Immer mehr Betrugsfälle von Unternehmen und Managern, die mit gezielten Falschmeldungen die Aktienkurse in die Höhe trieben, beschäftigen die Gerichte. Doch der Weg durch alle Instanzen ist langwierig und so gibt es noch kein höchstrichterliches Urteil, das dem Schutz der Anleger Nachdruck verleiht. Und das vierte Finanzmarktförderungsgesetz verbessert den Anlegerschutz nur sehr geringfügig.
Ob Anleger nun durch internationale Schuldenkrisen, Pleiten an den deutschen Aktienmärkten oder Bilanzkosmetik krimineller Vorstände um ihr Vermögen gebracht wurden – die geschröpften Investoren beginnen sich zu wehren: Schadensersatzforderungen beschäftigen Anwälte und immer häufiger auch die Gerichte, in vielen Fällen ermitteln aber auch die Staatsanwälte. Vor allem gegen Unternehmen, die am Neuen Markt notiert sind oder waren, versuchen die geprellten Anteilseigner mit Hilfe der Justiz zu ihrem Recht zu kommen.
Die Liste der Firmen, die von Börsenaufsicht, Staatsanwaltschaft und oder von Anlegern verfolgt werden, liest sich wie der Kurszettel des Neuen Marktes – zu seinen besten Zeiten: Gegen das Allgäuer Unternehmen Amatech leitete das Bundesaufsichtsamt für Wertpapierhandel (BAWe) eine so genannte Marktanalyse ein, in der überprüft werden soll, warum das Handelsvolumen der Amatech-Papiere unmittelbar vor der Veröffentlichung der Gewinnwarnung vom 13. März 2002 so stark angestiegen war.
Eine Strafanzeige sowie Schadensersatzforderungen von Anlegern laufen gegen die Software-Firma Biodata. Den Grund lieferte eine Ad-hoc-Mitteilung des Unternehmens vom 24. August 2000, in der das Unternehmen einen Großauftrag aus Australien meldete. Danach sollte die Software-Firma, die sich auf Sicherheitslösungen für den elektronischen Datenverkehr spezialisiert hatte,
6.000 Firewalls gegen monatliche Pauschalen installieren. In der Endstufe bedeutet dies zusätzliche jährliche Umsätze von rund 20 Millionen Euro, erklärte Biodata in der Mitteilung. Doch der Deal wurde nie abgeschlossen. Am 5. Oktober 2001 musste Biodata eine Gewinnwarnung für das dritte Quartal und das gesamte Geschäftsjahr 2001 herausgeben.
Die Münchner Anwaltskanzlei Klaus Rotter hat im Auftrag einiger Anleger im Oktober 2001 Strafanzeige gegen Biodata erstattet, die Begründung: Kursmanipulation und falsche Angaben sowie Verstoß gegen die Publizitätspflicht von Aktiengesellschaften, die kursrelevante Tatsachen unverzüglich, wahrheitsgemäß und vollständig veröffentlichen müssen. Am 23. November 2001 stellte die Firma Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. Die Aktie, die im Frühjahr 2000 noch Spitzenwerte von 130 Euro erreicht hatte, wurde im Juli 2002 nur noch mit 0,87 Euro gehandelt und wurde vom Neuen Markt ausgeschlossen.
Absturz der Börsenlieblinge
Bei dem Stuttgarter Spezialisten für Fahrzeugkommunikation und mobile Informationssysteme, der CAA AG, ermittelt die Staatsanwaltschaft Stuttgart gegen den Aufsichtsratsvorsitzenden Peter Ladwig, der auch Vorstandsmitglied der Stuttgarter Börse ist, wegen Verdacht auf Insiderhandel. Ladwig hatte im Februar 2001 noch 1.000 CAA-Aktien aus seinem Bestand verkauft, am 6. April 2001 gab CAA eine Gewinnwarnung heraus: Der Umsatz im Jahr 2000 werde nicht 27 Millionen € betragen sondern nur 8,5 Millionen €. Der CAA-Oberkontrolleur verteidigte sich gegen den Verdacht auf Insiderhandel mit dem Hinweis, dass er seine Verkaufsabsichten dem BAWe frühzeitig mitgeteilt und außerdem erst im April unmittelbar vor der Gewinnwarnung von der Umsatzkorrektur erfahren habe. Das BAWe erstattete Strafanzeige, daraufhin nahm die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen auf. Auch die Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre erstattete Strafanzeige, die sich allerdings gegen die zurückgetretenen Firmengründer, das Ehepaar Hans-Peter Schmidt und Gabriele Müller, richtet. Die Schutzgemeinschaft wirft den ehemaligen Chefs des Unternehmens Kursbetrug, Insiderhandel und Verstoß gegen die Vorschriften für Ad-hoc-Mitteilungen vor. Schmidt und Müller sollen noch im März 2001 jeder 7.500 CAA-Papiere zum Kurs von 28 Euro verkauft haben. Im Mai 2002 war die Aktie nicht einmal mehr einen Euro wert.
