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Verraten und verkauft – Schrottimmobilien

Allein die Bayerische Hypotheken- und Wechsel-Bank brachte mit Hilfe von gedrillten Vertriebsleuten in den 1990er Jahren Kredite in Höhe von über 13 Milliarden Euro upters Volk. Viele der geprellten Kunden waren Bezieher mittlerer Einkommen und stecken heute noch tief in den Miesen. Sie sind in eine ausgeklügelte Geldschluckmaschine geraten, mit der Bankmitarbeiter und Vermittler gemeinsam ein Ziel verfolgten: gutgläubige Kunden um ihr Geld zu bringen und sich an teuren Kombikrediten zu bereichern.

Zunächst schienen die abgezockten Kunden keine Chancen zu haben, sich aus den Knebelverträgen zu befreien. Doch am 9. April 2002 hat der Bundesgerichtshof die Daumenschrauben der Banken etwas gelockert. Die Richter des XI. Senats entschieden, dass das Widerrufsrecht, das allgemein für Haustürgeschäfte gilt, auch auf Finanzgeschäfte anzuwenden sei, wenn die Verträge anlässlich von Vertreterbesuchen abgeschlossen wurde. (BGH, Urteil vom 09.04.2002, XI ZR 91/99). Damit wurde die Beschränkung des allgemeinen Rücktrittsrechts für Kreditvermittlungen aufgehoben. Kreditverträge können widerrufen werden, wenn sie im Büro oder Wohnzimmer geschlossen wurden, das heißt, wenn eine sogenannte Haustürsituation vorlag und keine korrekte Widerrußbelehrung erfolgte.

Um sich erfolgreich auf das neue Widerrufsrecht berufen zu können, muss der Kunde allerdings die Beweise erbringen, dass Kauf- und Kreditvertrag ein sogenanntes verbundenes Geschäft waren, erklären die Verbraucherschützer: Der Widerruf allein des Kreditvertrags würde dem Verbraucher wenig helfen, da dann nur die in diesem Vertrag ausgetauschten Leistungen zurückzugewähren sind – das heißt im Wesentlichen das Kapital, das der Verbraucher bekommen hat. Er würde dann aber auf seiner Immobilie Sitzenbleiben.

Im deutschen Geldgewerbe sorgte das Urteil für erhebliche Nervosität. Gespannt wartete man auf die Auslegung des Richterspruchs, wie sich der Widerruf auf Kombi-Kreditverträge auswirken würde. Die betroffenen Banken, allen voran die Hypo – Vereinsbank, das Nachfolgeinstitut der Bayerische Hypotheken- und Wechsel- Bank, waren beunruhigt. Kamen auf sie Massenrückabwicklungen und Rückzahlungsforderungen in Milliardenhöhe zu?

Die Angst machte allerdings auch erfinderisch. Die Hypo-Vereinsbank versuchte flugs, die geprellten Anleger mit Abgeltungserklärungen nochmals über den Tisch zu ziehen. Der Kunde, der solche Erklärung unterschreibt, verzichtet darauf, seine Ansprüche gegen die Bank geltend zu machen. Verbraucherschützer warnten vor solch voreiligen Erklärungen.

Der Anlass für die Krise, die dem Kreditgewerbe ab dem Jahr 2000 die Geschäfte gründlich verdarb, kam allerdings aus einer ganz anderen Ecke. Wie ein Bumerang fielen die unseriösen Kredite auf die Banken und insbesondere auf die Hypobank zurück.

Als die Zinsen stiegen, die Konjunktur kippte und die Aufbruchsstimmung im Wilden Osten in einen handfesten Kater umschlug, bekam auch die Bank die fatalen Folgen ihrer dubiosen Geschäfte zu spüren. Viele Kunden konnten die Darlehen und die Versicherungspolicen nicht mehr bedienen, die Bank blieb auf den faulen Krediten, die sie selbst initiiert hatte, sitzen und geriet in Turbulenzen. Doch die Banker hatten bald einen Ausweg gefunden, wie sie sich aus ihrer misslichen Lage befreien konnten. Das Nachsehen hatten Kunden wie das Ehepaar Lange.
Sie gehörten zu den Investoren, die im Osten einstiegen waren. Fünf Mietshäuser hatten sie in Leipzig übernommen und für die Sanierung ein Darlehen von 1,2 Millionen Euro aufgenommen. Das erschien ihnen kein großes Risiko zu sein, denn die Zinsen waren günstig und Leipzig, der Messestadt der ehemaligen DDR, wurde eine Zukunft als Boomtown prognostiziert.

