Neben Stamm- und Vorzugsaktien gliedert man die Wertpapiere meist nach dem Grad der Marktkapitalisierung, d.h. die Aktien werden nach der Größe der jeweiligen Aktiengesellschaft unterteilt. Es werden große Aktiengesellschaften, die so genannten Standardwerte oder Blue Chips, die mittelgroßen Gesellschaften, die Mid Caps, und die kleinen Aktiengesellschaften, Small Caps, unterschieden.
Die Standardwerte
Die Standardwerte gehören zu den geläufigsten Aktien, denn sie bilden das Flaggschiff einer Nation oder eines Marktes. Die
Standardwerte werden wegen ihrer großen Marktkapitalisierung häufig auch als Large Caps (von engl, „large capitalization“ – große Marktkapitalisierung) bezeichnet. Der Börsenwert solcher Unternehmen erreicht mehrere Milliarden. Solche Giganten werden ironisch „Blue Chips“ genannt, denn in Spielcasinos haben die blauen Jetons den höchsten Wert.
Die 30 größten deutschen Standardwerte sind im DAX zusammengefasst; der DAX ist ein Aktienindex, der jede Minute neu berechnet wird und die Wertentwicklung der deutschen Börse widerspiegelt.
Zu den DAX-Werten zählen bekannte Aktiengesellschaften wie die Deutsche Bank, DaimlerChrysler, BMW, Deutsche Post, SAP, Lufthansa, Siemens und andere. Diese Unternehmen haben oft eine lange Tradition und sind auf den Weltmärkten tätig. Für Anleger haben diese Large Caps den Vorteil, dass sie auch schwere Krisen meist unbeschadet überstehen und aufgrund ihrer Größe eine Vielzahl von Möglichkeiten haben, sich neue Weltmärkte zu erschließen. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass diese Blue Chips jemals insolvent werden und Pleite gehen. Denn sie verfügen über beträchtliche finanzielle Ressourcen und eine starke, wettbewerbsfähige Position auf den internationalen Märkten.
Betrachtet man die Wertentwicklung der DAX-Werte in den letzten fünf Jahren, so ergibt sich ein uneinheitliches Bild. Während der Reifenhersteller Continental mit fast 500 Prozent Wertzuwachs das Feld anführt und eine erstaunliche Performance erzielte, büßte Infineon mehr als 50 Prozent seines ursprünglichen Wertes ein. An solchen Ergebnissen können Sie erkennen, dass es sehr riskant sein kann, eine Aktie beliebig herauszusuchen. Wenn Sie auf den falschen Wert setzen, können deutliche Verluste entstehen.
Standardwerte werden häufig unerfahrenen Anlegern als Standardinvestment empfohlen. Ihr Kurs ist leicht zu verfolgen, da täglich in den Fernsehnachrichten über diese Aktiengesellschaften berichtet wird. Darüber hinaus untersuchen die Analysten aller renommierten Banken ständig die Unternehmen, berechnen Kennzahlen, fertigen Analysen und Gutachten an. Kaum irgendwelche anderen Aktien werden so aufmerksam beobachtet und untersucht wie die 30 DAX-Werte. Darüber hinaus verfügen diese Aktien über hohe Börsenumsätze und damit eine überdurchschnittliche Liquidität, so dass auch institutionelle Investoren und Investmentfonds Aktien für Millionenbeträge kaufen können, ohne dass es zu außergewöhnlich starken Schwankungen kommt. Insbesondere für Investmentfonds ist es von großer Bedeutung, dass sie jederzeit größere Positionen aufbauen und auch wieder schnell veräußern können.
Name der Aktie | Wertentwicklung 5 Jahre (in Prozent) |
Adidas | 96,3 |
Allianz | -38,7 |
Altana | – 22,6 |
BASF | 85,2 |
Bayer | 33,6 |
BMW | 12,7 |
Commerzbank | 78,4 |
Continental | 495,0 |
DaimlerChrysler | 27,8 |
Deutsche Bank | 56,6 |
Deutsche Börse | 263,8 |
Deutsche Lufthansa | 29,7 |
Deutsche Post | 60,6 |
Deutsche Postbank | – |
Deutsche Telekom | – 10,1 |
E.on | 91,8 |
Fresenius Medical Care | 90,0 |
Henket | 78,8 |
Hypo Real Estate | – |
Infineon Technologies | – 51,8 |
Linde | 47,5 |
MAN | 246,8 |
Metro | 48,2 |
Münchener Rück | -54,0 |
RWE | 100,8 |
SAP | – 9,1 |
Siemens | 29,6 |
Thyssen Krupp | 139,6 |
TUI | -43,6 |
Volkswagen | 69,3 |
Aus all diesen Gründen werden Standardwerte oft als Anlageinstrument empfohlen, und es gibt eine Reihe von Investmentfonds, die sich nur auf diese Blue Chips konzentrieren. So hat die zur Deutschen Bank gehörende Investmentgesellschaft DWS eine Reihe von Aktienfonds aufgelegt, die sich auf die 50 besten Standardwerte konzentrieren (beispielsweise DWS Top 50 Welt, DWS Top 50 Europa).
