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Die Dresdner Bank zahlt aber die Zeche

Die Dresdner Bank hat sich von dem Angriff der Blauen nie wieder erholt. Als erste Maßnahme räumte der Chef der Bank, Bernhard Walter, seinen Schreibtisch, der Aufsichtsrat bestimmte umgehend Bernd Fahrholz zu seinem Nachfolger.
Der Schaden ließ sich mit einem Führungswechsel an der Spitze nicht mehr begrenzen. Die Investmenttochter Kleinwort Benson war schwer angeschlagen: Spitzenkräfte der Investmentbank hatten sich zur Konkurrenz abgesetzt, selbst die Deutsche Bank hatte während der Fusionsverhandlungen ein Team des Verhandlungspartners angeheuert. Die Mitarbeiter waren ebenso verunsichert wie die Kunden, der Imageverlust war fast irreparabel.

Obwohl der neue Chef Fahrholz öffentlich Wachstum aus eigener Kraft beschwor, war jedem klar, dass die Suche nach einem künftigen Partner weiterging. Zunächst ohne Erfolg, als Fahrholz nach Art der Deutschen Bank die Commerzbank übernehmen wollte, holte er sich eine Absage. Obwohl die Bank damals keineswegs glänzend dastand, wollte sie nicht zum Juniorpartner des ewigen Zweiten im deutschen Bankgewerbe werden.

Das war die Chance der Allianz. Ihr Vorstandschef Henning Schulte-Noelle wollte die alte Branchenordnung endlich aufbrechen: Versicherer und Banken taten in der Vergangenheit gut daran, ihre Geschäfte sauber zu trennen. Aber die Zeiten haben sich geändert, und das liegt vor allem an der Altersvorsorge, bei der wir alle uns nicht mehr allein auf den Staat verlassen können. Die Folge: Versicherungen und Banken bieten schon heute nebeneinander ihre Produkte an, diese Überlappungen werden weiter zunehmen. Die Trennung von gestern ist damit längst aufgehoben, erklärte der Chef der größten europäischen Versicherungsgruppe in einem Interview mit der Nachrichtenmagazin Der Spiegel. Im April 2001 war es so weit: Allianz-Chef Schulte- Noelle und Dresdner-Bank-Chef Fahrholz stellten das neue globale Powerhaus vor: ein Konzern der Superlative mit weltweit 68 Millionen Kunden in mehr als 80 Ländern, knapp 180000 Mitarbeitern, einer Bilanzsumme von 943 Milliarden Euro und einer Marktkapitalisierung von 135 Milliarden Euro.

Um diesen Deal realisieren zu können, musste die Allianz ihre Beteiligungen in der Bankenszene neu ordnen. Der HypoVereinsbank-Anteil wurde an den Konkurrenten Münchner Rück abgetreten. Im Gegenzug gab die Münchner Rück ihr Dresdner- Bank-Paket in Höhe von fünf Prozent sowie gut 40 Prozent der Allianz Lebensversicherung an die Allianz. Gleichzeitig bauten die beiden Versicherungen ihre gegenseitigen Beteiligungen um rund fünf Prozent auf 20 Prozent ab.
Danach wurde den Aktionären der Dresdner Bank ein kombiniertes Angebot von Seiten der Allianz und der SPV (Special Purpose Vehicle) gemacht, einer Gesellschaft, die eigens für diesen Zweck von der Deutschen Bank und den Gesellschaftern des Bankhauses Oppenheim initiiert worden war. Die Offerte bestand in einem Tausch, bei dem für zehn Dresdner-Bank-Aktien eine Allianz-Aktie und zusätzlich 200 Euro in bar ausgegeben wurden.

Auch die Mitarbeiter der Dresdner Bank haben von der Übernahme zunächst profitiert: Sie bekamen erst einmal einen Bonus von 25 Prozent ihres Monatsgehalts und die Zusicherung, dass es keinen Stellenabbau geben werde.
Der Name der Bank blieb erhalten, er wurde nur durch den Schriftzug der Allianz in der Unterzeile ergänzt. Selbst die Hausfarbe Grün durfte die Dresdner als Tochtergesellschaft des blauen Versicherungsriesen behalten.
Für einige Bankvorstände hat die Allianz sogar drei Posten in ihrem Exekutivorgan geschaffen: Fahrholz wurde stellvertretender Vorstandsvorsitzender des Versicherungskonzerns, Leonhard Fischer leitete die Investmentbank und Horst Müller sollte von der Vorstandsebene aus die Integration der beiden Konzerne überwachen.

