Dubiose Immobiliengeschäfte zur Kapitalvernichtung haben hierzulande trotz aller Pleiten und Bankenkrisen immer noch oder schon wieder Konjunktur. Eigentumswohnungen werden den Kunden als Anlageobjekte zur Altersvorsorge angepriesen. Unter dem Etikett Erwerbermodell werden jedoch nicht gerade die Filetstücke des Immobilienmarkts an den Mann oder die Frau gebracht. Die cleveren Verkäufer nehmen die potenziellen Opfer, meist Bezieher kleinerer und mittlerer Einkommen, in die Zange, schüren deren Angst vor Altersarmut, locken mit niedrigen monatlichen Raten und großzügigen Steuervorteilen.
Und obwohl schon in der Vergangenheit viele Anleger mit solchen Erwerbermodellen bereits ihr Erspartes verloren haben, feiert die Branche gerade ein beachtliches Comeback, hat Verbraucheranwalt Jochen Resch kürzlich festgestellt. Er warnt: Man steigt seit einiger Zeit wieder neu ins Geschäft ein. Der Markt erlebt einen enormen Aufschwung in den letzten Monaten.
Den jüngsten Fall schilderte das ARD-Wirtschaftsmagazin Plusminus am 26. Juni 2007: Familie Gauss staunt nicht schlecht. Eine Immobilie für schlappe 25 Euro im Monat. Dank Mieteinnahmen und Steuervorteil lasse sich die 100 000-Euro-Wohnung zum Spottpreis finanzieren. Und das ohne Eigenkapital und ohne Risiko. Achim Gauss erinnert, sich an das Verkaufsgespräch: Wir haben zwei, drei Mal nachgefragt, aber es hieß immer: Nein, es bleibt bei 25 Euro. Sollten wir arbeitslos werden, sollten wir Mietausfall haben, unsere maximale Belastung belaufe sich auf 25 Euro. Mit solchen Rechnungen ziehen Immobilienvermittler durch ganz Deutschland.
Auftrieb bekamen die Banken und ihre Immobilienvermittler, die meistens mit den Kundenberatern durch hohe Provisionsvereinbarungen innig verbunden sind, durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vom 20.03.2007 (AZ XI ZR 414/04). Es ging um den Fall der Bausparkasse Badenia, die mit Hilfe der Vermittlerfirma Heinen & Biege in den 1990er Jahren Tausenden von Kunden überteuerte Wohnungen verkauft hatte. Nach Schätzungen des Heidelberger Rechtsanwalts Hans Witt, der rund 100 Bausparkassen-Opfer vertritt, gibt es etwa 10000 Kunden der Badenia, die in den 1990er Jahren sogenannte Schrottimmobilien erworben haben. Nach Branchenschätzungen handelte es sich dabei um rund 7000 Eigentumswohnungen, die durch die Kooperation zwischen der mittlerweile insolventen Firma Heinen & Biege und der Badenia vermittelt und finanziert wurden. Bundesweit geht es nach Schätzungen um 300000 Fälle mit einem Gesamtschaden von bis zu 40 Milliarden Euro.
Zu den Opfern von Heinen & Biege zählte auch eine junge Frau. Sie erwarb 1997 eine Eigentumswohnung, die sie mit Hilfe der Bausparkasse Badenia finanziert. Als sie die Wohnung kaufte, war die Polizistin erst 21 Jahre alt, ihr Jahreseinkommen betrug damals 33000 €, ihre Ersparnisse 1000 €. Sie wurde von Vermittlern der Heinen-&-Biege-Gruppe in einem Beratungsgespräch mit Hilfe einer Beispielrechnung dazu gebracht, eine knapp 90000 € teure Eigentumswohnung zu kaufen. Hierfür unterschrieb sie einen Darlehensantrag über 100000 € und eine Vollmacht zum Abschluss von zwei Bausparverträgen über jeweils 50000 €.