Obwohl diese Standardwerte fast einhellig von Beratern angepriesen werden, hat eine solche Large-Cap-Strategie, die ausschließlich auf Standardwerte setzt, einige Nachteile. Untersuchungen in der Finanzmarktforschung haben gezeigt, dass Standardwerte im Vergleich zu Aktiengesellschaften mit einer geringeren Marktkapitalisierung (Mid Caps und Small Caps) schlechter abschneiden. Vielfach haftet den großen Aktiengesellschaften das Image eines „Dinosauriers“ oder „Elefanten“ an. Viele dieser renommierten Unternehmen sind oft schwerfällig und wenig flexibel; oftmals etabliert sich eine Bürokratie, die der einer Behörde in nichts nachsteht, und die Fähigkeit, neue Innovationen herzubringen, erlahmt im Laufe der Zeit. Viele dieser Unternehmen zehren von einer ruhmreichen Vergangenheit und reagieren zu spät auf die Herausforderungen der Globalisierung. Trotz der internationalen Ausrichtung dieser Unternehmen neigt das Management dazu, sich auf den Lorbeeren auszuruhen und erkennt nur zögerlich die neuesten Entwicklungen der Märkte. Ein typisches Beispiel dafür ist, dass Microsoft in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre die Bedeutung des Internets verkannt hat. Durch gezielte Unternehmensübernahmen konnte der Software-Riese den Entwicklungsrückstand überwinden. DaimlerChrysler gelang es in den letzten Jahren nicht, eine klare und schlüssige Konzernpolitik zu betreiben.
Noch heute notieren die Aktienkurse vieler Standardwerte unter dem Einstiegskurs vor dem Niedergang des Neuen Marktes, der 2001 einsetzte und auch die vermeintlich sicheren Blue Chips in einen Abwärtssog riss. Zwar wurden die Large Caps weniger stark gebeutelt als die anfälligen Internetaktien und Technologiewerte, aber auch die Standardwerte mussten während des Börsenrückgangs deutliche Einbußen hinnehmen.
Standardwerte sind keineswegs sichere und zuverlässige Aktien. Sie haben zwar bessere Börsenumsätze und eignen sich daher für manche Anlagestrategien besser als mittelgroße und kleine Aktiengesellschaften, sind aber im Zweifelsfall weniger ertragsstark. Häufig sind diese Konzerne träge und reagieren zu langsam auf aktuelle Entwicklungen. Bevor das Lean Management Mitte der neunziger Jahre aufkam und damit eine Verschlankung der Strukturen vorantrieb, hatten manche dieser Riesen sieben Führungsebenen. Die Löhne und Gehälter liegen noch heute weit über dem Branchendurchschnitt, und das Gewinn- und Umsatzwachstum ist eher weniger rekordverdächtig.
Wenn Ihnen Ihr Bankberater solche Aktien vollmundig anpreist, dann sollten Sie bedenken, dass die Analystenabteilungen der großen Banken fast ausschließlich diese Werte untersuchen und gelegentlich sogar an diesen Unternehmen beteiligt sind. Werden Ihnen beim Beratungsgespräch nur DaimlerChrysler, Siemens, BMW und Co. empfohlen, so deutet dies darauf hin, dass der Bankberater sich nicht besonders viel Mühe mit Ihnen als Kunden gibt.
Die meisten Blue Chips entwickeln sich nur durchschnittlich, und in schlechten Börsenzeiten können sie erheblich verlieren. Natürlich gibt es auch unter diesen Standardwerten einzelne Aktien, die sich weitaus besser entwickeln konnten als der Marktdurchschnitt. Ob Standardwerte für Sie in Frage kommen, hängt letztlich von Ihren Zielen ab: Wenn Sie eher ein Portfolio mit einem durchschnittlichen Ertrag haben möchten, dann könnten Large Caps für Sie das Richtige sein. Vor allem haben Sie bei diesen Werten die Sicherheit, dass diese Unternehmen nur selten insolvent werden. Wenn Sie an einer höheren Rendite interessiert sind, können Aktiengesellschaften mit geringerer Marktkapitalisierung vorteilhafter sein.