Anlagestrategien für Aktionäre – die Marktanomalien

Tatsächlich zeigte sich, dass es Anlagestrategien gibt, die langfristig eine höhere Rendite als der Markt erzielen. Sie beruhen auf so genannten Marktanomalien; das sind besondere Phänomene, die man sich in der Strategie zunutze machen kann. Ein solches Phänomen ist beispielsweise der so genannte Januar-Effekt. Langfristige Untersuchungen, die sich auf einen Zeitraum von 1904 bis 1974 erstreckten, zeigten augenscheinlich, dass die Aktienkurse generell im Januar am stärksten steigen. Der Januar ist mit Abstand der beste und gewinnträchtigste Monat im ganzen Jahr. Insbesondere die erste Januarwoche zeichnet sich durch eine überdurchschnittliche Wertentwicklung aus. Anleger, die im Januar investiert waren, erzielten im Durchschnitt eine Rendite, die um 3 Prozentpunkte höher lag. Als Ursache vermutet man, dass manche Anleger vor Weihnachten ihr Depot leeren, um entspannt den Weihnachtsurlaub genießen zu können oder um die Depotgebühren zu sparen, da zumindest früher viele Banken die Gebühr nach einem Stichtag am Jahresende berechneten. Eine andere Vermutung lautet, dass Investmentfonds, die Milliardensummen verwalten, zum Jahresende Nieten aus dem Portfolio werfen, um im Abschlussbericht vor den Anlegern besser dazustehen. Ein solches Vorgehen nennt man „Window Dressing“.

Dennoch überzeugen die vorgebrachten Erklärungsversuche nicht, denn aufgrund dieser Verkäufe müssten die Aktienkurse im Dezember sinken, was aber nicht der Fall ist. Der Dezember ist vielmehr ein relativ guter Börsenmonat. Wahrscheinlicher ist, dass der Januar-Effekt durch die Zuversicht und den Optimismus der Marktteilnehmer ausgelöst wird, wenn nach der Silvesternacht das neue Jahr beginnt.

Insgesamt ist die Wertentwicklung in den einzelnen Monaten sehr unterschiedlich. Als die besten Monate gelten der Januar und der Februar. Die Aufwärtstendenz hält in der Regel mit einer immer schwächer werdenden Performance bis April an. Der Mai ist bereits ein sehr mäßiger Börsenmonat und kann bereits mit größeren Kursrückgängen verbunden sein. Ein altes Börsensprichwort lautet deshalb: „Seil in May and go away.“ Die nachfolgenden Sommermonate, in denen anscheinend viele Anleger Urlaub machen, sind sehr schwach. Der gefährlichste Monat ist übrigens der September. Langfristige Untersuchungen konnten zeigen, dass im September die größten Kursverluste entstehen. Landläufig gilt der Oktober als Katastrophenmonat, wenngleich der September im Langfristvergleich noch schlechter abschneidet. Der Oktober wird deshalb als Krisen- und Katastrophenmonat angesehen, weil sich zu dieser Zeit mehrere schwere und verhängnisvolle Crashs ereigneten. So begann die desaströse Weltwirtschaftskrise von 1929 im Oktober und führte selbst bei Standardwerten zu Kurseinbrüchen von mehr als 90 Prozent. In der Wall Street stürzten sich viele Spekulanten in ihrer Verzweiflung aus dem Fenster, und die nachfolgende Massenarbeitslosigkeit brachte fast die gesamte westliche Welt an den Rand eines Abgrunds. Ein anderer fataler Crash fand ebenfalls im Oktober statt: am 19.10.1987 fielen die meisten großen Börsen um mehr als 20 Prozent. Der amerikanische Aktienindex S&P 500 verlor an diesem Tag mehr als 23 Prozent. Besonders gefürchtet ist der Freitag im Börsenmonat Oktober.

