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Feine Adresse, fragwürdiges Geschäftsgebaren bei den Privatbanken

Doch trotz aller Exklusivität, sieht man genau hin, hegt gerade bei den Privatbanken einiges im Argen, was den Umgang mit dem Kunden betrifft. Einst waren die gediegenen kleinen Privatbanken mit persönlich haftenden Gesellschaftern und höflichem, sachkundigem Personal die erste Adresse für wohlhabende Kaufleute, reiche Witwen und vermögende Müßiggänger. Also für Leute, die, wie man in Köln gerne sagt, etwas an den Füßen haben.
Die Bankiers haben ihre Geschäfte finanziert und ihre Vermögen solide verwaltet. Dass der Bankier auch mit seinem eigenen Vermögen für die Fehler seiner Bankangestellten haftete, war vielen eine besondere Beruhigung und Ausweis besonderer Solidität und Vertrauenswürdigkeit. Bankhäuser mit klangvollen Namen waren einst in diesem elitären Zirkel vertreten: Sal. Oppenheim, Finck, Lampe, Münchmeyer, Herstatt, Marcard, Warburg und wie sie alle geheißen haben. Nur wenige sind übrig geblieben. Münchmeyer wurde nach der Fusion mit den Privatbankiers Schroeder und Hengst durch die leichtfertige Kreditvergabe des Mitgesellschafters Ferdinand Graf Galen in den Sog der Pleite des früheren Baumaschinenhändlers Wolfgang Esch gezogen und später von der britischen Midland Bank übernommen. Herstatt verlor durch Devisenspekulationen eines leichtfertigen Angestellten sein Vermögen und seine Bank. Andere wie die Weberbank wurden von der WestLB übernommen und firmieren nun als Luxustochter im Kreis des öffentlich-rechtlichen Instituts.

Ein ähnliches Schicksal erlitt auch die Marcard-Bank in Hamburg. Baron Enno von Marcard fusionierte das bereits im 18. Jahrhundert gegründete Bankhaus 1987 mit der Kölner Privatbank Stein und 1998 mit dem ebenfalls in Hamburg ansässigen größeren Privatbankhaus M.Warburg & Co. Marcard sollte sich in dem neuen Bankenverbund vor allem um die vermögende Privatklientel kümmern. Bestandteil der Fusion war die Bereinigung der Kundenkartei. Nur wer in der Hansestadt wirklich vermögend war, sollte sein Geld bei Marcard verwalten lassen dürfen. In
einem Family Office mit persönlicher Beratung, wie es die Hank im Internet präsentiert:

Exklusivität ist nicht nur ein Versprechen: Unsere Family-Office-Bank ermöglicht Ihnen den persönlichen Kontakt und die direkte Begegnung mit Entscheidungsträgern und Experten unseres Hauses. Wir ermöglichen Ihnen den individuellen Zugang zu exklusiven Investmentopportunitäten unter quasi institutionellen Bedingungen. Sie genießen durch die Größenvorteile des Family Office alle Vorteile der direkten Investments, die in der Regel institutionellen Anlegern Vorbehalten bleiben.

Für alte Kunden, die nicht den neuen Anforderungen entsprachen, hatten die neuen Marcard-Herren wenig Verständnis, sie sollten gehen. Notfalls wurde nachgeholfen
Zu denen, die abgeschoben werden sollten, gehörte auch eine Politikwissenschaftlerin, die sich als Beraterin selbständig gemacht hatte. Seit Jahrzehnten war sie Kundin der Bank. In guten und schlechteren Zeiten. Sie erhielt goldgeränderte Einladungen zu Empfängen und dem Jahresdinner der Bank. Auch ihr Bankberater gab ihr keinen Anlass, an der Geschäftsbeziehung zu dem Institut zu zweifeln. Im Gegenteil: Wie anderen Stammkunden des Instituts hatte er auch ihr 1999 eine besondere Chance zur Vermehrung ihres Vermögens angeboten: Anteile am Princess- Fonds (princess-privateequity*net).

Das ist sicher kein Investment für Anfänger oder Laien. Bei den Fondsanteilen handelte es sich um Wandelanleihen der Princess Private Equity Holding Limited. (Bei Wandelanleihen handelt es sich um ein Wertpapier mit festem Zins, das dem Inhaber das Recht einräumt, es während einer Wandlungsfrist in einem vorher festgelegten Verhältnis in Aktien des ausgebenden Unternehmens einzutauschen.) Durch den Verkauf dieser Fondsanteile wollte sich die Gesellschaft Kapital beschaffen, um sich an nicht börsennotierten Unternehmen zu beteiligen und Firmenkredite zu übernehmen mit dem Ziel, durch den Weiterverkauf der Unternehmen bzw. das Eintreiben der hochverzinsten Kredite eine ansehnliche Rendite zu erzielen. Mit anderen Worten: Es ging um die Finanzierung einer neuen Heuschrecke.

