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Soziale Auswahl – betrieblicher Interessen usw.

Der Arbeitgeber hat bei der Sozialauswahl seit 1.1.2004 (wieder) bestimmte Sozialkriterien zu berücksichtigen, nämlich

-die Dauer der Betriebszugehörigkeit,

-das Lebensalter,

-die Unterhaltspflichten und (neu)

-die Schwerbehinderung

des Arbeitnehmers (§1 Abs. 3 KSchG). Die drei erstgenannten Sozialdaten waren in der Zeit vom 1.10.1996 bis 31.12.1998 schon einmal Inhalt des Gesetzes. Sie sind nun zusammen mit einem (vierten) Kriterium „Schwerbehinderung“ durch das Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt wieder in den Abs. 3 des § 1 KSchG eingefügt worden. Die Aufzählung der vier Auswahlgesichtspunkte ist abschließend, wodurch die Sozialauswahl für den Arbeitgeber wieder leichter geworden ist. Da das Gesetz nach wie vor nur eine „ausreichende Berücksichtigung“ verlangt, steht dem Arbeitgeber weiterhin ein gewisser Beurteilungsspielraum zu. Keinem dieser vier Kriterien kommt ein genereller oder absoluter Vorrang zu, wenngleich der Dauer der Betriebszugehörigkeit für den Grad des „Bestandsschutzes“ des Arbeitsverhältnisses eine besondere Bedeutung beizumessen ist.

Die soziale Auswahl findet auch bei Massenkündigungen (Betriebsänderungen) sowie bei einer etappenweisen Betriebsstillegung Anwendung. Sie ist nach § 2 KSchG auch bei Änderungskündigungen zu beachten.

 Betriebsbezug der Sozialauswahl
Die soziale Auswahl ist betriebsbezogen, d. h. sie hat grundsätzlich alle vergleichbaren Arbeitnehmer des Betriebs zu erfassen. Es sind also nicht nur die Arbeitnehmer einer von Personalreduzierungen betroffenen Betriebsabteilung, sondern des gesamten Betriebs einzubeziehen. Grundsätzlich erstreckt sich die soziale Auswahl nicht auf andere Betriebe des Unternehmens oder gar des Konzerns. Dies folgt aus der betriebsbezogenen Ausgestaltung des gesetzlichen Kündigungsschutzes, der lediglich bezüglich der Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nach § 1 Abs. 2 Satz 2 und 3 KSchG ausnahmsweise untemehmensbezogen ist.

 Vergleichbarkeit der Arbeitnehmer
Die Sozialauswahl ist nur auf vergleichbare Arbeitnehmer eines Betriebes beschränkt. In diesem Sinne vergleichbar sind Arbeitnehmer, die austauschbar sind. Dabei reicht es für die Austauschbarkeit aus, wenn der Arbeitnehmer, dessen Arbeitsplatz weggefallen ist, alsbald die gleichwertige Funktion eines anderen Arbeitnehmers wahrnehmen kann. Die Austauschbarkeit ist nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen festzustellen. Grundsätzlich sind aber nur Arbeitnehmer in die Auswahl einzubeziehen, die auf derselben Ebene der Betriebshierarchie stehen (sog. horizontale Vergleichbarkeit). Es sind mithin nicht Arbeitnehmer einzubeziehen, die auf unterschiedlichen Betriebsebenen stehen (vertikale Vergleichbarkeit), weil es bei ihnen an der Austauschbarkeit fehlt. Arbeitnehmer sind nicht austauschbar, wenn sie nur nach einer Änderungskündigung oder nach einverständlicher Änderung ihres Arbeitsvertrags anderweitig beschäftigt werden können. Daher kommen nur solche Arbeitnehmer für die Auswahl in Betracht, auf deren Arbeitsplätze der kündigungsbedrohte Arbeitnehmer allein durch Ausübung des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts versetzt werden kann. Ansonsten würde ein Verdrängungswettbewerb nach „unten“ dazu führen, dass z. B. bei Wegfall eines Arbeitsplatzes im Bereich höherer Fachangestellter letztlich dem Pförtner gekündigt wird, weil alle dazwischenliegenden hierarchischen Ebenen bereit sind, geringerwertige Tätigkeiten auszuüben. Die Erklärung des Arbeitnehmers, er sei auch bereit, zu schlechteren Arbeitsbedingungen zu arbeiten, würde die dort Beschäftigten in die Soziale Auswahl „hineinreißen“, die gar nicht von der Reduzierungsmaßnahme des Arbeitgebers betroffen sind.

