Die technische Analyse untersucht nur den Aktienkurs und betrachtet dessen Verlauf. Hierzu bedienen sich die Techniker des Charts; der englische Begriff bedeutete ursprünglich „Seekarte“ und meint ein Diagramm oder eine Grafik. Aktiencharts gibt es in den unterschiedlichsten Ausprägungen, und viele Finanzportale ermöglichen es Ihnen, die verschiedensten Charts zu erzeugen. Sie können den Kursverlauf einer Aktie 3 oder 5 Jahre zurückverfolgen und zusätzlich einen Index einblenden, der die Wertentwicklung des gesamten Aktienmarktes wiedergibt. Wenn Sie beispielsweise den Kursverlauf der BMW-Aktie für einen Fünfjahreszeitraum betrachten, können Sie den DAX als Hilfsmittel heranziehen und anschaulich vergleichen, ob die Aktie den DAX über eine längere Periode überflügeln konnte. Es ist außerdem möglich, anstelle eines Index eine zweite Aktie zum Vergleich her- anzuziehen. Die Charttechniker setzen darüber hinaus gleitende Durchschnitte ein, die sich auf einen bestimmten Zeitraum beziehen. Sehr beliebt ist die 200-Tages-Linie; dabei werden die einzelnen Kursdaten miteinander verrechnet und geglättet.
Wenn der Aktienkurs die 200-Tages-Linie von unten nach oben durchbricht, bedeutet dies nach Auffassung der Charttechniker ein Kaufsignal. Die Techniker haben einen ganzen Katalog typischer Chartformationen erstellt, die auf ein Kauf- oder Verkauf signal hindeuten. Bekannte Formationen sind zum Beispiel die Kopf-Schulter-Formation, bei der der Aktienkurs zuerst einen Hügel erklimmt und dann wieder abfällt. Danach erholt sich der Kurs wieder und erreicht einen neuen Gipfel. Nach einem Rückschlag bildet der Chart wieder einen Hügel und sinkt dann endgültig in die liefe. Diese Formation sieht wie ein Berg aus, der von einem kleineren Hügel auf jeder Seite flankiert wird; deshalb nennt man dieses Muster Kopf-Schulterformation. Eine solche Formation ist für den Anleger ein Verkaufssignal, da dieser Verlauf letztlich in einen Abwärtstrend mündet. Natürlich gibt es auch eine umgekehrte Kopf-Schulter-Formation, die ein Kaufsignal darstellt. Zu den anderen wichtigen Formationen zählen beispielsweise die V-Formation, die W-Formation, Dreiecke, Wimpel, Untertassen- und Rechteckformationen.
Zusätzlich zeichnen Chartisten oft imaginäre Widerstands- und Unterstützungslinien ein, die gleichsam die Decke und den Boden eines Kursverlaufs markieren. Wenn die Aktie eine solche Widerstandslinie überwindet, gilt dies als ein Kaufsignal.
Die technische Analyse hat zudem eigene Kennzahlen entwickelt, die sich nur auf den Kursverlauf beziehen und bereits bei einigen Anlagestrategien Anwendung finden. Eine wichtige Kennzahl in diesem Zusammenhang ist die relative Stärke einer Aktie. Darunter versteht man die Abweichung einer einzelnen Aktie vom gesamten Markt. Wenn beispielsweise BMW stets besser abschneidet als der DAX, so hat die Aktie eine große relative Stärke.
Eine bedeutsame Kennzahl der technischen Analyse ist die Advance-Decline-Linie; sie ermittelt für jeden Börsentag, wie viele Aktien gestiegen und wie viele gefallen sind. Zeigt die Advance- Decline-Linie nach unten, so kann dies bedeuten, dass an der Börse eine längere Phase der Konsolidierung oder sogar eine Baisse herannaht. Eine andere Kennzahl ist das Momentum; es beschreibt die Veränderungsgeschwindigkeit und die Dynamik eines Kursverlaufs. Das Momentum misst, wie rapide eine Aktienkurve steigt oder fällt. Dabei wird der aktuelle Kurs mit einem Durchschnittswert verglichen und in Relation gesetzt.
Aktiencharts | Internetadresse |
Technical Investor | technical-investor*de |
Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management e.V. (DVfA) | dvfa*de |
Die technische Analyse wird häufig als unsinnig kritisiert, denn sie erinnert an Wahrsagemethoden, mit denen einst die Römer aus dem Flug der Vögel die Zukunft weissagen wollten. Die Behauptung, man könne aus dem Auf und Ab der Aktienkurse deren Trend Vorhersagen, ist bisher unbewiesen und wissenschaftlich erheblich umstritten. Die Befürworter hingegen argumentieren, anders als die vergangenheitsorientierte Fundamentalanalyse, die sich einzig und allein auf die Bilanzkennzahlen stützt, spiegele der Chartverlauf die aktuellen Entwicklungen wider. Wenn beispielsweise der Kurs einer Aktie ständig sinkt, obwohl das Unternehmen glänzende Bilanzen vorweisen kann, dann deutet dies darauf hin, dass sich irgendwelche Probleme oder Krisen ergeben haben. Diese Information ist jedoch noch nicht an die breite Öffentlichkeit gelangt, sondern nur einigen Insidern oder institutioneilen Investoren bekannt, die deshalb bereits die Papiere abstoßen.
Trotz dieses Arguments tut sich die technische Analyse schwer, eine Trendumkehr rechtzeitig vorherzusagen. Am Anfang einer Formation ist es nämlich nur schwer möglich, den weiteren Verlauf vorherzubestimmen.
Als Anleger sollten Sie bei Ihrer Aktienanalyse auf beide Methoden setzen. Ziehen Sie sowohl die Bilanzkennzahlen als auch die technische Analyse heran, um sich ein umfassendes Bild zu machen. Eine Aktie, deren Kurs auf dem Chart ständig nach unten tendiert, ohne dass eine Bodenbildung erfolgt ist, sollten Sie auch dann nicht kaufen, wenn das Unternehmen brillante Bilanzkennzahlen veröffentlicht hat. Warten Sie in solch einem Fall ab, bis die Konsolidierung des Kurses beendet ist.