Dringlichkeit einer betriebsbedingten Kündigung

Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG können nur dringende betriebliche Erfordernisse eine betriebsbedingte Kündigung sozial rechtfertigen. Dabei kommt es nicht darauf an, dass die unternehmerische Entscheidung dringlich ist. Diese unterliegt nur der Willkürkontrolle durch die Gerichte. Maßgeblich ist vielmehr, ob die Durchführung der Unternehmerentscheidung im Betrieb ein dringendes betriebliches Erfordernis für die Kündigung zur Folge hat. Mit diesem Tatbestandsmerkmal wird der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, das Ultimaratio-Prinzip, konkretisiert56. Es wird erfüllt, wenn für den Arbeitgeber eine Zwangslage bestand, welche die Kündigung unvermeidbar machte57. Eine solche Zwangslage ist nur gegeben, wenn keine aus Sicht des Arbeitnehmers milderen Mittel zur Verfügung stehen, um den verfolgten Zweck zu erreichen. Ein dringendes betriebliches Erfordernis für die Kündigung fehlt, wenn der Arbeitnehmer auf einen anderen freien, vergleichbaren, gleichwertigen Arbeitsplatz im Betrieb versetzt werden kann. Dabei ist ein Arbeitsplatz vergleichbar, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer dort auf Grund seines Weisungsrechts ohne Änderung seines Arbeitsvertrags weiterbeschäftigen kann. Frei sind die zum Zeitpunkt der Kündigung unbesetzten Arbeitsplätze. Als „frei“ anzusehen ist ein Arbeitsplatz aber auch, wenn bei Ausspruch der Kündigung vorhersehbar ist, dass dieser Arbeitsplatz bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zur Verfügung stehen wird. Möglich ist auch eine Weiterbeschäftigung, wenn auf Arbeitsplätzen, die der Arbeitnehmer ausfüllen kann, Leiharbeitnehmer beschäftigt werden, da diese in keiner arbeitsvertraglichen Bindung zum Entleiher stehen. Der Arbeitgeber ist im Übrigen nicht verpflichtet, einen neuen Arbeitsplatz zu schaffen, um die Kündigung zu vermeiden.

Dringende betriebliche Erfordernisse fehlen, wenn sich betriebsbedingte Kündigungen durch Arbeitsstreckung vermeiden lassen:

(1)Arbeitsstreckung

Sie ist allerdings nur dann ein geeignetes milderes Mittel, wenn der verringerte Personalbedarf vorübergehend ist und eine Personalauslastung in absehbarer Zeit wieder erwartet werden kann. Erstreckt sich der verringerte Personalbedarf auf eine längere Periode (etwa ein halbes Jahr oder mehr) kann die Kündigung dringend erforderlich sein59. So setzt auch der Abbau von Überstunden als Maßnahme der Arbeitsstreckung voraus, dass damit zur Erhaltung des von der Kündigung bedrohten Arbeitsplatzes beigetragen werden kann. Die Verkürzung der regelmäßigen Arbeitszeit aller Arbeitnehmer zur Vermeidung betriebsbedingter Kündigungen einiger Arbeitnehmer gehört jedenfalls nicht zu den zu erwartenden Maßnahmen der Arbeitsstreckung.

(2)Kurzarbeit

Ob sich der gekündigte Arbeitnehmer darauf berufen kann, seine Kündigung habe durch Kurzarbeit vermieden werden können, ist in Anbetracht einer bis heute unklaren Rechtsprechungslage nicht eindeutig zu beantworten. Das Problem des Vorrangs der Kurzarbeit vor Kündigungen ist eng mit dem Mit-

bestimmungsrecht des Betriebsrats und seinem ihm von der Rechtsprechung sogar eingeräumten Initiativrecht verbunden60 (§87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG), j Grundsätzlich ist aber bei vorübergehendem Arbeitsmangel die Kurzarbeit als gegenüber der Beendigungskündigung vorrangiges Mittel anzusehen, j Dennoch wird es aus folgenden Gründen häufig nicht anwendbar sein:

-Bei nur vorübergehendem Arbeitsausfall muss der Arbeitgeber versuchen, mit dem Betriebsrat eine Einigung über die Einführung der Kurzarbeit zu erreichen. Einigen sich beide auf die Nichteinführung der Kurzarbeit oder lehnt der Betriebsrat die Einführung ab, scheidet die Kurzarbeit als milderes Mittel aus. Dasselbe gilt, wenn nach Anrufung der Einigungsstelle diese durch verbindlichen Spruch die Einführung der Kurzarbeit ablehnt.

-Befürwortet allein der Betriebsrat die Einführung der Kurzarbeit, lehnt aber der Arbeitgeber diese Maßnahme ab, unterliegt diese Verweigerung gerichtlicher Kontrolle. Der Arbeitgeber wird im Kündigungsschutzprozess substantiiert darlegen und beweisen müssen, weshalb die tatsächlichen Voraussetzungen für die Einführung der Kurzarbeit nicht gegeben sind und weshalb dieses Mittel nicht geeignet ist, künftig den Personalbestand in Übereinstimmung mit dem Personalbedarf zu halten.

-Haben sich die Betriebspartner auf die Einführung von Kurzarbeit geeinigt, sind betriebsbedingte Kündigungen nur möglich, wenn sie auf Gründe gestützt werden, die nicht schon zur Einführung der Kurzarbeit geführt haben (z. B. der endgültige Wegfall von Arbeitsplätzen wegen betrieblicher Umstrukturierungen oder Rationalisierungsmaßnahmen).

-Setzt sich der Arbeitgeber bei einem voraussichtlich nicht dauerhaften Arbeitsausfall gar nicht erst mit dem Betriebsrat in Verbindung, ist eine unvermittelt ausgesprochene Kündigung unwirksam.

In betriebsratslosen Betrieben wird man davon ausgehen müssen, dass die Entscheidung über die Einführung von Kurzarbeit eine arbeitsgerichtlich nicht nachprüfbare unternehmerische Entscheidung darstellt.

Umschulung oder Versetzung

Dringende betriebliche Erfordernisse sind nur dann zur sozialen Rechtfertigung einer Kündigung geeignet, wenn auch keine Möglichkeit einer anderweitigen Beschäftigung auf einem anderen freien Arbeitsplatz im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens besteht. Die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit ist damit auf alle Betriebe des Unternehmens, nicht aber auf die Konzernebene bezogen. Ausnahmsweise kann eine Versetzungspflicht innerhalb des Konzerns auf Grund einer besonderen arbeitsvertraglichen Situation in Frage kommen, z. B. wenn der Arbeitnehmer von vornherein für den Konzernbereich eingestellt worden ist, oder wenn sich der Arbeitnehmer mit einer konzernweiten Versetzung einverstanden erklärt hat.