Das behutsame Vorgehen der neuen Eigentümer, die so ganz anders auftraten als die arrogante Herrentruppe von der Deutschen Bank im Jahr zuvor, beeindruckte sogar die sensiblen Investmentbanker. Bisher verzichteten sie offensichtlich auf die in diesem Gewerbe übliche Fahnenflucht, noch mehr dürfte sie allerdings die Zusage motiviert haben, dass die Investmentbank Dresdner Kleinwort Wasserstein rechtlich abgetrennt und in nicht allzu ferner Zukunft an die Börse gebracht werden soll.
Im Prinzip konnte uns nichts Besseres passieren, sagte der Gesamtbetriebsratschef der Bank, Peter Haimerl, zu dem scheinbaren Happy End im deutschen Bankgewerbe.

Wenige Monate später sah alles auf einmal ganz anders aus. Die Geschäfte liefen schlecht, der Börsenboom war zu Ende. Nach Jahren des Höhenflugs brachen die Kurse an den Aktienmärkten auf breiter Front ein. Besonders hart traf es den sogenannten Neuen Markt. Dort waren mit Anlegerkapital in Milliardenhöhe windige Versprechungen und kühne Erwartungen finanziert worden. Als die Konjunktur kippte, zerplatzten die Unternehmensträume und ihre leichtfertigen Planungs- und Investitionskonzepte wie Seifenblasen.
Der Kollaps spiegelte sich auch in den Ergebnissen der Dresdner Bank wider. Im Übernahmejahr musste sie einen Gewinneinbruch um 89,3 Prozent melden. Der Jahresüberschuss betrug nur noch magere 186 Millionen Euro – ein Jahr zuvor waren es noch 1,74 Milliarden Euro gewesen.
Je mehr die Verluste stiegen, umso mehr Arbeitsplätze sollten gestrichen werden. Die Fusion wurde zum Alptraum für die Belegschaft und auch für die Allianz. Bank-Vorstandschef Fahrenholz verkündete im Vierteljahrestakt neue Horrorzahlen. Die Bank muss sich auf harte Zeiten einstellen, sagte der Dresdner- Chef. Es seien unumgängliche Maßnahmen für die Ertragskraft und Zukunftsfähigkeit der Bank nötig. Der Abbau von 5000 Stellen war schon auf der Hauptversammlung im Jahr 2000 beschlossen worden.

Noch im Jahr 2001 wurden 183 der 986 Filialen geschlossen. Im Juli 2001 sollten weitere 1500 Stellen gestrichen werden und im September noch mal 1300. Begleitet wurden die Hiobsbotschaften mit der Erwartung, dass es mit der Dresdner Bank wieder aufwärts ginge und das Schlimmste überstanden sei.
Doch dann hat es wieder nicht gereicht, weil die Abfindungen, Altersteilzeit und Vorruhestand für scheidungswillige Dresdner- Mitarbeiter sich zu mehr als 700 Millionen Euro summierten, weil die Konjunktur nicht anspringe, weil Al Qaida New York und Washington angegriffen hatte, wie das Manager Magazin damals berichtete. Die Erklärungen wurden immer austauschbarer, die Maßnahmen, die sie nach sich zogen, immer schmerzhafter.

Den Beratern wurde gekündigt, Aufträge, die über 250 000 Euro hinausgingen, konnte nur der Vorstand, und Mega-Kontrakte von mehr als drei Millionen Euro nur noch ein einstimmiger Beschluss des Gesamtvorstands vergeben.
Die Bank muss sich auf harte Zeiten einstellen, erklärte der Bank-Chef. Außertariflichen Mitarbeitern wurden Nullrunden verordnet und die Tantiemen um 25 Prozent gekürzt. Auch seinen Vorstandskollegen verordnete Fahrholz eine strenge Diät. Die Gehälter des Topmanagements wurden auf dem Niveau von 1999 eingefroren. Auch ehemalige Topmanager der Bank mussten auf ihre Privilegien verzichten: Fahrholz strich ihnen ein eigenes Büro und den Dienstwagen mit Fahrer. Nur sein Vorgänger Walther und der langjährige Vorstandschef Wolfgang Roller durften weiterhin ihre Räume behalten, weil sie noch für die Bank tätig waren. Walther kümmerte sich nach seinem Rücktritt um den Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche.

