war der Kunde dabei. Für das Einlösen der deutschen Schecks im Ausland oder oft auch im inländischen Handel – an Tankstellen beispielsweise – wurden ebenfalls bald Gebühren erhoben.
Dennoch war der Siegeszug des Eurocheques nicht aufzuhalten. Bis Ende des vergangenen Jahrhunderts nutzten die meisten Kontoinhaber dieses Zahlungsmittel, das erst im Januar 2002, als die Garantiefunktion aufgehoben wurde, seine Bedeutung verlor.

Bankkonto Kostenlos – aber nicht lange
Um den Lohntütenempfangern das Geld aus der Tasche zu locken und sie zur Eröffnung von Girokonten zu bewegen, versprach das Geldgewerbe seinen neuen Kunden die Konten kostenlos zu führen, ihnen sollte durch die neue Bankverbindung kein Schaden entstehen.
Die Zusage, das Geld der Kleinverdiener unentgeltlich zu verwalten, hielt nicht lange. Kaum hatten sich Arbeitnehmer und Verbraucher an den bargeldlosen Zahlungsverkehr gewöhnt, begannen die Geldinstitute Klagen über das mühsame Geschäft mit der Massenkundschaft anzustimmen. Allen voran die großen Privatbanken ließen keine Gelegenheit aus, um über die hohen Personalkosten zu jammern, die das arbeitsintensive Privatkundengeschäft verursache. Die vielfältigen Dienstleistungen, die zahlreichen Überweisungen, Abbuchungen von den Konten, der Versand der Kontoauszüge und Scheckformulare könnten nicht mehr zum Nulltarif erbracht werden. Holger Bemdt, ein Vorstandsmitglied des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV), verteidigte diese Gebührenpraxis 1994 gegenüber der Zeitung Die Woche: Der Service von Sparkassen und Banken hat wie jede andere Dienstleistung in der Wirtschaft seinen Preis. Das einfache Privatgirokonto der früheren Jahre hat sich zum Zentrum einer breiten Palette von Finanzdienstleistungen entwickelt. Girokonten ersetzen heute weitgehend die private Haushaltsbuchführung. Mit Milliardeninvestitionen, zum Beispiel für über 50.000 Geldautomaten in Europa und ein umfassendes Eurocheque- und Eurocardangebot , werden den Kunden Wege und Zeit erspart. Das Serviceangebot der Sparkassen und Banken ist daher nicht zum Nulltarif zu haben.

Die Gebührenspirale der Banken ist unverträglich
Die Geldinstitute begannen Gebühren für Kontenführung und Zahlungsverkehr einzuführen. Im Jahr 1977 gab eine Familie mit mittlerem Einkommen 22 € für Bankdienstleistungen aus. 1992 betrugen die Kosten schon 122 €, kritisierte die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen bereits Mitte der 90er Jahre. Die Gebühren für Kontoführung sind in den vergangenen 15 Jahren zehnmal schneller gestiegen als alle anderen Preise, die Spannen für diesen Basisservice sind enorm, stellte die Zeitschrift Finanztest bereits 1993 fest.“ Im Laufe der Jahre wurde die Gebührenschraube immer fester angezogen. Wann immer eine € von einem Konto zum nächsten wechselt – sei es als Überweisung, Dauerauftrag oder Lastschrift – verdient die Bank, der Kunde zahlt.

Doch obwohl sich die Geldinstitute jeden Handschlag, jeden Schritt im Dienste des Kunden bezahlen ließen, wurde der Bankbetrieb immer stärker automatisiert – mit einem überraschenden Ergebnis: Während in der Industrie durch den Einsatz von Maschinen und Robotern die Erzeugnisse billiger wurden, wurde der Service der Banken immer teurer.

Online abzocken richtig verstehen
Bereits in der Mitte der 90er Jahre entdeckten die Banken einen neuen Köder, den sie für ihre preisbewusste Klientel nutzen konnten. Wieder wurde kostenlose Kontoführung angeboten, diesmal allerdings ohne Filialnetz und persönlichen Service. Direktbanken, bei denen die Kunden per Telefon und Computer ihre Bankgeschäfte erledigen konnten, schossen wie Pilze aus dem Boden.

Der Grund für die Innovation bestehe darin, dass die Loyalität des Kunden zu seinem Geldinstitut abnimmt, sagte damals Thomas Holtrop von der Bank 24, der Direktbank der Deutschen Bank. Vor allem Kunden mit gehobenem Einkommen und guter Bildung, die in einer Großstadt leben und sehr engagiert in ihrem Beruf sind, zeigten großes Interesse an diesem Service. Für den Entschluss, die Bank zu wechseln, bräuchten die Inhaber der schätzungsweise 80 Millionen Girokonten in Deutschland aber ein rationales Argument: den Preis. Innerhalb weniger Monate gründete fast jede Großbank einen solchen No-Service-Ableger. Mit kostenlosen Girokonten sollten hauptsächlich Berufseinsteiger gewonnen werden. Zum Angebot gehörten eine ec-Karte, 50 kostenlose Buchungen pro Quartal, ein monatlicher Kontoauszug und Bargeld aus den Automaten.

Auch ein eher konventionelles Geldinstitut wie die Bank für Gemeinwirtschaft (BfG) machte bei diesem Trend mit. Der Markt entwickelt sich in Richtung Kundenmacht, damit geht der Trend zu geringeren Kontogebühren, erklärte im Jahr 1996 der damalige BfG-Sprecher Jürgen Kurz. Wir haben uns damals an die Spitze dieser Bewegung gesetzt, gleich ganz auf Gebühren verzichtet. Zuvor hatten lediglich Schüler, Auszubildende und Studenten bei Banken kostenlose Girokonten eröffnen können. Der Verlust von Einnahmen sei von der überraschend hohen Zahl neuer Kunden schnell wettgemacht worden, berichtete Kurz über die Erfolge nach Abschaffung der Gebühren. 60.000 Neukunden waren für 1996 geplant, mittlerweile sind es mehr als 100.000. Die Idee habe besser eingeschlagen als erwartet.

Die neue Gebührenfreiheit währte jedoch nicht lange. Wettbewerbern waren die Billiganbieter ein Dorn im Auge, ihre Kunden mussten es büßen. Sparkassen erhöhten für Direktbank-Kunden die Benutzungsgebühren an ihren Geldautomaten. Der in Bonn angesiedelte Deutsche Sparkassen- und Giroverband stand der kostenlosen Kontoführung der Konkurrenz äußerst skeptisch gegenüber. Man muss sich auch fragen, wer letztlich die Kosten trägt, die bei der Führung eines Kontos nun einmal entstehen, so ein Verbandsvertreter. Der Kunde solle genauestens prüfen, welche Leistungen die Bank ihm biete.

Tatsächlich hatten die Angebote ihre Haken: So zahlten nur die comdirect Bank, die zur Commerzbank gehört, und die Advance Bank Guthabenzinsen für die gebührenfreien Konten. Comdirect und Bank 24 hatten die Gebührenfreiheit allerdings auf ein Jahr begrenzt. Nach Ablauf dieser Frist verzichtete die Bank 24 zwar weiter auf die Kontogebühr, der Inhaber musste jedoch über ein durchschnittliches Monatsguthaben von 2.000 € verfügen oder seine Bankgeschäfte überwiegend online tätigen. Auch der BfG- Kunde musste pro Monat mindestens 2.000 €, mittlerweile – nach der Übernahme der BfG durch die schwedische SEB-Gruppe – mindestens 1.250 Euro auf seinem Konto liegen haben, damit er in den Genuss der Gebührenfreiheit kommen konnte.