Die Kündigung ist unzulässig, wenn die Weiterbeschäftigung auf einem anderen, freien Arbeitsplatz zu geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erfordert jedoch auch hier eine Abstufung der personellen Maßnahmen. Grundsätzlich hat der Arbeitnehmer auch in dieser Situation zunächst nur einen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung. Kann ihm der Arbeitgeber einen freien Arbeitsplatz im Wege des Direktionsrechts zuweisen, ist eine Änderungskündigung unzulässig, weil sie rechtlich nicht erforderlich ist. Ist dies aber nicht möglich, kann der Arbeitgeber eine Änderungskündigung in Erwägung ziehen. Dabei können alle Vertragsänderungen in Betracht kommen, die das konkrete betriebliche Bedürfnis erfordern, insbesondere die Versetzung auf einen anderen, u. U. auch geringerwertigen Arbeitsplatz oder das Angebot einer Teilzeitbeschäftigung (Grundsatz des Vorrangs der Änderungskündigung vor einer Beendigungskündigung). Der Arbeitgeber muss klarstellen, dass bei Ablehnung des Änderungsangebots eine Kündigung beabsichtigt ist. Dem Arbeitnehmer ist eine Überlegungsfrist von einer Woche einzuräumen. Nimmt der Arbeitnehmer das Angebot an, ist der Arbeitsvertrag einverständlich abgeändert und die Kündigung vermieden. Nimmt er das Angebot unter dem Vorbehalt an, die soziale Rechtfertigung dieser Änderung der Arbeitsbedingungen überprüfen zu lassen (§ 2 KSchG), muss der Arbeitgeber eine Änderungskündigung aussprechen. Lehnt der Arbeitnehmer das Änderungsangebot vorbehaltlos und endgültig ab, kann der Arbeitgeber eine Beendigungskündigung aussprechen. Damit ist diese Kündigung alleine noch nicht wirksam. Sie ist nur nicht wegen des Vorrangs der Änderungskündigung unwirksam, ansonsten aber unterliegt sie der üblichen Überprüfung auf soziale Rechtfertigung. Die Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz trifft den Arbeitgeber auch, wenn sie erst nach zumutbarer Fortbildung oder Umschulung möglich ist. Die Umschulung und Fortbildung bedarf sorgfältiger Interessenabwägung und ist dem Arbeitgeber nur zumutbar, wenn sie angesichts der Dauer der Beschäftigung in vertretbarer Zeit und mit vertretbarem Aufwand (Kosten) möglich ist. Als vertretbare Zeit wird – in Anlehnung an die längstmögliche gesetzliche Kündigungsfrist des Arbeitgebers gern. § 622 Abs. 2 BGB – eine Umschulungsdauer von sieben Monaten angesehen. Sind entsprechend dem Grundsatz des § 2 SGB III arbeitsförderungsrechtliche Leistungen zu erwarten, kann eine längere Umschulungszeit zumutbar sein.

Soziale Auswahl – betrieblicher Interessen usw.

Der Arbeitgeber hat bei der Sozialauswahl seit 1.1.2004 (wieder) bestimmte Sozialkriterien zu berücksichtigen, nämlich

-die Dauer der Betriebszugehörigkeit,

-das Lebensalter,

-die Unterhaltspflichten und (neu)

-die Schwerbehinderung

des Arbeitnehmers (§1 Abs. 3 KSchG). Die drei erstgenannten Sozialdaten waren in der Zeit vom 1.10.1996 bis 31.12.1998 schon einmal Inhalt des Gesetzes. Sie sind nun zusammen mit einem (vierten) Kriterium „Schwerbehinderung“ durch das Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt wieder in den Abs. 3 des § 1 KSchG eingefügt worden. Die Aufzählung der vier Auswahlgesichtspunkte ist abschließend, wodurch die Sozialauswahl für den Arbeitgeber wieder leichter geworden ist. Da das Gesetz nach wie vor nur eine „ausreichende Berücksichtigung“ verlangt, steht dem Arbeitgeber weiterhin ein gewisser Beurteilungsspielraum zu. Keinem dieser vier Kriterien kommt ein genereller oder absoluter Vorrang zu, wenngleich der Dauer der Betriebszugehörigkeit für den Grad des „Bestandsschutzes“ des Arbeitsverhältnisses eine besondere Bedeutung beizumessen ist.

Die soziale Auswahl findet auch bei Massenkündigungen (Betriebsänderungen) sowie bei einer etappenweisen Betriebsstillegung Anwendung. Sie ist nach § 2 KSchG auch bei Änderungskündigungen zu beachten.

 Betriebsbezug der Sozialauswahl
Die soziale Auswahl ist betriebsbezogen, d. h. sie hat grundsätzlich alle vergleichbaren Arbeitnehmer des Betriebs zu erfassen. Es sind also nicht nur die Arbeitnehmer einer von Personalreduzierungen betroffenen Betriebsabteilung, sondern des gesamten Betriebs einzubeziehen. Grundsätzlich erstreckt sich die soziale Auswahl nicht auf andere Betriebe des Unternehmens oder gar des Konzerns. Dies folgt aus der betriebsbezogenen Ausgestaltung des gesetzlichen Kündigungsschutzes, der lediglich bezüglich der Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nach § 1 Abs. 2 Satz 2 und 3 KSchG ausnahmsweise untemehmensbezogen ist.

 Vergleichbarkeit der Arbeitnehmer
Die Sozialauswahl ist nur auf vergleichbare Arbeitnehmer eines Betriebes beschränkt. In diesem Sinne vergleichbar sind Arbeitnehmer, die austauschbar sind. Dabei reicht es für die Austauschbarkeit aus, wenn der Arbeitnehmer, dessen Arbeitsplatz weggefallen ist, alsbald die gleichwertige Funktion eines anderen Arbeitnehmers wahrnehmen kann. Die Austauschbarkeit ist nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen festzustellen. Grundsätzlich sind aber nur Arbeitnehmer in die Auswahl einzubeziehen, die auf derselben Ebene der Betriebshierarchie stehen (sog. horizontale Vergleichbarkeit). Es sind mithin nicht Arbeitnehmer einzubeziehen, die auf unterschiedlichen Betriebsebenen stehen (vertikale Vergleichbarkeit), weil es bei ihnen an der Austauschbarkeit fehlt. Arbeitnehmer sind nicht austauschbar, wenn sie nur nach einer Änderungskündigung oder nach einverständlicher Änderung ihres Arbeitsvertrags anderweitig beschäftigt werden können. Daher kommen nur solche Arbeitnehmer für die Auswahl in Betracht, auf deren Arbeitsplätze der kündigungsbedrohte Arbeitnehmer allein durch Ausübung des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts versetzt werden kann. Ansonsten würde ein Verdrängungswettbewerb nach „unten“ dazu führen, dass z. B. bei Wegfall eines Arbeitsplatzes im Bereich höherer Fachangestellter letztlich dem Pförtner gekündigt wird, weil alle dazwischenliegenden hierarchischen Ebenen bereit sind, geringerwertige Tätigkeiten auszuüben. Die Erklärung des Arbeitnehmers, er sei auch bereit, zu schlechteren Arbeitsbedingungen zu arbeiten, würde die dort Beschäftigten in die Soziale Auswahl „hineinreißen“, die gar nicht von der Reduzierungsmaßnahme des Arbeitgebers betroffen sind.

Nicht in die soziale Auswahl einzubeziehen sind

-Arbeitnehmer ohne Kündigungsschutz (z.B. 6-monatige Wartezeit nicht erfüllt),

-befristet beschäftigte Arbeitnehmer, sofern sie die Kündbarkeit ihres Arbeitsverhältnisses während der Laufzeit nicht ausdrücklich vereinbart haben,

-Arbeitnehmer mit Sonderkündigungsschutz (z. B. Schwangere und junge Mütter, Schwerbehinderte, Wehr- und Zivildienstleistende, Funktionsträger nach dem BetrVG),

-Arbeitnehmer, deren ordentliche Kündigung durch Tarifvertrag oder einzelvertragliche Vereinbarung ausgeschlossen ist.

Die Herausnahme tariflich unkündbarer Arbeitnehmer wird teilweise kritisch gesehen.

