Wie stark Berkshire vom Float-Profit aus dem Versicherungsgeschäft profitiert, haben wir bereits festgestellt. Eine ebenso wichtige Kapitalquelle sind aufgeschobene Steuerverbindlichkeiten. Buffett kam zu dem logischen Schluss, dass für einen Anleger erster Linie der Gewinn nach Steuern zählt. Buffetts langfristige Anlagestrategie zielt dementsprechend darauf ab, möglichst wenig Steuern abzuführen. Ein Beispiel: Zwei Anleger haben jeweils $100. Investor A kauft und hält Aktien eines Unternehmens, das keine Dividenden ausschüttet. Der Kursgewinn beträgt 10 Prozent pro Jahr. Nach 20 Jahren werden beim Verkauf der Aktien 35 Prozent Kapitalertragssteuer fällig. Anleger A bleiben $1099, Anleger B hat ebenfalls $100 und kauft und verkauft jedes Jahr verschiedene Aktien, die um 10 Prozent steigen. Selbst ohne Berücksichtigung der Maklergebühren, die im Ernstfall ordentlich zu Buche schlagen würden, muss B außerdem noch jedes Jahr 35 Prozent seines Gewinns abführen und steht nach 20 Jahren mit nur $643 da. Anleger A hat damit eine Rendite von 12,7 Prozent im Jahr, Anleger B lediglich 9,8 Prozent. Bei einem jährlichen Kapitalzuwachs eines Unternehmens wie Berkshire macht sich das natürlich noch viel stärker bemerkbar. Wie beim Float-Profit aus dem Versicherungsgeschäft bekommt Berkshire wieder ein zinsloses Darlehen, nur diesmal von Vater Staat, der bestimmte Steuern erst zu einem späteren Zeitpunkt erhebt. 1997 machte das $10,4 Milliarden aus. So lange das Geschäft weiterläuft wie gehabt, kann Berkshire seine Steuerschulden und den Float-Profit investieren und daran verdienen.
Betrachten wir die Sache doch einmal anders herum: Was hätte es für Auswirkungen, wenn Berkshire weder vom Float-Profit, noch von aufgeschobenen Steuerzahlungen profitieren könnte? Die Kapitalmittel von $23,4 Milliarden für 1996 hätten um weitere $14,3 Milliarden aufgestockt werden müssen. Das Eigenkapital hätte dann $37,7 Milliarden betragen. Der Buchwert der Berkshire-Aktien ist die letzten 32 Jahre im Schnitt um 23,8 Prozent im Jahr gestiegen. Die Aktiva von $43,4 Milliarden im Jahr
1996 hätten bei ansonsten gleichen Voraussetzungen 1997 um $5,6 Milliarden anwachsen müssen, um eine Steigerung von 23,8 Prozent bei $23,4 Milliarden Kapitalmitteln erzielen zu können. Der Vermögenszuwachs bei $37,7 Milliarden Eigenkapital beträgt aber nur 14,9 Prozent:
Buffetts langfristige Anlagestrategie zielt dementsprechend darauf ab, möglichst wenig Steuern abzuführen.
1 (i) Berkshire 1996 (in Milliarden Dollar) | |||
Summe der Aktiva | 43,4 | Float-Profit und aufgeschobene Steuern | 14,3 |
sonstige Verbindlichkeiten | 5,7 | ||
Eigen kapital | 23,4 | ||
1 (ii) Ein-Jahres-Prognose | Float-Profit und aufgeschobene Steuern | 14,3 | |
sonstige Verbindlichkeiten | 5,7 | ||
Summe der Aktiva | 49,0 | Eigenkapital | 29,0 |
Substanzzuwachs = | 12,9% | Eigenkapitalzuwachs = 23,8% | |
2 (i) Berkshire ohne Float-Profit oder aufgeschobene Steuern | |||
Float-Profit und aufgeschobene Steuern | 0 | ||
sonstige Verbindlichkeiten | 5,7 | ||
Summe der Aktiva | 43,4 | Eigenkapital | 37,7 |
2 (ii) Ein-Jahres-Prognose | Float-Profit und | ||
aufgeschobene Steuern | 0 | ||
sonstige Verbindlichkeiten | 5,7 | ||
Summe der Aktiva | 49,0 | Eigenkapital | 43,3 |
Substanzzuwachs = | 12,9% | Eigenkapltalzuwachs = 14,9% |
Drei den Wert des Unternehmens steigernde Elemente haben demnach das Wachstum von Berkshire bestimmt. An erster Stelle wären hier das Versicherungsgeschäft und die hundertprozentigen Töchter zu nennen, die teilweise nur erworben wurden, weil sie Bargeld abwarfen – als ewige Motoren des Kapitalismus. Der zweite Schritt war dann die langfristige, erfolgreiche Investition der so generierten Mittel an der Börse durch Aufkauf von Unternehmen oder in andere Wertpapiere. Beides trug zur Steigerung des Buchwerts von Berkshire bei. Schließlich hat dann die Börse den unaufhaltsamen Höhenflug honoriert: Die Berkshire-Aktien notierten deutlich über dem Buchwert. Infolgedessen ist der Kurs seit 1952 um insgesamt 28,7 Prozent pro Jahr gestiegen. Buffetts Anteil hat damit einen Wert von $34 Milliarden. Ohne die Magie der Hebelwirkung hätten Buchwert und Aktienkurs vielleicht nur um 15 Prozent im Jahr zugelegt. Buffets Anteil wäre dann lediglich $635 Millionen wert, und sein Name sicher weitgehend unbekannt geblieben.