Als Anleger sollten Sie daher Folgendes beherzigen: In der Regel, auch wenn es in manchen Jahren kleinere Abweichungen oder Besonderheiten geben mag, ist der Januar der beste Monat, vor allem die erste Woche nach dem Jahreswechsel. Der positive Trend hält normalerweise mit sich abschwächender Tendenz bis
März. In diesen Monaten sollten Sie auf jeden Fall investiert ein.
Problematisch wird es im Monat Mai, der bereits mit heftigen Kursrückgängen einsetzen kann. Diese turbulente Zeit mit fallenden Kursen hält den ganzen Sommer an. Der Höhepunkt ist im September erreicht; dann drohen gravierende Verluste. Auch der Oktober als häufiger Krisenmonat hat schon vielen Anlegern schwerste Verluste und dramatische Crashs eingebracht. Erst im Dezember beginnt wieder die zaghafte Erholung der Kurse. Auf den Grundlagen dieser Erkenntnisse wurden saisonale Anlage Strategien entwickelt.

Ein anderes Phänomen ist der Monatswechsel-Effekt; die Kursgewinne sind immer zum Monatswechsel höher als in der Mitte des Monats. Vermutlich liegt dies daran, dass dann die Gehälter ausgezahlt werden und mehr Kleinanleger sich entscheiden, Wertpapiere zu kaufen.

Andere wichtige Marktanomalien beruhen auf Besonderheiten der Kennzahlen. So hat man herausgefunden, dass Aktien mit einem niedrigen Kurs-Gewinn-Verhältnis langfristig den Markt übertreffen. Da bei ihnen die Relation von Kurs und Gewinn günstig i(, haben sie im übertragenen Sinne ein besseres „Preis-Leistungs- Verhältnis“, wenngleich es auch hier Einschränkungen gibt. Aktien mit einem besonders niedrigen KGV performen oft schlechter als der Gesamtmarkt. Aktien mit einem niedrigeren Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV) und einem günstigen Kurs-Umsatz-Verhältnis (KUV) schneiden besser ab als der Gesamtmarkt.
Detaillierte Untersuchungen haben noch andere Zusammenhänge zutage gefördert, die bisweilen einen kuriosen Anschein erwecken. So hat man herausgefunden, dass die Börsenkurse eher bei Sonnenschein steigen als an Regentagen, was nur den großen Einfluss psychologischer Faktoren unterstreicht. Anscheinend haben die Anleger bei sonnigem Wetter eine größere Kauflaune. Auch die Zahl der Sonnenflecken übt einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf das Wirtschaftsgeschehen aus. Darüber hinaus stellte man fest, dass die Rocklänge ein Indikator für die Inflationsentwicklung sein kann. Als 1923 in Deutschland eine Hyperinflation ausbrach, bei der man bereits für einen Laib Brot Millionen Reichsmark zahlen musste, trugen die Damen sehr kurze Röcke, was auch in den inflationsgebeutelten 1970er Jahren der Fall war, als die Minirockmode aufkam. Um das Jahr 2000 hingegen, als in vielen Ländern die Inflation deutlich zurückging und in Japan schon fast deflationäre Tendenzen sichtbar wurden, kamen knöchellange Röcke in Mode, wie man sie bereits in der Belle Epoque um 1900 getragen hatte.