Die Vermittler besuchten die spätere Käuferin zu Hause und vermittelten ihr sowohl den Kauf der Eigentumswohnung als auch die Finanzierung. Kaufpreis und Nebenkosten wurden dann durch ein Darlehen einer Bank finanziert, zur späteren Tilgung des Kredits wurden zwei Bausparverträge mit unterschiedlichen Zuteilungszeitpunkten bei der Badenia abgeschlossen. Bei der Immobilie handelte es sich wie in vielen anderen Fällen um ein Objekt des sozialen Wohnungsbaus, gebaut zwischen 1950 und 1970.
Durch einen sogenannten Mietpool wurde der Käuferin vorgetäuscht, dass die Mieteinnahmen abgesichert seien. Sie musste diesem Pool beitreten, dessen Zweck es war, das Einzelrisiko des Wohnungskäufers auf Ausfall der Mieteinnahmen gleichmäßig auf alle an diesem Pool beteiligten Eigentümer zu verteilen. Oft waren Ausschüttung aus dem Mietpool und tatsächliche Miete verdächtigerweise absolut identisch.
Am Ende gab es weder die zugesicherte Steuerersparnis noch die versprochenen Mieteinnahmen, und viele Käufer gerieten an den Rand der Privatinsolvenz. Kunden, die ihre Kredite nicht mehr bedienen konnten, wurden von der Badenia gnadenlos mit Zwangsvollstreckungsmaßnahmen verfolgt. Vier von ihnen haben Selbstmord begangen, als sie keinen Ausweg mehr sahen. Sie hatten keine Möglichkeit, jemals von ihrem Schuldenberg herunterzukommen, und empfanden die Pfändungen als Schande.
Der Fall der Polizeibeamtin beschäftigte jedenfalls die Gerichte – zunächst mit Aussicht auf Erfolg für die Klägerin. Das Oberlandesgericht Karlsruhe (Aktenzeichen 15 U 4/01) sprach ihr 2004 Schadenersatz aus dem Immobilienkauf zu. In ihrem Urteil bezogen sich die Richter auf die Schäden, die der Käuferin aus den Finanzierungsverträgen, dem Mietpool-Vertrag sowie dem Wohnungskaufvertrag entstanden sind. In der 63 Seiten umfassenden Begründung konzentrierte sich das OLG Karlsruhe im November 2004 vor allem auf die unterbliebene Aufklärung der Käuferin durch die Bausparkasse und auf die Haftung des Institutes wegen Beihilfe zum Betrug. Die Richter verurteilten die Badenia zum Schadenersatz, der Immobilienkauf sollte rückabgewickelt und die Klägerin von der Darlehensschuld freigestellt werden.
Für die Bausparkasse war das eine unangenehme Überraschung. Nur in etwa 300 Fällen sei Badenia verklagt worden, ließ das Management der Bausparkasse verbreiten. In 81 von 82 Zivilprozessen habe sie sich gegen geschädigte Kunden durchgesetzt. Bei den rund 300 Fällen, die unter anderem durch die Entwicklung des Immobilienmarktes zu Problemen geführt hätten, werde derzeit intensiv an für alle Seiten tragfähigen Lösungen gearbeitet. Die Badenia bewege sich absolut im branchenüblichen Rahmen und habe nur etwa drei Prozent der in dem Interview genannten 300 000 Immobilen finanziert.
Badenia-Chef Dietrich Schröder erklärte in der ZDF-Sendung Mona Lisa am 30. Oktober 2004, was er von den Beschwerden und Klagen seiner Kunden hielt: Der Vermittler damals hat gesagt, brauchst dich darum nicht zu kümmern, brauchst auch kein Geld zu haben. Das regelt sich alles von selber. Und lass 20 Jahre rumgehen, dann gehört dir die Hütte und du hast ’ne prima Altersversorgung. Und dann frag ich mich immer: Wer ist denn so blauäugig? Denn – wenn das zuträfe – dann kann er sich die ganze Bundesrepublik kaufen.