Beispiel:       
Arbeitnehmer A, 52 Jahre alt, verheiratet, vier Kinder, 30 Jahre Betriebszuge

hörigkeit (tarifgebundenes Unternehmen der Metallindustrie)

Arbeitnehmer B, 53 Jahre alt, ledig, 3 Jahre Betriebszugehörigkeit (tarifgebundenes Unternehmen der Metallindustrie)

Da B dem tariflichen Kündigungsschutz (§4.4 MTV Metallindustrie Südwest) unterliegt, d.h. seine ordentliche Kündigung nach Vollendung des 53. Lebensjahres und 3-jähriger Betriebszugehörigkeit ausgeschlossen ist, wäre dem A vor dem B zu kündigen, ein nicht gesetzeskonformes Ergebnis!

Teilzeitbeschäftigte sind prinzipiell in die Sozialauswahl einzubeziehen. Auch dies ist nicht unbestritten. Gegen die Ansicht, Arbeitnehmer mit unterschiedlicher Arbeitszeit seien nicht vergleichbar, sprechen einige Vorschriften des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 3 und § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG).

Der Arbeitgeber kann kündigungsrechtlich nicht gezwungen werden, seinen Betrieb mit Vollzeit- oder Teilzeitkräften zu gestalten. Das gilt auch, wenn sich die Notwendigkeit einer Vertragsänderung für einen der weiterbeschäftigten Arbeitnehmer ergibt, weil das abzubauende Beschäftigungsvolumen nicht exakt dem Beschäftigungsumfang der Voll- und Teilzeitbeschäftigten entspricht. Das ist z.B. dann der Fall, wenn die Arbeitszeit eines sozial schwächeren Vollzeitbeschäftigten auf das Beschäftigungsvolumen des entlassenen Teilzeitbeschäftigten reduziert wird. Der Vollzeitbeschäftigte müsste allerdings der Reduzierung seines Arbeitsvolumens vorbehaltlos zustimmen.

Entfällt dagegen der Beschäftigungsbedarf nur für eine Teilzeitstelle und ist der Teilzeitbeschäftigte sozial schutzbedürftiger als ein vergleichbarer Vollzeitbeschäftigter, wäre es keine gesetzeskonforme Lösung, das Arbeitszeitvolumen des Teilzeitbeschäftigten zu erhöhen und den Vollzeitbeschäftigten zu entlassen. Vielmehr wäre die Änderungskündigung des Vollzeitbeschäftigten die gerechtere Lösung.

Berechtigte betriebliche Interessen bei Kündigung

Nach der seit 1.1.2004 (wieder) geltenden Neufassung des § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG sind in die soziale Auswahl Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung insbesondere wegen

-ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder

-zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes

-im berechtigten, betrieblichen Interesse liegt.

Entgegen der bislang, bis 31.12.2003, bestehenden Rechtslage ist damit nicht mehr eine Abwägung der sozialen Schutzwürdigkeit mit den betrieblichen Bedürfnissen einer Weiterbeschäftigung eines weniger schutzwürdigen Arbeitnehmers vorzunehmen. Vielmehr sind die Arbeitnehmer, an deren Weiterbeschäftigung ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers besteht, von vornherein nicht in die Auswahl einzubeziehen! Die Weiterbeschäftigung muss nicht mehr erforderlich, der leistungsstärkere Arbeitnehmer erst recht für den geordneten Betriebsablauf unverzichtbar sein.

Ein berechtigtes betriebliches Interesse an der Weiterbeschäftigung besteht, wenn für den Betrieb (nicht das Unternehmen!) die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses geboten erscheint.

Als berechtigtes Interesse sind folgende Umstände anzuerkennen:

(1)Besondere Kenntnisse, die für Spezialarbeiten bzw. für einen reibungslosen Betriebsablauf unerlässlich sind,

(2)besondere Leistungen (Schnelligkeit, geringe Fehlerquote, Einsatzbereitschaft und Zuverlässigkeit),

(3)ein bestimmtes hohes Leistungsniveau, das für den Betrieb betriebstechnisch und wirtschaftlich vorteilhaft ist und das der sozial schwächere Arbeitnehmer nicht aufweist,

(4)Schlüsselposition, d. h. wenn der in Rede stehende Arbeitsplatz von herausragender Bedeutung für den Ertrag des Unternehmens ist oder sich auf die anderen Arbeitsplätze leistungsmotivierend auswirkt wie z. B. Einkäufer, der günstige Konditionen aushandelt, Verkäufer mit überdurchschnittlich vielen Abschlüssen, Mitarbeiter mit wichtigen Kundenkontakten u.a.

Zu den einer sozialen Auswahl entgegenstehenden betrieblichen Bedürfnissen sind auch solche betrieblichen Beeinträchtigungen zu rechnen, die ihre Ursache in der Person des Arbeitnehmers haben (z.B. krankheitsbedingte Fehlzeiten). Freilich muss der Arbeitgeber darlegen, warum auf dem fortbestehenden Arbeitsplatz die Beschäftigung eines Arbeitnehmers mit geringeren krankheitsbedingten Fehlzeiten von besonderer Bedeutung ist. Solche Fehlzeiten sind auch zu berücksichtigen, wenn die Voraussetzungen einer krankheitsbedingten Kündigung nicht vorliegen.

Nach dem zweiten Ausnahmetatbestand des § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG sind Arbeitnehmer auch nicht in die soziale Auswahl einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass insbesondere bei Massenentlassungen die soziale Auswahl anhand der vier Sozialkriterien dazu führen kann, dass sich durch die vorrangige Entlassung jüngerer Arbeitnehmer eine den betrieblichen Interessen zuwiderlaufende Überalterung kaum vermeiden lässt. Deshalb ist es bei Massenkündigungen nicht nur möglich, die Sozialauswahl mit Hilfe von Punktetabellen leichter handhaben zu können, sondern auch über Auswahlrichtlinien mit dem Betriebsrat Gruppen vergleichbarer Arbeitnehmer nach Altersstufen zu bilden, um so die soziale Auswahl in der Vorgehensweise zu vereinfachen.

Rechtsprechungsbeispiel:
Eine Stadt mit Kindertagesstätten und Internaten entschloss sich wegen rückläufigem Betreuungsbedarf von 156 Erzieherinnen die Arbeitsverhältnisse mit 66 Erzieherinnen betriebsbedingt zum 31.3.1999 zu kündigen. Der Sozialauswahl legte sie eine zuvor mit dem Personalrat vereinbarte Auswahlrichtlinie (Dienstvereinbarung) zu Grunde. In einem ersten Schritt ermittelte sie 18 Vergleichsgruppen und bildete in der größten Vergleichsgruppe fünf Altersgruppen. Eine Erzieherin, die in einer Altersgruppe (bis 50 Lebensjahre) zusammen mit 26 Kolleginnen gekündigt wurde, beanstandete mit ihrer Klage beim Arbeitsgericht die soziale Auswahl, insbesondere die von der Arbeitgeberin vorgenommene Gruppenbildung. Das BAG gab der Arbeitgeberin Recht. Es bejahte zunächst ein dringendes betriebliches Bedürfnis für die Entlassung einer der Bedarfsberechnung entsprechenden Anzahl von Erzieherinnen. Die Arbeitgeberin sei auch berechtigt gewesen, nicht unter allen Erzieherinnen der Vergleichsgruppe, der die Klägerin zuzuordnen war, eine Sozialauswahl durchzuführen. Ihre Vorgehensweise, vorab Altersgruppen zu bilden und lediglich innerhalb dieser Altersgruppe auszuwählen, sei berechtigt gewesen. Auch die Gewichtung der Sozialkriterien untereinander, die sie mit dem Personalrat in der Dienstvereinbarung festgelegt habe und die nur auf grobe Fehlerhaftigkeit zu überprüfen war (§ 1 Abs. 4 KSchG), sei nicht zu beanstanden gewesen.

