Im zweiten Vorstellungsgespräch sagte einmal eine Bewerberin: „Ich danke Ihnen für die erneute Einladung, die mir zeigt, dass Sie meine Qualitäten erkannt haben und mich nun einstellen werden, das freut mich natürlich ganz besonders. Meine Steuerkarte und die sonstigen Unterlagen habe ich dabei.“ Der überraschte Personalchef entgegnete, dass man mehrere Bewerber zum zweiten Gespräch eingeladen habe, erst nach Abschluss dieses Verfahrens werde man sich entscheiden. Die Bewerberin fand sich nun in einer völlig unerwarteten Situation und war dadurch so verwirrt, dass sie während des ganzen Gesprächs ihre Fassung nicht wiederfand. Sie bekam dann auch eine Absage. Eine solche Einstellung gegenüber dem zweiten Vorstellungsgespräch ist nicht selten, zeugt aber von mangelndem Realitätssinn, wobei man auch hier immer die Besonderheiten des Einzelfalles sehen muss. Manchmal gehen die ersten Gespräche so aus, dass man in der Tat als Bewerber den Eindruck gewinnen kann, dass ein zweites Gespräch bereits so etwas wie ein Vertragsangebot ist. ln anderen Fällen wird von vornherein gesagt, dass man mit allen Bewerbern, die in die engere Wahl kommen, ein zweites Gespräch führen wird.
Der Regelfall ist, dass der Arbeitgeber beim ersten Gespräch (bitte erinnern Sie sich daran, dass dies ein erstes Informationsgespräch ist) die in Betracht kommenden Bewerber gerne persönlich kennen lernen möchte, um sich einen Eindruck zu verschaffen. Wenn z.B. auf eine Stellenanzeige 100 Zuschriften eingehen, dann werden vielleicht die ersten 10 zum ersten Vorstellungsgespräch eingeladen. Bei diesem könnte sich dann ergeben, dass drei von den zehn besonders geeignet sind, mit diesen drei Bewerbern wird dann ein zweites Gespräch geführt. Damit sind aber die anderen sieben nicht aus dem Rennen, denn es kann ja immerhin einer von den dreien abspringen, weil er oder sie etwas anderes gefunden oder nach dem ersten Gespräch kein Interesse mehr hat. ln der Praxis sieht das meistens so aus: Der Personalleiter notiert sich nach dem ersten Gesprächsdurchgang die intern gefundenen Entscheidungen auf den Bewerbungsanschreiben (die in der Firma verbleiben). Haben – wie im obigen Beispiel – drei sehr gut abgeschnitten, dann werden sie in die engste Wahl genommen und zum zweiten Gespräch eingeladen.
Sind vielleicht noch zwei weitere zu berücksichtigen, dann wird „Reserve“ vermerkt, für den erwähnten Fall, dass man mit den sehr guten Bewerbern im zweiten Gespräch nicht weiterkommt. Eine solche Verfahrensweise kann hinsichtlich der Entscheidung auch zeitliche Verzögerungen nach sich ziehen, weshalb Sie nicht ungeduldig sein sollten, besonders dann nicht, wenn Sie wissen, dass Sie in engerer Wahl sind. Das zweite Vorstellungsgespräch schließt sich fachlich, persönlich und von der Vorgehensweise an das erste an. Der Arbeitgeber will mit den guten Bewerbern ein vertiefendes Gespräch führen, sowohl in fachlicher wie auch in persönlicher Hinsicht. Das zweite Vorstellungsgespräch hat im Regelfall zwei Ergebnisse:
Die Bekanntgabe, dass man weiterhin an Ihnen als Bewerber interessiert ist und sich in Kürze wieder melden wird ein konkretes Vertragsangebot
Der erste Fall ist gegeben, wenn der Arbeitgeber mehrere Bewerber zum zweiten Gespräch eingeladen hat und nach Abschluss der „zweiten Auswahlrunde“ gerne noch einmal mit allen Entscheidungsträgern beraten will, wer denn nun letztendlich der oder die Beste ist. Der zweite Fall ist häufig anzutreffen, wenn sehr wenige oder gar nur ein Bewerber zum zweiten Gespräch eingeladen worden sind und man sich intern bereits einig ist, wen man nehmen wird. Konkrete Vertragsangebote im zweiten Gespräch können aber auch zeitliche Gründe haben, z. B. wenn man weiß, dass ein guter Bewerber, den man gern engagieren möchte, eine längere Kündigungsfrist einzuhalten hat. Ein weiteres Zuwarten mit einer Entscheidung könnte deshalb nicht vertretbar sein, weshalb man sich seitens des Arbeitgebers für eine rasche, kombinierte Lösung entschlossen hat: den Bewerber noch einmal intensiver kennen zu lernen und ihm gleich anschließend – unter der Voraussetzung natürlich, dass der bisherige positive Eindruck mindestens bestätigt wird – ein Vertragsangebot zu machen. Viele Bewerber übersehen die Bedeutung des zweiten Vorstellungsgespräches, auch und besonders unter Verkennung der manchmal nicht ganz einfachen Entscheidungsfindung beim Arbeitgeber. Diese wird umso komplizierter, je qualifizierter die Position ist. Das zweite Vorstellungsgespräch zeichnet sich im Normalfall dadurch aus, dass man mit dem Bewerber oder der Bewerberin ein vertiefendes Gespräch führen möchte, insbesondere mehr über fachliche Qualifikationen wissen will und auch gezielter auf vertragliche Konditionen eingeht.
