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Optionen und ihre Risiken I

Risiko hat zwei Seiten
Optionen sind mit zum Teil erheblichen Risiken verbunden. Deshalb sollten Anleger wissen, worauf sie sich beim Kauf einlassen. Doch es ist nicht angebracht, Optionen schlecht zu machen, nur weil sie Risiken beinhalten. Denn der Begriff Risiko umfasst – wenn man ihn richtig definiert – zwei Seiten, sowohl Gefahren als auch Chancen. Mit Optionen können einerseits zwar Verluste (= Gefahr) entstehen, anderseits besteht aber auch die Aussicht, Gewinne zu erzielen (= Chance). Betroffen von den Risiken sind nicht nur Optionskäufer. Auch für Stillhalter (z. B. Banken) ist das Ganze keine risikolose Angelegenheit. Wer aber meint, dass die Banken machtlos sind, täuscht sich, Denn die entstehenden Risiken lassen sich ganz gezielt beeinflussen. Wie das funktioniert, werden wir am Ende dieses Artikels untersuchen.

Allgemeines Kursrisiko
Wer Optionen kauft, geht das Risiko ein, dass deren Wert im Laufe der Zeit schwankt. Man spricht auch vom allgemeinen Kursrisiko. Für den Anleger ist es positiv, wenn die Optionskurse steigen und Gewanne erzielt werden. Doch der Wert kann natürlich auch sinken und Verluste verursachen. Optionskurse führen kein Eigenleben, im Gegenteil: Ihre Schwankungen hängen von mehreren verschiedenen Faktoren ab. Verändern sie sich, passt sich normalerweise auch der Wert der Option an. Der Inhaber einer Option – nehmen wir konkret eine Aktienoption – setzt sich damit indirekt einem ganzen Bündel von Einzelrisiken aus. Er ist nicht nur von Aktienkursschwankungen betroffen, sondern zugleich von Volatilitäts- und Zinsänderungen usw. Handelt es sich dann noch um eine Option (z. B. Warrant), der in einer fremden Währung notiert, muss deren Kurs in Euro umgerechnet werden. Doch Währungskurse schwanken und daher trägt der Anleger obendrein ein Wechselkursrisiko. Unter Risikogesichtspunkten ist eine Option also ein ziemlich komplexes Finanzprodukt. Der Anleger muss sich über viele verschiedene Risiken und deren Zusammenwirken im Klaren sein. Wie sich die Veränderungen einzelner Risikofaktoren auswirken, lässt sich nicht pauschal sagen. Ob ein Anstieg der Aktienkurse oder sinkende Zinssätze für den Anleger Gewinne oder Verluste bedeuten, hängt davon ab, welche Sorte von Warrant betroffen ist Calls oder Puts). Aus diesem Grund sind Einzelfallbetrachtungen erforderlich. Wir werden nachher noch ausführlich zeigen, wie man die Risiken im Einzelnen messen kann. Eines gilt für jede Option: Selbst wenn die Preiseinflussfaktoren unverändert bleiben, entstehen auf jeden Fall Verluste. Hierdurch unterscheiden sich Optionen von anderen Finanzprodukten. Kauft ein Anleger eine Infineon-Aktie zu 60 Euro in der Hoffnung, dass ihr Kurs steigt, verliert er kein Kapital, wenn der Börsenkurs gleich bleibt. Auch wenn ihr Wert gesunken ist, muss die Aktie nicht unbedingt verkauft werden. Denn der Anleger kann eine Niedrigkursphase – wie man sagt — aussitzen und das Wertpapier auch später noch verkaufen. Sollte die Aktie dennoch zu einem niedrigeren Kurs veräußert werden, können diese Verluste unter Umständen durch andere Erträge (z.E. Dividenden) ganz oder teilweise kompensiert werden.