Anlagestrategien für Aktionäre – die Nachteile des Stockpicking

Unter Stockpicking versteht man die gezielte Auswahl von Aktien mit Hilfe der Fundamental- und der technischen Analyse. Obwohl Investmentfonds über gut ausgebildetes Personal und exzellente Informationen verfügen, sind die meisten Ergebnisse mehr als mager. Häufig ist die Performance, die ein solcher Investmentfonds erzielt, geringer als die Wertentwicklung des Vergleichsmarktes. Es stimmt schon nachdenklich, wenn ein Aktienfonds, der sich auf deutsche Qualitätsaktien spezialisiert hat, schlechter abschneidet als der DAX. Für Sie als Anleger wäre es auf jeden Fall sinnvoller und lukrativer gewesen, gleich den DAX über ein Zertifikat zu kaufen, ln vielen Publikationen werden dennoch Investmentfonds als Königsweg der Altersvorsorge angepriesen. Sie sollten aber bedenken, dass Sie es sich angesichts der Probleme in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht leisten können, in Investmentfonds zu investieren, die nur eine karge Rendite mit sich bringen. Wenn Ihr Investmentfonds nicht mindestens den Marktdurchschnitt erreicht, sollten Sie solche Investmentfonds besser verkaufen.
In der Finanzmarktforschung ist man schon lange der Auffassung, dass Aktienkurse nicht vorhergesagt werden können. Auch ausgezeichnete Bilanzkennzahlen sind kein sicheres Indiz für eine überdurchschnittliche Wertentwicklung, da all diese Kennziffern nur etwas über die Vergangenheit des Unternehmens aussagen. Auch Chartanalytiker irren und können häufig eine Trendumkehr oder einen Kurseinbruch nicht zuverlässig Vorhersagen. Angesichts dieser Unwägbarkeiten kommen manche Experten zu dem Schluss, dass Stockpicking, also die gezielte Auswahl einzelner Aktien, nicht wirklich zu einer guten Rendite führt. Man kann durch einen Zufallstreffer Glück haben oder im schlimmsten Fall auf eine Niete setzen, die mit hohen Kursverlusten verbunden ist.

Eine Untersuchung der Universität Halle konnte zeigen, dass die meisten Analysten mit ihren Empfehlungen häufig daneben liegen. Im Zeitraum von Juni 2000 bis März 2002 verlor der Stoxx- 50, der die wichtigsten europäischen Standardwerte umfasst, 24 Prozent. Der Niedergang der New Economy und der Fall der Internetaktien riss auch die Blue Chips mit in die Tiefe, wenngleich die Kursverluste in diesem Börsensegment weniger dramatisch waren. Die Untersuchung nahm die Analystenempfehlungen im gleichen Zeitraum unter die Lupe und ermittelte eine Performance, die sogar ein Prozent unter dem Marktdurchschnitt lag, also minus 25 Prozent erreichte. Angesichts der vermeintlich ausgeklügelten Analysemethoden ist es verwunderlich, dass selbst die Börsenprofis noch schlechter abschnitten als der ohnehin schon schwache Markt. In den USA untersuchte Michael O’Higgins die Gewinnprognosen von Analysten und förderte Verblüffendes zutage. Er untersuchte die Gewinnvorhersagen für Dow-Jones-Unternehmen im Zeitraum von 1974 bis 1990. Die Analystenschätzungen wichen bis zu 48 Prozent vom tatsächlichen Ergebnis ab; selbst zwei Wochen vor dem Ende des Geschäftsjahrs, wenn die Gewinnprognose wesentlich erleichtert war, wich die Vorhersage immer noch um 18 Prozent ab. Aus diesem Grund verwendet man übrigens bei der Berechnung von Kennzahlen, die auf Gewinnprognosen beruhen, so genannte Konsensusschätzungen; dabei handelt es sich um einen Mittelwert, der mehrere Analystenschätzungen zusammenfasst.

Im Jahr 2000, als sich der katastrophale und verheerende Zusammenbruch des Neuen Marktes und der Technologiewerte ankündigte, waren über 70 Prozent aller Analystenaussagen Kaufempfehlungen, und nur ein Prozent riet explizit zum Verkauf von Aktien. Analysten sind von Berufs wegen ständig optimistisch, und selbst bei einem bevorstehenden Crash werden die Warnsignale so gut wie nie rechtzeitig erkannt. Selbst nach einem deutlichen Kursrückgang empfehlen Analysten notorisch weiter, Aktien – nun auf verbilligtem Niveau – zu kaufen.

