Dringlichkeit einer betriebsbedingten Kündigung

Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG können nur dringende betriebliche Erfordernisse eine betriebsbedingte Kündigung sozial rechtfertigen. Dabei kommt es nicht darauf an, dass die unternehmerische Entscheidung dringlich ist. Diese unterliegt nur der Willkürkontrolle durch die Gerichte. Maßgeblich ist vielmehr, ob die Durchführung der Unternehmerentscheidung im Betrieb ein dringendes betriebliches Erfordernis für die Kündigung zur Folge hat. Mit diesem Tatbestandsmerkmal wird der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, das Ultimaratio-Prinzip, konkretisiert56. Es wird erfüllt, wenn für den Arbeitgeber eine Zwangslage bestand, welche die Kündigung unvermeidbar machte57. Eine solche Zwangslage ist nur gegeben, wenn keine aus Sicht des Arbeitnehmers milderen Mittel zur Verfügung stehen, um den verfolgten Zweck zu erreichen. Ein dringendes betriebliches Erfordernis für die Kündigung fehlt, wenn der Arbeitnehmer auf einen anderen freien, vergleichbaren, gleichwertigen Arbeitsplatz im Betrieb versetzt werden kann. Dabei ist ein Arbeitsplatz vergleichbar, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer dort auf Grund seines Weisungsrechts ohne Änderung seines Arbeitsvertrags weiterbeschäftigen kann. Frei sind die zum Zeitpunkt der Kündigung unbesetzten Arbeitsplätze. Als „frei“ anzusehen ist ein Arbeitsplatz aber auch, wenn bei Ausspruch der Kündigung vorhersehbar ist, dass dieser Arbeitsplatz bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zur Verfügung stehen wird. Möglich ist auch eine Weiterbeschäftigung, wenn auf Arbeitsplätzen, die der Arbeitnehmer ausfüllen kann, Leiharbeitnehmer beschäftigt werden, da diese in keiner arbeitsvertraglichen Bindung zum Entleiher stehen. Der Arbeitgeber ist im Übrigen nicht verpflichtet, einen neuen Arbeitsplatz zu schaffen, um die Kündigung zu vermeiden.

Dringende betriebliche Erfordernisse fehlen, wenn sich betriebsbedingte Kündigungen durch Arbeitsstreckung vermeiden lassen:

(1)Arbeitsstreckung

Sie ist allerdings nur dann ein geeignetes milderes Mittel, wenn der verringerte Personalbedarf vorübergehend ist und eine Personalauslastung in absehbarer Zeit wieder erwartet werden kann. Erstreckt sich der verringerte Personalbedarf auf eine längere Periode (etwa ein halbes Jahr oder mehr) kann die Kündigung dringend erforderlich sein59. So setzt auch der Abbau von Überstunden als Maßnahme der Arbeitsstreckung voraus, dass damit zur Erhaltung des von der Kündigung bedrohten Arbeitsplatzes beigetragen werden kann. Die Verkürzung der regelmäßigen Arbeitszeit aller Arbeitnehmer zur Vermeidung betriebsbedingter Kündigungen einiger Arbeitnehmer gehört jedenfalls nicht zu den zu erwartenden Maßnahmen der Arbeitsstreckung.

(2)Kurzarbeit

Ob sich der gekündigte Arbeitnehmer darauf berufen kann, seine Kündigung habe durch Kurzarbeit vermieden werden können, ist in Anbetracht einer bis heute unklaren Rechtsprechungslage nicht eindeutig zu beantworten. Das Problem des Vorrangs der Kurzarbeit vor Kündigungen ist eng mit dem Mit-

bestimmungsrecht des Betriebsrats und seinem ihm von der Rechtsprechung sogar eingeräumten Initiativrecht verbunden60 (§87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG), j Grundsätzlich ist aber bei vorübergehendem Arbeitsmangel die Kurzarbeit als gegenüber der Beendigungskündigung vorrangiges Mittel anzusehen, j Dennoch wird es aus folgenden Gründen häufig nicht anwendbar sein:

-Bei nur vorübergehendem Arbeitsausfall muss der Arbeitgeber versuchen, mit dem Betriebsrat eine Einigung über die Einführung der Kurzarbeit zu erreichen. Einigen sich beide auf die Nichteinführung der Kurzarbeit oder lehnt der Betriebsrat die Einführung ab, scheidet die Kurzarbeit als milderes Mittel aus. Dasselbe gilt, wenn nach Anrufung der Einigungsstelle diese durch verbindlichen Spruch die Einführung der Kurzarbeit ablehnt.

-Befürwortet allein der Betriebsrat die Einführung der Kurzarbeit, lehnt aber der Arbeitgeber diese Maßnahme ab, unterliegt diese Verweigerung gerichtlicher Kontrolle. Der Arbeitgeber wird im Kündigungsschutzprozess substantiiert darlegen und beweisen müssen, weshalb die tatsächlichen Voraussetzungen für die Einführung der Kurzarbeit nicht gegeben sind und weshalb dieses Mittel nicht geeignet ist, künftig den Personalbestand in Übereinstimmung mit dem Personalbedarf zu halten.

-Haben sich die Betriebspartner auf die Einführung von Kurzarbeit geeinigt, sind betriebsbedingte Kündigungen nur möglich, wenn sie auf Gründe gestützt werden, die nicht schon zur Einführung der Kurzarbeit geführt haben (z. B. der endgültige Wegfall von Arbeitsplätzen wegen betrieblicher Umstrukturierungen oder Rationalisierungsmaßnahmen).

-Setzt sich der Arbeitgeber bei einem voraussichtlich nicht dauerhaften Arbeitsausfall gar nicht erst mit dem Betriebsrat in Verbindung, ist eine unvermittelt ausgesprochene Kündigung unwirksam.

In betriebsratslosen Betrieben wird man davon ausgehen müssen, dass die Entscheidung über die Einführung von Kurzarbeit eine arbeitsgerichtlich nicht nachprüfbare unternehmerische Entscheidung darstellt.

Soziale Auswahl – betrieblicher Interessen usw.

Der Arbeitgeber hat bei der Sozialauswahl seit 1.1.2004 (wieder) bestimmte Sozialkriterien zu berücksichtigen, nämlich

-die Dauer der Betriebszugehörigkeit,

-das Lebensalter,

-die Unterhaltspflichten und (neu)

-die Schwerbehinderung

des Arbeitnehmers (§1 Abs. 3 KSchG). Die drei erstgenannten Sozialdaten waren in der Zeit vom 1.10.1996 bis 31.12.1998 schon einmal Inhalt des Gesetzes. Sie sind nun zusammen mit einem (vierten) Kriterium „Schwerbehinderung“ durch das Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt wieder in den Abs. 3 des § 1 KSchG eingefügt worden. Die Aufzählung der vier Auswahlgesichtspunkte ist abschließend, wodurch die Sozialauswahl für den Arbeitgeber wieder leichter geworden ist. Da das Gesetz nach wie vor nur eine „ausreichende Berücksichtigung“ verlangt, steht dem Arbeitgeber weiterhin ein gewisser Beurteilungsspielraum zu. Keinem dieser vier Kriterien kommt ein genereller oder absoluter Vorrang zu, wenngleich der Dauer der Betriebszugehörigkeit für den Grad des „Bestandsschutzes“ des Arbeitsverhältnisses eine besondere Bedeutung beizumessen ist.

Die soziale Auswahl findet auch bei Massenkündigungen (Betriebsänderungen) sowie bei einer etappenweisen Betriebsstillegung Anwendung. Sie ist nach § 2 KSchG auch bei Änderungskündigungen zu beachten.

 Betriebsbezug der Sozialauswahl
Die soziale Auswahl ist betriebsbezogen, d. h. sie hat grundsätzlich alle vergleichbaren Arbeitnehmer des Betriebs zu erfassen. Es sind also nicht nur die Arbeitnehmer einer von Personalreduzierungen betroffenen Betriebsabteilung, sondern des gesamten Betriebs einzubeziehen. Grundsätzlich erstreckt sich die soziale Auswahl nicht auf andere Betriebe des Unternehmens oder gar des Konzerns. Dies folgt aus der betriebsbezogenen Ausgestaltung des gesetzlichen Kündigungsschutzes, der lediglich bezüglich der Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nach § 1 Abs. 2 Satz 2 und 3 KSchG ausnahmsweise untemehmensbezogen ist.

 Vergleichbarkeit der Arbeitnehmer
Die Sozialauswahl ist nur auf vergleichbare Arbeitnehmer eines Betriebes beschränkt. In diesem Sinne vergleichbar sind Arbeitnehmer, die austauschbar sind. Dabei reicht es für die Austauschbarkeit aus, wenn der Arbeitnehmer, dessen Arbeitsplatz weggefallen ist, alsbald die gleichwertige Funktion eines anderen Arbeitnehmers wahrnehmen kann. Die Austauschbarkeit ist nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen festzustellen. Grundsätzlich sind aber nur Arbeitnehmer in die Auswahl einzubeziehen, die auf derselben Ebene der Betriebshierarchie stehen (sog. horizontale Vergleichbarkeit). Es sind mithin nicht Arbeitnehmer einzubeziehen, die auf unterschiedlichen Betriebsebenen stehen (vertikale Vergleichbarkeit), weil es bei ihnen an der Austauschbarkeit fehlt. Arbeitnehmer sind nicht austauschbar, wenn sie nur nach einer Änderungskündigung oder nach einverständlicher Änderung ihres Arbeitsvertrags anderweitig beschäftigt werden können. Daher kommen nur solche Arbeitnehmer für die Auswahl in Betracht, auf deren Arbeitsplätze der kündigungsbedrohte Arbeitnehmer allein durch Ausübung des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts versetzt werden kann. Ansonsten würde ein Verdrängungswettbewerb nach „unten“ dazu führen, dass z. B. bei Wegfall eines Arbeitsplatzes im Bereich höherer Fachangestellter letztlich dem Pförtner gekündigt wird, weil alle dazwischenliegenden hierarchischen Ebenen bereit sind, geringerwertige Tätigkeiten auszuüben. Die Erklärung des Arbeitnehmers, er sei auch bereit, zu schlechteren Arbeitsbedingungen zu arbeiten, würde die dort Beschäftigten in die Soziale Auswahl „hineinreißen“, die gar nicht von der Reduzierungsmaßnahme des Arbeitgebers betroffen sind.