Gegründet wurde die Firma von einer anderen Heuschrecke, der Schweizer Private-Equity-Gesellschaft Partners Group Holding und der Schweizerischen Rückversicherungsgesellschaft Swiss-Re. Die Wandelanleihen, die 1999 ausgegeben wurden, sollten 700000 US-Dollar einbringen. Das Kapital wurde in Heuschreckenfonds investiert, die Unternehmen kaufen, umstrukturieren, filetieren und wieder verkaufen oder Schuldtitel übernehmen sollten, die höhere Zinsen versprachen, allerdings auch ein höheres Risiko bargen. Die Manager dieser Fonds, die nicht gerade zu den risikoarmen Anlagen gerechnet werden können, hatten sich steuergünstig auf der britischen Kanalinsel Guernsey niedergelassen.
Um die Risiken für die Anleger überschaubar zu halten, wurde eine Versicherung über den Minderheitspartner Swiss-Re abgeschlossen. Diese sollte garantieren, dass die Anleger im schlimmsten Fall ihren Kapitaleinsatz zurückerhalten. Diese Absicherung sollte der Wandelanleihe die Seriosität eines Rentenpapiers verleihen und damit auch für Versicherungsgesellschaften als solider Wert attraktiv sein.
Wegen der Mischung des Portfolios und des damit – trotz der Versicherung – verbundenen Risikos sollten die Anleihen mit einer Laufzeit bis zum Jahr 2010 ursprünglich nur institutionellen Investoren, Versicherungen, Pensionskassen, professionellen Kapitalanlagegesellschaften und Privatpersonen angeboten werden, die über ein Vermögen von mindestens zwei Millionen Schweizer
Franken verfugten – so zumindest lauteten die Bestimmungen der eidgenössischen Wertpapieraufsicht.

Mit Hilfe des Privatbankhauses Sal. Oppenheim wurde die Prinzessin auch in Deutschland angeboten. Allerdings machte das Hundesaufsichtsamt für Finanzdienstleistungen den Initiatoren einen Strich durch die Rechnung, sie verbot Versicherungsgesell- M haften, den Princess-Fonds in den Deckungsstock zu nehmen, also zur Absicherung ihrer Versicherungsleistungen zu verwenden.
Daraufhin wurde die Prinzessin auch Privatanlegern angeboten. Und wie der Fall der Marcard-Kundin zeigt, auch solchen Anlegern, die das Papier nicht als Nebeninvestment kauften, sondern einen Kredit aufnahmen, um das geborgte Geld in die Prinzessin zu investieren.

Die Anlegerin war sich des Risikos, das sie mit dem Kauf der Princess-Anteile einging, wohl bewusst. Rund 80 000 Dollar hatte sie in den Fond investiert – das Geld hatte sie sich als Kredit von der Bank geliehen. Der Berater bot ihr den in Dollar notierten Princess-Fonds als sichere Anlage an. Im günstigsten Fall würde sie von dem Wertzuwachs, den das Fondsmanagement durch eine geschickte Anlagestrategie erzielen wollte, profitieren – und von möglichen Kursgewinnen, falls der Dollar gegenüber dem Euro steigen würde. Vor einem Totalverlust ihres Einsatzes sei sie ja durch die Versicherung geschützt. Allerdings warnte der Berater, dass ihr Investment unter allen Umständen in der US-Währung bleiben müsste, weil auch die Versicherung auf Dollarbasis abgeschlossen sei.

Ende 2004, fünf Jahre nach Abschluss der Transaktion, verließ der Anlageberater die Marcard-Bank und wechselte zu einer anderen Privatbank. Sein Nachfolger meldete sich im Januar 2005 bei der Kundin. Er empfahl nachdrücklich, das Princess-Investment auf Euro umzustellen, denn so könnte durch die Kursentwicklung ein schneller Gewinn eingefahren werden. Die Politikwissenschaftlerin versuchte zwar noch, ihren alten Berater, der sie vor genau dieser Transaktion gewarnt hatte, zu erreichen, leider erfolglos. Schließlich gab sie dem Drängen des neuen Marcard- Beraters nach.

Eine Entscheidung, die sie noch am Abend des Tages bereute, nach einem endlich zustande gekommenen Gespräch mit dem alten Fachmann. Als sie am nächsten Morgen den Auftrag rückgängig machen wollte, war es zu spät. Die Order sei bereits ausgeführt worden, wurde ihr gesagt. Nur zögerlich nahm der Banker den Auftrag entgegen, das Princess-Investment wieder auf Dollar umzustellen. Sie bestand auf schneller Umsetzung des Auftrags, doch der Berater wiegelte ab.
Ihre Dollars waren auf Termin verschachert worden, erst nach drei Monaten wurde der Umtausch schließlich vollzogen.

Für den Berater ein glänzendes Geschäft, er konnte die Provision aus dem Währungsgeschäft einstreichen. Und viele andere Princess-Investoren bei Marcard hatte er ebenfalls zum Umtausch überredet. Mit den drastisch steigenden Provisionen durch die Währungsgeschäfte und die Bewegung in den Wertpapierportfolios der Marcard-Kunden verschaffte sich der Berater einen glänzenden Einstand bei der Bank. Seinen Kunden bescherte sein Aktivismus allerdings ziemlich großen Verdruss.

