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Information und News über die Aktien – die Analysten

Analysten sind hoch qualifizierte Börsenexperten mit Spitzengehältern, die für eine Bank oder einen Broker Aktiengesellschaften untersuchen. In den meisten Fällen decken diese Experten nur eine Reihe von großen Aktiengesellschaften ab – meist die DAX- Werte. Der Grund dafür ist, dass es weltweit enorm viele Aktien gibt und dass die Bank sich auf eine überschaubare Zahl von Titeln beschränken muss. Daher werden Small Caps nur selten von Analysten unter die Lupe genommen. Bei mittelgroßen Aktiengesellschaften, wie sie im MDAX zusammengefasst sind, gibt es zumindest einige Gutachten.
Problematisch ist stets, dass die Banken gleichzeitig Geschäfte mit den jeweiligen Aktiengesellschaften machen; hierzu gehören beispielsweise die Kreditvergabe und Finanzierungen jeder Art. Manche Unternehmen werden bei der Übernahme anderer Unternehmen beraten, wofür die Abteilung M&A (Merger and Acquisitions) zuständig ist. Aufgrund dieser Verflechtungen kann es sehr schnell zu einem Interessenkonflikt kommen; denn eine Bank wird es auf jeden Fall vermeiden, eine Aktie zum Verkauf zu empfehlen, wenn sie gleichzeitig das Unternehmen berät und Kredite in größerem Volumen vergibt. Um solche Kollisionen von vornherein auszuschließen, haben die Banken etwas errichtet, das man im Börsenjargon „Chinese Walls“ nennt, d.h. die Abteilungen werden voneinander abgeschottet und sollen unabhängig arbeiten. In der Praxis jedoch können Sie schnell erkennen, dass dies eher Wunschdenken ist; denn Analysten vermeiden es grundsätzlich, Aktien zum Verkauf zu empfehlen. Dies hängt zum einen damit zusammen, dass sie einen Interessenkonflikt mit ihrer eigenen Bank vermeiden wollen, sonst wäre ihre Karriere womöglich schnell beendet; zum anderen ist die Mehrheit der Analysten immer optimistisch gestimmt, denn die Empfehlung, Aktien abzustoßen, verunsichert die Anleger und schadet letztlich dem Geschäft. Selbst in Krisenzeiten und in einer Crashphase werden 80 bis 90 Prozent aller Analysten Kaufempfehlungen aussprechen. Nur wenn die Krise ihren absoluten Höhepunkt erreicht, nehmen die Verkaufsempfehlungen zu.
Diese diplomatische Zurückhaltung ist generell ein Kennzeichen von Analysten. Auch Verkaufsempfehlungen werden niemals wirklich als „Verkaufen“ bezeichnet. Blumige und verklausulierte Umschreibungen sollen zumindest aus dem „Verkaufen“ noch etwas Wohlklingendes machen. So kann bei manchen Analysten schon das Urteil „Halten“ auf eine verschleierte Verkaufsempfehlung hindeuten.

Analystenbegriffe und ihre Bedeutung

Analystenurteil Entschlüsselung
Untergewichten Die Aktie sollte verkauft werden.
Übergewichten Die Aktie ist interessant; Sie sollten sie weiter beobachten, aber noch nicht kaufen.
Marketperformer Die Aktie ist nur Durchschnitt und entwickelt sich wie der Gesamtmarkt.
Underperformer Die Aktie ist ein schlechtes Investment und fällt hinter den Durchschnitt zurück.
Outperformer Die Aktie ist ein sehr gutes Investment und hat sich besser als der Marktdurchschnitt entwickelt.
Neutral Die Aktie lässt kein eindeutiges Urteil zu.
Verkaufen Die Aktie sollte sofort verkauft werden.
Halten Indirekte Verkaufsempfehlung, allenfalls noch kurzfristig halten.
Zukaufen Ein Zukauf kann interessant sein, aber die Aktie hat nicht wirklich ein großes Potenzial.
Kaufen Überdurchschnittlicher Kursanstieg der Aktie möglich.
Starker Kauf Eindeutige Kaufempfehlung

Sie sollten Analystengutachten kritisch lesen; aus den verbrämten Formulierungen kann man oft nur zwischen den Zeilen entnehmen, was gemeint ist. Untersuchungen haben außerdem gezeigt, dass selbst die gut informierten Analysten oft daneben liegen und die Börsentendenz oder das Entwicklungspotenzial eines Unternehmens falsch einschätzen. Trotz der akribischen Untersuchungsmethoden, die sich vor allem auf Bilanzkennzahlen stützen, ist die Prognosesicherheit eher gering. Das liegt vor allem daran, dass die Kennzahlen die Vergangenheit des Unternehmens
wiedergeben, nicht aber zukünftige Entwicklungen, die sich zum Beispiel ergeben, wenn die Wettbewerbsfähigkeit nachlässt, Märkte wegbrechen oder die Kosten zu schnell steigen. Besonders skurril ist es, wenn Analysten gar einen Zielkorridor vorgeben oder Voraussagen möchten, bis zu welcher Marke eine Aktie in den nächsten drei Monaten steigen wird.