Nicht in die soziale Auswahl einzubeziehen sind

-Arbeitnehmer ohne Kündigungsschutz (z.B. 6-monatige Wartezeit nicht erfüllt),

-befristet beschäftigte Arbeitnehmer, sofern sie die Kündbarkeit ihres Arbeitsverhältnisses während der Laufzeit nicht ausdrücklich vereinbart haben,

-Arbeitnehmer mit Sonderkündigungsschutz (z. B. Schwangere und junge Mütter, Schwerbehinderte, Wehr- und Zivildienstleistende, Funktionsträger nach dem BetrVG),

-Arbeitnehmer, deren ordentliche Kündigung durch Tarifvertrag oder einzelvertragliche Vereinbarung ausgeschlossen ist.

Die Herausnahme tariflich unkündbarer Arbeitnehmer wird teilweise kritisch gesehen.

Beispiel:       
Arbeitnehmer A, 52 Jahre alt, verheiratet, vier Kinder, 30 Jahre Betriebszuge

hörigkeit (tarifgebundenes Unternehmen der Metallindustrie)

Arbeitnehmer B, 53 Jahre alt, ledig, 3 Jahre Betriebszugehörigkeit (tarifgebundenes Unternehmen der Metallindustrie)

Da B dem tariflichen Kündigungsschutz (§4.4 MTV Metallindustrie Südwest) unterliegt, d.h. seine ordentliche Kündigung nach Vollendung des 53. Lebensjahres und 3-jähriger Betriebszugehörigkeit ausgeschlossen ist, wäre dem A vor dem B zu kündigen, ein nicht gesetzeskonformes Ergebnis!

Teilzeitbeschäftigte sind prinzipiell in die Sozialauswahl einzubeziehen. Auch dies ist nicht unbestritten. Gegen die Ansicht, Arbeitnehmer mit unterschiedlicher Arbeitszeit seien nicht vergleichbar, sprechen einige Vorschriften des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 3 und § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG).

Der Arbeitgeber kann kündigungsrechtlich nicht gezwungen werden, seinen Betrieb mit Vollzeit- oder Teilzeitkräften zu gestalten. Das gilt auch, wenn sich die Notwendigkeit einer Vertragsänderung für einen der weiterbeschäftigten Arbeitnehmer ergibt, weil das abzubauende Beschäftigungsvolumen nicht exakt dem Beschäftigungsumfang der Voll- und Teilzeitbeschäftigten entspricht. Das ist z.B. dann der Fall, wenn die Arbeitszeit eines sozial schwächeren Vollzeitbeschäftigten auf das Beschäftigungsvolumen des entlassenen Teilzeitbeschäftigten reduziert wird. Der Vollzeitbeschäftigte müsste allerdings der Reduzierung seines Arbeitsvolumens vorbehaltlos zustimmen.

Entfällt dagegen der Beschäftigungsbedarf nur für eine Teilzeitstelle und ist der Teilzeitbeschäftigte sozial schutzbedürftiger als ein vergleichbarer Vollzeitbeschäftigter, wäre es keine gesetzeskonforme Lösung, das Arbeitszeitvolumen des Teilzeitbeschäftigten zu erhöhen und den Vollzeitbeschäftigten zu entlassen. Vielmehr wäre die Änderungskündigung des Vollzeitbeschäftigten die gerechtere Lösung.

Berechtigte betriebliche Interessen bei Kündigung

Nach der seit 1.1.2004 (wieder) geltenden Neufassung des § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG sind in die soziale Auswahl Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung insbesondere wegen

-ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder

-zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes

-im berechtigten, betrieblichen Interesse liegt.

Entgegen der bislang, bis 31.12.2003, bestehenden Rechtslage ist damit nicht mehr eine Abwägung der sozialen Schutzwürdigkeit mit den betrieblichen Bedürfnissen einer Weiterbeschäftigung eines weniger schutzwürdigen Arbeitnehmers vorzunehmen. Vielmehr sind die Arbeitnehmer, an deren Weiterbeschäftigung ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers besteht, von vornherein nicht in die Auswahl einzubeziehen! Die Weiterbeschäftigung muss nicht mehr erforderlich, der leistungsstärkere Arbeitnehmer erst recht für den geordneten Betriebsablauf unverzichtbar sein.

Ein berechtigtes betriebliches Interesse an der Weiterbeschäftigung besteht, wenn für den Betrieb (nicht das Unternehmen!) die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses geboten erscheint.

Als berechtigtes Interesse sind folgende Umstände anzuerkennen:

(1)Besondere Kenntnisse, die für Spezialarbeiten bzw. für einen reibungslosen Betriebsablauf unerlässlich sind,

(2)besondere Leistungen (Schnelligkeit, geringe Fehlerquote, Einsatzbereitschaft und Zuverlässigkeit),

(3)ein bestimmtes hohes Leistungsniveau, das für den Betrieb betriebstechnisch und wirtschaftlich vorteilhaft ist und das der sozial schwächere Arbeitnehmer nicht aufweist,

(4)Schlüsselposition, d. h. wenn der in Rede stehende Arbeitsplatz von herausragender Bedeutung für den Ertrag des Unternehmens ist oder sich auf die anderen Arbeitsplätze leistungsmotivierend auswirkt wie z. B. Einkäufer, der günstige Konditionen aushandelt, Verkäufer mit überdurchschnittlich vielen Abschlüssen, Mitarbeiter mit wichtigen Kundenkontakten u.a.

Zu den einer sozialen Auswahl entgegenstehenden betrieblichen Bedürfnissen sind auch solche betrieblichen Beeinträchtigungen zu rechnen, die ihre Ursache in der Person des Arbeitnehmers haben (z.B. krankheitsbedingte Fehlzeiten). Freilich muss der Arbeitgeber darlegen, warum auf dem fortbestehenden Arbeitsplatz die Beschäftigung eines Arbeitnehmers mit geringeren krankheitsbedingten Fehlzeiten von besonderer Bedeutung ist. Solche Fehlzeiten sind auch zu berücksichtigen, wenn die Voraussetzungen einer krankheitsbedingten Kündigung nicht vorliegen.

Nach dem zweiten Ausnahmetatbestand des § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG sind Arbeitnehmer auch nicht in die soziale Auswahl einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass insbesondere bei Massenentlassungen die soziale Auswahl anhand der vier Sozialkriterien dazu führen kann, dass sich durch die vorrangige Entlassung jüngerer Arbeitnehmer eine den betrieblichen Interessen zuwiderlaufende Überalterung kaum vermeiden lässt. Deshalb ist es bei Massenkündigungen nicht nur möglich, die Sozialauswahl mit Hilfe von Punktetabellen leichter handhaben zu können, sondern auch über Auswahlrichtlinien mit dem Betriebsrat Gruppen vergleichbarer Arbeitnehmer nach Altersstufen zu bilden, um so die soziale Auswahl in der Vorgehensweise zu vereinfachen.

Rechtsprechungsbeispiel:
Eine Stadt mit Kindertagesstätten und Internaten entschloss sich wegen rückläufigem Betreuungsbedarf von 156 Erzieherinnen die Arbeitsverhältnisse mit 66 Erzieherinnen betriebsbedingt zum 31.3.1999 zu kündigen. Der Sozialauswahl legte sie eine zuvor mit dem Personalrat vereinbarte Auswahlrichtlinie (Dienstvereinbarung) zu Grunde. In einem ersten Schritt ermittelte sie 18 Vergleichsgruppen und bildete in der größten Vergleichsgruppe fünf Altersgruppen. Eine Erzieherin, die in einer Altersgruppe (bis 50 Lebensjahre) zusammen mit 26 Kolleginnen gekündigt wurde, beanstandete mit ihrer Klage beim Arbeitsgericht die soziale Auswahl, insbesondere die von der Arbeitgeberin vorgenommene Gruppenbildung. Das BAG gab der Arbeitgeberin Recht. Es bejahte zunächst ein dringendes betriebliches Bedürfnis für die Entlassung einer der Bedarfsberechnung entsprechenden Anzahl von Erzieherinnen. Die Arbeitgeberin sei auch berechtigt gewesen, nicht unter allen Erzieherinnen der Vergleichsgruppe, der die Klägerin zuzuordnen war, eine Sozialauswahl durchzuführen. Ihre Vorgehensweise, vorab Altersgruppen zu bilden und lediglich innerhalb dieser Altersgruppe auszuwählen, sei berechtigt gewesen. Auch die Gewichtung der Sozialkriterien untereinander, die sie mit dem Personalrat in der Dienstvereinbarung festgelegt habe und die nur auf grobe Fehlerhaftigkeit zu überprüfen war (§ 1 Abs. 4 KSchG), sei nicht zu beanstanden gewesen.

