Auswahlrichtlinien bei Outplacement

Mit dem wieder eingeführten Abs. 4 des § 1 KSchG wird die gerichtliche Überprüfungsmöglichkeit der sozialen Auswahl eingeschränkt. Arbeitgeber und Betriebsrat können gemäß § 95 BetrVG Auswahlrichtlinien vereinbaren, in denen die vier Sozialauswahlkriterien im Verhältnis zueinander bewertet werden können. Auch den Tarifparteien steht dieses Regelungsrecht zu. Diese Bewertung kann durch die Gerichte nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

Eine weitergehende Billigkeitskontrolle dieser Auswahlrichtlinie wird ausgeschlossen. Die Tarifparteien wie auch die Betriebspartner können in Punktetabellen die vier im Gesetz genannten Sozialkriterien gewichten und diese Gewichtung in Punkten festlegen. Dabei muss aber ein ausgewogenes Verhältnis unter diesen Grunddaten beachtet werden. Grob fehlerhaft ist die Auswahlrichtlinie, wenn z.B. den Unterhaltspflichten ein höheres Gewicht beigemessen wird, als der Dauer der Betriebszugehörigkeit. Ebenso wenig dürfen die Unterhaltspflichten wesentlich geringer bewertet werden, als das Lebensalter. Grundsätzlich darf auch das Lebensalter höchstens gleich stark gewichtet werden, wie die Betriebszugehörigkeit, eher geringer. Eine „Grundtabelle“ hat das BAG 1990, allerdings für die damals nur bestehenden drei Grunddaten Betriebszugehörigkeit, Lebensalter und Unterhaltspflichten, wie folgt entwickelt:

Betriebszugehörigkeit
– bis 10 Dienstjahre je Jahr                                                                                 1 Punkt

– ab dem 11. Dienstjahr je Jahr                                                                           2 Punkte

– es werden nur Zeiten der Betriebszugehörigkeit bis

zum vollendeten 55. Lebensjahr berücksichtigt,

also maximal                                                                                                          70 Punkte

Lebensalter

– für jedes vollendete Lebensjahr                                                                       1 Punkt

– maximal möglich                                                                                                 55 Punkte

Unterhaltspflichten

– je unterhaltsberechtigtes Kind                                                                           4 Punkte

– verheiratet                                                                                                            8 Punkte

Diese Punktetabelle müsste nunmehr um das neue Kriterium „Schwerbehinderung“ ergänzt werden. Dies ist allerdings eine schwierige Aufgabe, denn das Gesetz enthält leider keinen praktikablen Hinweis, wie man die Schwerbehinderung in den Abwägungsprozess überhaupt einbeziehen kann, wo doch für Schwerbehinderte der besondere Kündigungsschutz nach §§85 ff. SGB IX besteht.

Stellt sich heraus, dass die in den Auswahlrichtlinien vorgenommene Bewertung der Sozialkriterien grob fehlerhaft war, führt dies nicht zwingend zur Unwirksamkeit der Kündigung nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG, denn auch unrichtige

Erwägungen können zufällig zu einer zutreffenden sozialen Auswahlentscheidung führen.

Interessenausgleich (Namensliste der zu kündigenden Arbeitnehmer)
Sind in einem Interessenausgleich die von der Kündigung betroffenen Arbeitnehmer namentlich bezeichnet, so wird nach dem seit 01.2004 wieder eingeführten Abs. 5 des § 1 KSchG vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist. Diese Vermutung kann vom Arbeitnehmer widerlegt werden. Nicht der Arbeitgeber, sondern der Arbeitnehmer trägt für das Fehlen der dringenden betrieblichen Gründe die Darlegungs- und Beweislast. Darüber hinaus kann die soziale Auswahl in einem Interessenausgleich – wie bei Auswahlrichtlinien – nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Für die Frage, ob eine für einen Interessenausgleich notwendige Betriebsänderung vorliegt, ist seit der Novellierung des BetrVG im Juli 2001 die Grenze von mehr als 20 Arbeitnehmern nicht mehr auf den Betrieb, sondern auf das Unternehmen zu beziehen. Ob die neue Regelung mit der Benennung von Arbeitnehmern auch für Änderungskündigungen gilt, ist – im Gegensatz zur klaren Regelung in § 125 Abs. 1 Nr. 1 Insolvenzordnung – leider offen.

Darlegungs- und Beweislast im Kündigungsschutzprozess

Da die Umstände, die zu einer betriebsbedingten Kündigung führen, aus der „Verantwortungssphäre“ des Kündigenden selbst stammen, stellen die Arbeitsgerichte an die Darlegungspflicht des Arbeitgebers, wie nachfolgend dargestellt, strenge Anforderungen:

Dringende betriebliche Erfordernisse
Der Arbeitgeber trägt im Prozess in vollem Umfange die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist, ohne dass eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit besteht (§ 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG). Ein schlagwortartiger Vortrag, wie z.B. „Rationalisierungsmaßnahmen“, „Umsatzverluste“, oder „Umsatzrückgang“ hätten die Kündigung veranlasst, reicht nicht aus. Der Arbeitgeber hat außerbetriebliche Umstände darzulegen und zu beweisen. Er muss innerbetriebliche Maßnahmen so substantiiert darlegen, dass erkennbar ist, dass sie den Wegfall des Arbeitsplatzes bedingen. Soll die innerbetriebliche Maßnahme allein in einer Outplacement stehen, sind die Grundsätze der abgestuften Darlegungslast wie folgt zu beachten:

(1)Der Arbeitgeber hat auf der ersten Stufe nachprüfbar darzulegen, dass eine Unternehmerentscheidung zur Outplacement getroffen worden ist, die auf Dauer angelegt ist, eine Reduzierung der Arbeitsmenge erwarten lässt und durch den entstehenden Arbeitskräfteüberhang die Kündigung unvermeidbar macht.