Es kann aber durchaus auch eine zusätzliche Prüfung sein, in fachlicher wie in persönlicher Hinsicht. Aus dem ersten Gespräch hat sich der Arbeitgeber einen ersten (hier positiven) Eindruck des Bewerbers verschafft und könnte z. B. sagen: „In vertrieblicher Hinsicht ist der Mann ja ein Ass, aber wir sollten noch mal gezielt abfragen, wie seine Kenntnisse und Eifahrungen im Telefonmarketing sind, das kam letztes Mal nicht so deutlich heraus.“ In persönlicher Hinsicht könnte man gezielter nachfragen, ob Sie als einziger Mann mit 12 Frauen Zusammenarbeiten könnten oder als einzige Frau in einer reinen Männerriege oder ob Sie sich vorstellen könnten trotz Ihrer familiären Situation auch mal in einem Zweigwerk 100 km entfernt einzuspringen. Allgemein sei für Sie als Bewerber Folgendes festgehalten: Das zweite Vorstellungsgespräch ist für Sie ein Erfolg und eine Chance. Die erste Hürde haben Sie mit Ihrer erfolgreichen Bewerbung genommen, die zweite liegt mit dem Informationsgespräch hinter Ihnen, auch hier haben Sie überzeugt. Die dritte und letzte Hürde zu nehmen liegt also ganz an Ihnen. Schließen Sie deshalb beim zweiten Vorstellungsgespräch an das erste an und lassen Sie sich durch nichts aus der Ruhe bringen. Machen Sie vor allem nicht den Fehler, sich auf den „Lorbeeren“ des ersten Gespräches auszuruhen, sondern nutzen Sie Ihre Chance, den guten Eindruck als Bewerber noch zu verstärken. Und glauben Sie niemals, dass Sie mit der Einladung zu einem zweiten Vorstellungsgespräch bereits den Vertrag in der Tasche hätten.
Erweiterter Teilnehmerkreis
Die ersten Bewerbungsgespräche führt meistens der Personalleiter allein oder zusammen mit einem Fachabteilungsleiter. In vielen Fällen sind diese Personen auch im zweiten Gespräch Ihre Ansprechpartner. Das hängt von den internen Gegebenheiten ab. Wenn ein Personalleiter mit einem Abteilungsleiter über eine Einstellung allein entscheiden kann, sind deren Entscheidungen maßgeblich. Ist aber der Abteilungsleiter nur zur fachlichen Beurteilung des Bewerbers zum ersten Gespräch hinzugezogen worden, während der Vertrag jedoch vom Hauptabteilungsleiter und dem Personalchef oder auch vom Geschäftsführer unterschrieben werden muss, dann müssen Sie im zweiten Gespräch damit rechnen, dass auch der Hauptabteilungsleiter und/oder der
Geschäftsführer selbst anwesend ist. Das hängt oft auch von der Art der Position ab. Bei qualifizierten Positionen kann es Vorkommen, dass sogar der Firmeninhaber oder ein Mitglied des Vorstandes am zweiten Gespräch teilnimmt oder auch, dass es zu einem dritten Vorstellungsgespräch kommt. Dazu ein Beispiel:
Ein Bewerber, Jurist, 44 Jahre alt, bewarb sich in einem internationalen Unternehmen als Justitiar einer GmbH. Das erste Bewerbungsgespräch führte der Geschäftsführer mit dem Personaldirektor. Es verlief positiv und hatte nur fachliche Themen zum Inhalt. Das zweite, etwas speziellere Gespräch führte der Personaldirektor allein mit dem Bewerber, hierbei ging es nur um vertragliche Fragen und um die Zusammenarbeit mit den verschiedenen Unternehmensteilen. Beim dritten Gespräch wurde der Bewerber allen Direktoren vorgestellt, die dann Fragen an ihn richteten. Danach fiel in diesem Gremium die Entscheidung, die positiv war.
Rechnen Sie also beim zweiten Vorstellungsgespräch oder auch einem möglichen weiteren immer damit, dass mehr Personen beteiligt sind, als Sie bereits kennen. Dies interpretieren leider viele Bewerber immer wieder als Misstrauen ihnen gegenüber, was nicht selten zu Verstimmungen führt. Richten Sie sich bitte auch darauf ein, dass Sie neu hinzugekommenen Gesprächspannern Dinge wiederholen, die Sie bereits im ersten Gespräch erläutert haben. Das ist reine Höflichkeit, bei der man aber durchaus in Schwierigkeiten kommen kann, wenn man sich nicht strikt an das hält, was man früher schon gesagt hat. Und es gibt durchaus Bewerber, die sich einschüchtern lassen durch die An-wesenheit von Personen mit Titel, etwa Doktor oder Professor, und in geschraubte Redeweise verfallen, nur um Eindruck zu machen. Die ganz einfache Formel lautet: Richten Sie sich beim zweiten Vorstellungsgespräch auf mehrere, auch neue Gesprächspartner ein, hören Sie genau zu, was diese von Ihnen erfragen, und antworten Sie entsprechend. Scheuen Sie sich nicht, etwas aus dem ersten Gespräch zu wiederholen, aber ergänzen Sie diese Ausführungen nicht.