Sie sollten als Anleger Analystengutachten immer kritisch beurteilen. Zwar ist die Aufbereitung der Bilanzkennzahlen sehr sorgfältig und gewissenhaft und die Marktanalyse vortrefflich, dennoch können Analysten in den seltensten Fällen einen Aktienkurs zielsicher Vorhersagen. In vielen Fällen liegen sie sogar weit daneben. Aufgrund dieses Umstandes gingen in den USA in den 1970er Jahren viele Pensionsfonds, die Gelder in Milliardenhöhe verwalten, dazu über, nur noch auf Indexstrategien zu setzen. Obwohl diese Vorgehensweise anfangs als „langweilig“ belächelt wurde, denn schließlich ist die Wertentwicklung dann genauso gut oder schlecht wie der Gesamtmarkt, hat sie sich bewährt. Denn mit dieser Indexstrategie konnte man die meisten Investmentfonds und Analysten übertreffen.
Erst seitdem einige Überrendite-Effekte wissenschaftlich nachgewiesen werden konnten, macht man sich auf die Suche nach einer Methode, wie man den Markt noch übertrumpfen kann.

Suche nach den einfachen Regeln an der Börse

Seil in May and go away (Im Mai verkaufen und dann weglaufen). Jeder Aktieninteressierte wird diesen Börsenkalenderspruch kennen. Die Idee, dass es an der Börse so genannte Kalendereffekte gibt, also wiederkehrende Kursentwicklungen, die in Abhängigkeit zum Jahresverlauf, aber auch zu Monats- und Wochenrhythmen stehen, ist einfach nicht totzukriegen.

Es tauchen immer wieder Ereignisse auf – und es gibt auch ganz rationale Überlegungen die diese Kalendereffekte zu bestätigen scheinen. Am bekanntesten sind die so genannte Jahresendralley, der Januareffekt und der Montagseffekt.

So soll besonders der Januareffekt darauf beruhen, dass speziell die institutionellen Investoren sich aufgrund der an das Kalenderjahr angepassten Geschäftsjahre in einer bestimmten Art und Weise verhalten. Im Januar, wenn das neue Geschäftsjahr beginnt und das alte abgeschlossen ist, kann man neue Risiken eingehen und kauft deshalb besonders viele Aktien. Also ist der Januar ein Boom-Monat.

Da alle Aktionäre wissen, dass im Januar gut gekauft werden wird, decken sie sich im Rahmen der Jahresendralley im Dezember noch kräftig mit Aktien ein, die sie dann im Januar verkaufen werden, bevor der Kurs Ende Januar wieder fällt. Das hört sich alles zunächst ganz plausibel an, ist es aber nicht, denn wenn alle Kapitalanleger sich in gleicher Weise verhalten, also alle gleichzeitig entweder nur kaufen oder nur verkaufen, lässt das den schönsten Kalendereffekt platzen.

Da aber niemand eine Chance auslassen will, haben die verschiedensten Forschungsinstitute die Kalendereffekte untersucht. Das am besten erforschte Phänomen ist der Januareffekt. Das Ergebnis bestätigt zwar, dass es ihn gibt, aber er ist viel zu klein, um ausgenutzt werden zu können.

Und wie ist es mit der Jahresendralley? 1999 ist sie ganz toll gelaufen. Mitte 2000 bereiteten sich alle drauf vor, und was dann? Sie fiel aus! Und weil das Gedächtnis der Leute so schlecht ist und eher kurzfristig programmiert, darf man damit rechnen, dass niemand eine Jahresendralley für das Jahr 2001 erwartet. Was wird wohl passieren? Sie kommt – oder sie kommt nicht. Je nachdem, wer was prognostiziert: Er wird sich bestätigt fühlen und deshalb auch weiterhin die Botschaft vom Kalendereffekt in die Welt tragen.

Besonders die großen Investoren, bei denen schon im Promillebereich fette Profite eingefahren werden, sind an diesen Effekten interessiert gewesen und haben alles untersuchen lassen. Ihr Ergebnis: Es nützt nichts, diese Überlegungen in die eigene Strategie mit einzubeziehen.

