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Tummelplatz für Raubritter bei den Banken und Sparkassen

Wenn von Onlinebanking die Rede ist, denken viele auch gleich in den Ende der 1990er Jahre äußerst populären Online-Handel mit Wertpapieren. Deutschland befand sich auf dem Höhepunkt einer Hausse, die sogar die Kleinanleger erfasst hatte. Jeder, vom Studenten bis zum Rentner, zockte mit Aktien – und wurde von seiner Bank tatkräftig darin unterstützt. Doch es kam, wie es kommen musste: Die Spekulationsblase platzte, der Neue Markt brach zusammen. Fassungslos mussten manche Anleger 2001 feststellen, dass innerhalb weniger Monate ihr Vermögen, ihre Ersparnisse förmlich dahingeschmolzen waren. Verdient hat am Börsencrash aber ganz sicher eine Spezies: die Geldinstitute.

Viele Banken haben raffinierten und oft auch skrupellosen Firmengründern wie zum Beispiel den Infomatec-Chefs Gerhard Harlos und Alexander Häfele, dem Hamburger Medienunternehmer Peter Kabel, dem Internetpionier Stephan Schambach, dem Metabox-Gründer Stefan Domeyer und vielen anderen über lukrative Börsengänge Zugang zu den Konten ihrer Kundschaft verschafft. Insgesamt 200 Milliarden Euro wurden innerhalb eines Jahres von Frühjahr 2000 bis 2001 an der deutschen Wachstumsbörse Neuer Markt verbrannt, wie eine Studie der Unternehmensberatung Accenture ergab.

Das Milliardenfeuer hatte viele Brandstifter. Die Banken haben glänzend verdient – an den Provisionen, die sie beim Aktienkaufrausch ihrer Kundschaft einstreichen konnten, und mehr noch an den Börsendebüts von jungen Unternehmen. Für die Vorbereitungen des Börsengangs und bei der Aktienemission wurden Millionenbeträge kassiert. Für die Kreditinstitute war der Neue Markt ein Goldesel.
Zudem haben die Fondsverwalter der Institute ihre Kunden mit hochspekulativen Anlagen in immer riskantere Engagements gelockt. Allein im Jahr 1999 flössen 55 Milliarden Euro in Fonds – mehr als im Jahr 1994 in diesem Segment insgesamt angelegt war, schreibt der ehemalige Fondsmanager Bruno Wagner in seinem Buch Burn Rate. Analysten lieferten immer gewagtere Empfehlungen und Prognosen, die von den zahlreichen neuen Börsenmagazinen und Finanzmarktpostillen begierig verbreitet wurden. Wer im März 2000 seine Spargroschen nicht in Aktien oder wenigstens in Fonds investiert hatte, galt als hoffnungsloser Versager.
Bei dieser Börsenmania hatten die Kundenberater der Banken leichtes Spiel. Der alte Grundsatz, dass hohe Kursgewinne und Zinsen eine Entschädigung für hohe Risiken sind, geriet angesichts der rasanten Höhenflüge an den Börsen schnell in Vergessenheit. Genauso fix wurden bewährte Kennziffern der Unternehmensbewertung als Ballast der verschlafenen Old Economy über Bord geworfen: In der New Economy, bei den Internet- Start-Ups und E-Business-Firmen, waren Gewinne spießig, Umsatzsprünge hipp und Verluste keine Schande, sondern Beweis dynamischen Wachstums. Die sogenannte Cash-Burn-Rate – die Zeitspanne, in der ein Unternehmen eine Million Euro Anlegerkapital vernichten kann – wurde zur internen Messlatte der jungen Unternehmer. Die eingespielten Seilschaften zwischen Banken, Fondsgesellschaften und Brokern lieferten schließlich bei Bedarf immer wieder frisches Geld.

Im Geldrausch wurden auch Richtlinien im Bankgewerbe großzügig ausgelegt. So sind die Kundenberater von Sparkassen, Banken und Brokern eigentlich per Gesetz verpflichtet, den Anleger genau über die Risiken von Geldanlagen aufzuklären und dabei seine finanzielle Lage, die Vermögensverhältnisse und die längerfristigen Anlageziele zu erkunden.

In der Praxis dürfte sich die Aufklärung über die Risiken allerdings vor allem auf die schlichte Frage konzentriert haben, ob der Kunde mehr am Einkommen interessiert sei oder am Wachstum seines Investments. Für die meisten Börsenanfänger war diese Gretchenfrage des Geldgewerbes schnell beantwortet. Wachstum klang gut für die unerfahrenen Erstaktionäre – viel besser als Einkommen. Schließlich ist immer von Wachstum die Rede, wenn es um Wirtschaft, Arbeitsplätze, Bruttosozialprodukt und Konjunktur geht. Was für die Unternehmen gut ist, kann für die eigene Geldanlage nicht schlecht sein.

Einkommen roch für viele vom Börsenfieber Infizierte hingegen nach Mittelmaß, Steuern, Sozialabgaben und anderen unerfreulichen Dingen. Also lieber in die Vollen gehen. Geblendet von den Kurssprüngen der vergangenen zwölf Monate waren im Frühjahr 2000, als die Boomphase an den Aktienmärkten ihren Höhepunkt erreicht hatte, viele Anleger blind für die Gefahren ihrer Engagements.