In den 1990er Jahren, kurz nach der sogenannten Wende, war Ostdeutschland ein Dorado für Steuervermeider, Schnäppchenjäger, Betrüger, gerissene Kapitalanleger und Banken. Im großen Stil haben die westdeutschen Geldhäuser – allen voran die damals noch als eigenständiges Haus existierende Bayerische Hypotheken- und Wechsel-Bank – in den neuen Bundesländern eingekauft, Grundstücke, Plattenbauten und heruntergekommene Altbauten – alles was sich irgendwie bebauen, umbauen, sanieren, renovieren und wieder versilbern ließ.
Die Lage der den Kunden angepriesenen Immobilien war natürlich immer bestens. Stadtviertel, die selbst bei großzügiger Interpretation nicht als erstklassig eingestuft werden konnten, wurden kurzerhand zur Gegend mit großem Potenzial erklärt. Die Käufer aus dem Westen hatten keine Ahnung, sie kannten nur die westdeutschen Immobilienpreise und hatten wenig Zeit und Lust, sich eingehend zu informieren. Viele glaubten einfach den Versprechungen und vor allem den Mietkalkulationen der Bankberater, die ihnen große Steuergeschenke und überproportionale Wertentwicklungen prophezeit hatten. Aufs Nachrechnen oder auf eine Besichtigung der angebotenen Immobilien haben die meisten der Investoren gern verzichtet. Selbst tollkühne Prognosen zur Entwicklung der Mieteinnahmen von 20 € pro Quadratmeter für Wohnimmobilien, die sich in den 1990er Jahren in besten Lagen im Westen kaum noch erzielen ließen, erweckten bei den Käufern selten Zweifel.
Wie sie Opfer dieses Nepps wurde, erzählt eine Kundin der HypoVereinsbank, dem Nachfolgeinstitut der früheren Bayerischen Hypotheken- und Wechsel-Bank. Auch ihr wurde von einem Kreditvermittler eine lohnende Kapitalanlage zur Altersvorsorge, die darüber hinaus staatlich gefordert sei, in Aussicht gestellt.
Das Risiko sei gleich null, versicherte ihr der Mitarbeiter eines Strukturvertriebs, immerhin habe die große bayerische Bank alles geprüft und für seriös befunden. Als die Kundin zögerte, machte der Verkäufer Druck. Die Anlegerin sollte nicht zu lange überlegen, für diese Immobilien gäbe es viele Interessenten. Sie schlug ein und kaufte unbesehen eine 3-Zimmer- Wohnung in der ostdeutschen Provinz. Natürlich konnte der Verkäufer auch gleich die Finanzierung des Filetstücks arrangieren und einen unterschriftsreifen Vertrag über ein Darlehen von mehr als 300000 € vorlegen. Die Kundin unterschrieb.
Danach ging es für sie in finanzieller Hinsicht nur noch bergab. Gleich nach dem Vertragsabschluss stellte sich heraus, dass das Schnäppchen in Wirklichkeit Schrott war. Die Wohnung steckte voller Mängel und war schlecht zu vermieten. Für dieses völlig überteuerte Objekt ist die junge Frau noch jetzt mit rund 150000 Euro verschuldet. Statt Vermögen zu bilden, zahlt sie monatlich 1000 Euro an die Bank.
Die Hypobank, die wenige Jahre später mit dem Lokalrivalen Bayerische Vereinsbank zu einem der größten deutschen Bankkonzerne fusionierte, hatte damals auch viele Immobilien in Leipzig im Angebot. Große Wohnungen, kleine Appartements, ganze Wohnblöcke und Mietskasernen – für jeden Geldbeutel oder Einkommensklasse etwas. Mit phantastischen Mietpreisversprechen und hohen Nebenkosten. Häufig wurde mit dem Kredit zusätzlich eine Kapitallebensversicherung als Absicherung verkauft. Da winkten zusätzliche Provisionen. In jedem Fall ein gutes Geschäft – für die Bank.
Billigappartements am unteren Ende der Preisskala wurden mit Drückerkolonnen an den Mann oder die Frau gebracht. Im Wohnzimmer oder Büro der Kunden führten die freien Berater im Auftrag der Bank die Verkaufsgespräche und setzten bei unentschlossenen, zögerlichen Gesprächspartnern auch schon mal auf die ganz billige Tour die Daumenschrauben an. Wenn Sie jetzt nicht unterschreiben, dann wird die Wohnung ein anderer kaufen. Für solche Sahnestücke am Immobilienmarkt gäbe es schließlich viele Interessenten. Da haben viele zugegriffen. Und Verträge unterschrieben, die sie auf Jahre knebelten.
Eine meiner Kolleginnen, eine Auslandsreporterin, wurde auch Opfer der dubiosen Immobilienmachenschaften. Zwar war sie vorsichtig genug, nur in ein kleines Appartement in Leipzig zu investieren, doch auch mit diesem Investment hatte sie sich vor allem Probleme eingehandelt. Die Wohnung lag in einem zwar belebten, aber auch etwas zwielichtigen Viertel mit kleinen Gemüseläden, Bars und regem Nachtleben. 60 000 Euro kostete die Wohnung. Die Hypobank bot ihr großzügig einen Kredit von 50000 Euro an. Abgesichert wurde das Darlehen durch eine Lebensversicherung, die sie abschließen musste. Insgesamt betrug ihre monatliche Belastung rund 250 Euro zuzüglich der Zahlungen für die Versicherung von 5000 Euro pro Jahr.
Sie würde keine Mühe haben, ihre Kosten durch die Miete wieder einzuspielen, wurde ihr versichert. Außerdem könnte sie die Kosten für die Renovierung des Appartements von der Steuer absetzen. Einen Mietpreis von 20 € pro Quadratmeter hatten ihr die Bankberater in Aussicht gestellt. Sie war skeptisch genug, um den genannten Betrag auf die Hälfte zu reduzieren, doch auch das erwies sich als zu optimistisch.
Bevor die Sanierung abgeschlossen war, ging der Bauunternehmer pleite. Die letzte Rate des Kaufpreises wurde einbehalten und auf das Anderkonto eines Anwalts in Düsseldorf überwiesen. Dadurch wurde die Wohnung vor dem Konkurs des Bauunternehmers und Verkäufers nicht auf ihren Namen eingetragen.
Diesen schwerwiegenden Mangel erkannte die Käuferin allerdings erst ein paar Jahre später. Vor etwa vier Jahren hatte sie nämlich genug vom Ärger und den Verlusten, die ihr die Schrottimmobilie ständig bescherte: Meistens stand sie leer. Wenn nicht, machte sie mit Mietnomaden böse Erfahrungen. Ein Mieter zahlte nur die erste Miete und dann nichts mehr. Doch als er endlich die Wohnung räumen musste, demolierte und verschmutzte er das Appartement so, dass von Grund auf renoviert werden musste, einschließlich einer neuen Badezimmerausstattung. Verkaufen konnte sie die Immobilie jedoch nicht, solange die Eigentumsverhältnisse nicht geklärt waren.
Und um diese Klärung streiten die Anwälte noch immer. Auf dem Anderkonto, das bei einer renommierten privaten Bank geführt wird, schlummert die letzte Rate – zinslos versteht sich. Aber auch ein Verkauf wäre zurzeit kein gutes Geschäft für die entnervte Kundin. Sie bekäme heute nur noch maximal die Hälfte des Kaufpreises – der Wert des vermeintlichen Sahnestückchens hat sich in der vergangenen Dekade mehr als halbiert.