Keine feindliche Übernahme in Sicht: Merz wiegelt Commerzbank-Spekulationen ab
Eine mögliche Übernahme der Commerzbank durch den italienischen Bankenkonzern UniCredit beschäftigt seit Monaten Politik und Finanzwelt. Doch zumindest aus Sicht der Bundesregierung ist derzeit keine akute Gefahr in Sicht. Bundeskanzler Friedrich Merz stellte bei einer Pressekonferenz in Rom am Samstag klar: Ein Zukauf von UniCredit über die gesetzliche Schwelle hinaus ist aktuell nicht absehbar.
Nach seinem Treffen mit Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni wurde Merz direkt auf das Thema angesprochen. Doch für ihn war klar: Das Gespräch drehte sich nicht um die Commerzbank – und das aus gutem Grund. „Es gibt derzeit keinen Anlass, das Thema bilateral zu diskutieren,“ sagte Merz. „Sollte sich die Lage ändern, würden wir reagieren – aber Stand heute ist das nicht der Fall.“
UniCredit baut Beteiligung aus – aber bleibt knapp unter der Übernahmeschwelle
Die italienische Großbank UniCredit hatte in den vergangenen Monaten strategisch ihren Einfluss auf die Commerzbank ausgebaut – allerdings mit Bedacht. Durch eine komplexe Struktur aus Derivategeschäften sicherte sich UniCredit bereits 2023 rund 28 % der Commerzbank-Anteile. Im März 2025 genehmigte die Europäische Zentralbank (EZB) sogar einen weiteren Ausbau auf bis zu 29,9 % – also knapp unter der entscheidenden 30-Prozent-Grenze, die in Deutschland ein Pflichtangebot zur vollständigen Übernahme auslösen würde.
Die Bank selbst betont, dass es sich lediglich um eine finanzielle Beteiligung handle. Man wolle strategische Optionen offenhalten, aber ein vollständiger Kauf sei frühestens 2026 oder 2027 ein Thema. Für Kanzler Merz ist das ein beruhigendes Signal – doch seine Haltung bleibt klar: Deutschland will keine ungewollte Bankenfusion mit ausländischer Kontrolle.
Die politische Dimension: Warum die Commerzbank mehr als nur eine Geschäftsbank ist
Die Commerzbank ist nicht nur eine der bekanntesten Banken Deutschlands, sondern hat bis heute eine besondere Bedeutung: Der Staat hält durch den Rettungsschirm aus der Finanzkrise 2008 noch immer rund 15 % der Anteile. Eine vollständige Übernahme durch ein ausländisches Institut wäre daher nicht nur ein betriebswirtschaftlicher Vorgang, sondern auch ein symbolischer Akt.
Friedrich Merz hatte sich bereits früher kritisch geäußert: Eine Übernahme durch UniCredit, so sagte er, wäre „verheerend“ für den Finanzplatz Deutschland. Es gehe nicht nur um Eigentumsfragen, sondern auch um Steuerung, Einfluss, Beschäftigung und die nationale Souveränität im Bankensektor.
Spekulationen um Gespräche mit Italien dementiert
Zuletzt hatte es Medienberichte gegeben, wonach Finanzminister Lars Klingbeil ein Treffen mit seinem italienischen Kollegen vorbereite – angeblich, um über die UniCredit-Beteiligung zu sprechen. Doch das Bundesfinanzministerium dementierte diese Berichte umgehend. Auch Klingbeil ließ über sein Umfeld mitteilen, dass kein entsprechender Termin geplant sei.
Die Regierung verfolgt offenbar eine Doppelstrategie: wachsam bleiben – aber ohne Aufregung, solange UniCredit sich unterhalb der gesetzlichen Schwelle bewegt und keine offensiven Schritte unternimmt.
Was UniCredit wirklich will – und was nicht
UniCredit-Chef Andrea Orcel hatte in der Vergangenheit mehrfach betont, dass eine Fusion mit der Commerzbank aus strategischer Sicht durchaus attraktiv sei. Deutschland gilt als einer der profitabelsten Märkte im europäischen Privatkunden- und Firmenkundengeschäft – und eine verstärkte Präsenz dort würde UniCredit europäisch besser aufstellen.
Gleichzeitig macht Orcel aber deutlich, dass man sich nicht unter politischen oder regulatorischen Druck setzen lassen wolle. Deshalb bleibt man bewusst unter der 30 %-Marke – ein kalkulierter Balanceakt zwischen Expansion und Vorsicht.
Fazit: Kein Grund zur Panik, aber ein Thema mit Sprengkraft
Auch wenn derzeit keine Übernahme unmittelbar bevorsteht, bleibt das Thema sensibel. Die strategischen Interessen von UniCredit treffen auf ein politisch aufgeladenes Umfeld in Deutschland. Finanzplatz, Arbeitsplätze, Bankenaufsicht, Souveränität – all das steht im Hintergrund.
Für Friedrich Merz ist die Lage klar: Solange keine Schwellenwerte überschritten werden, bleibt die Situation stabil. Doch sollte UniCredit ihre Beteiligung weiter aufstocken oder ihren Kurs ändern, könnte sich der Ton schnell verschärfen.
Bis dahin bleibt die Bundesregierung ruhig – aber nicht blind.
FAQ – Commerzbank, UniCredit und mögliche Übernahmepläne
Was passiert, wenn UniCredit mehr als 30 % der Commerzbank-Anteile hält?
Dann müsste UniCredit laut deutschem Übernahmerecht ein öffentliches Pflichtangebot für alle übrigen Aktionäre abgeben.
Wie hoch ist der aktuelle Anteil von UniCredit?
Laut offiziellen Angaben etwa 28 %. Die EZB hat eine Aufstockung auf bis zu 29,9 % genehmigt – gerade so unterhalb der kritischen Schwelle.
Plant UniCredit eine vollständige Übernahme?
Nicht kurzfristig. UniCredit sieht den Anteil aktuell als Finanzbeteiligung. Über eine mögliche Übernahme will man frühestens 2026/2027 entscheiden.
Wie reagiert die Bundesregierung?
Mit Vorsicht. Kanzler Merz und das Finanzministerium beobachten die Entwicklung, betonen aber, dass derzeit kein Handlungsbedarf besteht.
Was wäre das Risiko einer Übernahme?
Aus Sicht der Politik könnten Arbeitsplätze, Standorte und die Kontrolle über zentrale Finanzstrukturen ins Ausland abwandern. Deshalb gibt es starke politische Vorbehalte gegen eine Übernahme durch ein ausländisches Institut.