Diese Möglichkeiten bieten Optionen nicht. Bei unverändertem Aktienkurs geht definitiv ein Teil vom Optionswert verloren, genauer die Zeitprämie. Der Anleger kann nicht warten, bis sich die Kurse erholen, da Optionen eine begrenzte Laufzeit haben. Da sie zudem keine laufenden Erträge abwerfen – vergleichbar mit Dividenden bei Aktien – besteht natürlich auch keine Möglichkeit, Kursverluste dadurch aufzufangen. Besonders schwierig einzuschätzen ist das Kursrisiko bei Exotischen Warrants, da solche Produkte in vielen Fällen einem anderen Preisbildungsmechanismus als Plain-Vanilla-Warrants unterliegen. Außerdem treten Preiseinflussgrößen auf, die man von herkömmlichen Scheinen nicht kennt. So hängt zum Beispiel der Wert einer Rainbow-Option (Best-of-Option) – neben den bekannten Einflussgrößen – zusätzlich davon ab, wie stark sich die Kurse der beiden zugrunde liegenden Underlyings parallel entwickeln.

Optionen verlieren mit der Zeit an Wert – aber nicht gleichmäßig
Optionen verlieren ihren Zeitwert nicht gleichmäßig, sondern – wie schon erwähnt – umso schneller, je näher der Verfalltermin rückt. Besonders empfindlich auf die Laufzeitverkürzung reagieren also Optionen mit geringer Restlaufzeit. Fassen wir zusammen: Im Vergleich zu anderen Finanzinstrumenten ist das Totalverlustrisiko bei Optionen deutlich höher. Kauft ein Anleger Aktien, muss deren Wert auf Null sinken, um das gesamte Kapital zu vernichten. Werden hingegen At-the-money-Warrants gewählt, reicht es aus, wenn der Aktienkurs unverändert bleibt, damit ein Totalverlust eintritt. Weil das Totalverlustrisiko schon ist, müssen Optionen Laufend überwacht werden.

Risiko aufgrund der Hebelwirkung
Ihren Reiz haben Optionen vor allem aufgrund ihrer überdurchschnittlich starken Wert Schwankungen, Verändert sich der Kurs des Underlyings, kann man bei Optionen Kursreaktionen beobachten, die um ein Vielfaches höher sind (Hebelwirkung). Mit Optionen besteht deshalb die Chance, Gewinne deutlich schneller zu erzielen als mit anderen Anlageformen. Doch dieser Hebel hat auch seine Schattenseiten. Genauso schnell wie der Wert einer Option steigt, kann er nämlich auch verloren gehen. Doch nicht bei jeder Option ist die Hebelwirkung gleich stark ausgeprägt, Abhängig ist sie im Wesentlichen von zwei Faktoren. Erstens der Restlaufzeit: Je kürzer die Zeit bis zum Verfalltag, umso größer der Hebel. Zweitens übt der Zustand Einfluss auf den Hebel aus. Optionen, die aus dem Geld notieren, haben unter sonst gleichen Bedingungen einen höheren Hebel als Optionen, die am Geld liegen. Sind Optionen sehr tief im Geld, ist kaum noch eine Hebelwirkung vorhanden. Jetzt weisen Optionen ähnliche Kursreaktionen auf wie das Underlying. Abhängig ist die Hebelwirkung auch vom Produkttyp. Gegenüber Plain-Vanilla-Optionen haben bestimmte Exoten erheblich höhere Hebel. Ein typisches Beispiel sind Power Optionen. Liegt der Kurs des Underlyings zwischen Basispreis und Cap (bzw. Floor), sind die Kursreaktionen außergewöhnlich hoch.