Arbeit für den Staatsanwalt gibt es auch bei dem insolventen Bielefelder Softwareproduzenten Ceyoniq AG. Den Vorständen des Spezialisten für Archivierungssoftware wird vorgeworfen, Lizenzverträge in der Höhe von vier Millionen Euro gefälscht zu haben. Die Firma soll Forderungen für die manipulierten Lizenzverträge gegenüber Kunden an eine Bank verkauft haben. Jürgen Brintrup und Thomas Wenzke wurden wegen Betrugsverdachts in Untersuchungshaft genommen. Noch im August 2001 hatte die Firma ihr neues Verwaltungsgebäude in Bielefeld bezogen, 14 Millionen Euro hatte der Firmensitz gekostet. Im Geschäftsjahr 2001 hatte das Unternehmen, das am Neuen Markt notiert ist, allein Verluste in Höhe von 90 Millionen Euro angehäuft, im Jahr 2000 gab es noch einen Gewinn von 8,7 Millionen Euro. Am 12. April 2002 musste die Firma, die weltweit 850 Mitarbeiter beschäftigte, das Insolvenzverfahren beantragen. Die Aktie war von einem Höchststand von 35 Euro im Sommer 2000 auf 0,022 Euro Mitte Juli 2002 gefallen. Am 14. Juli wurde sie vom Neuen Markt verbannt. Für die Anleger ein Totalverlust.
Gegen den Discount-Broker Consors wurden im Dezember 2001 beim Landgericht Nürnberg zwei Schadensersatzklagen über insgesamt 600.000 € eingereicht. Darin wird dem Discount-Broker vorgeworfen, zwei Kleinanlegern Wertpapierkredite eingeräumt zu haben, ohne sie über die besonderen Risiken informiert zu haben.
Der Gießener Rechtsanwalt Claus Schmidt, der die beiden Anleger vertritt, sieht darin einen Verstoß gegen Paragraph 31 des Wertpapierhandelsgesetzes. Consors sei bei der Vergabe von Wertpapierkrediten den Informationspflichten, die Wertpapierdienstleister gegenüber Kunden haben, nicht nachgekommen. Consors berufe sich dabei nach Angaben des Anwalts auf den so genannten Beratungsausschluss für Discount-Broker. Anwalt Schmidt verwies darauf, dass nur Vermittlungsgeschäfte von der Informationspflicht ausgenommen seien, nicht aber direkt vergebene Wertpapierkredite.
Betrugsverdacht bei Intershop
Gegen den einstigen Börsenliebling Intershop AG ermittelt der Staatsanwalt – die Softwarefirma soll gegen die gesetzlich vorgeschriebene Meldepflicht verstoßen haben. Gegen den Unternehmenschef Stephan Schambach läuft zudem ein Ermittlungsverfahren wegen Kurs- und Prospektbetrug. Untersucht werden die Vorgänge um die Gewinn- und Umsatzwarnung, die in der Nacht zum 2. Januar 2001 herausgegeben wurde. Darin reduzierte Intershop die Umsatz- und Ertragserwartungen für das vierte Quartal 2000. Gemäß der vorläufigen und ungeprüften Quartalsergebnisse wird jetzt ein Umsatz zwischen 28 und 30 Millionen Euro sowie ein Nettoverlust zwischen 30 und 32 Millionen Euro erwartet. Dies entspricht einem Nettoverlust je Aktie zwischen 0,36 und 0,38 Euro.