Nach der seit Jahresbeginn in Kraft getretenen Neuregelung des § 1 Abs. 3 KSchG ist die soziale Auswahl in folgenden drei Schritten vorzunehmen:

(1)Zunächst hat der Arbeitgeber im Betrieb den Kreis vergleichbarer Arbeitnehmer anhand arbeitsplatzbezogener Merkmale (Berufsgruppen wie Arbeiter/ Angestellte, Ausbildungsberufe wie Mechaniker/Meister/technischer Zeichner u.a.) jeweils auf derselben (horizontalen) betriebshierarchischen Ebene zu ermitteln.

(2)In einem 2. Schritt hat der Arbeitgeber die Möglichkeit, bestimmte, an sich vergleichbare Arbeitnehmer, deren Weiterbeschäftigung ihm im berechtigten betrieblichen Interesse liegt, aus dem Kreis des auswahlrelevanten Personenkreises herauszunehmen bzw. auszulassen.

(3)Schließlich hat er aus dem nach Maßgabe der ersten beiden Schritte ermittelten Arbeitnehmerkreis die eigentliche Sozialauswahl vorzunehmen. Dazu muss er die gesetzlich vorgegebenen vier Sozialkriterien Alter, Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung jedes dieser Arbeitnehmer ausreichend berücksichtigen.

Auswahlrichtlinien bei Outplacement

Mit dem wieder eingeführten Abs. 4 des § 1 KSchG wird die gerichtliche Überprüfungsmöglichkeit der sozialen Auswahl eingeschränkt. Arbeitgeber und Betriebsrat können gemäß § 95 BetrVG Auswahlrichtlinien vereinbaren, in denen die vier Sozialauswahlkriterien im Verhältnis zueinander bewertet werden können. Auch den Tarifparteien steht dieses Regelungsrecht zu. Diese Bewertung kann durch die Gerichte nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

Eine weitergehende Billigkeitskontrolle dieser Auswahlrichtlinie wird ausgeschlossen. Die Tarifparteien wie auch die Betriebspartner können in Punktetabellen die vier im Gesetz genannten Sozialkriterien gewichten und diese Gewichtung in Punkten festlegen. Dabei muss aber ein ausgewogenes Verhältnis unter diesen Grunddaten beachtet werden. Grob fehlerhaft ist die Auswahlrichtlinie, wenn z.B. den Unterhaltspflichten ein höheres Gewicht beigemessen wird, als der Dauer der Betriebszugehörigkeit. Ebenso wenig dürfen die Unterhaltspflichten wesentlich geringer bewertet werden, als das Lebensalter. Grundsätzlich darf auch das Lebensalter höchstens gleich stark gewichtet werden, wie die Betriebszugehörigkeit, eher geringer. Eine „Grundtabelle“ hat das BAG 1990, allerdings für die damals nur bestehenden drei Grunddaten Betriebszugehörigkeit, Lebensalter und Unterhaltspflichten, wie folgt entwickelt:

Betriebszugehörigkeit
– bis 10 Dienstjahre je Jahr                                                                                 1 Punkt

– ab dem 11. Dienstjahr je Jahr                                                                           2 Punkte

– es werden nur Zeiten der Betriebszugehörigkeit bis

zum vollendeten 55. Lebensjahr berücksichtigt,

also maximal                                                                                                          70 Punkte

Lebensalter

– für jedes vollendete Lebensjahr                                                                       1 Punkt

– maximal möglich                                                                                                 55 Punkte

Unterhaltspflichten

– je unterhaltsberechtigtes Kind                                                                           4 Punkte

– verheiratet                                                                                                            8 Punkte

Diese Punktetabelle müsste nunmehr um das neue Kriterium „Schwerbehinderung“ ergänzt werden. Dies ist allerdings eine schwierige Aufgabe, denn das Gesetz enthält leider keinen praktikablen Hinweis, wie man die Schwerbehinderung in den Abwägungsprozess überhaupt einbeziehen kann, wo doch für Schwerbehinderte der besondere Kündigungsschutz nach §§85 ff. SGB IX besteht.

Stellt sich heraus, dass die in den Auswahlrichtlinien vorgenommene Bewertung der Sozialkriterien grob fehlerhaft war, führt dies nicht zwingend zur Unwirksamkeit der Kündigung nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG, denn auch unrichtige

Erwägungen können zufällig zu einer zutreffenden sozialen Auswahlentscheidung führen.

Interessenausgleich (Namensliste der zu kündigenden Arbeitnehmer)
Sind in einem Interessenausgleich die von der Kündigung betroffenen Arbeitnehmer namentlich bezeichnet, so wird nach dem seit 01.2004 wieder eingeführten Abs. 5 des § 1 KSchG vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist. Diese Vermutung kann vom Arbeitnehmer widerlegt werden. Nicht der Arbeitgeber, sondern der Arbeitnehmer trägt für das Fehlen der dringenden betrieblichen Gründe die Darlegungs- und Beweislast. Darüber hinaus kann die soziale Auswahl in einem Interessenausgleich – wie bei Auswahlrichtlinien – nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Für die Frage, ob eine für einen Interessenausgleich notwendige Betriebsänderung vorliegt, ist seit der Novellierung des BetrVG im Juli 2001 die Grenze von mehr als 20 Arbeitnehmern nicht mehr auf den Betrieb, sondern auf das Unternehmen zu beziehen. Ob die neue Regelung mit der Benennung von Arbeitnehmern auch für Änderungskündigungen gilt, ist – im Gegensatz zur klaren Regelung in § 125 Abs. 1 Nr. 1 Insolvenzordnung – leider offen.

Darlegungs- und Beweislast im Kündigungsschutzprozess

Da die Umstände, die zu einer betriebsbedingten Kündigung führen, aus der „Verantwortungssphäre“ des Kündigenden selbst stammen, stellen die Arbeitsgerichte an die Darlegungspflicht des Arbeitgebers, wie nachfolgend dargestellt, strenge Anforderungen:

Dringende betriebliche Erfordernisse
Der Arbeitgeber trägt im Prozess in vollem Umfange die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist, ohne dass eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit besteht (§ 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG). Ein schlagwortartiger Vortrag, wie z.B. „Rationalisierungsmaßnahmen“, „Umsatzverluste“, oder „Umsatzrückgang“ hätten die Kündigung veranlasst, reicht nicht aus. Der Arbeitgeber hat außerbetriebliche Umstände darzulegen und zu beweisen. Er muss innerbetriebliche Maßnahmen so substantiiert darlegen, dass erkennbar ist, dass sie den Wegfall des Arbeitsplatzes bedingen. Soll die innerbetriebliche Maßnahme allein in einer Outplacement stehen, sind die Grundsätze der abgestuften Darlegungslast wie folgt zu beachten:

(1)Der Arbeitgeber hat auf der ersten Stufe nachprüfbar darzulegen, dass eine Unternehmerentscheidung zur Outplacement getroffen worden ist, die auf Dauer angelegt ist, eine Reduzierung der Arbeitsmenge erwarten lässt und durch den entstehenden Arbeitskräfteüberhang die Kündigung unvermeidbar macht.

(2)Der Arbeitnehmer hat auf der zweiten Stufe darzulegen, dass die Unternehmerentscheidung willkürlich, offenbar unsachlich oder unvernünftig ist und

dass an ihrer Stelle eine andere, vernünftige Organisationsentscheidung möglich war und die Kündigung vermieden hätte.