Nach der seit Jahresbeginn in Kraft getretenen Neuregelung des § 1 Abs. 3 KSchG ist die soziale Auswahl in folgenden drei Schritten vorzunehmen:

(1)Zunächst hat der Arbeitgeber im Betrieb den Kreis vergleichbarer Arbeitnehmer anhand arbeitsplatzbezogener Merkmale (Berufsgruppen wie Arbeiter/ Angestellte, Ausbildungsberufe wie Mechaniker/Meister/technischer Zeichner u.a.) jeweils auf derselben (horizontalen) betriebshierarchischen Ebene zu ermitteln.

(2)In einem 2. Schritt hat der Arbeitgeber die Möglichkeit, bestimmte, an sich vergleichbare Arbeitnehmer, deren Weiterbeschäftigung ihm im berechtigten betrieblichen Interesse liegt, aus dem Kreis des auswahlrelevanten Personenkreises herauszunehmen bzw. auszulassen.

(3)Schließlich hat er aus dem nach Maßgabe der ersten beiden Schritte ermittelten Arbeitnehmerkreis die eigentliche Sozialauswahl vorzunehmen. Dazu muss er die gesetzlich vorgegebenen vier Sozialkriterien Alter, Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung jedes dieser Arbeitnehmer ausreichend berücksichtigen.

Darlegungs- und Beweislast im Kündigungsschutzprozess

Da die Umstände, die zu einer betriebsbedingten Kündigung führen, aus der „Verantwortungssphäre“ des Kündigenden selbst stammen, stellen die Arbeitsgerichte an die Darlegungspflicht des Arbeitgebers, wie nachfolgend dargestellt, strenge Anforderungen:

Dringende betriebliche Erfordernisse
Der Arbeitgeber trägt im Prozess in vollem Umfange die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist, ohne dass eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit besteht (§ 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG). Ein schlagwortartiger Vortrag, wie z.B. „Rationalisierungsmaßnahmen“, „Umsatzverluste“, oder „Umsatzrückgang“ hätten die Kündigung veranlasst, reicht nicht aus. Der Arbeitgeber hat außerbetriebliche Umstände darzulegen und zu beweisen. Er muss innerbetriebliche Maßnahmen so substantiiert darlegen, dass erkennbar ist, dass sie den Wegfall des Arbeitsplatzes bedingen. Soll die innerbetriebliche Maßnahme allein in einer Outplacement stehen, sind die Grundsätze der abgestuften Darlegungslast wie folgt zu beachten:

(1)Der Arbeitgeber hat auf der ersten Stufe nachprüfbar darzulegen, dass eine Unternehmerentscheidung zur Outplacement getroffen worden ist, die auf Dauer angelegt ist, eine Reduzierung der Arbeitsmenge erwarten lässt und durch den entstehenden Arbeitskräfteüberhang die Kündigung unvermeidbar macht.

(2)Der Arbeitnehmer hat auf der zweiten Stufe darzulegen, dass die Unternehmerentscheidung willkürlich, offenbar unsachlich oder unvernünftig ist und

dass an ihrer Stelle eine andere, vernünftige Organisationsentscheidung möglich war und die Kündigung vermieden hätte.

Weilerbeschäftigungsmöglichkeit
Für die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung trifft den Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast, dass die Kündigung wegen des Wegfalls des bisherigen Arbeitsplatzes durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist, weil eine anderweitige Beschäftigung im Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens nicht möglich oder zumutbar ist. Der Umfang der Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers hängt jedoch davon ab, wie sich der Arbeitnehmer auf die Begründung der Kündigung einlässt. Bei einfachem Bestreiten des Arbeitnehmers genügt der Vortrag des Arbeitgebers, wegen der betrieblichen Notwendigkeiten sei eine Weiterbeschäftigung zu gleichen Bedingungen nicht möglich. Der Arbeitnehmer muss dann darlegen, wie er sich konkret eine anderweitige Beschäftigung vorstellt, wobei er nicht notwendig einen freien Arbeitsplatz benennen muss. Erst auf diesen Vortrag hin muss der Arbeitgeber erläutern, aus welchen Gründen eine Weiterbeschäftigung nicht möglich sein soll.

Soziale Auswahl
Für die Fehlerhaftigkeit der vom Arbeitgeber vorgenommenen sozialen Auswahl ist nach Abs. 3 Satz 3 des § 1 KSchG der Arbeitnehmer beweispflichtig. Für das Vorliegen von der sozialen Auswahl entgegenstehenden berechtigten betrieblichen Bedürfnissen trägt der Arbeitgeber die Beweislast. Es gilt auch hier ein abgestuftes System:

(1)Zuerst hat der Arbeitnehmer vorzutragen, dass die soziale Auswahl fehlerhaft vorgenommen wurde. Kennt er die Namen und Sozialdaten vergleichbarer Arbeitnehmer, muss er die Namen der seiner Auffassung nach weniger schutzwürdigen Arbeitskollegen und ihre Sozialdaten nennen. Weiß der Arbeitnehmer nicht, welche Kollegen mit ihm vergleichbar sind, darf er pauschal die soziale Auswahl beanstanden, muss aber nun den Arbeitgeber zur Auskunft über die Gründe auffordern, welche zur sozialen Auswahl geführt haben.

(2)Damit geht die Darlegungslast auf den Arbeitgeber über. Hierbei hat er aber nur seine subjektiven Überlegungen mit allen von ihm dabei verwendeten Sozialdaten mitzuteilen. Gibt der Arbeitgeber dazu auch im Prozess keine Auskunft, geht das Gericht nun davon aus, dass die soziale Auswahl fehlerhaft war und wird die Kündigung für unwirksam halten.

(3)Ist der Arbeitgeber dem Auskunftsverlangen nachgekommen, so fällt die Darlegungslast wieder voll an den Arbeitnehmer zurück. Dieser hat nun anhand einer Aufstellung der seiner Ansicht nach vergleichbaren Arbeitnehmer und deren Sozialdaten darzulegen, welcher/e Arbeitnehmer weniger schutzwürdig ist/sind, als er selbst. Auf dieser Grundlage hat das Arbeitsgericht über die Rechtsfrage der sozialen Schutzwürdigkeit zu entscheiden.

Aufhebungsvertrag mit älteren Mitarbeitern – Erstattungspflicht des Arbeitgebers

Aufhebungsvertrag mit älteren Mitarbeitern – Erstattungspflicht des Arbeitgebers
Für den Aufhebungsvertrag mit älteren Arbeitnehmern, d.h. Arbeitnehmern nach vollendetem 55. Lebensjahr, gelten an sich keine arbeitsrechtlichen Besonderheiten. Bei der Höhe der Abfindung kann sich allerdings die „Rentennähe“ betragsmindernd auswirken. Entsprechende Regelungen sind in Sozialplänen anzutreffen. Auch aus dem Gesetz (vgl. § 10 Abs. 2 Satz 2 KSchG) lässt sich dieser Gedanke für die Bemessung der Abfindung im Falle gerichtlicher Auflösung des Arbeitsverhältnisses entnehmen. Bei tarifgebundenen Arbeitsverhältnissen kann allerdings die umgekehrte Folge eines teureren Aufhebungsvertrags für ältere Arbeitnehmer eintreten, wenn sie unter die tarifliche Alterssicherung fallen, also eine ordentliche Kündigung ausgeschlossen ist, und sie nur für hohe Abfindungen zum Verzicht ihres besonderen Kündigungsschutzes bereit sind.

Die eigentliche Erschwernis bei Aufhebungsverträgen mit älteren Arbeitnehmern liegt aber nicht im arbeitsrechtlichen Bereich, sondern in den sozialrechtlichen Konsequenzen. Zu den allgemeinen Belastungen über eine Sperrzeit und eine Ruhenszeit, kann bei älteren Arbeitnehmern noch die Erstattungspflicht für den Arbeitgeber hinzutreten. Grundgedanke des Gesetzgebers ist es dabei schon geraume Zeit, die Frühverrentung von Arbeitnehmern zurückzudrängen, insbesondere die Inanspruchnahme von Leistungen der Arbeitslosenversicherung und damit eine Belastung der Solidargemeinschaft der Beitragszahler zu vermeiden.

Erstattungspflicht des Arbeitgebers
Auch hier hat das EEAndG vom 03.1999 mit § 147aSGB III im Wesentlichen die dem früheren § 128 AFG entsprechende Rechtslage wiederhergestellt. Das Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 hat allerdings zum 1.1.2004 die Erstattungsverpflichtung des Arbeitgebers bei Freisetzung älterer Arbeitnehmer in folgenden Punkten verschärft:

-Die Erstattungspflicht tritt bereits dann ein, wenn die Entlassung nach Vollendung des 55. (bisher 56.) Lebensjahres erfolgt.

-Die Mindestbeschäftigungszeit beim erstattungspflichtigen Arbeitgeber wird I einheitlich auf 10 Jahre (bisher 10 bzw. 15 Jahre) gekürzt.

-Der maximale Erstattungszeitraum verlängert sich von 24 auf 32 Monate.

-Die Erstattungspflicht beginnt bereits mit der Vollendung des 57. Lebensjahres (bisher 58.).

Die neue Regelung ist in allen Fällen anzuwenden, in denen der Anspruch auf Arbeitslosengeld in der Zeit vom 1.1.201)4 bis 31.1.2006 entsteht. Ab dem

02.2006 wird die Bezugsdauer des Arbeitslosengelds auf zwölf Monate, nach Vollendung des 55. Lebensjahres auf 18 Monate begrenzt. Damit entfällt die Erstattungsregelung ersatzlos.

