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Finanzanalyse bei Gillette Company – Warren Buffett

Colman Mockler war bereits über zehn Jahre lang Chairman und CEO gewesen, als Buffett sich für Gillette interessierte. Die Bücher präsentierten sich so:

$ Millionen Umsatz Gewinn Gewinn je Aktie(S) Zinsauf-Wendungen

netto

langfr. Verbindlichkeiten Eigen-kapital
 1988 3581 269 2,45 101 1675 (85)
1987 3167 230 2,00 82 840 599
1986 2818 181 1,42 47 915 461
1985 2400 160 1,29 48 436 898
1984 2289 160 1,29 35 443 791
1983 2183 146 1,19 33 278 757
1982 2239 135 1,11 46 293 721
1981 2334 124 1,03 63 259 720
1980 2315 124 1,03 50 280 717
1979 1985 111 0,92 29 249 648

Der Umsatz war um 80 Prozent bzw. um 7 Prozent im Jahr gestiegen, der Gewinn um beachtliche 142 Prozent bzw. 10 Prozent im Jahr. Durch die Aktienrückkäufe wurde der Gewinn je Aktie auf 166 Prozent bzw. 11 Prozent im Jahr gehoben. Diese Wachstumsraten hatten sich in den letzten fünf Jahren deutlich gesteigert – um jeweils 12 Prozent, 14 Prozent und beneidenswerte 17 Prozent im Jahr. In den beiden letzten Jahren war das Wachstum sogar noch größer.

Für die Rasur als solche gab es keinen Ersatz. Bartträger wurden immer seltener.

Konsolidierte Bilanz 1988
$ Millionen
Barmittel 175
Forderungen 729
Bestände 653
Anlagevermögen 683
Sonstige 355
Immaterielle Vermögenswerte 272
Aktiva 2868
Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten 1961
Verbindlichkeiten aus Lieferungen u. Leistungen 669
Sonstige 323
Passiva 2953
Eigenkapital (85)

Die Bilanz von Gillette lässt keine Fragen offen. Das zum Erzielen der $3,6 Milliarden Umsatz notwendige Kapital hielt sich in berechenbaren Grenzen – alles inklusive rund $700 Millionen, was in etwa dem Umsatz von zwei Monaten entspricht. Der andere große betriebsnotwendige Posten waren Grundstücke, Gebäude, Maschinen und maschinelle Anlagen, Betriebs- und Geschäftsausstattung, die ebenfalls mit rund $700 Millionen zu Buche schlugen – wenig für ein produzierendes Unternehmen dieser Größe. Der derivative Firmenwert (von Braun und anderen Unternehmensteilen im Zahnpflegebereich) war relativ gering, so dass er die Zahlen nicht verzerrte.
Die großen Anomalien, die Gegenstand dieser Analyse sein müssen, sind Verschuldungsgrad und Höhe des Eigenkapitals. Die diesbezüglichen Werte lassen sich erklären, wenn man die Cashflows der vergangenen drei Jahre betrachtet:

Cashflow 1986-1988
Die Cashflows der Betrachtungsjahre lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:

$ Millionen 1988 1987 1986
Gewinn vor außerordentl. Posten 269 230 154
betriebsnotwendiges Kapital (206) (67) (138)
Investitionsausgaben (189) (147) (199)
Sonstige 43 111 26
Abschreibungen 141 126 108
Dividenden (95) (85) (86)
Aktienrückkäufe (855) (60) (568)
Cashflow 892) 108 (703)

Im Grunde wurde der Gewinn vor außerordentlichen Posten und Abschreibungen vom betriebsnotwendigen Kapital, den Investitionsausgaben und Dividenden vollständig aufgezehrt. Das ist für ein so schnell wachsendes Unternehmen des produzierenden Gewerbes nicht ungewöhnlich. Die Investitionsausgaben wirken im Vergleich zu den bestehenden Investitionen in Betriebseinrichtungen hoch, doch wie wir gleich sehen werden, erwirtschafteten diese Investitionen eine hohe Rendite. Daher gilt: je mehr, desto besser. Das Betriebsergebnis insgesamt war Cashflow-neutral und das gegenwärtige Wachstumsniveau konnte problemlos aufrechterhalten werden. Die echten „Kapitalfresser“ waren die Aktienrückkäufe. Diese erfolgten zwar absolut ohne Not, hätten jedoch auf diesem Niveau nur noch maximal zwei oder drei Jahre länger weitergeführt werden können. Doch die Rückkäufe hatten ihren Zweck bereits erfüllt und die Aktie für Bieter mit Schuldenproblemen unattraktiv gemacht. Gillette hatte Eigenkapital durch Fremdmittel ersetzt, doch das zu Grunde liegende Geschäft war davon bislang unberührt geblieben.

Konsolidierte Gewinn- und Verlustrechnung 1986-1988

$ Millionen 1988 1987 1986
Umsatz 3581 3167 2818
Rohergebnis 2094 1824 1634
Betriebsergebnis 614 523 408
Zinsaufwendungen (101) (82) (47)
Sonstige (64) (50) (303)
Gewinn vor Steuern 449 92 58
Jahresüberschuss 269 230 16
Gewinn je Aktie ($) 2,45 2,00 0,12
($1,42 vor
Sonderaufwand)

 

Der Produktmix wurde bereits berücksichtigt. Doch wie sieht die geographische Aufteilung aus?

$ Millionen Europa LateinAmerika Andere Auslandgesamt USA Summe (abzügl. sonstige Aufwendungen
Umsatz 1467 378 485 2330 1251 3581
Betriebsergebnis 228 102 83 412 230 613
1987
Umsatz 1264 318 419 2001 1166 3167
Betriebsergebnis 186 77 80 342 206 523
1986
Umsatz 1030 307 381 1717 1101 2818
Betriebsergebnis 123 67 63 253 183 408

Anmerkung: Die ausgewiesenen Gewinne enthalten keine Sonderrückstellungen. In den Summen sind die Gemeinkosten anteilig berücksichtigt.
Zwar war die Umsatzrendite in den USA etwas höher als im Ausland, zeigte jedoch hier wie dort eine steigende Tendenz – von 16,6 Prozent auf 18,4 Prozent in den Staaten und von 14,7 auf 17,7 Prozent im Ausland innerhalb von zwei Jahren. Der wichtigste Trend war der Umsatzzuwachs von 27 Prozent in zwei Jahren, der hauptsächlich im Ausland erzielt wurde. Gillette verfügte sicherlich über eines der besten Vertriebsnetze aller amerikanischen Firmen – mit Produktionsstätten in 28 Ländern und Verkaufsniederlassungen in 200. Drei Viertel der Konzernbelegschaft arbeiten außerhalb der Vereinigten Staaten.
Die Kontrolle der Gemeinkosten im Verhältnis zur Umsatzsteigerung haben wir bereits angesprochen. Die explosive Entwicklung bei den Zinsaufwendungen ist der zweite interessante Aspekt. Die für 1988 angesetzten $138 Millionen sind irreführend niedrig, denn das Gros der Aktienrückkäufe erfolgte erst später im Jahr. Das Zinsdeckungsverhältnis lag im vierten Quartal unter 4.

„Owner Earnings“
Am Beispiel Gillette wird besonders deutlich, wie schwierig es ist, die „owner earnings“ zu ermitteln. Durch das enorme Wachstum wurde das Kapital so schnell aufgezehrt, wie es generiert wurde. Das ist an sich nicht ungewöhnlich, doch es gibt keinen Hinweis auf die Höhe des potenziellen frei verfügbaren Cashflows im Falle eines Wachstumsstopps.