Weilerbeschäftigungsmöglichkeit
Für die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung trifft den Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast, dass die Kündigung wegen des Wegfalls des bisherigen Arbeitsplatzes durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist, weil eine anderweitige Beschäftigung im Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens nicht möglich oder zumutbar ist. Der Umfang der Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers hängt jedoch davon ab, wie sich der Arbeitnehmer auf die Begründung der Kündigung einlässt. Bei einfachem Bestreiten des Arbeitnehmers genügt der Vortrag des Arbeitgebers, wegen der betrieblichen Notwendigkeiten sei eine Weiterbeschäftigung zu gleichen Bedingungen nicht möglich. Der Arbeitnehmer muss dann darlegen, wie er sich konkret eine anderweitige Beschäftigung vorstellt, wobei er nicht notwendig einen freien Arbeitsplatz benennen muss. Erst auf diesen Vortrag hin muss der Arbeitgeber erläutern, aus welchen Gründen eine Weiterbeschäftigung nicht möglich sein soll.

Soziale Auswahl
Für die Fehlerhaftigkeit der vom Arbeitgeber vorgenommenen sozialen Auswahl ist nach Abs. 3 Satz 3 des § 1 KSchG der Arbeitnehmer beweispflichtig. Für das Vorliegen von der sozialen Auswahl entgegenstehenden berechtigten betrieblichen Bedürfnissen trägt der Arbeitgeber die Beweislast. Es gilt auch hier ein abgestuftes System:

(1)Zuerst hat der Arbeitnehmer vorzutragen, dass die soziale Auswahl fehlerhaft vorgenommen wurde. Kennt er die Namen und Sozialdaten vergleichbarer Arbeitnehmer, muss er die Namen der seiner Auffassung nach weniger schutzwürdigen Arbeitskollegen und ihre Sozialdaten nennen. Weiß der Arbeitnehmer nicht, welche Kollegen mit ihm vergleichbar sind, darf er pauschal die soziale Auswahl beanstanden, muss aber nun den Arbeitgeber zur Auskunft über die Gründe auffordern, welche zur sozialen Auswahl geführt haben.

(2)Damit geht die Darlegungslast auf den Arbeitgeber über. Hierbei hat er aber nur seine subjektiven Überlegungen mit allen von ihm dabei verwendeten Sozialdaten mitzuteilen. Gibt der Arbeitgeber dazu auch im Prozess keine Auskunft, geht das Gericht nun davon aus, dass die soziale Auswahl fehlerhaft war und wird die Kündigung für unwirksam halten.

(3)Ist der Arbeitgeber dem Auskunftsverlangen nachgekommen, so fällt die Darlegungslast wieder voll an den Arbeitnehmer zurück. Dieser hat nun anhand einer Aufstellung der seiner Ansicht nach vergleichbaren Arbeitnehmer und deren Sozialdaten darzulegen, welcher/e Arbeitnehmer weniger schutzwürdig ist/sind, als er selbst. Auf dieser Grundlage hat das Arbeitsgericht über die Rechtsfrage der sozialen Schutzwürdigkeit zu entscheiden.

Aufhebungsvertrag mit älteren Mitarbeitern – Erstattungspflicht des Arbeitgebers

Aufhebungsvertrag mit älteren Mitarbeitern – Erstattungspflicht des Arbeitgebers
Für den Aufhebungsvertrag mit älteren Arbeitnehmern, d.h. Arbeitnehmern nach vollendetem 55. Lebensjahr, gelten an sich keine arbeitsrechtlichen Besonderheiten. Bei der Höhe der Abfindung kann sich allerdings die „Rentennähe“ betragsmindernd auswirken. Entsprechende Regelungen sind in Sozialplänen anzutreffen. Auch aus dem Gesetz (vgl. § 10 Abs. 2 Satz 2 KSchG) lässt sich dieser Gedanke für die Bemessung der Abfindung im Falle gerichtlicher Auflösung des Arbeitsverhältnisses entnehmen. Bei tarifgebundenen Arbeitsverhältnissen kann allerdings die umgekehrte Folge eines teureren Aufhebungsvertrags für ältere Arbeitnehmer eintreten, wenn sie unter die tarifliche Alterssicherung fallen, also eine ordentliche Kündigung ausgeschlossen ist, und sie nur für hohe Abfindungen zum Verzicht ihres besonderen Kündigungsschutzes bereit sind.

Die eigentliche Erschwernis bei Aufhebungsverträgen mit älteren Arbeitnehmern liegt aber nicht im arbeitsrechtlichen Bereich, sondern in den sozialrechtlichen Konsequenzen. Zu den allgemeinen Belastungen über eine Sperrzeit und eine Ruhenszeit, kann bei älteren Arbeitnehmern noch die Erstattungspflicht für den Arbeitgeber hinzutreten. Grundgedanke des Gesetzgebers ist es dabei schon geraume Zeit, die Frühverrentung von Arbeitnehmern zurückzudrängen, insbesondere die Inanspruchnahme von Leistungen der Arbeitslosenversicherung und damit eine Belastung der Solidargemeinschaft der Beitragszahler zu vermeiden.

Erstattungspflicht des Arbeitgebers
Auch hier hat das EEAndG vom 03.1999 mit § 147aSGB III im Wesentlichen die dem früheren § 128 AFG entsprechende Rechtslage wiederhergestellt. Das Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 hat allerdings zum 1.1.2004 die Erstattungsverpflichtung des Arbeitgebers bei Freisetzung älterer Arbeitnehmer in folgenden Punkten verschärft:

-Die Erstattungspflicht tritt bereits dann ein, wenn die Entlassung nach Vollendung des 55. (bisher 56.) Lebensjahres erfolgt.

-Die Mindestbeschäftigungszeit beim erstattungspflichtigen Arbeitgeber wird I einheitlich auf 10 Jahre (bisher 10 bzw. 15 Jahre) gekürzt.

-Der maximale Erstattungszeitraum verlängert sich von 24 auf 32 Monate.

-Die Erstattungspflicht beginnt bereits mit der Vollendung des 57. Lebensjahres (bisher 58.).

Die neue Regelung ist in allen Fällen anzuwenden, in denen der Anspruch auf Arbeitslosengeld in der Zeit vom 1.1.201)4 bis 31.1.2006 entsteht. Ab dem

02.2006 wird die Bezugsdauer des Arbeitslosengelds auf zwölf Monate, nach Vollendung des 55. Lebensjahres auf 18 Monate begrenzt. Damit entfällt die Erstattungsregelung ersatzlos.

Voraussetzungen der Erstattungsregelung
Der § 147a SGB III verpflichtet den Arbeitgeber zur Erstattung des an 57-jährige und ältere Arbeitnehmer gezahlten Arbeitslosengeldes einschl. Beiträgen zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung. Voraussetzung ist, dass der Arbeitnehmer (Arbeitslose) bei dem Arbeitgeber innerhalb der letzten vier Jahre vor dem Tag der Arbeitslosigkeit mindestens 24 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Die Erstattungspflicht tritt nicht ein, wenn das Arbeitsverhältnis vor Vollendung des 55. Lebensjahres beendet worden ist. Der Agentur für Arbeit ist das Arbeitslosengeld einschließlich der darauf entfallenden Sozialbeiträge längstens für 32 Monate zu erstatten. Erstattungspflichtig ist derjenige Arbeitgeber, der für den ausgeschiedenen Arbeitnehmer wegen seiner insgesamt langjährigen Betriebszugehörigkeit in einer die Erstattung rechtfertigen der Weise verantwortlich gewesen ist. Das kann auch ein „früherer“ Arbeitgeber sein, nicht nur derjenige, bei dem der Arbeitnehmer zuletzt in einem Arbeitsverhältnis gestanden hat.