Voraussetzungen der Erstattungsregelung
Der § 147a SGB III verpflichtet den Arbeitgeber zur Erstattung des an 57-jährige und ältere Arbeitnehmer gezahlten Arbeitslosengeldes einschl. Beiträgen zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung. Voraussetzung ist, dass der Arbeitnehmer (Arbeitslose) bei dem Arbeitgeber innerhalb der letzten vier Jahre vor dem Tag der Arbeitslosigkeit mindestens 24 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Die Erstattungspflicht tritt nicht ein, wenn das Arbeitsverhältnis vor Vollendung des 55. Lebensjahres beendet worden ist. Der Agentur für Arbeit ist das Arbeitslosengeld einschließlich der darauf entfallenden Sozialbeiträge längstens für 32 Monate zu erstatten. Erstattungspflichtig ist derjenige Arbeitgeber, der für den ausgeschiedenen Arbeitnehmer wegen seiner insgesamt langjährigen Betriebszugehörigkeit in einer die Erstattung rechtfertigen der Weise verantwortlich gewesen ist. Das kann auch ein „früherer“ Arbeitgeber sein, nicht nur derjenige, bei dem der Arbeitnehmer zuletzt in einem Arbeitsverhältnis gestanden hat.

Beispiel:       
Arbeitnehmer A scheidet im Alter von 56 Jahren nach 11-jähriger Betriebszugehörigkeit im Februar 2000 beim Arbeitgeber B aus. Er ist anschließend vom März 2000 bis Oktober 2001 beim Arbeitgeber C beschäftigt. Im November 2001 beantragt er im Alter von 57 Jahren Arbeitslosengeld.

Die Voraussetzungen für eine Erstattungspflicht (24 Monate Versicherungsverhältnis) sind bei Arbeitgeber B, nicht aber bei Arbeitgeber C erfüllt. Die Erstattungspflicht beginnt jedoch erst ab dem vollendeten 58. Lebensjahr des A.

Altersteilzeit im Überblick

Zu den milderen Personalanpassungsmaßnahmen gehört auch die Altersteilzeit. Mit diesem seit 1989 eingeführten Modell einer Frühverrentung bezweckt der Gesetzgeber einen vorzeitigen, gleitenden Übergang in den Ruhestand, den er durch Leistungen der Bundesagentur für Arbeit für beide Vertragsparteien attraktiv machen will. Altersteilzeit heißt auch in seiner heutigen Ausformung,

ein Arbeitnehmer (mindestens 55 Jahre alt und mit mindestens 1080 Kalendertagen versicherungspflichtiger Beschäftigung in den letzten fünf Jahren) kann nach Vereinbarung mit dem Arbeitgeber (Altersteilzeitvertrag) für längstens sechs Jahre seine bisherige wöchentliche Arbeitszeit auf die Hälfte reduzieren und dann vorzeitig ausscheiden. Das Gesetz verlangt eine Aufstockung des Arbeitsentgelts um 20 % des Bruttoarbeitsentgelts und eine Entrichtung von Rentenversicherungsbeiträgen – bis zum 06.2004 – aus 90% des bisherigen Arbeitsentgelts,- ab 07.2004 – aus 80% des Regelarbeitsentgelts. Eine Erstattung dieser Aufstockungsbeträge durch die Bundesagentur für Arbeit setzt jedoch voraus, dass für den ausscheidenden Arbeitnehmer ein Arbeitsloser oder ein ausgelernter Auszubildender eingestellt wird.

Ziel des Altersteilzeitgesetzes ist neben der Eindämmung der Frühverrentung auch die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. In der Praxis wird das Altersteilzeitmodell vorrangig für die Outplacement eingesetzt, d. h. die freiwerdenden Stellen werden nicht wieder besetzt. So wurde im Jahre 2002 nur bei jedem vierten Altersteilzeitfall eine Wiederbesetzung vorgenommen43. Damit wird die Altersteilzeit als Frühverrentungsform für den Arbeitgeber zu einem kostspieligen Weg, zumal in fast allen Branchen in mehr als 700 Tarifverträgen höhere Aufstockungsbeträge vereinbart worden sind. Das Institut der deutschen Wirtschaft hat vorgerechnet, dass bei Altersteilzeit für einen verheirateten Industriemeister (Metallindustrie) mit einem Bruttoeinkommen von rund 3.272,- € Zusatzkosten von monatlich rund 971,- € entstehen.

Auch für den Arbeitnehmer hält sich die Akzeptanz der Altersteilzeit in Grenzen. Zwar wurde 1992 zusätzlich zur vorgezogenen Altersrente wegen Arbeitslosigkeit bei gleichem Endalter (vollendetes 60. Lebensjahr) die Altersrente nach Altersteilzeit nach mindestens 24-monatiger Altersteilzeitarbeit eingeführt. Aber auch für diese Rente ist das Eintrittsalter auf zunächst 63 Jahre angehoben worden. Der Arbeitnehmer hat also bei einem Ausscheiden vor dieser Altersstufe Rentenabschläge (für jeden Monat des vorgezogenen Rentenbezugs 0,3 %) hinzunehmen.

Mittelfristig ist die Altersteilzeit ein Auslaufmodell: Im Jahre 2009 wird das Altersteilzeitgesetz ablaufen (vgl. § 1 Abs. 2 AtG).

Voraussetzungen der Altersteilzeit – ab Jul 2004

Durch das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt („Hartz III“) sind mit Wirkung ab 07.2004 folgende Neuregelungen in Kraft getreten:

-die Einführung eines neuen Entgeltbegriffs, des sog. Regelarbeitsentgelts,

-der Wegfall der Vorschriften zu den Mindestnettobezügen,

-Einschränkungen der Erstattungsleistungen der Bundesagentur für Arbeit sowie

-eine Verschärfung der Insolvenzsicherungspflicht.

Diese Neuerungen gelten für Arbeitnehmer, die – unabhängig vom Zeitpunkt des Abschlusses des Altersteilzeitvertrags – ihre Altersteilzeit nach dem 07.2004 an- treten. Bei Eintritt davor bleibt es beim bisherigen Recht. Dafür könnte noch auf die 3. Auflage dieser Broschüre zurückgegriffen werden.

Im Folgenden werden die wichtigsten Voraussetzungen und Grundbegriffe der Altersteilzeit nach heutiger Rechtslage kurz dargestellt.

Altersteilzeitvereinbarung
Die Altersteilzeit ist vor ihrem Beginn zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer einzelvertraglich zu vereinbaren. Als befristeter Vertrag bedarf die Vereinbarung zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform (§ 14 Abs.4 TzBfG). Der Arbeitnehmer kann frei entscheiden, ob er Altersteilzeit leisten, oder seine Beschäftigung weiterhin im bisherigen Umfang ausüben will. Er kann weder durch das Gesetz noch durch eine tarifliche Regelung zur Altersteilzeit verpflichtet werden. Für den Arbeitgeber dagegen kann sich aus einem Tarifvertrag eine solche Verpflichtung, meistens mit einer Quotelung, ergeben, die die Schaffung von Teilzeitarbeitsplätzen fördern soll. Der Altersteilzeitvertrag ist so abzufassen, dass die Altersteilzeit zu dem Zeitpunkt reicht, zu dem der Arbeitnehmer Anspruch auf eine Rente wegen Alters hat. Liegt das vereinbarte Ende der Altersteilzeit vor dem Erreichen des frühestmöglichen Rentenalters, liegt keine Altersteilzeit im gesetzlichen Sinne vor. Nicht erforderlich ist, dass die Rente tatsächlich bezogen wird. Entscheidend ist die Möglichkeit eines Rentenbezugs, wobei auch eine geminderte Rentenzugangsmöglichkeit mit Abschlägen ausreicht. Die Frage des frühestmöglichen Rentenzugangs sollte vor Vertragsabschluss durch eine Rentenauskunft des Rentenversicherungsträgers geklärt werden. Im Übrigen kann der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber verlangen, dass er mit ihm die Möglichkeiten der Altersteilzeit erörtert (vgl. § 42 Abs. 3 SGB VI).

Altersrente nach Altersteilzeitarbeit
Nach 2-jähriger Altersteilzeitarbeit war bisher mit Vollendung des 60. Lebensjahres ein vorgezogener Renteneintritt möglich. Ab 1.1.2006 wird der Rentenzugang für männliche Arbeitnehmer vom 60. auf das 63.Lebensjahr angehoben44. Dadurch verschiebt sich auch der Zugang zur Altersteilzeit. Am 31.12.2008 wird die vollständige Verschiebung auf das 63. Lebensjahr erreicht sein. Das bedeutet, dass die 2-jährige Mindestaltersteilzeit mit männlichen Arbeitnehmern ab 1.1.2009 erst mit Vollendung des 61. Lebensjahres beginnt. Für vor dem 1.1.2004 abgeschlossene Altersteilzeitverträge bleibt es noch bei der bisherigen Regelung des Rentenzugangs mit 60, wenn die betreffenden Arbeitnehmer vor dem 1.Januar 1952 geboren sind (Vertrauensschutz). Für Frauen und Schwerbehinderte bleibt es beim vorzeitigen Renteneintritt mit vollendetem 60. Lebensjahr, wenn die Altersteilzeit bis zu diesem Zeitpunkt andauert.

Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit um die Hälfte
Für die Reduzierung der Arbeitszeit um die Hälfte ist die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit der letzten 24 Monate entscheidend. Bis Ende 1999 musste eine Verminderung der Arbeitszeit auf die Hälfte der tariflichen regelmäßigen Arbeitszeit vorgenommen werden (z. B. bei der 35-Stunden-Woche 17,5 Stunden pro Woche). Jetzt ist allein die arbeitsvertraglich vereinbarte Arbeitszeit maßgeblich (z. B. bei 40 Stunden pro Woche 20 Wochenstunden). Um zu erreichen, dass von einer betrieblich umsetzbaren Arbeitszeit ausgegangen werden kann, ist es zulässig, dass der errechnete Durchschnittswert auf die nächste volle Stunde nach unten oder nach oben gerundet wird.

Beispiel:
Beginn der Altersteilzeit     08.2004

Vereinbarte Arbeitszeit am 07.2004        35 Std. wöchentlich

Vereinbarte Arbeitszeit

a) vom 1.8.2002 bis 31.12.2005

(5 Monate)                                                    30 Std. wöchentlich

b) vom 1.1.2003 bis 307.2004

(19 Monate)                                                 35 Std. wöchentlich

Vereinbarte Arbeitszeit im Durchschnitt der letzten

24 Monate (5 x 30 + 19 x 35): 24 =           33,958 Std. wöchentlich

Obwohl die unmittelbar vor dem Übergang in die Altersteilzeit vereinbarte Arbeitszeit 35 Std. wöchentlich betragen hat, können als bisherige Arbeitszeit nur 33,958 Std. wöchentlich zu Grunde gelegt werden (Durchschnitt der letzten 24 Monate). Die ermittelte durchschnittliche Arbeitszeit kann auf die nächste volle Stunde gerundet werden; in diesem Beispielsfall kann die bisherige Arbeitszeit 33 oder 34 Std. wöchentlich betragen.

Auch nach der Reduzierung der Arbeitszeit muss der Arbeitnehmer mehr als geringfügig (arbeitslosenversicherungspflichtig) beschäftigt bleiben. Mehr als geringfügig ist eine Beschäftigung, wenn das aus dieser Beschäftigung erzielte Arbeitsentgelt mehr als 400 € monatlich beträgt (§ 8 SGB IV).

Nutzung von Wertguthaben
Unter dem Begriff Wertguthaben sind alle Guthaben zu verstehen, die im Rahmen vertraglich vereinbarter flexibler Arbeitszeitregelungen erzielt werden (Zeitguthaben, Geldguthaben). Zeitguthaben aus Langzeitkonten können grundsätzlich zur Reduzierung der Arbeit in der Arbeitsphase oder zu ihrer Verkürzung verwendet werden. Voraussetzung ist, dass vor Beginn der Altersteilzeit

-die Vereinbarung über die Bildung eines derartigen Wertguthabens getroffen wird und

-dieses Wertguthaben angesammelt ist.

Zur neuen Insolvenzsicherungspflicht für Arbeitszeitguthaben im Blockmodell.

Regeiarbeitsentgelt
Bemessungsgrundlage für die – später erörterten Aufstockungsbeträge – ist nur noch das Regelarbeitsentgelt. Anders als früher, d.h. bis zum 07.2004, zählt hierzu nicht mehr das gesamte halbierte Arbeitsentgelt einschließlich Sonder-und Einmalzahlungen, sondern das auf einen Monat entfallende, regelmäßig zu zahlende sozialversicherungspflichtige Arbeitsentgelt, soweit es die Beitragsbemessungsgrenze des SGB nicht überschreitet. Zum Regelarbeitsentgelt können

-neben dem laufenden Arbeitsentgelt – u.a. gehören

-vermögenswirksame Leistungen

-Prämien und Zulagen (z. B. Leistungszulagen, Erschwerniszulagen)

-Zuschläge für Sonntags-, Leiertags- und Nachtarbeit und

-Sachbezüge und sonstige geldwerte Vorteile (Dienstwagen, Kantinenessen u. a.)

Kein Regelarbeitsentgelt sind die Mehrarbeitsvergütung (einschließlich Zuschläge) und Einmalzahlungen wie Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld oder Jubiläumsprämie, da sie nicht regelmäßig jeden Monat gezahlt werden.

Aufstockungsbeträge
Das Altersteilzeitgesetz verlangt vom Arbeitgeber die Aufstockung des Bruttoarbeitsentgelts um 20% (Pflichtaufstockung). Die Aufstockungsverpflichtung auf mindestens 70 % des bisherigen Nettoeinkommens entfällt dagegen ersatzlos; sie gilt nur noch für Arbeitnehmer, die Altersteilzeit bis zum 30.6.2004 angetreten hatten. Der Arbeitgeber bleibt berechtigt, weiterhin Aufstockungsleistungen auch für Sonder- und Einmalzahlungen zu erbringen (freiwillige Aufstockung). Auch diese Aufstockungen bleiben Steuer- und sozialversicherungsfrei (S 3 Nr. 1 a AtG).

Die Steuerfreiheit ist auch gegeben, wenn der Anspruch des Arbeitgebers auf die Erstattungsleistungen erlischt, ruht oder nicht besteht, weil der freigemachte Arbeitsplatz nicht wieder besetzt wird. Allerdings unterliegen die Aufstockungsbeträge dem Progressionsvorbehalt (§ 32b EStG). D.h., sie sind in der Einkommenssteuererklärung anzugeben. Dadurch können sich steuerliche Mehrbelastungen für den Arbeitnehmer ergeben, weil die Aufstockungsbeträge zwar steuerfrei bleiben, das übrige steuerpflichtige Einkommen aber mit dem Steuersatz besteuert wird, der sich ergäbe, wenn diese Beträge der Steuerpflicht unterliegen würden.

Beispiel:

Monatlich laufender Lohn                                                                                    2.250€

Beitragspflichtige Zulagen, die zwar monatlich,

aber in unterschiedlicher Höhe anfallen                                                            320 €

jährliches Urlaubsgeld                                                                                         1.130€

einmalige Jubiläumsprämie                                                                                1.500 €

Mehrarbeitsvergütung                                                                                           180 €

Der gesetzliche Aufstockungsbetrag berechnet sich wie folgt:

20 % von 2.570 € =                                                                                               514 €

Das Regelarbeitsentgelt beträgt 2.570 € (2.250 + 320). Die drei zuletzt aufgeführten Leistungen (Urlaubsgeld, Jubiläumszulage und Mehrarbeitsvergütung) sind keine monatlich regelmäßig gezahlten Beträge.

Der Arbeitgeber muss darüber hinaus auch zusätzliche Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zahlen. Diese errechnen sich aus 80 % des Regelarbeitsentgelts. Die Bemessungsgrundlage ist jedoch auf maximal 90 % des Unterschiedsbetrags der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze (2004: 5.150 € in den alten Bundesländern) und dem Regelarbeitsentgelt begrenzt. Einmalig gezahltes Arbeitsentgelt ist nicht zu berücksichtigen.

Beispiele:

90 % der Beitragsbemessungsgrenze

(2004: West 5.150 €, 2005: 5.200 €)                                                                  4.635,- €

Regelarbeitsentgelt                                                                                               1.500€

Differenzbetrag/Höchstbetrag                                                                             3.135€

80 % des Regelarbeitsentgelts                                                                           1.200€

Zusätzlicher Beitrag zur Rentenversicherung 19,5%

aus 1.200€                                                                                                              234€

90% der Beitragsbemessungsgrenze (2004: West 5.150€)                           4.635€

Regelarbeitsentgelt                                                                                               2.750€

Differenzbetrag/Höchstbetrag                                                                             1.885€

80% des Regelarbeitsentgelts                                                                            2.200€

Zusätzlicher Beitrag zur Rentenversicherung 19,5% aus

1.885€                                                                                                                     367,58€

Wie die vorgenannten Beispiele deutlich zeigen, erwachsen dem Arbeitgeber erhebliche Mehrbelastungen, sowohl aus dem Entgeltaufstockungsbetrag, als auch aus dem Aufstockungsbetrag Rentenversicherung, wodurch die eingangs getroffene Feststellung einer kostspieligen Frühverrentungsform bestätigt wird.

Verteilung der Altersteilzeitarbeit – Blockmodelle

Die Dauer der Altersteilzeit ist abhängig vom individuellen Rentenbeginn des Arbeitnehmers. Die Verteilung der Arbeitszeit während der Altersteilzeit bleibt den Vertragsparteien überlassen. Es ist möglich, dass mit verminderter Stundenzahl täglich, nur einer bestimmten Anzahl von Tagen in der Woche oder im Wechsel monatlich gearbeitet wird.

In der Praxis wird allerdings fast ausschließlich das sog. Blockmodell gewählt und vereinbart. Dabei werden zwei gleich große Zeitblöcke gebildet, eine Arbeitsphase und sich hieran anschließend eine Freizeitphase von entsprechender (gleicher) Dauer. In der ersten Hälfte arbeitet der Arbeitnehmer im Umfang der bisherigen Arbeitszeit weiter, in der darauffolgenden zweiten Hälfte arbeitet der Arbeitnehmer überhaupt nicht mehr.

 

Beispiel:

Die Altersteilzeit läuft vom 57. bis zum 63. Lebensjahr. Von 57 bis 60 wird voll gearbeitet, aber (nur) Altersteilzeitentgelt bezogen. Von 60 bis 63 arbeitet der Arbeitnehmer nicht, erhält aber Arbeitszeitentgelt.

Es muss also sichergestellt sein, dass dem Arbeitnehmer während der gesamten Altersteilzeit das entsprechende Arbeitsentgelt einschließlich aller Aufstockungsbeträge fortlaufend gezahlt wird (§ 2 Abs.2 Nr.2 AtG).

Der höchstzulässige Verteilzeitraum ohne tarifliche Grundlage beträgt drei Jahre (§2 Abs.2 Nr. 11 Alternative AtG).

