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Ben Graham – 50 Cent für einen Dollar

Zwar war auch Buffetts Vater, der ihn sicher nahestand, im Aktiengeschäft, doch es war in erster Linie Ben Graham, der die intellektuelle Entwicklung des jungen Investment-Talents am stärksten geprägt hat. Graham, 1894 in London geboren, war in New York aufgewachsen. Wie Buffett zeigte auch Graham zeitig große Begabung, hatte einen angeborenen Sinn fürs Finanzielle und war ein guter Pädagoge. Graham ging Buffett in vielem voran. Bereits vor dem Ersten Weltkrieg arbeitete er an der Wall Street. Damals steckte die Börse noch in ihren Kinderschuhen, und der Aktienmarkt bestand hauptsächlich aus den Emissionen von Eisenbahngesellschaften und anderen Versorgungsunternehmen. Anleihen beherrschten die Märkte, und Stammaktien galten als zu spekulativ, um sie ins Portefeuille aufzunehmen. Die an der Börse gehandelten Unternehmen veröffentlichten nur wenige Informationen, doch Graham hatte eine natürliche Begabung für die Beschaffung von Daten, insbesondere aus den wenig beachteten Papieren, die den Aufsichtsbehörden vorgelegt wurden. Er war einer der Pioniere der heutigen Wertpapieranalyse, wobei er sich hauptsächlich auf die Bilanzdaten stützte. Ein typisches Beispiel wäre ein Versorgungsunternehmen, das einen bescheidenen Gewinn abwirft und wenig oder keine Dividenden ausschüttet, dabei aber über umfangreiche Wertpapier- und Bargeldbestände verfügt. Durch die geringe Rendite und den Mangel an Informationen wurden die Aktien oft zu Kursen gehandelt, die weit unter dem Wert des Portfolios lagen. Graham fuhr zweigleisig. Zunächst machte er diese Unternehmen auf der Basis einer sorgfältigen Analyse ausfindig und bestimmte ihren inneren Wert. Aktien kaufte er nur zu einem Kurs, der unterhalb dieses Wertes lag, wobei er eine Sicherheitsmarge einhielt. Dann – als zweiten Schritt – wartete er, bis die Börse den inneren Wert erkannte, oder er drängte das Management zu
Maßnahmen zur Steigerung des Shareholder Value – etwa durch Verkauf des angesammelter Portfolios oder durch Anhebung der Dividende. Stieg der Kurs dann auf oder über den Inneren Wert der Aktie, stieß er sie ab. 1923 hatte Graham bereits einen so guten Ruf, dass Ihm Freunde, Bekannte und Verwandte Investitionskapital anvertrauten. Mit einem Partner gründete er die Graham-Newman Corporation. Diese Investment-Partnerschaft war in verschiedener Hinsicht sein Lebensinhalt, bis er sich 1956 aus dem Geschäftsleben zurückzog. Er hat den Crash von 1929 miterlebt und die Börse in jeder Stimmung gesehen. Graham-Newman investierte in nach den eben beschriebenen Kriterien eindeutig unterbewertete Papiere, aber auch in Arbitrage, Konkurs-Aktien (nach Chapter 8 des US-Konkurs- rechtes), Hedge-Geschäfte und andere außergewöhnliche Transaktionen. Grahams Spezialität war es, Unternehmen zu finden, die unter dem Wert ihres Netto-Umlaufvermögens gehandelt wurden – Umlaufvermögen (Barmittel und Wertpapiere plus Lagerbestände und Forderungen) abzüglich aller Verbindlichkeiten.

Besonders hervorgetan hat sich Graham allerdings als Lehrer. Der Pionier der Wertpapieranalyse hat sein Wissen stets bereitwillig weitergegeben. So lehrte er lange Jahre an der Columbia-Universität (Buffett hatte sich dort eingeschrieben, nur um Graham zu hören) und war Ko-Autor zweier Investment-Klassiker: Security Analysis und The Intelligent Investor [dt. Intelligent Investieren, Finanzbuch, 1998 – A.d.Ü.]. Buffett hielt sich anfangs – verständlicherweise, denn er arbeitete ja für Graham – akribisch an die mathematischen Vorgaben seines Mentors. Aktien bestanden entweder den Netto-Umlaufvermögens-Test und andere solche Tests, oder sie fielen durch, Als Buffett später seine eigenen Methoden entwickelte, ist er Grahams Prinzipien im Kern stets treu geblieben.