(2)Der Arbeitnehmer hat auf der zweiten Stufe darzulegen, dass die Unternehmerentscheidung willkürlich, offenbar unsachlich oder unvernünftig ist und

dass an ihrer Stelle eine andere, vernünftige Organisationsentscheidung möglich war und die Kündigung vermieden hätte.

Weilerbeschäftigungsmöglichkeit
Für die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung trifft den Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast, dass die Kündigung wegen des Wegfalls des bisherigen Arbeitsplatzes durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist, weil eine anderweitige Beschäftigung im Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens nicht möglich oder zumutbar ist. Der Umfang der Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers hängt jedoch davon ab, wie sich der Arbeitnehmer auf die Begründung der Kündigung einlässt. Bei einfachem Bestreiten des Arbeitnehmers genügt der Vortrag des Arbeitgebers, wegen der betrieblichen Notwendigkeiten sei eine Weiterbeschäftigung zu gleichen Bedingungen nicht möglich. Der Arbeitnehmer muss dann darlegen, wie er sich konkret eine anderweitige Beschäftigung vorstellt, wobei er nicht notwendig einen freien Arbeitsplatz benennen muss. Erst auf diesen Vortrag hin muss der Arbeitgeber erläutern, aus welchen Gründen eine Weiterbeschäftigung nicht möglich sein soll.

Soziale Auswahl
Für die Fehlerhaftigkeit der vom Arbeitgeber vorgenommenen sozialen Auswahl ist nach Abs. 3 Satz 3 des § 1 KSchG der Arbeitnehmer beweispflichtig. Für das Vorliegen von der sozialen Auswahl entgegenstehenden berechtigten betrieblichen Bedürfnissen trägt der Arbeitgeber die Beweislast. Es gilt auch hier ein abgestuftes System:

(1)Zuerst hat der Arbeitnehmer vorzutragen, dass die soziale Auswahl fehlerhaft vorgenommen wurde. Kennt er die Namen und Sozialdaten vergleichbarer Arbeitnehmer, muss er die Namen der seiner Auffassung nach weniger schutzwürdigen Arbeitskollegen und ihre Sozialdaten nennen. Weiß der Arbeitnehmer nicht, welche Kollegen mit ihm vergleichbar sind, darf er pauschal die soziale Auswahl beanstanden, muss aber nun den Arbeitgeber zur Auskunft über die Gründe auffordern, welche zur sozialen Auswahl geführt haben.

(2)Damit geht die Darlegungslast auf den Arbeitgeber über. Hierbei hat er aber nur seine subjektiven Überlegungen mit allen von ihm dabei verwendeten Sozialdaten mitzuteilen. Gibt der Arbeitgeber dazu auch im Prozess keine Auskunft, geht das Gericht nun davon aus, dass die soziale Auswahl fehlerhaft war und wird die Kündigung für unwirksam halten.

(3)Ist der Arbeitgeber dem Auskunftsverlangen nachgekommen, so fällt die Darlegungslast wieder voll an den Arbeitnehmer zurück. Dieser hat nun anhand einer Aufstellung der seiner Ansicht nach vergleichbaren Arbeitnehmer und deren Sozialdaten darzulegen, welcher/e Arbeitnehmer weniger schutzwürdig ist/sind, als er selbst. Auf dieser Grundlage hat das Arbeitsgericht über die Rechtsfrage der sozialen Schutzwürdigkeit zu entscheiden.

Umschulung oder Versetzung

Dringende betriebliche Erfordernisse sind nur dann zur sozialen Rechtfertigung einer Kündigung geeignet, wenn auch keine Möglichkeit einer anderweitigen Beschäftigung auf einem anderen freien Arbeitsplatz im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens besteht. Die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit ist damit auf alle Betriebe des Unternehmens, nicht aber auf die Konzernebene bezogen. Ausnahmsweise kann eine Versetzungspflicht innerhalb des Konzerns auf Grund einer besonderen arbeitsvertraglichen Situation in Frage kommen, z. B. wenn der Arbeitnehmer von vornherein für den Konzernbereich eingestellt worden ist, oder wenn sich der Arbeitnehmer mit einer konzernweiten Versetzung einverstanden erklärt hat.