Pricingrisiko
Für eine Reihe von Optionen – insbesondere Optionsscheine — werden vom Stillhalter (Emittenten) laufend Kurse gestellt, zu denen Anleger kaufen bzw. verkaufen können. Dies ist sicherlich ein nützlicher, allerdings auch nicht ganz risikoloser Service. Denn jeder Anleger trägt das Risiko, dass der Emittent Kurse stellt, die man nicht mehr als gerechtfertigt bezeichnen kann. Pricingrisiko steht für die Gefahr, dass Quotierungen erfolgen, die von einem angemessenen Wert abweichen und zwar zu Ungunsten der meisten Anleger. In der Praxis kommt es öfter vor, dass der größte Teil aller Anleger die gleichen Handelsabsichten hat – die Mehrzahl will entweder Optionsscheine kaufen oder wieder verkaufen. Ahnt der Händler einer Bank die Seite, auf der der größte Umsatz gemacht wird, kann er sich darauf einrichten und die Quotierung zum eigenen Vorteil gestalten. Eine typische Situation, in der die Handelsinteressen sehr einseitig gelagert sind, ist die Emissionsphase. Dann überwiegen Käufer und der Market-Maker kann relativ hohe Kurse stellen, ohne Gefahr zu laufen, dass dies ran einer Gegenseite durch Rückverkäufe an die Bank ausgenutzt wird. Ein beliebtes Argument, um die Hochpreispolitik zu begründen, ist die angeblich hohe zukünftige Volatilität bei der Basisaktie. Mit der Volatilität lässt sich im Übrigen fast jede Quotierung begründen. Braucht der Händler geringe Kurse, wird eine niedrige Vola eingepreist. Besonders stark ausgeprägt ist das Pricingrisiko bei neuemittierten Exotischen Warrants. Oft sind keine vergleichbaren Produkte von Konkurrenzbanken im Umlauf, so dass eine direkte Preisgegenüberstellung ausscheidet. Im Unterschied zu Plain-Vanilla-Warrants kann ein Anleger Exotische Scheine häufig nicht selbst nachpreisen und dadurch prüfen, ob der Ausgabepreis fair ist.

Spreadrisiko
Es ist üblich, dass Optionsscheine zwischen Ausgabedatum und Laufzeitende uneingeschränkt beim Emittenten gekauft und an ihn auch wieder zurückgegeben werden können, da sich die meisten Häuser zum Market-Making verpflichten. Der Verkaufspreis (Briefseite) ist aus verständlichen Gründen höher als der Kurs, zu dem Optionen wieder zurückgenommen werden (Geldseite), da die Banken ja auch etwas verdienen wollen. Die Spanne zwischen Geld- und Briefkurs stellt für den Anleger einen Verlust dar, der im Voraus nicht einfach zu kalkulieren ist. Denn der Spread zählt nicht zu den eigentlichen Ausstattungsmerkmalen (Primärmerkmalen). Er bildet vielmehr ein sogenanntes Sekundärmerkmal. Während in den Emissionsbedingungen beispielsweise Underlying und Ende der Laufzeit genau festgehalten sind und vom Emittenten nachträglich nicht mehr verändert werden dürfen, sind über die Geld-Brief- Spanne dort keinerlei Angaben zu finden. Das bedeutet, dass ein Institut den Abstand im Nachhinein nach eigenem Geschmack verändern kann. So etwas ist durchaus schon vorgekommen. Zum Emissionszeitpunkt und kurz danach werden besonders enge und damit anlegerfreundliche Spreads gestellt. Erfahrungsgemäß lassen sich viele dadurch leichter zum Kauf verleiten. Später, wenn der größte Teil einer Emission platziert worden ist, gehen die Emittenten dann plötzlich dazu über, ihre Spannen auszuweiten. Welche Folgen das hat, wollen wir an einem kurzen Beispiel zeigen. Unterstellen wir, ein Aktienschein (Bezugsverhältnis: 1,0) sei zum Emissionszeitpunkt und einige Wochen danach mit einem Spread von 30 Cents quotiert worden. Ein Anleger hat 1000 Warrants zum Kurs von 6,50 Euro pro Stück gekauft (Mittelkurs: 6,35 Euro), Da ihr Wert gestiegen ist – neuer Mittelkurs: 6,70 Euro —, möchte sich der Inhaber wieder von seinen Warrants trennen. Bei unveränderter Geld-Brief-Spanne würde eine Quotierung von 6,55 (Geld)(6,85 (Brief) gestellt und der Anleger könnte 6.550 Euro einstreichen (ohne Berücksichtigung von Transaktionskosten). Als er im Internet nachschaut, stellt er jedoch fest, dass der Emittent den Spread von 30 auf 60 Cents verdoppelt hat. Aufgrund der Ausweitung ist der Abstand zwischen An- und Verkaufskurs größer geworden und der Anleger muss sich mit 150 Euro weniger begnügen, denn der Emittent quotiert nun wie folgt: 6,40 (Geld)/7,00 (Brief). Obwohl der Mittelkurs um 35 Cents gestiegen ist, bleibt im Endeffekt sogar ein Verlust von ICO Euro übrig.