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Indiskretionen und ein Eklat – der Fall mit Dresdner Bank

Doch dann kam alles anders. Ein Eklat und eine Indiskretion führten zum Abbruch der Verhandlungen. Kleinwort Benson, die Investmenttochter der Dresdner Bank, die mit rund 7500 Mitarbeitern die Hälfte der Gewinne der Muttergesellschaft erwirtschaftete, wurde zum Knackpunkt. Gerüchten zufolge sollte sie dichtgemacht werden. In der Dresdner Bank schürte diese Aussicht den Widerstand gegen den ganzen Deal.
Breuer versprach jedoch öffentlich: Wir sind froh, dass wir durch unsere Transaktion ein solches Juwel zu dem vorhandenen Investment Banking hinzuaddieren können. Es wird weder geschlossen noch verkauft.

Diese Zusage löste bei den Investmentbankern der Deutschen Bank blankes Entsetzen aus. Edson Mitchell, der Chef der Abteilung Global Markets in London, aber auch die Truppe um den Deutsche-Bank-Vorstand Josef Ackermann in Frankfurt hatten längst ihr Urteil über den Konkurrenten gefällt: Kleinwort Benson passe nicht zur Deutschen Bank, an eine Integration des Investmenthauses sei nicht zu denken. Von den rund 7500 Mitarbeitern könnten bestenfalls ein paar hundert – die eigentlichen Topbanker mit ihren engsten Mitarbeitern – übernommen werden, der Rest sei überflüssig, lautete das Urteil.

Um ihren Worten die angemessene Bedeutung zu verschaffen, sorgten die Investmentbanker beider Seiten auf verschlungenen Wegen dafür, dass ihre Meinungen in Zeitungen und Branchendiensten publiziert wurden und die Gegenseite erreichten.

Die Deutsche Bank wurde von vielen Mitarbeitern der Dresdner Bank immer mehr als arroganter Angreifer gesehen, der den ungeliebten Rivalen niedermachen will.
Breuer war in eine Sackgasse geraten. Im Vorstand der Dresdner Bank wuchs der Widerstand gegen die Fusion, die sich im Laufe der Verhandlungen als brutale Übernahme entpuppte.

Der Kampf um Kleinwort Benson fand vor einer zunehmend feindlicheren Kulisse statt. Auch Wirtschaftsjournalisten, Analysten und Investmentbanker fanden keinen Gefallen am Zusammenschluss. Allen war klar, wer wirklich von der Fusion profitieren würde: die Allianz. Die Versicherung sollte den Zugriff auf wesentliche Teile des Privatkundengeschäfts beider Banken erhalten und das Anlagekapital der größten deutschen Fondsgesellschaft DWS als Zugabe obendrauf.
Diese Erkenntnis bestimmte bald die Aktienkurse der Beteiligten. Der Kurs der Allianz-Aktien stieg, die der Aktien der beiden Banken fielen innerhalb weniger Tage um 25 Prozent. Bei den Mitarbeitern in den Investmentabteilungen heizte der Kursverfall die Stimmung gegen die Fusion an: Die Topleute werden nach Leistung bezahlt, und der Kurs der Aktie ist ein wichtiges Kriterium dafür.

Trotz dieser Widerstände liefen die Verhandlungen weiter. Die Aufsichtsräte beider Banken wurden informiert, und die Mehrheit – die Kapitalseite – entschied sich für die Fusion. Nur die Arbeitnehmervertreter mochten nicht für den drastischen Verlust von 16 300 Jobs stimmen. Denn darauf würde es bei einer Fusion hinauslaufen.
Dann passierte ein Patzer, der den Verhandlungen ein jähes Ende bereitete. Der Dresdner-Bank-Vorstand Joachim von Harbou, der das Privatkundengeschäft betreute, plauderte öffentlich über den künftigen Umgang mit den Privatkunden nach der Fusion: Wer weniger als 200 000 € mitbringe, könne dann nicht mehr mit individueller Beratung rechnen, sagte der Banker.

Ein Sturm der Entrüstung fegte durch die beiden Institute. Medien und Kunden hielten sich an den beiden Banken schadlos. Die Bank 24, zu der nach der Fusion auch die Kleinkunden der Dresdner Bank abgeschoben werden sollten, war zum Billiganbieter herabgestuft worden. Die Glaubwürdigkeit der Banker, die immer beteuert hatten, der Kundenservice würde besser, nicht schlechter werden, wurde schwer erschüttert.
Damit stand fest: Der größte Deal im deutschen Bankgewerbe, mit dem Deutsche-Bank-Chef Breuer auch international punkten und aller Welt zeigen wollte, wie gekonnt in Deutschland Megafusionen durchgezogen werden, war gescheitert – an nachlässiger Vorbereitung und schwacher Führung. In der internationalen Finanzwelt hatte sich die Deutsche Bank gründlich blamiert. Bei der Deutschen Bank blieb dennoch alles beim Alten. In einem Brief an die Mitarbeiter dankte der Vorstand der Belegschaft der Bank für das große Engagement, das Sie alle während der vergangenen schwierigen Wochen gezeigt haben. (…) Wir werden unsere erfolgreiche Geschäftspolitik in allen Geschäftsfeldern konsequent weiter umsetzen und damit unsere Position im globalen Wettbewerb gezielt stärken. Der Vorstand mit Herrn Breuer als seinem Sprecher will die Dynamik dieses Erfolgs gemeinsam mit Ihnen bewahren und die Deutsche Bank zum führenden Finanzdienstleister der Welt weiterentwickeln. Dabei hat er die uneingeschränkte Unterstützung des Vorsitzenden des Aufsichtsrats. Unterzeichnet wurde dieses Schreiben von allen Vorstandsmitgliedern und dem Chef des Aufsichtsrats, Hilmar Köpper.

Konzernchef Breuer war zwar angeschlagen, wurde aber nicht verstoßen. Er blieb bis Mai 2002 in seinem Amt, danach übernahm er den Vorsitz im Aufsichtsrat.