Die Kündigung ist unzulässig, wenn die Weiterbeschäftigung auf einem anderen, freien Arbeitsplatz zu geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erfordert jedoch auch hier eine Abstufung der personellen Maßnahmen. Grundsätzlich hat der Arbeitnehmer auch in dieser Situation zunächst nur einen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung. Kann ihm der Arbeitgeber einen freien Arbeitsplatz im Wege des Direktionsrechts zuweisen, ist eine Änderungskündigung unzulässig, weil sie rechtlich nicht erforderlich ist. Ist dies aber nicht möglich, kann der Arbeitgeber eine Änderungskündigung in Erwägung ziehen. Dabei können alle Vertragsänderungen in Betracht kommen, die das konkrete betriebliche Bedürfnis erfordern, insbesondere die Versetzung auf einen anderen, u. U. auch geringerwertigen Arbeitsplatz oder das Angebot einer Teilzeitbeschäftigung (Grundsatz des Vorrangs der Änderungskündigung vor einer Beendigungskündigung). Der Arbeitgeber muss klarstellen, dass bei Ablehnung des Änderungsangebots eine Kündigung beabsichtigt ist. Dem Arbeitnehmer ist eine Überlegungsfrist von einer Woche einzuräumen. Nimmt der Arbeitnehmer das Angebot an, ist der Arbeitsvertrag einverständlich abgeändert und die Kündigung vermieden. Nimmt er das Angebot unter dem Vorbehalt an, die soziale Rechtfertigung dieser Änderung der Arbeitsbedingungen überprüfen zu lassen (§ 2 KSchG), muss der Arbeitgeber eine Änderungskündigung aussprechen. Lehnt der Arbeitnehmer das Änderungsangebot vorbehaltlos und endgültig ab, kann der Arbeitgeber eine Beendigungskündigung aussprechen. Damit ist diese Kündigung alleine noch nicht wirksam. Sie ist nur nicht wegen des Vorrangs der Änderungskündigung unwirksam, ansonsten aber unterliegt sie der üblichen Überprüfung auf soziale Rechtfertigung. Die Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz trifft den Arbeitgeber auch, wenn sie erst nach zumutbarer Fortbildung oder Umschulung möglich ist. Die Umschulung und Fortbildung bedarf sorgfältiger Interessenabwägung und ist dem Arbeitgeber nur zumutbar, wenn sie angesichts der Dauer der Beschäftigung in vertretbarer Zeit und mit vertretbarem Aufwand (Kosten) möglich ist. Als vertretbare Zeit wird – in Anlehnung an die längstmögliche gesetzliche Kündigungsfrist des Arbeitgebers gern. § 622 Abs. 2 BGB – eine Umschulungsdauer von sieben Monaten angesehen. Sind entsprechend dem Grundsatz des § 2 SGB III arbeitsförderungsrechtliche Leistungen zu erwarten, kann eine längere Umschulungszeit zumutbar sein.

Nichtersatz von Fluktuation

Eine Personalanpassung i.S. einer Reduzierung der Mitarbeiter kann durch mildere und durch härtere Maßnahmen vorgenommen werden. Welcher Weg einzuschlagen ist, hängt von den betrieblichen Erfordernissen ab. Sie sind entscheidend dafür, wie schnell und in welchem Umfange reduzierende Maßnahmen einzuleiten sind. Zu den milderen Maßnahmen gehört der Einstellungsstopp, der je nach der Altersstruktur eine Abnahme der Belegschaft bewirkt, indem ausscheidende Mitarbeiter nicht ersetzt werden. Innerhalb der Belegschaft sind zu den milderen Maßnahmen diejenigen zu rechnen, die noch nicht zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen, sondern allenfalls zu einer Änderung desselben. Neben Änderungen in örtlicher Hinsicht (Umsetzung bzw. Versetzung oder Arbeitnehmerüberlassung) und in qualitativer Hinsicht (Qualifizierungsmaßnahmen, Umschulung) sind das hauptsächlich folgende Änderungen der Arbeitszeit:

-Abbau von Überstunden,

-Abbau von Schichten,

-Einführung von Kurzarbeit,

-Überlegungen zu einer Arbeitszeitverkürzung.

Im weiteren Sinne werden zu den milderen Maßnahmen auch noch die einvernehmlich vereinbarten Beendigungen des Arbeitsverhältnisses wie Aufhebungsvertrag und Altersteilzeitvertrag gerechnet, wenngleich sie freilich den Verlust des Arbeitsplatzes zur Folge haben.

Nachfolgend werden die vorgenannten Personalanpassungsmaßnahmen näher dargestellt:

Der Einstellungsstopp, also der Nichtersatz ausscheidender Mitarbeiter, ist hauptsächlich in zwei Varianten praktizierbar: Zum einen kann ein absoluter Stopp verfügt werden, bei dem weder Ersatzeinstellungen zum Fluktuationsausgleich noch Neueinstellungen vorgenommen werden. Zum andern kann es sich aber auch um einen eingeschränkten Einstellungsstopp handeln, bei dem nur auf Neueinstellungen verzichtet wird, durch Fluktuation freiwerdende Arbeitsplätze aber wieder besetzt werden. Der Vorteil eines absoluten Stopps liegt darin, dass es keine rechtserheblich betroffene Arbeitnehmer, allenfalls durch höheren Arbeitsanfall „faktisch belastete Arbeitnehmer“ gibt. Es ist aber Sache der Unternehmerentscheidung, auf Dauer künftig auch mit weniger Personal zu arbeiten. Soweit dadurch eine Leistungsverdichtung eintritt, wird sie als Konzept gewollt und in Kauf genommen1. Als Nachteil eines absoluten Einstellungsstopps erweist sich allerdings nicht selten eine Tendenz zur negativen Auslese, weil erfahrungsgemäß jüngere, leistungsstarke Mitarbeiter eher zu einem Stellenwechsel neigen als ältere Mitarbeiter. Dagegen kann ein auf bestimmte Arbeitnehmergruppen

(z.B. Arbeiter/Angestellte) oder auf bestimmte Abteilungen (z. B Vertrieb, Versand) gerichteter Einstellungsstopp solche negativen Auswirkung auf die Belegschaftsstruktur in Grenzen halten.