Eine Verlängerung des Verteilzeitraums über drei Jahre hinaus ist im Blockmodell nur auf der Grundlage eines Tarifvertrags zur Altersteilzeit möglich (Tarifvorbehalt).

(1)Verteilungszeiträume von bis zu sechs Jahren können bei entsprechender Regelung in einem Tarifvertrag oder in einer auf ihm fußenden Betriebsvereinbarung (tarifliche Öffnungsklausel) vereinbart werden. Dies ist zugleich auch der längstmögliche Zeitraum, bis zu dem im Falle der hier nicht erörterten Wiederbesetzung von der Agentur für Arbeit dem Arbeitgeber die Zusatzleistungen (Aufstockungsbeträge) erstattet werden (§4 AtG). Aber auch bei Arbeitnehmern eines nicht tarifgebundenen Arbeitgebers kann ein 6-jähriger Verteilungszeitraum vereinbart werden, wenn es überhaupt einen Altersteilzeit-Tarifvertrag gibt, der auf Grund seines Geltungsbereichs (sachlich und örtlich) in Betracht käme.

(2)Der Verteilzeitraum kann auch einen Gesamtzeitraum von bis zu zehn Jahren umfassen, wenn eine solche Verteilung in einem Tarifvertrag zur Altersteilzeit ausdrücklich zugelassen ist. Derzeit sehen die meisten Tarifverträge Verteilzeiträume von bis zu fünf bzw. bis zu sechs Jahren vor.

(3)Der vorerwähnte Tarifvorbehalt gilt nicht für Bereiche, in denen tarifvertragliche Regelungen zur Verteilung der Arbeit nicht bestehen oder üblicherweise nicht getroffen werden. Dazu zählen insbesondere Freiberufler (Rechtsanwälte, Notare, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Unternehmensberater), Arbeitgeber- und Unternehmerverbände, Gewerkschaften sowie Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, außertarifliche Angestellte einschließlich leitende Angestellte. Bei ihnen kann für die Mitarbeiter auf Grund einer Betriebsvereinbarung oder bei nicht vorhandenem Betriebsrat auf Grund Einzelvertrags ein Blockmodell von bis zu zehn Jahren vereinbart werden.

Betriebsbedingte Kündigung

Die Sozialwidrigkeit der ordentlichen Kündigung ist außer aus personal- und verhaltensbedingten Gründen auch dann ausgeschlossen, wenn sie durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist (§ 1 Abs.2 Satz 1 KSchG). Damit anerkennt das Gesetz, dass das Bestandsschutzinteresse des Arbeitnehmers an seinem Arbeitsplatz dann zurücktreten muss, wenn betriebsbezogene Umstände oder Vorgänge einen Personalabbau erforderlich machen. Der Anlass für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist weder von der Person des Arbeitnehmers noch von seinem Verhalten her begründet. Diese Tatsache macht die betriebsbedingte Kündigung zu einem besonders sensiblen Bereich des Arbeitsrechts.

Die Rechtsprechung hat in der über 50-jährigen Geltungsdauer des Kündigungsschutzes in einer Fülle von Entscheidungen versucht, durch eine gewisse Systematisierung eine Rechtssicherheit für die Anwendung der betriebsbedingten Kündigung zu erreichen. Aber bis heute ist es ihr nicht gelungen, für den Interessenkonflikt zwischen freier Unternehmerentscheidung und dem Bestreben des Arbeitnehmers an der Erhaltung des Arbeitsplatzes eine verlässliche Trennungslinie zu ziehen. Von daher tut sich die betriebliche Praxis mit betriebsbedingter Kündigung sehr schwer. Nicht selten verzichten Firmen auf geplante Kündigungen, wenn ihnen die rechtlichen Risiken verdeutlicht werden. So kann es Vorkommen, dass dringend notwendige Personalreduzierungen ganz unterbleiben oder jedenfalls nicht im nötigen Umfange durchgeführt werden.

Grundvoraussetzungen des Kündigungsschutzes
Das Kündigungsschutzgesetz lässt aus betrieblichen Gründen lediglich eine ordentliche Kündigung zu. Nur wenn die ordentliche Kündigung tarifvertraglich oder einzelvertraglich ausgeschlossen ist und keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im Betrieb oder Unternehmen besteht, hat das BAG eine außerordentliche Kündigungsmöglichkeit anerkannt.

In zahlreichen Tarifverträgen wird die ordentliche Kündigung älterer Arbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen ausgeschlossen (z. B. Metallindustrie für Arbeitnehmer ab vollendetem. Lebensjahr nach 3-jähriger Betriebszugehörigkeit). In solchen Fällen ist die gesetzliche oder tarifvertragliche Kündigungsfrist einzuhalten, die gelten würde, wenn die ordentliche Kündigungsfrist nicht ausgeschlossen wäre.

Das BAG hat aber die Zumutbarkeit einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nur in dringenden Fällen verneint. Grundsätzlich stellen betriebsbedingte

Umstände, selbst eine Betriebsstillegung, keinen Grund für die außerordentliche Kündigung dar, weil der Arbeitgeber sein Wirtschafts- und Betriebsrisiko nicht auf die Arbeitnehmer abschieben darf.

Für den (allgemeinen) Kündigungsschutz einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung müssen folgende Voraussetzungen vorliegen:

a)Betrieblicher Geltungsbereich (§23 Abs. 1 KSchG)

Mit Wirkung seit 01.2004 ist durch das Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt der sog. Schwellenwert für den Kündigungsschutz wieder, entsprechend der von 1996 bis 1998 geltenden Regelung, auf 10 Beschäftigte angehoben worden. Die Erhöhung des Schwellenwerts gilt für Neueinstellungen seit 01.2004. Arbeitnehmer in Betrieben mit mehr als fünf und weniger als zehn, die am 12.2003 also noch Kündigungsschutz hatten, behalten diesen. Teilzeitbeschäftigte mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden werden bei der Feststellung der Beschäftigtenzahl mit 0,5, solche mit nicht mehr als 30 Stunden Wochenarbeitszeit mit 0,75 berücksichtigt. Die gesetzliche Neuregelung führt in der Praxis zu „gespaltenen“ Konsequenzen.

Beispiele:
(1) Ein Betrieb beschäftigte am 31.12.2003 rechnerisch 5,25 Arbeitnehmer.

Am 1.4.2004 stellt er 4 neue Arbeitnehmer ein. Die 5 „Alt-Arbeitnehmer“ genießen weiterhin Kündigungsschutz, dagegen haben die 4 neu eingestellten Mitarbeiter keinen Kündigungsschutz.

(2)Ein Betrieb beschäftigte am 31.12.2003 bereits 6 Arbeitnehmer. Er stellt ebenfalls am 1.1.2004 vier neue Arbeitnehmer ein. Sowohl die 6 „Alt-Arbeitnehmer“ als auch die 4 neu eingestellten Arbeitnehmer fallen nicht unter Kündigungsschutz.

(3)Der Betrieb von 6 Arbeitnehmern mit Kündigungsschutz und 4 neu eingestellten Arbeitnehmern ohne Kündigungsschutz (Beispiel 1) muss betriebsbedingte Kündigungen aussprechen. Die erforderliche Sozialauswahl muss er nur unter den 6 „Alt-Arbeitnehmern“ vornehmen.

b)Wartezeit (§ 1 Abs. 1 KSchG)

Für die Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes muss das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden haben. Es genügt also nicht, dass die Dauer des Arbeitsverhältnisses erst mit Ablauf der Kündigungsfrist sechs Monate erreicht. Eine Kündigung zum Ende des ersten halben Beschäftigungsjahres dagegen ist ohne die Wirkungen des KSchG zulässig. Dabei ist allein auf den ununterbrochenen rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses abzuheben. Tatsächliche Unterbrechungen z. B. durch Krankheit, Urlaub oder unbezahlte Freistellung beeinträchtigen den Lauf der Wartezeit nicht. Wird das Arbeitsverhältnis beendet und danach ein neues begründet, beginnt die Wartezeit neu zu laufen. Allerdings kann durch bloßes „Hintereinanderschalten“ von befristeten Arbeitsverhältnissen der Kündigungsschutz nicht umgangen werden. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG ist die Zeit eines früheren Arbeitsverhältnisses mit demselben Arbeitgeber bei erneuter Begründung eines Arbeitsverhältnisses trotz rechtlicher Unterbrechung auf die Wartezeit anzurechnen, wenn die Unterbrechung verhältnismäßig kurz ist und zwischen beiden Arbeitsverhältnissen ein enger sachlicher Zusammenhang besteht49. Einen solchen Zusammenhang hat das BAG bei einer Unterbrechung von mehr als einem Monat verneint. Angerechnet werden Beschäftigungszeiten eines Arbeitsverhältnisses, aber auch eines Berufsausbildungsverhältnisses, nicht dagegen die eines betrieblichen Praktikums.

Dringende betriebliche Erfordernisse
Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG können eine betriebsbedingte Kündigung nur dringende betriebliche Erfordernisse rechtfertigen. Im Kündigungsschutzgesetz ist der Begriff „dringende betriebliche Erfordernisse“ nicht definiert. Aus der umfangreichen höchstrichterlichen Rechtsprechung lässt sich aber entnehmen, dass eine betriebsbedingte Kündigung gerechtfertigt ist, wenn

-eine Unternehmerentscheidung vorliegt, mit der einem veränderten Arbeitsbedarf Rechnung getragen wird,

-betriebliche Gründe zur Kündigung bestehen, wobei das außerbetriebliche oder innerbetriebliche Gründe sein können,

-der Arbeitsplatz weggefallen ist, wobei es allerdings nicht notwendig ist, dass der konkrete Arbeitsplatz weggefallen ist; es ist ausreichend, dass ein Arbeitsplatz entbehrlich ist und

-dringende betriebliche Erfordernisse vorliegen, wodurch das Ultimaratio-Prinzip zum Tatbestandsmerkmal erhoben wird.

