Ein weiteres Auswahlverfahren ist das so genannte Stressinterview. Der Bewerber soll anhand spezieller Fragen oder Taktiken in eine kritische Situation gebracht werden, die ihn zu einer augenblicklichen Entscheidung veranlassen soll. Man unterscheidet das echte und das unechte Stressinterview. Beim echten Stressinterview befindet sich der Bewerber in einem ganz normalen Bewerbungsgespräch. Zu irgendeinem Zeitpunkt wird ihm dann gesagt, dass man nun gerne einmal einen Fall durchspielen möchte. Der Bewerber wird dann mit einer konstruierten Situation konfrontiert, auf die er reagieren soll. Damit muss man als guter Bewerber fertig werden können. Ais Beispiel könnte man Ihnen Folgendes als Problem vorlegen:
Sie sind davon überzeugt, dass die von Ihnen mit Ihren Mitarbeitern gemeinsam entwickelte Fertigungsmethode optimal ist. Eines Tages kommt der Vorstandsvorsitzende in Ihre Abteilung und regt sich darüber auf, dass zu zeitaufwendig gearbeitet wird. Was tun Sie?
Bei der Beantwortung dieser Frage kann man viele Fehler machen, z. B. seinen direkten Vorgesetzten übersehen oder so argumentieren: „Was alle richtig finden, wird schon gut sein.“ Oder noch schlimmer: „Wenn ich etwas angeordnet habe, dann hat das gemacht zu werden.“ Besser ist es, das Für und Wider der Kritik zu erwägen und besonnen zu antworten: „Wenn ich gemeinsam mit dem Team herausgefunden habe, dass wir uns leistungsmäßig verbessern und Zeit einsparen können, dann würde ich das mit meinem Vorgesetzten besprechen. Ist er der gleichen Auffassung, dann würde ich eine Anweisung an die Mitarbeiter geben.“ Damit beweist man Loyalität (zum Vorgesetzten), Praxisbezogenheit (zum Inhalt) und Verantwortungsbewusstsein (gegenüber den Mitarbeitern). Bei den unechten Stressinterviews dagegen sind starke Nerven gefordert. Hier werden Sie während eines Gespräches ganz unverhofft und unvorbereitet mit unangenehmen Sachverhalten konfrontiert.
Das fängt an mit beabsichtigten Schweigepausen, die Sie in Bedrängnis bringen oder zum Reden veranlassen sollen, geht über das plötzliche Hinausgehen von Gesprächsteilnehmern bis hin zur Feststellung, dass die Stelle eigentlich schon vergeben sei. Viele Bewerber reagieren gar schon gereizt, wenn der ranghöchste Gesprächspartner (z. B. der Geschäftsführer oder der Personalleiter) während des Vorstellungsgespräches grundlos den Raum verlässt. Lassen Sie sich nicht aus der Fassung bringen. Auch wenn man Ihnen unfreundliche Dinge an den Kopf wirft oder Sie persönlich herausfordert („Ja glauben Sie denn, diesem Stress gewachsen zu sein?“ oder „Sie machen eher den Eindruck, nicht durchgreifen zu können.“), sollten Sie Gelassenheit an den Tag legen. Fragen Sie sich, ob Sie wirklich in einer Firma tätig werden wollen, die ihre Bewerber einer solchen Form von Interviews aussetzt.