Die Meldung löste einen Kurssturz aus – vor allem in den USA, dort fiel das Papier von 15 Dollar auf unter fünf Dollar. Die Rechtsanwaltskanzlei Tilp Et Kälberer, die Anleger vertritt, wirft dem Management von Intershop vor, die Anleger zu spät über die Situation bei Intershop informiert zu haben. Außerdem sei eine Ad-hoc-Mitteilung vom Oktober 2000 nicht vollständig gewesen. Die Münchner Kanzlei Rotter geht über eine New Yorker Partner- Kanzlei gegen Intershop in den USA vor.
Das Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel, das die Vorgänge zunächst auch wegen des Verdachts auf Insiderhandel untersucht hatte, konnte bei einer ersten Prüfung kein gesetzwidriges Verhalten feststellen, doch eine weitere Prüfung verstärkte den Verdacht auf Verstoß gegen die Publizitätspflicht. Der Fall wurde schließlich an die Hamburger Staatsanwaltschaft weitergereicht. Dort werden auch zwei der vier bereits eingegangenen Strafanzeigen bearbeitet, die anderen beiden wurden an die Staatsanwaltschaft in Gera weitergeleitet.
Falsches Spiel mit dem Moorhuhn
Der Moorhuhn-Erfinder Phenomedia ist ebenfalls ins Visier von Staatsanwaltschaft und BAWe geraten. Der Quartalsbericht der Gesellschaft zum 30. September 2001 sowie der vorläufige Jahresabschluss 2001 sollen unrichtig sein. Dies erklärten die Erfinder eines der populärsten Computerspiele im April 2002 ihren Anlegern in einer Pflichtmitteilung. Noch am 27. März hatte Phenomedia eine Umsatzsteigerung von 58 Prozent auf 25,8 Millionen Euro für das zurückliegende Geschäftsjahr gemeldet. Das Ergebnis vor Steuern – so hatte die Firma gewarnt – würde mit 1,6 Millionen Euro (Voijahr: 6,2 Mio Euro) hinter den Erwartungen zurückbleiben. Schuld an dem Gewinnrückgang seien Zahlungsausfälle von zwei Kunden und Verzögerungen bei der Entwicklung neuer Spiele. Die Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre vermutet indes, dass der Münchner Telematikanbieter nicht existierende Geschäfte verbucht und dadurch fast den kompletten Umsatz für 2001 nur vorgetäuscht habe.
Als Folge der Korrekturen vom April sackte der Kurs der Aktie zeitweise um mehr als 65 Prozent auf ein Rekordtief von 0,85 Euro ab. Nachdem das Moorhuhn-Papier bereits in den acht Wochen vor Bekanntgabe der Bilanzmanipulationen rund 93 Prozent seines Wertes verloren hatte, ohne dass es dafür nachvollziehbare Gründe gegeben hätte, ging das BAWe einem Verdacht auf Insiderhandel nach.
Der Vorstandsvorsitzende Markus Scheer, der im April 2002 seines Amtes enthoben wurde, ist auch Großaktionär des Unternehmens. Vor dem Börsendebüt am 22. November 1999 hatte Scheer noch einen Anteil von 5,45 Prozent an der Phenomedia AG. Doch Ende 2001 hatte er mitgeteilt, dass er seinen Bestand verringert habe: Am 5. Dezember 2001 verkaufte er 38.500 Aktien im Wert von 548.625 Euro. Am 19. Dezember 2001 wurden 174.286 Anteile im Gesamtwert von 1.864.860 Euro veräußert.
Die Aktie von Phenomedia war am 22. November 1999 zu einem Ausgabepreis von 22,50 Euro am Neuen Markt platziert worden. Zum Konsortium, das den Börsengang vorbereitet und begleitet hatte, gehörten Delbrück ft Co. Privatbankiers, Dresdner Bank AG, net.IPO AG, Westdeutsche Genossenschafts-Zentrale eG und die Gontard ft Metallbank, die die Führung des Konsortiums übernommen hatte. Bei der Zuteilung wurden die Anteilseigner von Gontard ft Metallbank, die Aktionäre der Goltlzack AG bevorzugt, sie erhielten 250.000 Aktien. Weitere 100.000 Papiere wurden an Geschäftsfreunde der Moorhuhn-AG verteilt. Im April 2002 meldete Phenomedia Konkurs an.
