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Geprellte Anleger bei den Banken und Sparkassen

Nach dem Kurssturz standen die Schlauen von einst dumm da – und waren aufgebracht. Der Diplombetriebswirt Jürgen Kramer, Mitglied eines privaten Investmentclubs, der ebenfalls vom Crash gebeutelt wurde, beschrieb die Situation:
Man könnte weinen, wenn man die Kurse anschaut. Wir hatten in unserem Aktienclub überall Verluste, bei Technologiewerten, aber auch DaimlerChrysler, LVMH oder Biotech. Und man versteht es alles nicht, diese ganzen Sprünge in den Kursen sind überhaupt nicht mehr nachvollziehbar, und dass die Unternehmen am Neuen Markt nun nur noch Pennys wert sein sollen, begreift man auch nicht.
Der Verlagsmanager Frank Bokämper aus Essen, der ebenfalls zu den Opfern des Börsendebakels zählte, ist nach den erheblichen Vermögensschäden klüger geworden:

Mit dem Neuen Markt ist eine ganz gute Sache ins Leben gerufen worden, aber die haben das nicht zu Ende gedacht. Denn es gibt keine richtige Haftung für Falschinformationen. Da werden von Banken und Unternehmen Umsatzprognosen und Gewinnmöglichkeiten genannt, und das auf reine Geschäftsmodelle. Die Geschäfte laufen ja noch gar nicht. Und einen Monat, nachdem so eine Firma an der Börse ist, wird alles wieder zurückgenommen. Wo bleibt da die Seriosität? Es gibt keine Rechtssicherheit für Kleinanleger.

Eine besonders dreiste Geschichte erlebte der Hamburger Pensionär Jürgen Harnack mit dem Bankhaus Delbrück. Der Diplomvolkswirt wollte mit den Renditen aus seinen Aktienanlagen sein Alterseinkommen aufbessern. Doch statt Vermehrung seines Vermögens fand eher Vernichtung statt. Harnack wurde von seiner Bank nach allen Regeln der Kunst über den Tisch gezogen. Der frühere EU-Beamte ist wütend:
Ich habe von der Börse die Nase voll. Im Dezember 1998 habe ich 735000 € angelegt – mit äußerst mangelhaftem Erfolg: Allein im Jahr 2000 habe ich 26 Prozent meines Investments verloren. Zu den größten Flops gehörten die Aktien eines kanadischen Softwareunternehmens, dessen Namen ich nie vorher gehört hatte, dessen Aktien mir aber von meinem Berater bei der Credit Suisse wärmstens empfohlen wurden. Ich stieg mit knapp 42000 € im Dezember 1999 ein und Ende 2000 mit rund 1900 € wieder aus. Drei Wochen nach dem Aktienkauf war der Kurs um 50 Prozent abgesackt, als er später für einen Tag um 50 Prozent nach oben schnellte, verpasste mein Berater den Ausstieg. Natürlich war ich auch Besitzer von Katastrophenpapieren wie Micrologica oder Freenet, die ich Ende 2000 mit Verlusten von 88 oder 98 Prozent abgestoßen habe. Da hatte mein Berater sogar wohlfeilen Rat parat: Zehn Jahre lang könnte ich die Verluste gegen Gewinne aufrechnen lassen und so Steuern sparen. Der Mann hat wirklich Humor! Ich bin fast 70 Jahre alt.
Als Harnack seine Erfahrungen mit Bank und Börse in der Hamburger Wochenzeitung Die Woche veröffentlicht hatte, erhielt er Post von der Privatbank. Der Brief enthielt nicht etwa eine Entschuldigung der Banker für die schlechten Leistungen des Kundenberaters, sondern die Kündigung.

Das Bankhaus Delbrück eröffnete seinem geschröpften Kunden, er möge sich nach einer neuen Bankverbindung umsehen. Begründet wurde der Rausschmiss mit dem Vertrauensbruch, den Harnack begangen habe, als er seine Erlebnisse als Bankkunde in einer Zeitung veröffentlicht habe. So viel Chuzpe ist sogar im Bankgewerbe selten.

Erschreckend ist aber auch, dass die Banken aus dem Debakel nichts gelernt haben. Die Phantasie, die Gier und Skrupellosigkeit der Investmentbanker im Erfinden neuer unseriöser, noch spekulativerer Anlageinstrumente ist schier unerschöpflich. Immer wieder werden neue todsichere Investments geschaffen, an denen vor allem eines sicher ist: Sie sind tödlich für kleine Privatvermögen.