Sie sollten stets beachten, dass die Finanzmarktforschung nach wie vor der Meinung ist, es sei unmöglich, Aktienkurse vorherzusagen. Tatsächlich haben Aktiengesellschaften, die glänzende Kennzahlen vorweisen konnten, innerhalb weniger Wochen enorme Kursverluste erbracht, nachdem bekannt wurde, dass ein Großprojekt nicht zustande kam oder ein Gerät einen Defekt aufwies, so dass eine teuere Rückrufaktion notwendig wurde. Die Zukunft hält viele Überraschungen bereit; deshalb sollten Sie Analystengutachten stets nur als Hintergrundinformation lesen. Nach dem Zusammenbruch des Neuen Marktes wurden in den USA Fälle bekannt, in denen Analysten Technologieaktien zum Kauf empfohlen hatten, die intern in E-Mails als „Schrott“ bezeichnet wurden.

Abgesehen von solchen Extremfällen unterliegen Analysten oft bestimmten Mechanismen. In der Forschung hat sich dafür sogar eine eigene Richtung etabliert, die als Behavioral Finance (Finanzverhaltensforschung) bezeichnet wird. Beispielsweise sind Analysten einem enormen Erfolgsdruck ausgesetzt; angesichts der hohen Gehälter und aussichtsreichen Karriereperspektiven steht für jeden Analysten viel auf dem Spiel. Niemand kann es sich leisten, langfristig schlechte Ergebnisse zu präsentieren. Besonders die Analysten, die für Investmentfonds arbeiten, spüren diesen gewaltigen Druck. Denn bei einer schlechten Performance verkaufen die Anleger sehr schnell ihre Fondsanteile; es ärgert sie, wenn gerade ihr Investmentfonds vor sich hindümpelt, während der Markt nach oben strebt.
Wenn die Anleger massiv Fondsanteile verkaufen, sinken die Einnahmen der Investmentgesellschaften, die sie aus den Managementgebühren beziehen. Ein Analyst, dessen Fonds eine schlechte Performance erwirtschaftet, wird schnell personelle Konsequenzen zu fürchten haben. Aus diesem Grund orientieren sich die meisten Analysten an ihren Kollegen. Es herrscht in diesem Berufsstand ein ausgeprägter Konformitätsdruck nach dem Motto „wir machen, was alle machen“. Wenn also ein Analyst der Meinung ist, die BMW-Aktie sei der neue Shootingstar am Börsenhimmel, werden auch alle anderen Analysten den Hinweis aufgreifen, selbst die Aktie genauer unter die Lupe nehmen und am Ende zum gleichen Urteil gelangen. Eine abweichende Meinung zum Börsengeschehen kann sich kaum ein Analyst erlauben; wenn er nämlich versagt, war es sein Fehler. Wenn dagegen die Mehrheit daneben liegt, dann lag es eben an einer vorübergehenden
„unberechenbaren“ Börsenturbulenz. Insofern verhalten sich die meisten Analysten wie Lemminge und folgen einem ausgesprochenen Herdentrieb.
Aufgrund dieses Verhaltens ist es nicht verwunderlich, dass die meisten Analystenprognosen schlechter abschneiden als der Marktdurchschnitt. Die Mehrzahl der Investmentfonds (man schätzt bis zu 90 Prozent) erreicht noch nicht einmal die durchschnittliche Entwicklung des Marktindex. Aufgrund dieser beklemmenden Faktenlage sind in den USA Pensionsfonds, die Milliardengelder der zukünftigen Rentner verwalten, dazu übergegangen, nur noch in Indexanlagen zu investieren, die genau die Wertentwicklung eines Marktes nachvollziehen.