Auch ein passiver Personalabbau, wie ihn der Einstellungsstopp darstellt gehört zur Personalplanung (Personaldeckungsplanung) und kann Mitwirkungsrechte des Betriebsrats (vgl. §§ 92, 106 BetrVG) auslösen.

Dagegen stellt der Nichtersatz ausgeschiedener Mitarbeiter keine Betriebsänderung i. S. einer Betriebseinschränkung gern. § § 111 ff. BetrVG dar. Der Einstellungsstopp ist „mitbestimmungsfrei“, weil es an einem rechtserheblich aktiven Handeln des Arbeitgebers fehlt.

Der Fluktuation kann von der Firma aus auch dadurch nachgeholfen werden, dass mit bestimmten Mitarbeitern gezielt gesprochen wird, um sie zu einer Eigenkündigung oder zum Abschluss eines Aufhebungsvertrags zu bewegen. Das kann bei Arbeitnehmern geboten sein, die trotz Fördermaßnahmen und Ermahnungen leistungsschwach bleiben oder für den Betrieb aus nachweisbaren Gründen nicht mehr tragbar sind. Die Grenze unlauterer Einflussnahme darf freilich dabei nicht überschritten werden. Das „Bedrängen“ eines Mitarbeiters durch Vorgesetzte darf nicht zum Mobbing werden.

Kostensenkung durch Arbeitszeitverlängerung

Anstelle einer Arbeitszeitverkürzung wird in Deutschland in der letzten Zeit in nahezu allen Branchen verstärkt über eine Verlängerung der Arbeitszeit nachgedacht und diskutiert. Immer mehr Firmen setzen auf eine Arbeitszeitverlängerung als Mittel zur Kostensenkung, um so einen drohenden Personalabbau zu verhindern bzw. zu beschränken. Gefordert wird eine Arbeitszeitverlängerung auf 40 Wochenstunden und diese möglichst ohne Lohnausgleich, zumindest ohne Gewährung von Überstundenzuschlägen. Häufig sollen diese „Mehrstunden“ den Arbeitnehmern nicht sofort ausgezahlt werden, sondern auf ein Zeitkonto gutgeschrieben werden. Sie sollen zu einem späteren Zeitpunkt vergütet werden, wenn das Unternehmen wieder in die Gewinnzone kommt.

Rückkehr zur 40-Stunden-Woche (aktuelle Vorgänge)
Nach einer neuen Studie des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) im August 2004 stieg die Zahl der Unternehmen, die Auslandsinvestitionen planen, von 38 % im Jahre 2003 auf 43 % im Jahre 2004. Als Gründe für ihre Verlagerungsabsichten nannten die Firmen die zu hohen Standortkosten und den zu unflexiblen Arbeitsmarkt in Deutschland. Häufig wurden als Investitionsziele die der EU beigetretenen Länder aus Mittel-und Osteuropa mit ihren um ein Fünftel geringeren Lohnkosten genannt.

Das war auch der Beweggrund für den Abschluss eines Ergänzungstarifvertrags zwischen der IG Metall und dem Siemens-Konzern, der gedroht hatte, 5.000 Arbeitsplätze nach Ungarn zu verlagern oder abzubauen, wenn die Arbeitskosten nicht gesenkt würden. Der Mitte des Jahres zustandegekommene Tarifabschluss sieht vor, dass für ca. 4.000 Mitarbeiter neben dem Verzicht auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld die Wochenarbeitszeit auf 40 Stunden ohne Lohnausgleich verlängert wird. Damit konnte eine Senkung der Arbeitskosten um rund 30 % erreicht werden.

Auch bei DaimlerChrysler kam es Ende Juli 2004 zwischen Betriebsrat und Vorstand vor dem Hintergrund einer „inländischen“ Verlagerungsabsicht von Süddeutschland nach Norddeutschland zum Abschluss eines Sparprogramms, das mit Billigung der Gewerkschaft in allen Forschungs-, Entwicklungs- und Planungsbereichen des Konzerns die Einführung der 40-Stunden-Woche zwar bezahlt, aber ohne Überstundenzuschläge neben anderen Kostensenkungsmaßnahmen vorsieht.

Beide Vorgänge dürften Signalcharakter haben und weitere Regelungen nach sich ziehen, mit denen tarifgebundene Unternehmen im Einvernehmen mit ihren Betriebsräten zur Vermeidung von Personalreduzierungen dem Flächentarifvertrag betriebliche Differenzierungen und Öffnungen abverlangen.

Abwicklungsvertrag und Vertragsabschluss

Zu den milderen Personalanpassungsmaßnahmen wird man auch den Aufhebungsvertrag rechnen können, sofern er nicht unter Druck auf den Arbeitnehmer durch Androhung seiner Kündigung mehr oder weniger erzwungen wird. Zur Anfechtung des Aufhebungsvertrags im Falle widerrechtlicher Drohung.