Beispiel:       
Arbeitnehmer A scheidet im Alter von 56 Jahren nach 11-jähriger Betriebszugehörigkeit im Februar 2000 beim Arbeitgeber B aus. Er ist anschließend vom März 2000 bis Oktober 2001 beim Arbeitgeber C beschäftigt. Im November 2001 beantragt er im Alter von 57 Jahren Arbeitslosengeld.

Die Voraussetzungen für eine Erstattungspflicht (24 Monate Versicherungsverhältnis) sind bei Arbeitgeber B, nicht aber bei Arbeitgeber C erfüllt. Die Erstattungspflicht beginnt jedoch erst ab dem vollendeten 58. Lebensjahr des A.

Befreiung von der Erstattungspflicht und Personalabbau

Zu unterscheiden sind die von Amts wegen zu ermittelnden Ausnahmen von der Erstattungspflicht (§ 147 a Abs. 1 Satz 1 SGB III) und die auf Nachweis des Arbeitgebers u.U. zur Anwendung kommenden Befreiungstatbestände (§ 147a Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 SGB III). Zur ersteren Fallgruppe gehören als Voraussetzung einer Befreiung neben dem vollendeten 55. Lebensjahr bzw. einer Vorbeschäftigungszeit von nicht weniger als zehn Jahren innerhalb der letzten zwölf Jahre die sog. alternativen Sozialleistungen (Kranken-, Verletzten- und Übergangsgeld sowie Renten wegen Alters bzw. wegen verminderter Erwerbsfähigkeit). Insbesondere die vorgezogene Altersrente ab vollendetem 60. oder 63. Lebensjahr können die Erstattungspflicht ausschließen. Dabei kommt es bei allen vorgenannten Sozialleistungen nur auf den Anspruch an; unerheblich ist, ob der Arbeitnehmer/Arbeitslose die Sozialleistung tatsächlich bezieht oder beantragt hat.

Zu den Befreiungstatbeständen durch Nachweis des Arbeitgebers gehören:

(1)Der Arbeitslose hat innerhalb der letzten zwölf Jahre vor der Arbeitslosigkeit weniger als zehn Jahre zum Arbeitgeber im Arbeitsverhältnis gestanden.

(2)Der Arbeitgeber beschäftigt nicht mehr als 20 Arbeitnehmer, ausgenommen Auszubildende, Schwerbehinderte und Teilzeitkräfte bis zehn Stunden wöchentlich (TZ-Kräfte bis 20 Wochenstunden werden mit 0,5, solche bis 30 Wochenstunden mit 0,75 berücksichtigt).

(3)Eigenkündigung des Arbeitnehmers, ohne dass er eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung erhalten oder zu beanspruchen hat.

Ein Aufhebungsvertrag steht der Kündigung durch den Arbeitnehmer nicht gleich, befreit also nicht von der Erstattungspflicht!

(4)Arbeitgeberkündigung, wenn sie sozial gerechtfertigt ist. Das Arbeitsverhältnis muss tatsächlich durch eine solche Kündigung geendet haben. Auch hier genügt die einvernehmliche Beendigung (Aufhebungsvertrag) nicht!

Auch beim neuen § 1 a KSchG (Angebot einer Kündigung nach zuvor erklärter betriebsbedingter Kündigung) muss die Agentur für Arbeit prüfen, ob tatsächlich eine sozial gerechtfertigte Arbeitgeberkündigung vorlag. Sie ist an eine rechtskräftige Entscheidung des Arbeitsgerichts gebunden.

(5)Fristlose Arbeitgeberkündigung, auch mit sozialer Auslauffrist.

Personalabbau als Befreiungstatbestand
Das Gesetz unterscheidet den drastischen Personalabbau, bei dem der Arbeitgeber kurzfristig den Personalbestand um mindestens 20 % verringert und dieser Abbau für den örtlichen Arbeitsmarkt von erheblicher Bedeutung ist. Hier tritt selbst bei einer Entlassung von ausschließlich älteren Arbeitnehmern die Erstattungspflicht nicht ein.

Der Personalabbau innerhalb eines Jahres, den das Gesetz als weiteren Befreiungstatbestand aufführt (§ 147a Abs. 1 Nr. 6 SGB III), differenziert danach, ob

-ein Beschäftigtenabbau von mehr als 3% vorgenommen wird oder

-ein solcher von mindestens 10% erfolgt.

Im ersteren Falle hängt die Befreiung von der Erstattungspflicht davon ab, dass nicht mehr 55-jährige und ältere Arbeitnehmer ausscheiden, als es ihrem Anteil an der Gesamtbelegschaft entspricht. Im letzteren Fall darf der Anteil der älteren Arbeitnehmer doppelt so hoch sein. Das nachfolgende Beispiel soll verdeutlichen, wie in beiden Fallgruppen der jeweilige Höchststand der ausscheidenden älteren Arbeitnehmer ohne Erstattungspflicht zu errechnen ist.

In diesem Beispiel tritt Erstattungspflicht nicht ein, wenn unter den 65 ausscheidenden Arbeitnehmern sich nicht mehr als acht Arbeitnehmer befinden, die zum Zeitpunkt ihres Ausscheidens 55 Jahre und älter sind.

Wären in dem Beispiel nicht 65, sondern 115 Personalaustritte (Personalminderung mithin 98 Arbeitnehmer) zu verzeichnen, würde der Prozentsatz der Personalminderung 10,459 (98 : 937 X 100) betragen. Der Höchstanteil der ausscheidenden älteren Arbeitnehmer würde sich wegen Überschreiten der 10- Prozent-Grenze verdoppeln. Mithin könnten von den 115 ausscheidenden Arbeitnehmern 28 ältere Arbeitnehmer (115 X 12,060 X 2 : 100 = 27,738 = aufgerundet 28 Arbeitnehmer) sein.

Der Arbeitgeber darf alle Personalminderungen innerhalb eines Zeitraums von einem Jahr (nicht Kalenderjahr!) berücksichtigen, wobei er die ihm günstigste Lage dieses Beurteilungszeitraums von einem Jahr wählen kann.

Kleinunternehmen werden von der Erstattungsregelung nicht bzw. nicht voll erfasst:

Beschäftigtenzahl                                                              Erstattungsquote

bis 20                                                                                   keine Erstattungspflicht

21-40                                                                                    ein Drittel

41-60                                                                                    zwei Drittel

über 60                                                                                 volle Erstattungspflicht

In die Beschäftigtenzahl sind Auszubildende, Schwerbehinderte und Teilzeitbeschäftigte mit einer Wochenarbeitszeit nicht über 10 Stunden nicht einzubeziehen. Die Erstattungsquote richtet sich nach der niedrigsten Grenzzahl (20, 40, 60), die in mindestens acht Monaten nicht überschritten wird.

Verfahrensregeln (Vorausentscheidung der Agentur für Arbeit)
Die Erstattungsleistungen hat der Arbeitgeber jeweils nachträglich für die zurückliegenden drei Monate zu leisten. Darüber erhält er einen Erstattungsbescheid. Zuvor muss er angehört werden.

Auf Antrag kann der Arbeitgeber in den beiden Befreiungstatbeständen „Personalabbau“ (§ 147a Abs. 1 Nr. 6 und 7 SGB III) von der Agentur für Arbeit eine Vorausentscheidung verlangen, die für die Beteiligten bindend ist. Damit kann sich der Arbeitgeber wenigstens insoweit Planungssicherheit verschaffen.

