Die Aktienanalyse ist ein sehr umfassendes Gebiet, das man in einem Artikel nicht erschöpfend behandeln kann. Dennoch möchte ich Ihnen zumindest einige Grundlagen vermitteln, damit Sie die Ertrags- und Finanzlage einer Aktiengesellschaft besser und sachkundiger beurteilen können.
Die Aktienanalyse wird in zwei Hauptbereiche untergliedert: in die Fundamentalanalyse, die sich auf Bilanzkennzahlen bezieht, sowie die Chart- und die technische Analyse, die auf der Auswertung des Aktienkurses beruht. Die meisten Börsenprofis setzen beide Richtungen in der Aktienanalyse ein. Die Fundamentalanalyse hat den Vorteil, dass sie auf Bilanzkennzahlen zurückgreift und daher einen wissenschaftlich fundierteren Ansatz verfolgt. Dennoch ist auch die Fundamentalanalyse kein Königsweg zu großen Aktiengewinnen, denn Kritiker wenden ein, Bilanzkennzahlen seien stets vergangenheitsbezogen und könnten keine prognostischen Aussagen über die Zukunft machen. Dieser Einwand ist durchaus berechtigt, denn die Rahmenbedingungen eines Unternehmens können sich sehr schnell ändern und neue Verhältnisse schaffen. Ein Unternehmen, das gestern noch als profitabel galt, kann durch Marktveränderungen, eine höheren Wettbewerbsdruck, Steuererhöhungen und andere Unwägbarkeiten schnell in die Verlustzone geraten. Trotz all dieser Vorbehalte wird die Fundamentalanalyse von vielen Analysten bevorzugt, denn sie hat aufgrund der quantitativen Auswertung der Bilanzkennzahlen einen objektiveren Anstrich. Letztlich sollte Ihnen aber bewusst sein, dass jede Vorhersage aufgrund dieser Kennzahlen nur eine Fortführung und somit eine Projektion einer bisherigen Entwicklung darstellt.
Die technische Analyse, die sich seit den 1990er dank der besseren Verfügbarkeit von schnellen Rechnern und moderner Software stark verbreitet hat, ist unter Experten umstritten. Vielfach wird sie als „Kaffeesatzleserei“ disqualifiziert und als Unfug abgetan. Die gesamte technische Analyse beruht auf der Vorstellung, dass die Aktienkurse bestimmte Muster abbilden; und sobald man eine solche Formation erkannt habe, könne man den weiteren Verlauf des Aktienkurses Vorhersagen. Die technische Analyse hat darüber hinaus Kennzahlen entwickelt, die den Aktienkurs mit dem Marktdurchschnitt oder anderen Parametern vergleichen.
Der wissenschaftliche Wert der technischen Analyse bleibt weiterhin kontrovers, da niemand genau beurteilen kann, ob man wirklich einen Trend aus dem Verlauf des Aktienkurses Vorhersagen kann. Die empirische Finanzmarktforschung, die sich dieses Themas längst angenommen hat, kommt zu keinem eindeutigen Resultat. Bereits Anfang der 1970er Jahre wurde die Hypothese aufgestellt, der Verlauf der Aktienkurse sei rein zufällig und nicht vorhersehbar. Die Annahme ist unter der Bezeichnung „Random- Walk-Hypothese“ in die Geschichte eingegangen. Um die Zufälligkeit der Aktienkurse zu beweisen, hat man künstliche Aktienkurse generiert, indem man Würfel geworfen hat. Jedes Mal wenn der Würfel eine gerade Augenzahl zeigte, wurde der Aktienkurs nach oben fortgeführt, wenn der Wurf hingegen ungerade war, ließ man den Aktienkurs nach unten korrigieren. Aus diesem Zufallsmuster ergibt sich dann ebenfalls ein realistisch aussehender Aktienkurs. Andererseits bewiesen andere Studien, dass zumindest in einem kurzfristigen Zeitraum die einzelnen Kurse miteinander Zusammenhängen, was man als Korrelation bezeichnet.
In der Praxis sollten Sie sich nicht ausschließlich auf die technische Analyse verlassen, sondern immer auch Fundamentaldaten zur Beurteilung heranziehen. Es kann aber nicht schaden, vor dem Kauf einer Aktie eine genauen Blick auf den Aktienchart zu werfen. Wenn der Kurs Ihrer favorisierten Aktien stetig nach unten zeigt, sollten Sie vorerst auf den Kauf verzichten und warten, bis der Kurs einen Boden erreicht hat. Ein solcher steiler Abschwung kann nämlich ein deutliches Warnsignal sein, und Sie sollten noch einmal prüfen, ob es nicht irgendwelche Unternehmensnachrichten gibt, die einen solchen Kursabschwung begründen. Immerhin argumentieren die Verfechter der technischen Analyse, der Aktienkurs bilde anders als die Auswertung der Bilanzkennzahlen die aktuelle Lage des Unternehmens ab und spiegele unmittelbar die Veränderungen wider.