Die Ausgaben sollten quer durch die Bank um 25 Prozent gekürzt werden, und da mussten alle ihr Opfer bringen.
Auch für die Kunden gab es tiefgreifende Änderungen. Die Gewerbetreibenden und sonstigen Geschäftskunden wurden dem Unternehmensbereich Private Kunden und Geschäftskunden zugeschlagen. Denn im Ende Juli 2001 geschaffenen Unternehmensbereich Corporates and Markets, in dem das Investmentbanking mit dem klassischen Firmenkundengeschäft zusammengefasst wurde, hatten die kleineren und mittelständischen Firmen, die bislang von diesem Bereich betreut wurden, wie Fremdkörper gewirkt.

Im Jahr 2002 ging es dann auch den lange gehätschelten Investmentbanker an den Kragen: Nachdem sie im ersten Halbjahr einen Verlust von über 800 Millionen Euro produziert hatten, wurden ein Abbau von 3000 Stellen in diesem Bereich verkündet. Die Kosten der Investmenttochter sollten um mehr als ein Drittel gesenkt werden, lautete die Vorgabe.

Es half wenig. Die horrenden Verluste der Dresdner Bank von knapp einer Milliarde Euro brachten sogar das Mutterschiff Allianz ins Schlingern: Eine Besserung sei nicht in Sicht, gab Fahrenholz zu. Im Bankgeschäft sei die Ertragslage weiterhin sehr unbefriedigend. Die starken Umsatzrückgänge seien durch die tatsächlich realisierten Kosteneinsparungen von 10,7 Prozent nicht aufgefangen worden.

Auch Allianz-Chef Schulte-Noelle hatte große Mühe, die Übernahme vor den eigenen Aktionären und Mitarbeitern zu verteidigen: Durch zusätzliche Rückstellungen für besondere Risiken musste der Versicherungskonzern ein Minus von 2,5 Milliarden Dollar im dritten Quartal 2002 ausweisen – das schlechteste Quartalsergebnis der Unternehmensgeschichte. Aber der Allianz-Chef ließ sich nicht unterkriegen: Die derzeitige Marktlage erleichtert die Umsetzung von konsequenten und zukunftsweisenden Maßnahmen. Deshalb sehen wir in dieser schwierigen Phase vor allem auch die Chancen und haben das feste Ziel, gestärkt aus ihr hervorzugehen.
Die Anhäufung negativer Sonderfaktoren wie die weiterhin sehr schlechte Verfassung der Kapitalmärkte, die zunehmende Risikohäufung durch Naturkatastrophen oder Insolvenzen hat uns im dritten Quartal unverhältnismäßig hart getroffen. Sie verstellten den Blick auf die Verbesserungen im operativen Geschäft, erklärte auch Allianz-Controlling-Vorstand Helmut Perlet, der Fahrholz bei der Sanierung der Dresdner Bank auf die Finger schauen sollte.

Fahrholz war nur noch ein Chef auf Abruf. Neben dem Controller, der ihm im Auftrag der Mutter über die Schulter schauen sollte, bekam er noch eine personelle Verstärkung, die die Schieflage der Dresdner erst richtig deutlich machte.
Der Schwede Jan Kvarnström wird Chef einer neu geschaffenen Institutional Restructuring Unit, einer rechtlich selbständigen Abteilung, in der das marode Kreditgeschäft der Frankfurter Bank gebündelt werden soll. Allein in den Jahren 2001/2002 musste die Dresdner Bank mehr als vier Milliarden Euro ihrer Forderungen wertberichtigen.

Der 54 Jahre alte Kvarnström war vor seinem Antritt bei der Dresdner Senior Adviser und Investing Chairman der Private- Equity-Firmen 3i und Bridley Capital Partners. Erfahrung im Abwickeln von faulen Krediten sammelte Kvarnström Mitte der 1990er Jahre im Management der Securum. In diesem Unternehmen hatte die Nordbanken, das zweitgrößte Geldhaus Schwedens, ihr notleidendes Kreditgeschäft in Höhe von sechs Milliarden Dollar bereinigt.

Das Kreditvolumen, das Kvarnström bei der Dresdner Bank abwickeln sollte, war allerdings fünfmal so groß: Nahezu 30 Milliarden Euro umfasste diese Position einschließlich aller nichtstrategischen Kredite und der Problemkredite.
Ende 2002 hatte die Zahl potenzieller Arbeitsplatzverluste die 11000er Marke erreicht. Dresdner-Chef Fahrholz stellte eine schwarze Null als Jahresergebnis für 2003 in Aussicht. Doch dann waren im Februar 2003 die Führungskräfte dran: Von den 120 Managern der zweiten Ebene sollten 40 eingespart werden. Die Personalberatung Egon Zehnder sollte die Auswahl vornehmen und den Betroffenen mitteilen, ob und in welcher Funktion sie bleiben durften.