Sie sollten folglich Analystenurteile sehr skeptisch beurteilen und vor diesem Hintergrund jede Empfehlung mehrfach prüfen. Am unsinnigsten ist es, wenn notorisch die gleichen DAX-Werte von den Hausbanken als Investment angepriesen werden. Da die bankeigenen Analysten sich vorwiegend auf die Standardwerte konzentrieren, ist es nicht weiter erstaunlich, dass Woche für Woche die Analysten häufig positiv für Titel wie BMW, Deutsche Telekom, Siemens, DaimlerChrysler und Co. gestimmt sind. In manchen Fällen unterhalten Großbanken sogar Beteiligungen an diesen Unternehmen und sitzen zudem im Aufsichtsrat. Solche Empfehlungen, die sogar in Zeitungen und den hauseigenen Postillen zur Information der Anleger abgedruckt werden, sind eher einer gebetsmühlenartigen Litanei vergleichbar. Natürlich können diese Aktien innerhalb weniger Wochen einige Prozent zulegen – für Sie als Anleger ist es aber entscheidend, ob das Unternehmen auch in fünf oder zehn Jahren noch lukrativ ist.

Dennoch kann es sinnvoll sein, ein Analystengutachten zu Rate zu ziehen. Sie sollten sich unabhängig davon über die Aktie informiert haben, indem Sie beispielsweise die Webseite des Unternehmens nach Informationen durchforsten. Die meisten Analysten arbeiten mit einem Analyseverfahren, das man die Discounted-Cashflow-Methode (DCF) nennt. Dabei wird nicht der Jahresüberschuss zum Ausgangspunkt genommen, da dieser durch bilanzpolitische Maßnahmen und Umbuchungen geschickt verändert werden kann, sondern die so genannten freien Cashflows. Falls Sie nun vor diesen Fachbegriffen zurückschrecken, kann ich Ihnen vereinfacht sagen, was ein Cashflow ist: Es handelt sich um die Differenz zwischen allen Aus- und Einzahlungen eines Unternehmens, die zahlungswirksam geworden sind. Stellen Sie sich vereinfacht vor: Sie nehmen alles, was in das Unternehmen eingezahlt wurde und alles, was wieder ausgezahlt wurde. Das, was übrig bleibt, ist mit gewissen Einschränkungen der Cashflow. Mit dieser Kenngröße verhindert man, dass das Unternehmen die wahre Ertragslage durch Abschreibungen und Investitionen zurechtrücken kann.
Wenn Sie sich einmal die Mühe machen, ein solches Analystengutachten vollständig durchzulesen, werden Sie feststellen, dass man sich auch in diesem Berufsstand sehr engagiert und eine Fülle von Zahlen auswertet.

Die meisten Gutachten sind relativ sorgfältig erstellt und werten die wichtigsten Bilanzkennzahlen aus. Darüber hinaus untersuchen die Analysten das Marktumfeld, betrachten die Branchensituation und die Expansions- und Innovationsmöglichkeiten des Unternehmens. Aber dennoch ist es sehr schwierig, eine sichere Prognose abzugeben, da alle Bilanzkennzahlen aus der Vergangenheit stammen und schon geringe Veränderungen in der Gegenwart oder Zukunft alle Vorhersagen zu Makulatur werden lassen. Denken Sie beispielsweise an IBM. In den 1960er und 1970er Jahren hatte das Unternehmen einen erstklassigen Ruf und verkaufte Mainframes, das sind Riesencomputer in Schrankgröße, an alle wichtigen Unternehmen. Big Blue, wie IBM wegen der dunkelblauen Garderobe seiner Vertreter spöttisch genannt wurde, genoss einen exzellenten Ruf und war das Paradeunternehmen der Technologiebranche. Als schließlich die PCs aufkamen, sah man spöttisch auf die „Kästen“ herab und lehnte es ab, auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, Diese Ignoranz führte in den 1980er Jahren letztlich dazu, dass man von einem Studenten namens Bill Gates ein Betriebssystem kaufen musste, um noch schnell auf den bereits abfahrenden Zug aufzuspringen. Doch für IBM war es schon zu spät. Das einstige Vorzeigeunternehmen taumelte unaufhaltsam in eine schwere Krise. Erst nach einigen Jahren gelang es IBM, das Unternehmen komplett umzustrukturieren; heute ist IBM ein innovatives und profitables Dienstleistungsunternehmen im IT-Bereich.

Ein Analyst hätte diese Entwicklung niemals aus den Bilanzkennzahlen herauslesen können; um eine solche Prognose zu erstellen hätte der Börsenexperte bereits in den siebziger Jahren die Expansion des PC-Markts vorhersehen müssen. Damals konnte sich jedoch niemand vorstellen, dass eines Tages in fast jedem Haushalt ein Computer stehen würde. Analystengutachten sind daher als Hintergrund material gut geeignet, um sich ein Urteil zu bilden. Sie sollten sich die Einschätzung des Börsenexperten durchaus zu Gemüte führen, aber denken Sie daran, sich eine eigene Meinung zu bilden. Hat das Unternehmen wirklich die Innovationskraft, auch in fünf oder zehn Jahren noch zu den besten zu zählen? Wie werden sich die Märkte entwickeln?