Die betrieblichen Erfordernisse müssen „dringend“ sein und eine Kündigung im Interesse des Betriebs notwendig machen. Diese weitere Voraussetzung ist erfüllt, wenn es dem Arbeitgeber nicht möglich ist, der betrieblichen Lage durch andere Maßnahmen auf technischem, organisatorischem oder wirtschaftlichem Gebiet als durch eine Kündigung zu entsprechen. Die Kündigung muss wegen der betrieblichen Lage unvermeidbar sein. Insofern wird die unternehmerische Entscheidungsfreiheit des Arbeitgebers eingeschränkt. Zwar ist er frei, seinen Betrieb zu organisieren wie er will. Er muss aber plausibel darlegen und begründen, dass die Maßnahme dringend notwendig ist. So kann es in einem Unternehmen, das jahrelang kontinuierlich Gewinnsteigerungen aufweist, am Merkmal der Dringlichkeit fehlen, wenn dort ein Personalabbau ohne erkennbares unternehmerisches Konzept vorgenommen werden soll. Deshalb hat auch der Abbau von Überstunden und Leiharbeitsverhältnissen grundsätzlich Vorrang vor betriebsbedingten Kündigungen.

Unternehmerentscheidung – Ursachen der Kündigung

Jeder betriebsbedingten Kündigung liegt eine unternehmerische Entscheidung zu Grunde, mit der sich der Arbeitgeber an die Veränderungen der Marktgegebenheiten und der sozialen Wirklichkeit anpasst. Nach der Rechtsprechung des BAG ist die Unternehmerentscheidung die Bestimmung der Unternehmenspolitik. Die

Kündigung selbst ist nicht die freie unternehmerische Entscheidung. Wäre es anders, gäbe es keinen Schutz des Arbeitnehmers gegen betriebsbedingte Kündigungen. Denn der Arbeitgeber könnte sich stets mit dem Hinweis verteidigen, die Kündigung stelle eine von den Gerichten nicht zu überprüfende Unternehmerentscheidung dar.

Aus der Fülle der Entscheidungen hat das BAG in den letzten Jahren folgende Grundsätze zur Unternehmerentscheidung herausgearbeitet:

a)Es muss zunächst – wie schon ausgeführt – zwischen der Kündigung als solcher und der ihr zu Grunde liegenden Ursachen unterschieden werden; zu den Ursachen gehören auch organisatorische Maßnahmen.

b)Die Kündigung selbst ist keine betriebsorganisatorische Maßnahme; sie organisiert nichts, sondern ist im Allgemeinen Vollzug von Organisation.

c)Die eigentliche Organisation des Betriebs ist Sache des Arbeitgebers, ihre Zweckmäßigkeit und wirtschaftliche Vernunft kann richterlich nicht voll überprüft werden, weil der Richter sich nicht an die Stelle des Unternehmers setzen kann und darf. Hier ist die grundgesetzlich abgesicherte unternehmerische Freiheit berührt. Die kündigungsbegründende Unternehmerentscheidung ist vom Gericht ihrem Inhalt nach als vorgegeben zu Grunde zu legen und nur daraufhin zu überprüfen, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich erscheint (Willkürkontrolle)51.

d)Es wird zwischen außerbetrieblichen und innerbetrieblichen Ursachen unterschieden:

Außerbetriebliche Ursachen sind vor allem
-Auftragsmangel
-Umsatzrückgang
-Veränderung der Marktstruktur
-Gewinnverfall.

Innerbetriebliche Ursachen können z. B. sein
-Rationalisierungsmaßnahmen
-Umstellung, Einschränkung oder Einstellung der Produktion
-Einführung neuer Fertigungsmethoden
-Organisatorische Veränderungen, die zu Betriebseinschränkungen, Schließung von Betriebsabteilungen oder zur Betriebsstilllegung führen.

Die Unterscheidung zwischen inner- und außerbetrieblichen Ursachen gibt für die Prüfung der sozialen Rechtfertigung einer betriebsbedingten Kündigung wenig her. Mit ihr wird aber der Umfang der Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers bestimmt. Beruft sich der Arbeitgeber auf „außerbetriebliche Gründe“, z.B. Auftragsmangel, so stellt er mit dieser Begründung der Kündigung einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Auftragsmangel und Beschäftigung her (selbstbindende Unternehmerentscheidung). Der Arbeitgeber hat vorzutragen und zu beweisen, dass die außerbetrieblichen Ursachen unmittelbar zum Wegfall von Arbeitsplätzen führen. Das Gericht überprüft, ob die angegebenen außerbetrieblichen Ursachen vorliegen und ob durch sie das Beschäftigungsbedürfnis für den/bzw. die gekündigten Arbeitnehmer entfallen ist53. Zudem unterliegt es in vollem Umfang der gerichtlichen Kontrolle, ob die unternehmerische Zielsetzung, die der Arbeitgeber mit der Kündigung verfolgt, nicht auch durch gleich geeignete Alternativmaßnahmen verwirklicht werden kann.

Beruft sich der Arbeitgeber dagegen auf „innerbetriebliche Gründe“, z.B. Rationalisierungsmaßnahmen, verbleibt ihm bei der Umsetzung ein Freiraum (gestaltende Unternehmerentscheidung). Häufig werden freilich auch in diesem Fall außerbetriebliche Umstände zum Anlass genommen, um innerbetriebliche Umstrukturierungen durchzuführen. Der Wegfall von Arbeitsplätzen ist dann die unmittelbare Folge dieser gestaltenden Unternehmerentscheidung und ist nur mittelbar auf die jeweiligen außerbetrieblichen Ursachen zurückzuführen54. Der Arbeitgeber hat auch hier vorzutragen und zu beweisen, wie sich die gestaltende Unternehmerentscheidung auf die Beschäftigung auswirkt. Die Unternehmerentscheidung ist vom Arbeitsgericht nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung hin kontrollierbar. Das Gericht hat lediglich zu prüfen, ob die Unternehmerentscheidung offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich erscheint55. Sie unterliegt jedoch insofern einer Rechtskontrolle, als sie weder gegen Gesetz, Kollektivverträge noch gegen einzelvertragliche Bindung verstoßen darf.

Vom Gericht in vollem Umfange dagegen nachzuprüfen ist, ob die Konzeption des Arbeitgebers die Kündigung notwendig macht, oder ob der Zweck von Rationalisierungsmaßnahmen auch ohne Kündigung durch andere betriebsorganisatorische Maßnahmen erreicht werden kann. Zur Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers.

Rechtsprechungsbeispiele:
(1)Ein Bauunternehmen kündigte drei Maurern mit der Begründung, die Kündigungen seien aus dringenden betrieblichen Gründen erfolgt, weil sich nach einem bestimmten Auftragsrückgang mit dem Auslaufen einer gewissen Zahl von Baustellen ergeben habe, dass für drei von zehn Maurern kein Beschäftigungsbedürfnis bestehe. Das BAG hat diese Begründung anerkannt. Unerheblich für die Betriebsbedingtheit der Kündigung sei, ob gerade auf der Baustelle, auf der die gekündigten Maurer zuletzt beschäftigt wurden, noch Arbeit vorhanden sei. Welchen drei von den 10 Maurern gekündigt werden konnte, sei vielmehr eine Frage der sozialen Auswahl gern. § 1 Abs. 3 KSchG.

(2)Die der Kündigung zu Grunde liegende unternehmenspolitische Maßnahme ist von den Gerichten für Arbeitssachen nicht auf ihre Zweckmäßigkeit zu überprüfen, vielmehr als bindend hinzunehmen. Das gilt sowohl für die Entscheidung, die der Unternehmer im Hinblick auf den Markt trifft, also etwa über die Hereinnahme oder Nichthereinnahme eines Auftrags, die Planung der Absatzgebiete und die Werbung sowie seine Einkaufspolitik und die Finanzierungsmethoden. Es gilt aber auch für die Entscheidungen, welche er unternehmensintern trifft, also etwa über die Fortführung oder Stilllegung des Betriebes, seine Verlagerung, eine Betriebseinschränkung, die Änderung des Betriebszweckes, des Produktions- und Investitionsprogramms, die Fabrikations- und Arbeitsmethoden, Rationalisierungsvorhaben und Organisationsänderungen.

(3)Die Einführung von zwei Arbeitsschichten und die Bildung von zwei Arbeitnehmergruppen, die immer gleichbleibend unter denselben Vorgesetzten abwechselnd Früh- bzw. Spätschicht leisten, sind unternehmerische Entscheidungen, die die Kündigung einer Arbeitnehmerin, die die Leistung im Schichtdienst nicht akzeptiert, rechtfertigen kann. Das BAG hat festgestellt, es handle sich bei den gleichbleibenden Arbeitsgruppen um ein Führungskonzept, das die Produktivität und Effizienz der Gruppe erhöhen könne, d. h. keineswegs sachwidrig oder willkürlich sei.