Arbeitgeber und Arbeitnehmer können das Arbeitsverhältnis jederzeit im Wege gegenseitigen Einvernehmens durch einen Aufhebungsvertrag beenden. Sie sind dabei weder an Kündigungsfristen noch an das Vorliegen eines anerkannten Kündigungsgrundes gebunden. Es greift auch weder der allgemeine noch ein besonderer Kündigungsschutz. Ein Mitwirkungsrecht (Anhörung) des Betriebsrats besteht nicht.

Von daher bietet der Aufhebungsvertrag dem Arbeitgeber erhebliche Vorteile, vor allem, dass er nicht den Unwägbarkeiten eines Kündigungsschutzverfahrens ausgesetzt ist. Aber auch für den Arbeitnehmer kann der Aufhebungsvertrag von Vorteil sein. Er kann mit seiner Hilfe Kündigungsfristen abkürzen, die evtl., einer sofortigen Arbeitsaufnahme bei einem anderen Arbeitgeber entgegenstehen. Wird vom Arbeitgeber wegen schwerer Verfehlung des Arbeitnehmers eine außerordentliche Kündigung erwogen, können über einen Aufhebungsvertrag „verdächtige“ Beendigungstermine verhindert werden. Zu den möglichen negativen sozialrechtlichen Konsequenzen des Aufhebungsvertrags für den Arbeitnehmer.

Vom Aufhebungsvertrag wird der Abwicklungsvertrag unterschieden. Er setzt eine vorherige Arbeitgeberkündigung voraus, enthält also selbst keine Beendigungsvereinbarung. Vielmehr regelt er die Rechtsfolgen des durch die Kündigung des Arbeitgebers beendeten Arbeitsverhältnisses. In den Abwicklungsvertrag wird nicht selten der Verzicht des Arbeitnehmers auf die Erhebung einer Klage und die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung einer Abfindung aufgenommen. Zu den sozialrechtlichen Konsequenzen des Abwicklungsvertrags (Sperrzeit u.a.).

Bislang wurde der Abwicklungsvertrag zur Vermeidung sozialrechtlicher Nachteile als Alternative zum Aufhebungsvertrag empfohlen. Die neueste Rechtsprechung des Bundessozialgerichts hat diesen Überlegungen weitgehend die Grundlagen entzogen.

Wie im Falle der Kündigung hat sich der Arbeitnehmer auch beim Abschluss des Aufhebungsvertrags nach Kenntnis des Beendigungszeitpunkts unverzüglich persönlich bei der Agentur für Arbeit als „arbeitssuchend“ zu melden (§ 37b SGB III). Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer auf diese Pflicht hinzuweisen.

Vertragsabschluss (Form, Zustandekommen)
Der Abschluss des Aufhebungsvertrags unterliegt den allgemeinen Regeln des Vertragsrechts (§§ 145 ff. BGB). Ein stillschweigender Abschluss ist nicht mehr möglich. Seit dem 05.2000 mit der Einführung des § 623 BGB bedarf auch der Aufhebungsvertrag wie die Kündigung der Schriftform. Das Gesetz verwendet den Begriff Auflösungsvertrag, womit aber der Aufhebungsvertrag gemeint ist. Nicht formbedürftig sind echte Abwicklungsverträge, weil sie die bereits durch Kündigung des Arbeitgebers bewirkte Beendigung des Arbeitsverhältnisses voraussetzen, also selbst das Arbeitsverhältnis i. S. von § 623 BGB gar nicht mehr beenden können.

Ein ohne Einhaltung der Schriftform abgeschlossener Aufhebungsvertrag ist unwirksam (§ 125 BGB). Der Vertrag muss von beiden Seiten auf derselben Urkunde unterzeichnet sein; beide Unterschriften müssen den gesamten Aufhebungsvertrag abdecken. In den nachfolgend aufgeführten Fällen war das Schriftformerfordernis nicht gewahrt:

Beispiele:
(1) Auf ein vom Arbeitgeber vorgelegtes schriftliches Auflösungsangebot wird vom Arbeitnehmer – mit und ohne Zusatz – „einverstanden“ unterzeichnet. Nicht ausreichend!

(2)Das Kündigungsschreiben wird vom Arbeitnehmer „gegengezeichnet“. Nicht ausreichend. Da Aufhebungsverträge schriftlich abgeschlossen werden müssen, können Arbeitsverhältnisse nicht mehr durch „arbeitnehmerseitige Annahme“ aufgelöst werden!

(3)In eine Ausgleichsquittung (Empfangsbestätigung, Ausgleichsklausel), die bekanntlich nur vom Arbeitnehmer unterschrieben ist, kann nicht mehr – wie früher – ein Aufhebungsvertrag hineininterpretiert werden!

Nur unter besonderen Umständen hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über schädliche Folgen des Aufhebungsvertrags aufzuklären. Das wird nur dann von der Rechtsprechung bejaht, wenn der Aufhebungsvertrag auf Initiative des Arbeitgebers und in seinem Interesse zustandekommt15. Auf eine drohende Sperrzeit oder auf signifikante Nachteile (z. B. Versorgungseinbußen bei der Altersversorgung durch den Aufhebungsvertrag) wird der Arbeitgeber den Arbeitnehmer aufmerksam machen müssen. Die Aufklärungspflicht ist abdingbar.

