Die Fondsmanager sind Volkswirte, Betriebswirte, Mediziner, Mathematiker oder Physiker; sie bewegen täglich mehrere Millionen, arbeiten als Fondsmanager weitgehend frei von interner Einflussnahme; sie sind manchmal Einzelkämpfer und fast immer die unumschränkten Herrscher über die von ihnen zu verwaltenden Branchen- oder Länderfonds; sie sind zum Erfolg (Performance) verdammt und im Schnitt 35 Jahre alt – so jedenfalls bei der Nummer drei (nach DWS und Deka) der deutschen Investmentfondsgesellschaften, der zum Genossenschaffsverbund gehörenden Union Investment.
Einmal am Tag trifft sich dort der Fonds-Stab der rund 20 Experten zum Strategiegespräch. Wer am Vortag wichtige Besuche absolvierte (Hauptversammlungen oder Interview mit dem Finanzvorstand einer Aktiengesellschaft), muss Bericht erstatten: Honigsaugen aus allem für alle. Nach rund einer Stunde geht’s ans Tagesgeschäft – Managen der Fonds von Chemie, Konsum, Pharma, Osteuropa, Japan, Bau/Transport/Verkehr bis Technologie, Telekommunikation oder Software/Internet.
Wie viel am Tag an der Börse bewegt wird, hängt von der Marktsituation, den Zu- und Abflüssen von Anlegergeldern (Netto-Zufluss pro Tag von 2 Millionen Euro bis über 20 Millionen als Spitzenwert) und auch davon ab, ob ein Einzelwert in einem Fonds die Marke von 10 Prozent am Gesamtvolumen überschritten hat. Ein Unternehmen darf pro Fonds maximal 10 Prozent einnehmen, das ist die vorgeschriebene Regel, um die Risiken breit zu streuen.
Das Einstiegsgehalt für die Garde der Fondsmanager liegt bei rund 50 000 Euro im Jahr und geht bis 100 000 Euro. Was der in einschlägigen Medien als Börsengum für den Neuen Markt gefeierte, 1970 in Griechenland geborene Wassili Papas als Manager der Dynamic-Fondsflotte (inklusive Neuer Markt) im Jahr mitnimmt, ist Union-Geheimnis.
Immerhin bewegt der in den USA in Betriebswirtschaftslehre, Volkswirtschaftslehre und auch Philosophie Ausgebildete (mit MBA-Zusatz) pro Tag bis zu 20 Millionen Euro an Anlegergeldern. Und das ohne einen Stab an Mitarbeitern, ganz solo und nur der Zielerreichung verpflichtet, die einmal im Jahr mit der Führung der Union definiert wird. Wer sie schafft, kriegt außer Schulterklopfen noch die Prämie, die aus dem Topf aller Fondsmanager gespeist wird. Jeder muss dafür aus seinem Monatsentgelt einen Teil abzweigen.
In anderen Fondsgesellschaften ist es ähnlich. Fondsmanager sind die Vollstrecker des Shareholder-Value. Deshalb treten sie auf den Hauptversammlungen auch so massiv auf. Schließlich müssen sie sich für die Interessen ihrer Fonds-Anteilseigner stark machen und damit auch für die der anderen Anleger. Shareholder-Value, mehr Wert für den einzelnen Anteilseigner, ist das Zauberwort, obgleich Fondsmanager ja eigentlich Stackholder sind, also die Vertreter der großen Unternehmensanteile.
Das führte so weit, dass eine große Bank einen ihrer führenden Fondsmanager klammheimlich aus dem Verkehr gezogen hat, indem man ihm eine andere Position anbot. Der war nämlich auch gegenüber Unternehmen, an denen die Bank beteiligt war und im Aufsichtsrat saß, massiv aufgetreten. Das war denen dann doch ein bisschen zu viel an Interessenkollision.
Aber es zeigt, dass die Fondsmanager auch in einem brutalen Wettbewerb untereinander stehen und deswegen gnadenlos ihre Interessen vertreten müssen. Ihre Kunden können ja aufgrund von Performance-Listen, die überall verfügbar sind, jederzeit bequem ablesen, wer vorn liegt. Also müssen die Fondsmanager logischerweise massiv die Interessen der Anleger vertreten, um denen ihre Fondsanteile zu verkaufen.