Die an der Börse gehandelten Unternehmen veröffentlichten nur wenige Informationen, doch Graham hatte eine natürliche Begabung für die Beschaffung von Daten, insbesondere aus den wenig beachteten Papieren, die den Aufsichtsbehörden vorgelegt wurden. Er war einer der Pioniere der heutigen Wertpapieranalyse, wobei er sich hauptsächlich auf die Bilanzdaten stützte.

Ben Grahams Leitsätze
Innerer Wert und Sicherheitsmarge
Es ist die Aufgabe eines Investors, den wahren, objektiven Wert eines Wertpapiers zu ermitteln und wesentlich weniger dafür zu bezahlen. Aus dieser einfachen Feststellung lassen sich mehrere Grundregeln ableiten:
•Investieren Sie nur, wenn ausreichend Informationen zu einer realistischen Beurteilung des inneren Wertes zur Verfügung stehen.
•Investieren Sie nur, wenn eine Sicherheitsmarge gegeben ist.
•Investieren Sie nur, wenn Sie so lange warten können, bis der Markt den inneren Wert anerkennt.

Erfolgreiche Geldanlage hat sehr viel zu tun mit klugem Urteilsvermögen, gepaart mit Geduld.

Marktfluktuationen
Graham unterscheidet zwischen Anlegern und Spekulanten. Spekulanten versuchen, kurzfristige Bewegungen vorherzusagen und dementsprechend zu kaufen bzw. zu verkaufen. Heute zählen in diese Kategorie die technischen Analysten (die ausschließlich auf Grundlage von Charts historischer Kursdaten agieren), gewinndynamikorientierte Marktteilnehmer (die nach dem Grundsatz kaufen, dass sich ein gegenwärtiger Anstieg fortsetzen wird) und Hedge Fund Manager (die versuchen, vorwegzunehmen, was der Markt vorhat). Anleger dagegen kaufen, weil sie vom Wert des zu Grunde liegenden Objektes überzeugt sind, und halten ihre Anteile, bis der Markt diesen Wert honoriert.
Graham war der Überzeugung, dass Anleger wie er den Spekulanten haushoch überlegen seien. In der berühmten „Parabel“ in The Intelligent Investor macht er uns mit Mr. Market bekannt. Mr. Market ist unser Geschäftspartner. Er sagt uns jeden Tag, welchen Preis er für unsere Unternehmensanteile zu zahlen bereit ist und welchen Preis er für seine Anteile
fordert. Leider ist Mr. Market jedoch manisch-depressiv veranlagt. An manchen Tagen ist er in Hochstimmung und bereit, unsere Anteile weit über ihrem tatsächlichen Wert zu kaufen. An anderen Tagen bildet er sich ein, unser Unternehmen stünde vor dem Ruin, und legt eine Notierung weit unter seinem wirklichen Wert fest. Haben diese Kursschwankungen nun irgendeinen Einfluss auf den inneren Wert des betreffenden Unternehmens? Nein. Genauso wenig geben uns die Fluktuationen bei den Aktienkursen Informationen über den Wert der Unternehmen, in die wir investieren. Zwar kommt es vor, dass andere Anleger über wichtige Informationen verfügen, die uns nicht zugänglich sind. Meistenteils spiegeln die Kursveränderungen aber nur die sprunghaften Gemütsbewegungen von Mr. Market wider. Graham sieht in Mr. Market einen Freund, denn durch diese irrationalen Kursschwankungen haben wir regelmäßig Gelegenheit, Anteile unter ihrem inneren Wert zu kaufen und darüber zu verkaufen. Und wenn wir dabei eine ausreichend große Sicherheitsmarge zwischen Kurs und Wert einhalten, können wir es uns leisten, darauf zu warten, bis die Börse (bzw. Mr. Market) den wirklichen Wert erkennt und uns einen entsprechenden Kurs bietet.

Mr. Market ist unser Geschäftspartner. Er sagt uns jeden Tag, welchen Preis er für unsere Unternehmensanteile zu zahlen bereit ist und welchen Preis er für seine Anteile fordert.