Verhängung einer Sperrzeit

Ebenso wie die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer kann auch der Aufhebungsvertrag den Eintritt einer Sperrzeit bewirken. Die vier Fallgruppen des Gesetzes (§ 144 Abs. 1 SGB III) für die Verhängung einer Sperrzeit lassen sich danach unterscheiden,

-ob der Arbeitnehmer/Arbeitslose die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (Arbeitsaufgabe durch eigene Kündigung oder durch verschuldete arbeitgeberseitige Kündigung) oder

-ob er die Beendigung der Arbeitslosigkeit verhindert hat (Arbeitsablehnung),

also durch dieses Verhalten die Arbeitslosigkeit schuldhaft (Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit) herbeigeführt hat, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben. Der Abschluss eines Aufhebungsvertrags steht einer Kündigung durch den Arbeitnehmer gleich. Eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses (Aufhebungsvertrag) kann auch darin liegen, dass der Arbeitgeber ohne Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist kündigt, nachdem der Arbeitnehmer zuvor auf die Einhaltung der Kündigungsfrist verzichtet hatte.

Während das Bundessozialgericht noch 1995 auch die passive Hinnahme einer rechtswidrigen Kündigung durch den Arbeitnehmer im Hinblick auf eine damit verbundene finanzielle Vergünstigung als Sperrzeittatbestand bejaht hatte, hat es diese Auffassung später aufgegeben39. Danach löst die bloße Hinnahme einer rechtswidrigen Kündigung keine Sperrzeit aus, sondern nur ein aktives Handeln des Arbeitnehmers. Aber auch im „aktiven“ Falle darf eine Sperrzeit nicht verhängt werden, wenn der Arbeitnehmer einen wichtigen Grund für den Abschluss eines Aufhebungsvertrags hat. Das ist der Fall, wenn die betriebsbedingte Kündigung objektiv rechtmäßig ist und für den Arbeitnehmer das Abwarten der Kündigungsfrist nicht zumutbar ist. Auch durch den Abschluss eines Abwicklungsvertrags löst der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis, wenn er nach Ausspruch der Kündigung des Arbeitgebers mit diesem innerhalb der Frist für die Erhebung der Kündigungsschutzklage eine Vereinbarung über die Hinnahme der Kündigung trifft.

Eine Sperrzeit dürfte auch nicht im Falle des neuen § 1 a KSchG eintreten, wonach der Arbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen einen gesetzlichen Abfindungsanspruch erwirbt. Dieser Anspruch setzt den Hinweis des Arbeitgebers in der Kündigungserklärung voraus, dass die Kündigung auf dringende betriebliche Erfordernisse gestützt ist und der Arbeitnehmer bei Verstreichenlassen der Klagefrist die Abfindung beanspruchen kann. Denn auch hier liegt eine Passivität des Arbeitnehmers vor, die keiner Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gleich gestellt werden kann. Im Übrigen hat das BSG in seiner Entscheidung vom 12.2003 anklingen lassen, dass es Vereinbarungen vor einem möglichen Kündigungsschutzprozess nicht einer Sperrzeit unterwerfen will, da der Arbeitnehmer nicht zur Erhebung der Kündigungsschutzklage verpflichtet ist. Allein die fehlende Bereitschaft, sich gegen den Willen des Arbeitgebers im Beschäftigungsverhältnis zu behaupten, rechtfertigt den Eintritt einer Sperrzeit nicht.

Die Verhängung einer Sperrzeit bedeutet, dass die Bezugsdauer für das Arbeitslosengeld um zwölf Wochen (sog. Regeldauer) verkürzt wird. Stellt diese Regeldauer nach den Umständen des Falles eine besondere Härte dar, beträgt die Sperrzeit nur sechs Wochen (§144 Abs. 3 Satz 1 SGB III). Das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 sieht vor, dass ab

01.2005 weitere Sperrzeittatbestände (unzureichende Eigenbemühungen, Meldeversäumnis) in Kraft treten.

Befreiung von der Erstattungspflicht und Personalabbau

Zu unterscheiden sind die von Amts wegen zu ermittelnden Ausnahmen von der Erstattungspflicht (§ 147 a Abs. 1 Satz 1 SGB III) und die auf Nachweis des Arbeitgebers u.U. zur Anwendung kommenden Befreiungstatbestände (§ 147a Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 SGB III). Zur ersteren Fallgruppe gehören als Voraussetzung einer Befreiung neben dem vollendeten 55. Lebensjahr bzw. einer Vorbeschäftigungszeit von nicht weniger als zehn Jahren innerhalb der letzten zwölf Jahre die sog. alternativen Sozialleistungen (Kranken-, Verletzten- und Übergangsgeld sowie Renten wegen Alters bzw. wegen verminderter Erwerbsfähigkeit). Insbesondere die vorgezogene Altersrente ab vollendetem 60. oder 63. Lebensjahr können die Erstattungspflicht ausschließen. Dabei kommt es bei allen vorgenannten Sozialleistungen nur auf den Anspruch an; unerheblich ist, ob der Arbeitnehmer/Arbeitslose die Sozialleistung tatsächlich bezieht oder beantragt hat.

Zu den Befreiungstatbeständen durch Nachweis des Arbeitgebers gehören:

(1)Der Arbeitslose hat innerhalb der letzten zwölf Jahre vor der Arbeitslosigkeit weniger als zehn Jahre zum Arbeitgeber im Arbeitsverhältnis gestanden.

(2)Der Arbeitgeber beschäftigt nicht mehr als 20 Arbeitnehmer, ausgenommen Auszubildende, Schwerbehinderte und Teilzeitkräfte bis zehn Stunden wöchentlich (TZ-Kräfte bis 20 Wochenstunden werden mit 0,5, solche bis 30 Wochenstunden mit 0,75 berücksichtigt).