Dazu passt die Aussage eines Fondsmanagers: Ich verlasse mich doch bei einem Unternehmen nicht nur auf das Urteil von fremden Analysten. Wir gehen da selbst hin. Und dann fordern wir den Finanzvorstand auf, uns das Gleiche, was er einem Analysten vielleicht gesagt hat, noch mal genau zu erklären. Schließlich sind wir Großinvestoren. Wir vertreten bei manchen Unternehmen Beteiligungen in einer Größenordnung, die uns schon sehr selbstbewusst macht, und dann erscheinen wir da auch mit drei Mann. Wenn man uns nicht empfängt, ist das Unternehmen fast weg vom Fenster!
Also kann sich kein börsennotiertes Unternehmen heute leisten, sich mit einem großen Investmentfonds wie auch immer anzulegen. Harte Fragen sind mit harten Fakten zu beantworten, und das in äußerst knapper Zeit.
Das ist neu für viele Unternehmen und ihren Finanzvorstand. Mancher muss von seinem Zehn- oder Zwölfstundentag fast acht Stunden für Investor Relations aufbringen. Neben Fondsmanagern ruft Analyst X von der Bank Y an, alles im Sinne von: Ich will’s aber jetzt von Ihnen genau wissen. Die Anleger haben ein Recht darauf.
Das neue Selbstverständnis der Fondsmanager: Sie sind nicht nur Verwalter, sondern Kämpfer für den Anleger. Das hat es früher in dieser Form nicht gegeben. Da wurden die Millionen verwaltet und irgendwo angelegt. Jetzt dagegen sind sie knallhart gefordert. Ein Fondsmanager, der pro Jahr 300 Unternehmensgspräche führt, ist keine Ausnahme. Das schafft kein Einzelkämpfer mehr. Also wird ein eingespieltes Team immer wichtiger.
Und worum geht’s bei den Unternehmensgesprächen? Man möchte nicht nur schicke Charts präsentiert bekommen. Der Markt ist wichtig, in dem sich das Unternehmen bewegt. Wie steht es in diesem Umfeld? Klare Aussagen dazu. Und: Die Erfahrung des Managements zählt, die persönliche Chemie untereinander. Wenn der Vorstandsvorsitzende und sein Finanzvorstand nicht miteinander können, lassen viele Fondsmanager gleich die Finger von den Aktien. Es werden also Eindrücke und Fakten gesammelt, die dem privaten Anleger nicht zugänglich sind. Erst dann wird entschieden, ob man die Aktien ins Portfolio nimmt.
Weltweit kontrollieren die Aktien-, Renten- und Geldmarkt-Fondsmanager 12 Billionen Euro. Bei den hohen Anlagesummen können sie durch massive Verkäufe oder Käufe bestimmter Aktien die Börsenkurse in die eine oder andere Richtung in Bewegung setzen. Und dies vor allem bei Aktien von kleineren Unternehmen. So konnte man 2000 am Neuen Markt deutliche Kurssenkungen erkennen, als sich die größeren Fonds von dort zurückgezogen haben.
Früh raus, rechtzeitig rein, so ist die alte Regel. Das ist die Formel, nach der die erfolgreichen Fonds im Jahr 2000 handelten. Die Formel billig einkaufen, teuer verkaufen ist eine Binsenweisheit, aber die haben viele mit Stock Picking befolgt. Das Hauptinteresse der Fondsmanager besteht eben darin, die Wertentwicklung ihres Portfolios voranzutreiben.
Und weil die Kleinanleger, die ja bevorzugt Fondsanteile kaufen, den anonymen Gesellschaften misstrauen, mussten die verantwortlichen Fondsmanager immer selbst in die Öffentlichkeit gehen. Menschen statt Institutionen. Der Erfolg war, dass sie plötzlich zu Gurus wurden, obgleich sie das gar nicht sein wollten.