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Psychologie der Gesprächsführung Teil II – Tipps während des Bewerbungsgespräches

Psychologie der Gesprächsführung Teil I – Tipps während des Bewerbungsgespräches

Tragen Sie nicht eine Persönlichkeit zur Schau, die Sie nicht sind; der Arbeitgeber wird nicht darauf hereinfallen. Gestehen Sie Ihre Schwächen (siehe punktuelle Fragen oben) ruhig ein und stehen Sie dazu. Verstricken Sie sich nicht in eine Idealvorstellung, wie Sie Ihre Position ausfüllen könnten; konzentrieren Sie sich auf Ihre tatsächlichen Fähigkeiten und darauf, wie Sie Ihre Arbeit realistischerweise bewältigen können. Anders gesagt: Nicht Wünsche und Vorstellungen, sondern Fakten zählen. Bewerber, die sich auf Führungspositionen bewerben, müssen eigentlich immer damit rechnen, dass man sie mit psychologisch geprägten Fragestellungen konfrontiert. Das gilt besonders hinsichtlich der Prüfung des Führungsverhaltens, das man natürlich nicht einfach punktuell abfragen kann, etwa mit der Frage: „Können Sie gut Menschen führen und motivieren?“ Antworten auf eine solche Frage können selbstverständlich auch sehr viel Aufschluss geben, doch zieht man zur Prüfung eher eine Sachverhaltsproblematik vor. Dazu ein Beispiel:

Es ging um die Bewerbung eines Abteilungsleiters im Rechnungswesen. Der Bewerber, 36 Jahre alt, Diplom-Kaufmann, war vorher noch nicht in einer Führungsposition gewesen. Ihm wurde folgender Sachverhalt geschildert: „Eine neue Mitarbeiterin im Debitorenbereich soll eingestellt werden, mit fachlichem Know-how in Spezialgebieten, die für das Unternehmen wichtig sind. Der zuständige Gruppenleiter ist dagegen, weil er befürchtet, dass die neue Kollegin mehr Fachwissen habe als er selbst. Er schlägt Ihnen die Versetzung einer internen Kollegin vor, weil auf deren Platz dann eine Frau könnte, die in einer anderen Abteilung von der Entlassung bedroht sei, auch der Betriebsrat bevorzuge diese Lösung. Die neue Mitarbeiterin hätte auch private Kontakte ins Haus, was nicht gut sei. Wie entscheiden Sie?“

Die meisten Bewerber waren der Ansicht, wenn jemand fachlich versiert sei, dann gehe das im Sinne des Unternehmens vor, andere Überlegungen hätten zurückzutreten. Das ist zwar richtig, wird aber der Situation nicht gerecht. Gefragt war hier im Prinzip keine Lösung, sondern in erster Linie die Auseinandersetzung mit den betrieblichen Gegebenheiten. Einerseits ging es darum den Gruppenleiter entsprechend einzuschätzen und zu überzeugen und andererseits auch die Betriebsratsbelange zu berücksichtigen. Am wichtigsten aber war die von fast allen Bewerbern übersehene Frage, wer denn nun eigentlich für die Einstellung zuständig sei. Das war zwar der Abteilungsleiter, aber im Einvernehmen mit dem Personalchef. Die richtige Antwort wäre also gewesen, erst einmal die Situation zu analysieren und dann gemeinsam mit dem Personalverantwortlichen nach einer durchdachten Lösung unter Einbezug aller hakten zu suchen. Sehr beliebt in Bezug auf Führungsverhalten ist auch die Fallfrage zum Urlaub, die sich beliebig variieren lässt:

„Sie sind Abteilungsleiter Vertrieb und stehen vor folgendem Problem: Im Sommer (Juni, Juli und August) sind die Spitzenzeiten der Produktionsauslieferungen. Sie haben neun qualifizierte Mitarbeiterinnen, die Sie alle brauchen. Mitarbeiterin 1 hat drei kleine Kinder und will ihren gesamten Jahresurlaub im Juni und Juli nehmen, wie jedes Jahr. Mitarbeiterin 2 muss Rücksicht auf den Urlaub ihres Mannes nehmen und will im Juli fahren. Mitarbeiterin 3 ist allein stehend und will im Juli nach Schottland zu einer lang geplanten Bildungsreise aufbrechen. Mitarbeiterin 4 ist verheiratet und will mit Mann und erwachsenem Sohn im August nach Nepal, und Mitarbeiterin 5 fährt grundsätzlich jedes Jahr im Juni nach Spanien. Die anderen vier nehmen später Urlaub. Was machen Sie, wer kann in Urlaub fahren, wer nicht?“

Die letzte Frage ist eine Fangfrage, denn darauf kommt es gar nicht an, was die meisten Bewerber übersehen. Es kommt hier auf zwei Dinge an: die betriebliche Situation einzuschätzen und Führungsverhalten zu zeigen. Wenn man weiß, dass in den Monaten Juni, Juli und August im Betrieb Saison ist, dann muss man im Vorwege im Rahmen einer Urlaubsplanung die Personalbesetzung sicherstellen. Wollen dann mehrere Leute zum gleichen Zeitpunkt freihaben, müssen Prioritäten gesetzt werden; wer z. B. auf Schulferien angewiesen ist, hat den Vorrang. Erwähnt werden muss bei einer guten Konfliktlösung auch die Frage, inwieweit Aushilfen eingestellt werden können, um die Sollbesetzung sicherzustellen. Diese Beispiele ließen sich beliebig fortsetzen. Hier kam es darauf an Ihnen aufzuzeigen, dass Sie in einigen Bewerbungsgesprächen mit einer psychologischen Gesprächsführung rechnen müssen. Je qualifizierter die Position ist, umso wahrscheinlicher ist diese Art der Gesprächsführung. Bei Gesprächen mit Personal- oder Unternehmensberatern werden häufig neben psychologisch aufgebauten Gesprächen Testverfahren durchgeführt, deren es Hunderte gibt, mit nicht immer überzeugender Logik für die hier relevante Konsequenz, nämlich für eine berufliche Position den Kandidaten oder die Kandidatin auszuwählen. Für die Auftraggeber, also die Unternehmen, werden dann nach den Vorstellungsgesprächen und Tests seitenlange (und fürs Unternehmen teure!) Bewerbergutachten erstellt, deren logische Konsequenz nicht immer nachvollziehbar ist.

So haben, wie die Praxis lehrt, schon sehr gute Bewerber Absagen erhalten, weil sie den falschen Anzug anhatten oder weil die Gutachter eine Marginalie überbewerteten (ein Bewerber hatte ohne Hintergedanken erwähnt, er arbeite lieber mit Frauen zusammen; dadurch wurde er von den Gutachtern zum „einseitig orientierten Menschen“ gestempelt, „dessen Neigung zum anderen Geschlecht unübersehbar“ sei, wodurch „sich Konfliktfelder eröffnen könnten“. Es muss erlaubt sein, hier von Unsinn zu reden, der einen guten Bewerber um seinen Job gebracht hat. Lassen Sie sich deshalb niemals durch psychologische Gespräche irritieren und denken Sie noch einmal an die ersten Bewerbung-Artikel dieses Buches, an Ihre Bewerbungsgründe und an Ihre spezielle Ausgangsposition. Allein das sollte Sie leiten, in einem auch psychologisch gefühlten Gesprächsablauf stets Ihr Ziel im Auge zu behalten, nämlich die ausgeschriebene Position zu bekommen. Ihren Charakter können Sie nicht ändern, Ihre Persönlichkeit auch nicht. Deshalb sollten Sie sich natürlich und selbstbewusst, jedoch nicht übertrieben oder gekünstelt geben. Zweifeln Sie bitte, als Bewerber auf hoch qualifizierte Positionen, auch macht an Ihrem Selbstbewusstsein, wenn Ihnen ein negatives Gutachten von einem Personalberater präsentiert wird. Setzen Sie sich damit kritisch auseinander und prüfen Sie den Realitätsgehalt, lernen Sie zur Not aus einer Absage.