(4)Der Aufsichtsrat eines Unternehmens hatte einen Restrukturierungsplan beschlossen, der einen Personalabbau von 28 % vorsah. Zur Umsetzung dieses Plans wurden die einzelnen Abteilungen umorganisiert und auch die „Stelle“ des Klägers wegrationalisiert. Die Arbeitsabläufe waren neu strukturiert, die Arbeit nach dem neuen Konzept anders verteilt. Das BAG legte diesen Plan seiner Entscheidung zu Grunde, ohne die Arbeitsmenge mit dem neuen Personalbestand in Beziehung zu bringen.

(5)Ein Unternehmen hatte auf Grund einer Rationalisierung im Dienstleistungsbereich zwei Änderungskündigungen mit dem Ziel Halbtagsbeschäftigung und eine Beendigungskündigung ausgesprochen. Es hatte dargelegt, dass durch anderweitige Verteilung der Arbeit, Einbeziehung von elektronischen Hilfsmitteln und Wegfall bzw. Einschränkung von Aufgaben eine Reduzierung der Dienstleistungen von täglich 7,5 Stunden erreicht worden sei. Es hatte außerdem begründet, dass in einer Abteilung mit sechs Servicemitarbeitern bei einem hauptsächlichen Einsatz in den Morgenstunden eine wesentlich flexiblere Arbeitszeitgestaltung möglich sei, als mit fünf Mitarbeitern. Das BAG hat festgestellt, dass es nach einer unternehmerischen Entscheidung über eine organisatorische Änderung im Betrieb im Ermessen des Arbeitgebers liegt, zu entscheiden, mit welcher Anzahl von Arbeitskräften sich die verbleibende Arbeitsmenge durchführen lässt. Das BAG hat also die noch vorhandene Arbeitsmenge nicht mit der Zahl der Arbeitnehmer in Beziehung gesetzt. Der Arbeitgeber könne bestimmen, ob die Beschäftigung mit Volltags- oder teilweise auch mit Halbtagsbeschäftigungen abgedeckt werden soll. Das gehöre zur „Unternehmenspolitik“.

Mit den drei nachfolgend dargestellten Entscheidungen hat das BAG die freie Unternehmerentscheidung zwar nicht insgesamt und grundsätzlich in Frage gestellt, aber doch den Eindruck erweckt, als unterliege sie nicht mehr nur der Missbrauchskontrolle. Alle drei Urteile des BAG, je vom 17.6.1999, haben im Schrifttum ein ungewöhnlich starkes Echo hervorgerufen, was deutlich macht, dass die Durchsetzbarkeit betriebsbedingter Kündigungen gegenüber früherer Rechtsprechung des BAG offenbar schwieriger geworden ist.

(6)In einem Berliner Baubetrieb (80 Arbeitnehmer) hatte sich die Geschäftsleitung auf Grund sinkender Nachfrage nach Bauleistungen im öffentlichen Bereich entschlossen, den Personalbestand um drei Stellen zu reduzieren, und zwar für einen Werkpolier, einen Vorarbeiter und einen Baufacharbeiter. Letzterer wehrte sich gegen die Kündigung und machte geltend, die Reduzierungsentscheidung als solche reiche zur Rechtfertigung der Kündigung nicht aus. Der Arbeitgeber berief sich darauf, dass er eine dauerhafte Stellenplatzreduzierung vorgenommen habe, die als Unternehmerentscheidung nur auf Willkür überprüft werden könne.

Das BAG sah diese Begründung als nicht ausreichend an. Der Arbeitgeber habe sich hier nicht auf außerbetriebliche Gründe berufen. Er habe lediglich auf seine Unternehmerentscheidung einer Senkung des Personalbestands um drei Planstellen verwiesen. Es fehle damit an nachprüfbaren Darlegungen, welche organisatorischen oder technischen Maßnahmen im Einzelnen getroffen wurden, die den Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger als dringend erforderlich i. S. des § 1 Abs. 2 KSchG einsichtig mache. Die Entscheidung zur Kündigung müsse sich an den gesetzlichen Vorschriften messen lassen und sei deshalb keine „freie Unternehmerentscheidung“. Auch die Reduzierungentscheidung selbst sei in diesem Fall, wo Organisationsentscheidung und Kündigungsentschluss praktisch deckungsgleich seien, nicht nur auf Unsachlichkeit oder Willkür zu überprüfen. Vielmehr hätte der Arbeitgeber darlegen müssen, in welchem Umfang die fraglichen Baufacharbeiten zukünftig im Vergleich zum bisherigen Zustand anfallen. Je näher die eigentliche Organisationsentscheidung an den Kündigungsentschluss rückt, umso mehr muss der Arbeitgeber durch Tatsachenvortrag verdeutlichen, dass ein Beschäftigungsbedürfnis für den Arbeitnehmer entfallen ist. So wie es hier der Arbeitgeber begründet habe, könnte ebenso die Notwendigkeit der Entlassung von 2, 3 oder x-beliebig vielen Bauarbeitern gerechtfertigt werden. Das sei mit dem Kündigungsschutzgesetz nicht zu vereinbaren.

(7)Ebenfalls in einem Berliner Baubetrieb hatte die Geschäftsleitung wegen Rückgang des Auftragsbestandes beschlossen, alle Mitarbeiter ohne abgeschlossene Berufsausbildung zu entlassen und ihre bisherigen Aufgaben teilweise den im Betrieb beschäftigten Facharbeitern, teilweise an Subunternehmen zu übertragen. Einer der entlassenen Hilfskräfte machte vor dem Arbeitsgericht geltend, es habe an einem „dringenden betrieblichen Grund“ für diese Entlassungsaktion gefehlt. Der Arbeitgeber verwies auf seine durch Gesellschafterbeschluss beschlossene Konzeption, künftig aus Kostengründen Beschäftigungsmöglichkeiten für Bauwerker (Hilfskräfte) durch Übernahme dieser Tätigkeiten seitens der Baufacharbeiter entfallen zu lassen. Das BAG gab dem Arbeitgeber Recht. Im Gegensatz zur Unternehmerentscheidung im Parallelfall sei hier eine schon nach außen sichtbare Organisationsentscheidung auch mit einer Vollzugsregelung getroffen worden. Die Auferlegung von Bauhilfstätigkeiten sei gegenüber den Baufacharbeitern weder art- noch berufsfremd und deshalb nicht unzumutbar. Die Übertragung von Abbruch- und Stemmarbeiten an Subunternehmen sei ebenfalls nicht zu beanstanden, wenn dies kostengünstiger ist. Es sei nicht Sache des Arbeitsgerichts, dem Arbeitgeber eine „bessere“ oder „richtigere“ Unternehmenspolitik vorzuschreiben und damit in die Kostenkalkulation des Arbeitgebers einzugreifen.

In einem Druckereibetrieb hatte der Unternehmer nach Anschaffung einer „Heidelberg-Speedmaster-Druckmaschine“ beschlossen, einen von zwei Hilfsarbeitern zu entlassen. Dessen bisherige Tätigkeiten könnten die jeweilige Fachkraft (Drucker) oder andere verbliebene Hilfsarbeiter bzw. andere Mitarbeiter mit übernehmen. Das BAG hat die soziale Rechtfertigung der Kündigung mit der bisherigen Darlegung der Kündigungsgründe durch den Arbeitgeber nicht bejaht und die Sache an die Vorinstanz zurückverwiesen. Das BAG hat aber auch hier ganz ähnlich wie im Falle bemängelt, dass die Unternehmerentscheidung hinsichtlich ihrer organisatorischen Durchführbarkeit und hinsichtlich des Begriffs „Dauer“ nicht ausreichend deutlich begründet worden sei. Der Tatsachenvortrag sei nicht überprüfbar, müsse aber geprüft werden, weil – hier wiederum – beide Unternehmerentscheidungen, Organisationsentscheidung und Kündigungsentschluss, ohne nähere Konkretisierung nicht voneinander zu unterscheiden waren.

Damit dürfte für die Zukunft ein gewisser Stand der Klärung in der Rechtsprechung des BAG erreicht sein, denn in den nachfolgenden Jahren bis heute sind keine Entscheidungen bekannt geworden, die von diesen Voraussetzungen für eine soziale Rechtfertigung der betriebsbedingten Kündigung, was die zu Grunde liegende Unternehmerentscheidung zur Outplacement anbelangt, abgerückt sind. Diese Voraussetzungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

-Die Entscheidung des Arbeitgebers, den Personalbestand auf Dauer zu reduzieren, gehört zu den sog. unternehmerischen Maßnahmen, die zum Wegfall von Arbeitsplätzen führen und damit den entsprechenden Beschäftigungsbedarf entfallen lassen können.

-Eine solche Unternehmerentscheidung ist aber hinsichtlich ihrer organisatorischen Durchführbarkeit und des Begriffs „Dauer“ zu verdeutlichen, damit das Gericht u. a. prüfen kann, ob sie – i. S. der Rechtsprechung zur betriebsbedingten Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG – nicht offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist.

-Je näher die eigentliche Organisationsentscheidung an den Kündigungsentschluss rückt, umso mehr muss der Arbeitgeber durch Tatsachenvortrag darlegen, dass ein Beschäftigungsbedürfnis für den Arbeitnehmer entfallen ist.

-Hieraus folgt: Die Entscheidung des Arbeitgebers, Personal zu reduzieren, kann eine betriebsbedingte Kündigung rechtfertigen. Es reicht jedoch keinesfalls aus, wenn sich der Arbeitgeber allein auf diese Entscheidung beruft. Er muss die Auswirkungen dieser Entscheidung auf den Betrieb und das Beschäftigungsbedürfnis des zu entlassenden Arbeitnehmers im Einzelnen darlegen, sodass der Arbeitnehmer hierzu vortragen und das Gericht eine Überprüfung vornehmen kann.