Altersteilzeit im Überblick

Zu den milderen Personalanpassungsmaßnahmen gehört auch die Altersteilzeit. Mit diesem seit 1989 eingeführten Modell einer Frühverrentung bezweckt der Gesetzgeber einen vorzeitigen, gleitenden Übergang in den Ruhestand, den er durch Leistungen der Bundesagentur für Arbeit für beide Vertragsparteien attraktiv machen will. Altersteilzeit heißt auch in seiner heutigen Ausformung,

ein Arbeitnehmer (mindestens 55 Jahre alt und mit mindestens 1080 Kalendertagen versicherungspflichtiger Beschäftigung in den letzten fünf Jahren) kann nach Vereinbarung mit dem Arbeitgeber (Altersteilzeitvertrag) für längstens sechs Jahre seine bisherige wöchentliche Arbeitszeit auf die Hälfte reduzieren und dann vorzeitig ausscheiden. Das Gesetz verlangt eine Aufstockung des Arbeitsentgelts um 20 % des Bruttoarbeitsentgelts und eine Entrichtung von Rentenversicherungsbeiträgen – bis zum 06.2004 – aus 90% des bisherigen Arbeitsentgelts,- ab 07.2004 – aus 80% des Regelarbeitsentgelts. Eine Erstattung dieser Aufstockungsbeträge durch die Bundesagentur für Arbeit setzt jedoch voraus, dass für den ausscheidenden Arbeitnehmer ein Arbeitsloser oder ein ausgelernter Auszubildender eingestellt wird.

Ziel des Altersteilzeitgesetzes ist neben der Eindämmung der Frühverrentung auch die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. In der Praxis wird das Altersteilzeitmodell vorrangig für die Outplacement eingesetzt, d. h. die freiwerdenden Stellen werden nicht wieder besetzt. So wurde im Jahre 2002 nur bei jedem vierten Altersteilzeitfall eine Wiederbesetzung vorgenommen43. Damit wird die Altersteilzeit als Frühverrentungsform für den Arbeitgeber zu einem kostspieligen Weg, zumal in fast allen Branchen in mehr als 700 Tarifverträgen höhere Aufstockungsbeträge vereinbart worden sind. Das Institut der deutschen Wirtschaft hat vorgerechnet, dass bei Altersteilzeit für einen verheirateten Industriemeister (Metallindustrie) mit einem Bruttoeinkommen von rund 3.272,- € Zusatzkosten von monatlich rund 971,- € entstehen.

Auch für den Arbeitnehmer hält sich die Akzeptanz der Altersteilzeit in Grenzen. Zwar wurde 1992 zusätzlich zur vorgezogenen Altersrente wegen Arbeitslosigkeit bei gleichem Endalter (vollendetes 60. Lebensjahr) die Altersrente nach Altersteilzeit nach mindestens 24-monatiger Altersteilzeitarbeit eingeführt. Aber auch für diese Rente ist das Eintrittsalter auf zunächst 63 Jahre angehoben worden. Der Arbeitnehmer hat also bei einem Ausscheiden vor dieser Altersstufe Rentenabschläge (für jeden Monat des vorgezogenen Rentenbezugs 0,3 %) hinzunehmen.

Mittelfristig ist die Altersteilzeit ein Auslaufmodell: Im Jahre 2009 wird das Altersteilzeitgesetz ablaufen (vgl. § 1 Abs. 2 AtG).

Voraussetzungen der Altersteilzeit – ab Jul 2004

Durch das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt („Hartz III“) sind mit Wirkung ab 07.2004 folgende Neuregelungen in Kraft getreten:

-die Einführung eines neuen Entgeltbegriffs, des sog. Regelarbeitsentgelts,

-der Wegfall der Vorschriften zu den Mindestnettobezügen,

-Einschränkungen der Erstattungsleistungen der Bundesagentur für Arbeit sowie

-eine Verschärfung der Insolvenzsicherungspflicht.

Diese Neuerungen gelten für Arbeitnehmer, die – unabhängig vom Zeitpunkt des Abschlusses des Altersteilzeitvertrags – ihre Altersteilzeit nach dem 07.2004 an- treten. Bei Eintritt davor bleibt es beim bisherigen Recht. Dafür könnte noch auf die 3. Auflage dieser Broschüre zurückgegriffen werden.

Im Folgenden werden die wichtigsten Voraussetzungen und Grundbegriffe der Altersteilzeit nach heutiger Rechtslage kurz dargestellt.

Altersteilzeitvereinbarung
Die Altersteilzeit ist vor ihrem Beginn zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer einzelvertraglich zu vereinbaren. Als befristeter Vertrag bedarf die Vereinbarung zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform (§ 14 Abs.4 TzBfG). Der Arbeitnehmer kann frei entscheiden, ob er Altersteilzeit leisten, oder seine Beschäftigung weiterhin im bisherigen Umfang ausüben will. Er kann weder durch das Gesetz noch durch eine tarifliche Regelung zur Altersteilzeit verpflichtet werden. Für den Arbeitgeber dagegen kann sich aus einem Tarifvertrag eine solche Verpflichtung, meistens mit einer Quotelung, ergeben, die die Schaffung von Teilzeitarbeitsplätzen fördern soll. Der Altersteilzeitvertrag ist so abzufassen, dass die Altersteilzeit zu dem Zeitpunkt reicht, zu dem der Arbeitnehmer Anspruch auf eine Rente wegen Alters hat. Liegt das vereinbarte Ende der Altersteilzeit vor dem Erreichen des frühestmöglichen Rentenalters, liegt keine Altersteilzeit im gesetzlichen Sinne vor. Nicht erforderlich ist, dass die Rente tatsächlich bezogen wird. Entscheidend ist die Möglichkeit eines Rentenbezugs, wobei auch eine geminderte Rentenzugangsmöglichkeit mit Abschlägen ausreicht. Die Frage des frühestmöglichen Rentenzugangs sollte vor Vertragsabschluss durch eine Rentenauskunft des Rentenversicherungsträgers geklärt werden. Im Übrigen kann der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber verlangen, dass er mit ihm die Möglichkeiten der Altersteilzeit erörtert (vgl. § 42 Abs. 3 SGB VI).

Altersrente nach Altersteilzeitarbeit
Nach 2-jähriger Altersteilzeitarbeit war bisher mit Vollendung des 60. Lebensjahres ein vorgezogener Renteneintritt möglich. Ab 1.1.2006 wird der Rentenzugang für männliche Arbeitnehmer vom 60. auf das 63.Lebensjahr angehoben44. Dadurch verschiebt sich auch der Zugang zur Altersteilzeit. Am 31.12.2008 wird die vollständige Verschiebung auf das 63. Lebensjahr erreicht sein. Das bedeutet, dass die 2-jährige Mindestaltersteilzeit mit männlichen Arbeitnehmern ab 1.1.2009 erst mit Vollendung des 61. Lebensjahres beginnt. Für vor dem 1.1.2004 abgeschlossene Altersteilzeitverträge bleibt es noch bei der bisherigen Regelung des Rentenzugangs mit 60, wenn die betreffenden Arbeitnehmer vor dem 1.Januar 1952 geboren sind (Vertrauensschutz). Für Frauen und Schwerbehinderte bleibt es beim vorzeitigen Renteneintritt mit vollendetem 60. Lebensjahr, wenn die Altersteilzeit bis zu diesem Zeitpunkt andauert.

Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit um die Hälfte
Für die Reduzierung der Arbeitszeit um die Hälfte ist die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit der letzten 24 Monate entscheidend. Bis Ende 1999 musste eine Verminderung der Arbeitszeit auf die Hälfte der tariflichen regelmäßigen Arbeitszeit vorgenommen werden (z. B. bei der 35-Stunden-Woche 17,5 Stunden pro Woche). Jetzt ist allein die arbeitsvertraglich vereinbarte Arbeitszeit maßgeblich (z. B. bei 40 Stunden pro Woche 20 Wochenstunden). Um zu erreichen, dass von einer betrieblich umsetzbaren Arbeitszeit ausgegangen werden kann, ist es zulässig, dass der errechnete Durchschnittswert auf die nächste volle Stunde nach unten oder nach oben gerundet wird.