Trotz all dieser Maßnahmen war ein Ende der Talfahrt nicht abzusehen. Im Jahr 2003 schrieb die Bank entgegen aller Ankündigungen wieder tiefrote Zahlen, durch Risikovorsorgen zur Abdeckung von weiteren höchst problematischen Engagements. Erst sollten es nur eine Milliarde Euro sein, dann waren es aber doch wieder 1,5 Milliarden Euro, die zur Absicherung bereitgestellt werden mussten.
Allianz-Chef Schulte-Noelle hatte bereits seinen Abschied in den Ruhestand für Mitte 2003 angekündigt, und im März war auch das Schicksal von Dresdner-Chef Fahrenholz besiegelt. Er musste die Bank vorzeitig verlassen.
Sein Nachfolger wurde Herbert Walter, der von der Deutschen Bank kam. An die Stelle von Schulte-Noelle an der Spitze des Allianz-Konzerns trat Michael Diekmann. Die Neuen verschärften die Gangart. Als im zweiten Quartal der Personalabbau bei der Dresdner Bank ins Stocken geriet, wurden Pläne zur Ausgliederung von Bankmitarbeitern in Qualifizierungsgesellschaften laut. Die Abgeschobenen würden dann nur Kurzarbeitergeld beziehen.

Diese Drohungen alarmierten die Arbeitnehmervertreter der Bank. Eilig versuchten sie, einen Gegenplan zu entwickeln. Danach sollten Angestellte ab 53 Jahren in den Vorruhestand gehen können und alle Mitarbeiter eine kollektive Arbeitszeitverkürzung um 20 Prozent bei 90 Prozent des Gehaltes akzeptieren. Den Betriebsräten ging es darum, eine sozialverträgliche Beschleunigung des Personalabbaues zu erreichen und damit die vom Management angestrebten, radikaleren Maßnahmen zu verhindern. Im Oktober erfolgte dann der nächste Paukenschlag: Die Advance-Bank, die Direktanlagebank der Dresdner, die vor allem junge Kunden anziehen sollte und ihre Bankgeschäfte per Telefon und Internet erledigen, wurde dichtgemacht. Die Kunden wurden zur Mutter Dresdner Bank verfrachtet und die 400 Mitarbeiter des Instituts entlassen. Arbeitsplätze für die junge Truppe hatte das Haupthaus nicht zu bieten.

Dort gab es für die Belegschaft im Herbst 2003 eine Bescherung der besonderen Art: Das Weihnachtsgeld wurde um 25 Prozent gekürzt, und von 2004 an wurden die bisher freiwillig eingeräumten Heirats- und Geburtsbeihilfen gestrichen, die den Mitarbeitern pro Ereignis etwa 250 bis 300 Euro eingebracht hatten. Auch auf Urlaubsbeihilfen musste verzichtet werden.

Der Personalabbau ging indessen munter weiter: Bis Ende 2004 – so wurde verkündet – sollten im Rahmen des Restrukturierungsprogramms Neue Dresdner etwa 4700 weitere Stellen wegfallen, so dass einschließlich der 11000 gestrichenen Arbeitsplätze seit 2000 von ehemals 50000 Beschäftigten noch etwa 34000 übrig bleiben.

Im Juli 2004 griff der Betriebsrat der Dresdner Bank zu einer ungewöhnlichen Maßnahme, weil sich kaum mehr Freiwillige fanden, die ihre Jobs aufgeben wollten. Die Arbeitnehmervertreter organisierten bundesweit Jobbörsen, zu denen die Firmenkunden eingeladen wurden. Sie sollten sich unter den jobsuchenden Bankmitarbeitern geeignete Kräfte für ihre Unternehmen aussuchen. Die seltsame Kontaktbörse war eine verzweifelte Aktion, um die angedrohten betriebsbedingten Kündigungen in letzter Minute abzuwenden.

Tatsächlich erreichte die Dresdner Bank dann im Jahr 2004 wieder die Gewinnzone. Doch um welchen Preis: Jeder dritte Arbeitsplatz war dem Sanierungsprozess zum Opfer gefallen.

Und wirkliche Ruhe ist auch 2007 noch nicht eingekehrt. Immer wieder machen Gerüchte die Runde, dass die Dresdner doch noch zerschlagen und ihre Teile zwischen Allianz und Deutscher Bank aufgeteilt werden könnten.