Auch die Langes kamen anfangs gut zurecht. Die Zinsen waren mit etwa fünf Prozent relativ niedrig und ließen sich aus den Mieteinnahmen bezahlen. Doch dann lief die Zinsbindung aus, und die neuen Sätze überstiegen die Einnahmen. Zudem drückte ein Überangebot am Leipziger Wohnungsmarkt die Mieten. Die Langes konnten ihre Darlehen nicht mehr bedienen. Sie gerietet? in Zahlungsrückstand.
Die Kreditabteilung der Bayerischen Hypobank, die 1997 mit der Bayerischen Vereinsbank zur HypoVereinsbank fusioniert worden war, wurde nervös. Die Kredite waren zur Belastung geworden. Die zahllosen Sahnestückchen, die die Bank zu Beginn der 1990er Jahre überteuert verkauft hatte, entpuppten sich als Schrottimmobilien und wurden zu bleischwerem Ballast für die Bank. Viele der hastig geschlossenen Darlehensverträge wurden nicht mehr bedient. Bauträgergesellschaften, die die abbruchreifen Häuser und Plattenbauten sanieren sollten, gingen vor der Fertigstellung pleite, neue Unternehmer verlangten mehr Geld für den Abschluss der Arbeiten.

Die Bank saß auf einem Milliardenberg von faulen Krediten und nutzte die Situation für einen Befreiungsschlag. Der kam mit der texanischen Finanzbeteilungsgesellschaft Lone Star, mit Hauptsitz in der Steueroase Bermudas. Sie nahmen der Hypo- Vereinsbank Kredite in Höhe von 3,6 Milliarden Euro ab.
Die Texaner hatten sich auf den Erwerb von faulen Krediten spezialisiert und verdienten prächtig daran. Denn der Handel mit Immobilienschulden ist ein höchst einträgliches Geschäft. Die Beteiligungsgesellschaften – im Fachjargon Private-Equity- Gesellschaften -, die sich in diesem Bereich des weltweiten Kapitalmarktes tummeln, übernehmen diese Schulden zu einem Preis, der weit unter dem eigentlichen Wert der noch zu bedienenden Restkredite liegt. Beim Eintreiben der Restschuld sind sie nicht zimperlich: Lone Star bediente sich für dieses brutale Geschäft sogar einer eigenen Inkassogesellschaft, den Hudson Advisors.
Die Geldeintreiber von Hudson Advisors treten nicht als Berater auf, wie ihr Name vielleicht suggeriert. Sie jedenfalls machten mit den Langes kurzen Prozess. Die Zinsen wurden auf neun Prozent hochgeschraubt und die säumigen Schuldner zu einer Tilgung von einem Prozent verdonnert. Das konnten die Langes natürlich nicht bezahlen. Hudson Advisors versuchte, von ihnen Verkaufsvollmachten zu bekommen, und legte ihnen Abtretungserklärungen zur Unterschrift vor. Doch Mathias Lange lehnte es ab, seinen Weg in den Konkurs zu besiegeln.
Der Fall Lange wurde ein Fall für die Anwälte, und Lange zog mit dem Streit sogar vor den Bundesgerichtshof. Tatsächlich wirft das Vorgehen der HypoVereinsbank-Immobilientochter Hypo Real Estate eine Reihe von Fragen auf, die juristisch von der höchsten Instanz geklärt werden sollten. Da geht es erst einmal um die Zulässigkeit solcher Deals überhaupt. Neben den faulen Krediten seien auch bestehende und pünktlich bediente Darlehensverträge abgestoßen worden, ohne dass die betroffenen Kunden über diese Transaktion informiert worden seien oder sie gar genehmigt hätten.

Die Banken missbrauchen Vertrauen. (…) Sie behandeln die Kunden hier wie Sachen, erklärt Professor Udo Reifner vom Hamburger Institut für Finanzdienstleistungen. Er wirft den Banken Verantwortungslosigkeit vor: Kredit heißt Vertrauen. Das heißt ja nicht nur, dass die Bank dem Kunden vertraut, sondern auch, dass der Kunde der Bank vertraut. Dieses Vertrauen wird in hohem Grade missbraucht, so Reifner in einem Interview mit den Reportern des ZDF-Politmagazins Frontal 21. Bei der Transaktion – so befürchten die Kritiker – würden auch vertrauliche Daten zur Vermögenslage und zum Einkommen weitergegeben. Der Anwalt der Langes, Ingo Schulz-Hennig, hält den Deal deshalb für eine gravierende Verletzung des Bankgeheimnisses, das das Fundament der Kunden-Bank-Beziehung darstelle.