Beispiel:
Beginn der Altersteilzeit     08.2004

Vereinbarte Arbeitszeit am 07.2004        35 Std. wöchentlich

Vereinbarte Arbeitszeit

a) vom 1.8.2002 bis 31.12.2005

(5 Monate)                                                    30 Std. wöchentlich

b) vom 1.1.2003 bis 307.2004

(19 Monate)                                                 35 Std. wöchentlich

Vereinbarte Arbeitszeit im Durchschnitt der letzten

24 Monate (5 x 30 + 19 x 35): 24 =           33,958 Std. wöchentlich

Obwohl die unmittelbar vor dem Übergang in die Altersteilzeit vereinbarte Arbeitszeit 35 Std. wöchentlich betragen hat, können als bisherige Arbeitszeit nur 33,958 Std. wöchentlich zu Grunde gelegt werden (Durchschnitt der letzten 24 Monate). Die ermittelte durchschnittliche Arbeitszeit kann auf die nächste volle Stunde gerundet werden; in diesem Beispielsfall kann die bisherige Arbeitszeit 33 oder 34 Std. wöchentlich betragen.

Auch nach der Reduzierung der Arbeitszeit muss der Arbeitnehmer mehr als geringfügig (arbeitslosenversicherungspflichtig) beschäftigt bleiben. Mehr als geringfügig ist eine Beschäftigung, wenn das aus dieser Beschäftigung erzielte Arbeitsentgelt mehr als 400 € monatlich beträgt (§ 8 SGB IV).

Nutzung von Wertguthaben
Unter dem Begriff Wertguthaben sind alle Guthaben zu verstehen, die im Rahmen vertraglich vereinbarter flexibler Arbeitszeitregelungen erzielt werden (Zeitguthaben, Geldguthaben). Zeitguthaben aus Langzeitkonten können grundsätzlich zur Reduzierung der Arbeit in der Arbeitsphase oder zu ihrer Verkürzung verwendet werden. Voraussetzung ist, dass vor Beginn der Altersteilzeit

-die Vereinbarung über die Bildung eines derartigen Wertguthabens getroffen wird und

-dieses Wertguthaben angesammelt ist.

Zur neuen Insolvenzsicherungspflicht für Arbeitszeitguthaben im Blockmodell.

Regeiarbeitsentgelt
Bemessungsgrundlage für die – später erörterten Aufstockungsbeträge – ist nur noch das Regelarbeitsentgelt. Anders als früher, d.h. bis zum 07.2004, zählt hierzu nicht mehr das gesamte halbierte Arbeitsentgelt einschließlich Sonder-und Einmalzahlungen, sondern das auf einen Monat entfallende, regelmäßig zu zahlende sozialversicherungspflichtige Arbeitsentgelt, soweit es die Beitragsbemessungsgrenze des SGB nicht überschreitet. Zum Regelarbeitsentgelt können

-neben dem laufenden Arbeitsentgelt – u.a. gehören

-vermögenswirksame Leistungen

-Prämien und Zulagen (z. B. Leistungszulagen, Erschwerniszulagen)

-Zuschläge für Sonntags-, Leiertags- und Nachtarbeit und

-Sachbezüge und sonstige geldwerte Vorteile (Dienstwagen, Kantinenessen u. a.)

Kein Regelarbeitsentgelt sind die Mehrarbeitsvergütung (einschließlich Zuschläge) und Einmalzahlungen wie Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld oder Jubiläumsprämie, da sie nicht regelmäßig jeden Monat gezahlt werden.

Aufstockungsbeträge
Das Altersteilzeitgesetz verlangt vom Arbeitgeber die Aufstockung des Bruttoarbeitsentgelts um 20% (Pflichtaufstockung). Die Aufstockungsverpflichtung auf mindestens 70 % des bisherigen Nettoeinkommens entfällt dagegen ersatzlos; sie gilt nur noch für Arbeitnehmer, die Altersteilzeit bis zum 30.6.2004 angetreten hatten. Der Arbeitgeber bleibt berechtigt, weiterhin Aufstockungsleistungen auch für Sonder- und Einmalzahlungen zu erbringen (freiwillige Aufstockung). Auch diese Aufstockungen bleiben Steuer- und sozialversicherungsfrei (S 3 Nr. 1 a AtG).

Die Steuerfreiheit ist auch gegeben, wenn der Anspruch des Arbeitgebers auf die Erstattungsleistungen erlischt, ruht oder nicht besteht, weil der freigemachte Arbeitsplatz nicht wieder besetzt wird. Allerdings unterliegen die Aufstockungsbeträge dem Progressionsvorbehalt (§ 32b EStG). D.h., sie sind in der Einkommenssteuererklärung anzugeben. Dadurch können sich steuerliche Mehrbelastungen für den Arbeitnehmer ergeben, weil die Aufstockungsbeträge zwar steuerfrei bleiben, das übrige steuerpflichtige Einkommen aber mit dem Steuersatz besteuert wird, der sich ergäbe, wenn diese Beträge der Steuerpflicht unterliegen würden.

Beispiel:

Monatlich laufender Lohn                                                                                    2.250€

Beitragspflichtige Zulagen, die zwar monatlich,

aber in unterschiedlicher Höhe anfallen                                                            320 €

jährliches Urlaubsgeld                                                                                         1.130€

einmalige Jubiläumsprämie                                                                                1.500 €

Mehrarbeitsvergütung                                                                                           180 €

Der gesetzliche Aufstockungsbetrag berechnet sich wie folgt:

20 % von 2.570 € =                                                                                               514 €

Das Regelarbeitsentgelt beträgt 2.570 € (2.250 + 320). Die drei zuletzt aufgeführten Leistungen (Urlaubsgeld, Jubiläumszulage und Mehrarbeitsvergütung) sind keine monatlich regelmäßig gezahlten Beträge.

Der Arbeitgeber muss darüber hinaus auch zusätzliche Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zahlen. Diese errechnen sich aus 80 % des Regelarbeitsentgelts. Die Bemessungsgrundlage ist jedoch auf maximal 90 % des Unterschiedsbetrags der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze (2004: 5.150 € in den alten Bundesländern) und dem Regelarbeitsentgelt begrenzt. Einmalig gezahltes Arbeitsentgelt ist nicht zu berücksichtigen.

Beispiele:

90 % der Beitragsbemessungsgrenze

(2004: West 5.150 €, 2005: 5.200 €)                                                                  4.635,- €

Regelarbeitsentgelt                                                                                               1.500€

Differenzbetrag/Höchstbetrag                                                                             3.135€

80 % des Regelarbeitsentgelts                                                                           1.200€

Zusätzlicher Beitrag zur Rentenversicherung 19,5%

aus 1.200€                                                                                                              234€

90% der Beitragsbemessungsgrenze (2004: West 5.150€)                           4.635€

Regelarbeitsentgelt                                                                                               2.750€

Differenzbetrag/Höchstbetrag                                                                             1.885€

80% des Regelarbeitsentgelts                                                                            2.200€

Zusätzlicher Beitrag zur Rentenversicherung 19,5% aus

1.885€                                                                                                                     367,58€

Wie die vorgenannten Beispiele deutlich zeigen, erwachsen dem Arbeitgeber erhebliche Mehrbelastungen, sowohl aus dem Entgeltaufstockungsbetrag, als auch aus dem Aufstockungsbetrag Rentenversicherung, wodurch die eingangs getroffene Feststellung einer kostspieligen Frühverrentungsform bestätigt wird.