Nicht in die soziale Auswahl einzubeziehen sind

-Arbeitnehmer ohne Kündigungsschutz (z.B. 6-monatige Wartezeit nicht erfüllt),

-befristet beschäftigte Arbeitnehmer, sofern sie die Kündbarkeit ihres Arbeitsverhältnisses während der Laufzeit nicht ausdrücklich vereinbart haben,

-Arbeitnehmer mit Sonderkündigungsschutz (z. B. Schwangere und junge Mütter, Schwerbehinderte, Wehr- und Zivildienstleistende, Funktionsträger nach dem BetrVG),

-Arbeitnehmer, deren ordentliche Kündigung durch Tarifvertrag oder einzelvertragliche Vereinbarung ausgeschlossen ist.

Die Herausnahme tariflich unkündbarer Arbeitnehmer wird teilweise kritisch gesehen.

Beispiel:       
Arbeitnehmer A, 52 Jahre alt, verheiratet, vier Kinder, 30 Jahre Betriebszuge

hörigkeit (tarifgebundenes Unternehmen der Metallindustrie)

Arbeitnehmer B, 53 Jahre alt, ledig, 3 Jahre Betriebszugehörigkeit (tarifgebundenes Unternehmen der Metallindustrie)

Da B dem tariflichen Kündigungsschutz (§4.4 MTV Metallindustrie Südwest) unterliegt, d.h. seine ordentliche Kündigung nach Vollendung des 53. Lebensjahres und 3-jähriger Betriebszugehörigkeit ausgeschlossen ist, wäre dem A vor dem B zu kündigen, ein nicht gesetzeskonformes Ergebnis!

Teilzeitbeschäftigte sind prinzipiell in die Sozialauswahl einzubeziehen. Auch dies ist nicht unbestritten. Gegen die Ansicht, Arbeitnehmer mit unterschiedlicher Arbeitszeit seien nicht vergleichbar, sprechen einige Vorschriften des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 3 und § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG).

Der Arbeitgeber kann kündigungsrechtlich nicht gezwungen werden, seinen Betrieb mit Vollzeit- oder Teilzeitkräften zu gestalten. Das gilt auch, wenn sich die Notwendigkeit einer Vertragsänderung für einen der weiterbeschäftigten Arbeitnehmer ergibt, weil das abzubauende Beschäftigungsvolumen nicht exakt dem Beschäftigungsumfang der Voll- und Teilzeitbeschäftigten entspricht. Das ist z.B. dann der Fall, wenn die Arbeitszeit eines sozial schwächeren Vollzeitbeschäftigten auf das Beschäftigungsvolumen des entlassenen Teilzeitbeschäftigten reduziert wird. Der Vollzeitbeschäftigte müsste allerdings der Reduzierung seines Arbeitsvolumens vorbehaltlos zustimmen.

Entfällt dagegen der Beschäftigungsbedarf nur für eine Teilzeitstelle und ist der Teilzeitbeschäftigte sozial schutzbedürftiger als ein vergleichbarer Vollzeitbeschäftigter, wäre es keine gesetzeskonforme Lösung, das Arbeitszeitvolumen des Teilzeitbeschäftigten zu erhöhen und den Vollzeitbeschäftigten zu entlassen. Vielmehr wäre die Änderungskündigung des Vollzeitbeschäftigten die gerechtere Lösung.