Unruhiger Alterssitz: die Refugium-Pleite
Phenomedia ist allerdings nicht der einzige Pleitefall unter den Firmen, die die mittlerweile insolvente Gontard ft Metallbank aufs Börsenparkett gebracht hatte. Auch die Refugium Betriebsmanagement GmbH, die als Holdinggesellschaft bundesweit 57 Seniorenheime mit 6.000 Betten betreibt, musste bereits Insolvenz anmelden. Vor dem Landgericht Bonn mussten sich zudem vier ehemalige Vorstände wegen Verdachts auf Bilanzfälschung verantworten. Die Refugium Holding hatte sie auf über zwölf Millionen Euro (23,4 Millionen €) Schadensersatz verklagt. Zudem ermittelte die Bonner Staatsanwaltschaft gegen den Chef der Gontard ft Metallbank, Lothar Mark, wegen des Verdachts auf Insiderhandel mit Refugium-Aktien. Die Aktie des Unternehmens notierte zum Zeitpunkt des Insolvenzantrages unter einem Euro. Bei der Börseneinführung am 18. März 1999 waren die Papiere noch rund 40 Euro wert gewesen.
Insolvenz bei SER Systems und Sunburst Merchandising
Gegen den Softwareanbieter SER Systems haben Kleinaktionärsschützer Strafanzeige gestellt und eine Sonderprüfung beantragt. Die Vorwürfe lauten auf Untreue, Insolvenzverschleppung und betrügerischen Konkurs. Im Kern geht es um den Verkauf der US- Tochtergesellschaften des nach eigenen Angaben fünftgrößten deutschen Softwareanbieters an die amerikanische Firma KES Acquisitions, an der der ehemalige Vorstandschef von SER, Carl Mergele, beteiligt sein soll. Als Kaufpreis sollen 20 Millionen US- Dollar vereinbart worden sein. Doch im Notarvertrag wurden nur 50.000 Euro ausgewiesen. Überdies war die Veräußerung von Tochtergesellschaften und Vermögensteilen der CER per einstweiliger Verfügung vom Landgericht Koblenz untersagt worden, weil die Finanzlage der Firma schon länger sehr angespannt war.
Dennoch hatte der SER-Vorstand in einer Ad-hoc-Meldung am 12. Juni 2002 den Verkauf der US-Töchter bekannt gegeben. Daraufhin haben die Banken ihre Kreditlinien gekündigt. Als dann noch der US-Käufer der dringenden Bitte um Zahlung des Kaufpreises nicht nachgekommen sei, mussten die SER Systems AG und die SER SoftTech GmbH Anfang Juli 2002 Insolvenzantrag stellen.
Zahlungsunfähig ist seit November des Jahres 2001 auch der Lizenzrechtehändler Sunburst Merchandising AG. Der einstige Überflieger am Neuen Markt hat 25 Mitarbeiter beschäftigt und mit seinen Geschäften Schulden von 40 Millionen Euro aufgetürmt. Die Aktionäre des Unternehmens, das Comicfiguren und Devotionalien vermarktet hat, müssen einen Wertverlust von 95 Prozent verzeichnen.
Gegen den Firmengründerund ehemaligen Vorstandschef Hero Alting ermitteln Staatsanwaltschaft und BAWe wegen Betrugsverdacht und Insidergeschäften. Der frühere Sunburst-Chef soll unmittelbar vor einer Gewinnwarnung in großem Stil Aktien verkauft haben. Obendrein wird ihm vorgeworfen, Bilanzen und Ad- hoc-Mitteilungen gefälscht zu haben. Die Münchner Rechtsanwaltskanzlei Rotter hat im Auftrag von 25 Anlegern der mittlerweile insolventen Sunburst Merchandising AG Strafanzeige gegen die Firma erstattet – wegen falscher Darstellung der Unternehmenssituation.
Spektakuläre Bilanzfälschungen bei Comroad
Für einen der größten Skandale sorgte im Frühjahr 2002 der Telematikanbieter Comroad. Das einstige Vorzeigeuntemehmen, das sogar im Nemax 50 notierte, hat in großem Stil seine Bilanzen gefälscht. Statt eines Umsatzes von 93,6 Millionen Euro, wie der Gründer und Vorstandschef Bodo Schnabel noch am 15. Januar 2002 gemeldet hatte, erzielte Comroad im Jahr 2001 nur 1,3 Millionen Euro Umsatz. Mehr als 98 Prozent der gemeldeten Geschäftstätigkeit waren Luftbuchungen, also Scheingeschäfte mit Partnern, die es nicht gab. Schnabel wurde bereits Ende März 2002 in Untersuchungshaft genommen. Die Staatsanwaltschaft München ermittelt wegen Kursbetrug, Bilanzfälschung – auch gegen Schnabels Ehefrau, die der Beihilfe bezichtigt wird. Das Ehepaar besitzt noch immer die Mehrheit an dem Unternehmen und Frau Schnabel ist Mitglied des Aufsichtsrats.