So auch der Politikwissenschaftlerin und Stammkundin. Als sie immer wieder an ihren Rücktauschauftrag erinnerte, wurde sie mit dem Hinweis auf den weiter fallenden, ungünstigen Dollar abgewimmelt: Leider habe sich der Wechselkurs weiter verschlechtert, und nun müsse man abwarten, bis er sich wieder erhole, sonst würden der Kundin ja hohe Verluste entstehen.
Dabei blieb es für die nächsten Monate. Als sich der Dollar für ein paar Tage fast bis auf das Umtauschniveau erholt hatte, verpasste der Marcard-Berater den richtigen Zeitpunkt für den Umtausch.

Im Herbst 2005 wurde dann der Kundin nahegelegt, zur Muttergesellschaft Warburg zu wechseln, dort würden ihre Konten besser betreut. Doch als sie sich mit einem Berater der Warburg- Bank traf, sah alles wieder ganz anders aus. Ihr Princess-Investment und der dafür laufende Kredit könne nur von Marcard-Beratern betreut werden. Das war den Warburg-Fachkräften offenbar zu heikel.
Im Januar 2006 wandte sich der Berater wieder an seine Kundin mit dem Hinweis, dass durch die Kursentwicklung des Dollars bedauerlicherweise bei ihrem Princess-Investment eine Unterdeckung von einigen tausend Euro entstanden sei, die nicht länger durch ihr Depot und die in Dollar notierte Risikoversicherung abgedeckt sei. Das war keine Überraschung, denn der Dollar war ja weiter gefallen, und das Problem war nur entstanden, weil der Berater das Investment von Dollar in Euro umgestellt hatte, also nach Ansicht der Kundin auch die Schuld an dem Schlamassel trug.

Doch das berührte die Marcard-Bank nicht weiter. Die Aufforderungen nach Ausgleich wurden unmissverständlicher. Als sie nicht zahlen konnte, wurde ihr restliches Depot eingefroren. Während einer vierwöchigen Geschäftsreise nach Asien, die sie ihrem Berater mitgeteilt hatte, sperrte die Bank ihr alle Konten. Zurückgekehrt von der Reise hat sie Protest eingelegt – auch beim Marcard-Mutterhaus Warburg. Vergeblich, ihr wurde mitgeteilt, dass sie bei Marcard als Kundin nicht länger erwünscht sei und dass sie sich nach einer anderen Bank umsehen sollte. Gleichzeitig wurden sämtliche Kredite fähig gesteht – auch der Dispo für ihr privates Konto und natürlich alle Kreditlinien für die Geschäftskonten ihrer Agentur. Die Aktion der Bank kam für die Kundin zu einem ungünstigen Zeitpunkt, als die Auftragslage flau war und neue Projekte noch in der Vorbereitung steckten.
Zudem hatte die Bank für die Kündigung der Kreditlinien einen Termin gewählt, der für die Kundin nicht unpassender hätte sein können: Wenige Tage nach dem Versand der monatlichen Kontoauszüge wurden die Kredite auf ihr Girokonto umgebucht und mit einem Dispo-Zins von 14,5 Prozent belastet. Ein Schreiben, das die Kreditkündigung ankündigte, ist bei der Kundin nie angekommen. Ebenso wenig erhielt sie eine Abrechnung über die genaue Summe der Unterdeckung. Es war ziemlich klar, die Bank wollte sie loswerden, um jeden Preis.

Wer die vollmundigen Versprechungen in der Selbstdarstellung der Marcard-Bank auf der Homepage best, mag gar nicht glauben, wie die Kunden im Ernstfall von den Bankberatern behandelt werden:
Unsere Auffassung von Partnerschaft ist mehr als eine professionelle Beziehung zu unseren Mandanten. Durch eine regelmäßige persönliche Begegnung mit Ihnen wollen wir auch eine emotionale Bindung entstehen lassen, die Ihr geschätztes Vertrauen zu uns erlebbar macht und immer wieder neu rechtfertigt.
Eine solche Partnerschaft bewahrheitet sich nur dann, wenn sie Nachhaltigkeit vermittelt und Stabilität in guten und schlechten Zeiten ermöglicht. Deshalb verstehen wir Partnerschaft als langfristige Verbindung, die wächst und einer ständigen Intensivierung bedarf und sich auf den Unternehmer und seine gesamte Familie gleichermaßen erstreckt.

Die Politikwissenschaftlerin empfand diese hehren Sätze als blanken Hohn. Sie transferierte ihre Konten zu einer anderen Bank und glich mit einem neuen Kredit die Marcard-Konten aus – in letzter Minute, um einen Insolvenzantrag zu vermeiden. Für die Kundin war es das teure Ende einer jahrzehntelangen Bankverbindung, die zum Alptraum geworden war.