(3)Eigenkündigung des Arbeitnehmers, ohne dass er eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung erhalten oder zu beanspruchen hat.

Ein Aufhebungsvertrag steht der Kündigung durch den Arbeitnehmer nicht gleich, befreit also nicht von der Erstattungspflicht!

(4)Arbeitgeberkündigung, wenn sie sozial gerechtfertigt ist. Das Arbeitsverhältnis muss tatsächlich durch eine solche Kündigung geendet haben. Auch hier genügt die einvernehmliche Beendigung (Aufhebungsvertrag) nicht!

Auch beim neuen § 1 a KSchG (Angebot einer Kündigung nach zuvor erklärter betriebsbedingter Kündigung) muss die Agentur für Arbeit prüfen, ob tatsächlich eine sozial gerechtfertigte Arbeitgeberkündigung vorlag. Sie ist an eine rechtskräftige Entscheidung des Arbeitsgerichts gebunden.

(5)Fristlose Arbeitgeberkündigung, auch mit sozialer Auslauffrist.

Personalabbau als Befreiungstatbestand
Das Gesetz unterscheidet den drastischen Personalabbau, bei dem der Arbeitgeber kurzfristig den Personalbestand um mindestens 20 % verringert und dieser Abbau für den örtlichen Arbeitsmarkt von erheblicher Bedeutung ist. Hier tritt selbst bei einer Entlassung von ausschließlich älteren Arbeitnehmern die Erstattungspflicht nicht ein.

Der Personalabbau innerhalb eines Jahres, den das Gesetz als weiteren Befreiungstatbestand aufführt (§ 147a Abs. 1 Nr. 6 SGB III), differenziert danach, ob

-ein Beschäftigtenabbau von mehr als 3% vorgenommen wird oder

-ein solcher von mindestens 10% erfolgt.

Im ersteren Falle hängt die Befreiung von der Erstattungspflicht davon ab, dass nicht mehr 55-jährige und ältere Arbeitnehmer ausscheiden, als es ihrem Anteil an der Gesamtbelegschaft entspricht. Im letzteren Fall darf der Anteil der älteren Arbeitnehmer doppelt so hoch sein. Das nachfolgende Beispiel soll verdeutlichen, wie in beiden Fallgruppen der jeweilige Höchststand der ausscheidenden älteren Arbeitnehmer ohne Erstattungspflicht zu errechnen ist.

In diesem Beispiel tritt Erstattungspflicht nicht ein, wenn unter den 65 ausscheidenden Arbeitnehmern sich nicht mehr als acht Arbeitnehmer befinden, die zum Zeitpunkt ihres Ausscheidens 55 Jahre und älter sind.

Wären in dem Beispiel nicht 65, sondern 115 Personalaustritte (Personalminderung mithin 98 Arbeitnehmer) zu verzeichnen, würde der Prozentsatz der Personalminderung 10,459 (98 : 937 X 100) betragen. Der Höchstanteil der ausscheidenden älteren Arbeitnehmer würde sich wegen Überschreiten der 10- Prozent-Grenze verdoppeln. Mithin könnten von den 115 ausscheidenden Arbeitnehmern 28 ältere Arbeitnehmer (115 X 12,060 X 2 : 100 = 27,738 = aufgerundet 28 Arbeitnehmer) sein.

Der Arbeitgeber darf alle Personalminderungen innerhalb eines Zeitraums von einem Jahr (nicht Kalenderjahr!) berücksichtigen, wobei er die ihm günstigste Lage dieses Beurteilungszeitraums von einem Jahr wählen kann.

Kleinunternehmen werden von der Erstattungsregelung nicht bzw. nicht voll erfasst:

Beschäftigtenzahl                                                              Erstattungsquote

bis 20                                                                                   keine Erstattungspflicht

21-40                                                                                    ein Drittel

41-60                                                                                    zwei Drittel

über 60                                                                                 volle Erstattungspflicht

In die Beschäftigtenzahl sind Auszubildende, Schwerbehinderte und Teilzeitbeschäftigte mit einer Wochenarbeitszeit nicht über 10 Stunden nicht einzubeziehen. Die Erstattungsquote richtet sich nach der niedrigsten Grenzzahl (20, 40, 60), die in mindestens acht Monaten nicht überschritten wird.

Verfahrensregeln (Vorausentscheidung der Agentur für Arbeit)
Die Erstattungsleistungen hat der Arbeitgeber jeweils nachträglich für die zurückliegenden drei Monate zu leisten. Darüber erhält er einen Erstattungsbescheid. Zuvor muss er angehört werden.

Auf Antrag kann der Arbeitgeber in den beiden Befreiungstatbeständen „Personalabbau“ (§ 147a Abs. 1 Nr. 6 und 7 SGB III) von der Agentur für Arbeit eine Vorausentscheidung verlangen, die für die Beteiligten bindend ist. Damit kann sich der Arbeitgeber wenigstens insoweit Planungssicherheit verschaffen.