Die Wirtschaftsprüfer der Gesellschaft Rödl Et Partner wurden mit einem Sondergutachten beauftragt, das auf die Jahre 1996 bis 2000 ausgeweitet wurde. In die Kritik ist jedoch auch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG geraten, die Comroad seit 1997 geprüft hatte, sich aber erst im Februar 2002 geweigert hatte, den Geschäftsbericht für 2001 zu testieren. Das Mandat wurde damit niedergelegt.
An der Börse wurden diese Enthüllungen mit großem Entsetzen aufgenommen. Der Fondsmanager vom Bankhaus Sal. Oppenheim, Peter Guntermann sagte daraufhin: Ich frage mich, was die Prüfer heutzutage machen. Das Unternehmen ist seit ein paar Jahren an der Börse; es hat Ergebnisse veröffentlicht, die vermutlich ebenfalls falsch sind, und die sind alle von den Prüfern testiert worden.
Aktionärsschützer halten die Bilanzmanipulationen bei Comroad für den schwersten Betrugsfall in der Geschichte des Neuen Marktes. So etwas Krasses habe ich noch nie erlebt, sagte Daniela Bergdolt von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz gegenüber dem Manager-Magazin-Online. Klaus Nieding von der DSW forderte Schadensersatz für die Anleger. Bei Comroad müsse von der vorsätzlichen Verbreitung falscher Tatsachen ausgegangen werden. Deshalb müsste die Schadensersatzpflicht aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) angewendet werden.
Mittlerweile hat auch das BAWe eine Voruntersuchung wegen Verdachts auf Insiderhandel begonnen. Unmittelbar vor der Ad- hoc-Mitteilung vom 20. Februar 2002, als Comroad melden musste, dass die Wirtschaftsprüfer von KPMG ihr Mandat abgegeben haben, sollen auffällig viele Aktien verkauft worden sein.‘ Der Kurs der Comroad-Aktien, die im November 1999 von der Privatbank Hauck ft Aufhäuser und Concord Effekten zu 20,50 Euro an die Börse gebracht worden waren, notierten im April 2002 bei 0,30 Euro.
Auch Vertreter der Old Economy geraten unter Verdacht
Doch nicht nur die Wackelkandidaten am Neuen Markt werden von wütenden Anlegern und ihren Schutzgemeinschaften verfolgt, selbst Großunternehmen wie die Deutsche Telekom oder DaimlerChrysler wollen die frustrierten Aktionäre vor den Kadi zerren. Bei der Deutschen Telekom klagen Rechtsanwälte im Auftrag frustrierter Volksaktionäre wegen Bilanzmanipulation und Kursbetrug durch die Überbewertung des Immobilienbesitzes der größten europäischen Telekommunikationsgesellschaft. Gegen DaimlerChrysler sind Verfahren wegen der Fusion mit dem US-Autokonzern anhängig. Weil das Zusammengehen der beiden Unternehmen in der Öffentlichkeit zwar als Fusion unter Gleichen dargestellt, tatsächlich aber von DaimlerChiysler-Chef Jürgen Schrempp in Form einer Übernahme durchgezogen wurde, fühlt sich der Chrysler-Großaktionär Kerk Kerkorian getäuscht und verlangt Schadensersatz in Milliardenhöhe.
Für neue Aufregung und Turbulenzen an der Börse sorgte im Juli 2002 der Finanzdienstleister MLP, der erst vor wenigen Monaten in die Oberliga des deutschen Aktienmarktes, den DAX, aufgenommen worden war. Die Staatsanwaltschaft ermittelte wegen Bilanzfälschung und ließ die Büros der Firma filzen. Körbeweise schleppten die Beamten die Akten aus den Kontoren. Sollte sich der Verdacht bestätigen,werden auch die MLP-Anleger auf Entschädigung dringen, denn das Papier der einstigen Börsenrakete steht schon seit langem unter Druck und von dem Höchststand von 167 Euro im Spätsommer 2000 waren am 24 Juli 2002, dem Tag nach der Razzia, gerade mal 18,60 Euro übrig geblieben.