Altersteilzeit im Überblick

Zu den milderen Personalanpassungsmaßnahmen gehört auch die Altersteilzeit. Mit diesem seit 1989 eingeführten Modell einer Frühverrentung bezweckt der Gesetzgeber einen vorzeitigen, gleitenden Übergang in den Ruhestand, den er durch Leistungen der Bundesagentur für Arbeit für beide Vertragsparteien attraktiv machen will. Altersteilzeit heißt auch in seiner heutigen Ausformung,

ein Arbeitnehmer (mindestens 55 Jahre alt und mit mindestens 1080 Kalendertagen versicherungspflichtiger Beschäftigung in den letzten fünf Jahren) kann nach Vereinbarung mit dem Arbeitgeber (Altersteilzeitvertrag) für längstens sechs Jahre seine bisherige wöchentliche Arbeitszeit auf die Hälfte reduzieren und dann vorzeitig ausscheiden. Das Gesetz verlangt eine Aufstockung des Arbeitsentgelts um 20 % des Bruttoarbeitsentgelts und eine Entrichtung von Rentenversicherungsbeiträgen – bis zum 06.2004 – aus 90% des bisherigen Arbeitsentgelts,- ab 07.2004 – aus 80% des Regelarbeitsentgelts. Eine Erstattung dieser Aufstockungsbeträge durch die Bundesagentur für Arbeit setzt jedoch voraus, dass für den ausscheidenden Arbeitnehmer ein Arbeitsloser oder ein ausgelernter Auszubildender eingestellt wird.

Ziel des Altersteilzeitgesetzes ist neben der Eindämmung der Frühverrentung auch die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. In der Praxis wird das Altersteilzeitmodell vorrangig für die Outplacement eingesetzt, d. h. die freiwerdenden Stellen werden nicht wieder besetzt. So wurde im Jahre 2002 nur bei jedem vierten Altersteilzeitfall eine Wiederbesetzung vorgenommen43. Damit wird die Altersteilzeit als Frühverrentungsform für den Arbeitgeber zu einem kostspieligen Weg, zumal in fast allen Branchen in mehr als 700 Tarifverträgen höhere Aufstockungsbeträge vereinbart worden sind. Das Institut der deutschen Wirtschaft hat vorgerechnet, dass bei Altersteilzeit für einen verheirateten Industriemeister (Metallindustrie) mit einem Bruttoeinkommen von rund 3.272,- € Zusatzkosten von monatlich rund 971,- € entstehen.

Auch für den Arbeitnehmer hält sich die Akzeptanz der Altersteilzeit in Grenzen. Zwar wurde 1992 zusätzlich zur vorgezogenen Altersrente wegen Arbeitslosigkeit bei gleichem Endalter (vollendetes 60. Lebensjahr) die Altersrente nach Altersteilzeit nach mindestens 24-monatiger Altersteilzeitarbeit eingeführt. Aber auch für diese Rente ist das Eintrittsalter auf zunächst 63 Jahre angehoben worden. Der Arbeitnehmer hat also bei einem Ausscheiden vor dieser Altersstufe Rentenabschläge (für jeden Monat des vorgezogenen Rentenbezugs 0,3 %) hinzunehmen.

Mittelfristig ist die Altersteilzeit ein Auslaufmodell: Im Jahre 2009 wird das Altersteilzeitgesetz ablaufen (vgl. § 1 Abs. 2 AtG).

Insolvenzsicherungspflicht für Arbeitszeitguthaben

Mit dem neuen § 8a AtG wird ab 07.2004 eine spezielle Insolvenzsicherungspflicht für Arbeitszeitguthaben aus Altersteilzeit im Blockmodell verankert. Danach ist eine Insolvenzsicherung erforderlich, wenn sich aus der Altersteilzeitvereinbarung ergibt, dass das aufzubauende Wertguthaben den Betrag des Dreifachen des Regelarbeitsentgelts nach § 6 Abs. 1 AtG einschließlich des darauf entfallenden Arbeitgeberanteils am Gesamtsozialversicherungsbeitrag übersteigen wird. Diese Überschreitung dürfte im Regelfall im Laufe der Arbeitsphase gegeben sein. Damit kommt faktisch für alle Altersteilzeit-Blockmodelle eine Insolvenzsicherungspflicht in Betracht. Das Gesetz schreibt keine bestimmte Art der Insolvenzsicherung vor. Als zulässige und geeignete Sicherungsmittel kommen Bankbürgschaften, Versicherungsmodelle (Kautionsversicherung), Verpfändungen von Wertpapieren an den Arbeitnehmer etc. in Betracht. Ausdrücklich ausgeschlossen ist nach dem Gesetz eine Sicherung allein durch bilanzielle Rückstellung sowie zwischen Konzernunternehmen begründete Einstandspflichten wie Bürgschaften, Patronatserklärungen oder Schuldbeitritte (§8a Abs. 1 Satz 2 AtG). Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer alle sechs Monate schriftlich mitteilen, welche Sicherungsmaßnahmen er ergriffen hat (Nachweispflicht). Kommt der Arbeitgeber diesen Pflichten nicht nach, kann der Arbeitnehmer Sicherheitsleistungen in Höhe seines Wertguthabens verlangen (Bürge, Hinterlegung von Geld oder Wertpapieren). Ein Verstoß gegen die Insolvenzsicherungspflicht führt aber weder zur Ünwirksamkeit der Altersteilzeitvereinbarung noch zur Verneinung der – zur Einhaltung des Generalthemas „Outplacement“ hier nicht erörterten – Förderfähigkeit im Falle der Wiederbesetzung.