Eine Ausnahme ist eventuell der US-Rentenmarkt, der erstens noch nicht genau erforscht ist, zumindest nicht in Bezug auf den Kalendereffekt, und in dem sich außerdem seit 1994 ein gewisser Rhythmus eingestellt zu haben scheint. Allerdings hat man auch schon eine mögliche Fehlerquote für den Kalendereffekt errechnet. Er liegt beim US-Renten- markt bei 35 Prozent Misserfolg. Ob nun der Erfolg auf anderen Faktoren beruht, ist noch nicht so genau zu sagen.

Jeder Anleger sollte sich vor Augen führen, dass der Kalendereffekt besonders deshalb immer wieder gern als Argument in Empfehlungen einfließt, weil er besonders leicht zu vermitteln und zu planen ist. In einen Kalender gucken kann jeder, und einfache Lösungen sind eben immer noch die beliebtesten, auch wenn sie nicht die effektivsten sind. Der amerikanische Schriftsteller Euro Twain hat das in seinem Ratschlag auf den Punkt gebracht: Für die Börsenspekulation ist der Februar einer der gefährlichsten Monate. Die anderen sind Januar, März, April, Mai, Juni und Juli bis Dezember.

Gute Zeiten, schlechte Zeiten
Das so genannte Market-Timing kann man in gewisser Weise als eine Variante des Kalendereffekts betrachten. Market-Timing geht davon aus, dass es besonders günstige Kurstage gibt — und natürlich auch besonders ungünstige. Man braucht vorher nur zu wissen, um welche Tage es sich handelt, um dann durch den Kauf und Verkauf seiner Aktien zusätzliche Gewinne zu erwirtschaften.

Fidelity Investments, das größte unabhängige Fondsmanagementunternehmen der Welt, wollte nun gern wissen, was an diesem Market-Timing dran ist. Dafür startete man eine groß angelegte Studie, die sich die Entwicklung der renommierten Aktienindizes rund um die Welt in den Jahren 1987 bis 2000 vornahm. Die Fragestellung war: Welche Konsequenzen hat es, wenn ein Anleger die besten Kurstage verpasst hat und stattdessen Aktien kontinuierlich behielt, ohne sie zwischendurch zu verkaufen und dann wieder zurückzukaufen? Die Ergebnisse verblüffen. Bezogen auf den DAX 30 erreichte ein Anleger, wenn er die zehn besten Tage des Jahres verpasst hat, eine jährliche Performance von 10,3 Prozent. Hat er sogar die 40 besten Tage des Jahres verpasst, liegt seine Performance nur noch bei 1,6 Prozent. Der Anleger, der sich gar nicht um diese Tage kümmert und einfach nichts tut, erwirtschaftet allerdings eine Performance von 15,4 Prozent.

Und wie sieht es mit den schlechtesten Kurstagen aus? Wer die 40 schlechtesten Kurstage am DAX 30 umgangen hat, konnte eine jährliche Performance von 33,1 Prozent erzielen. Wer die schlechtesten zehn Tage umging, lag immerhin noch bei 21,5 Prozent. Beide Mal hätte man besser abgeschnitten als bei einer ununterbrochenen Anlage. Aber das sind natürlich alles nur hypothetische Zahlen mit Ausnahme deren, die sich auf eine durchgehende Anlage beziehen. Es käme nämlich darauf an, nicht im Nachhinein festzustellen, welcher Tag gut oder schlecht war, sondern dies bereits vorher zu wissen.

Man müsste also Hellseher sein. Und damit hat es bisher immer noch gehapert, wie sich ebenfalls mit Statistiken beweisen lässt. Es gibt unzählige Experten, die für die Jahre 1994 bis 1998 jeweils das Ende des Booms vorausgesagt haben und jedes Mal falsch lagen. Fidelity Investments untersuchte dann auch noch, wie das jährliche Ergebnis sich darstellen würde, wenn man seine Aktien stets zum höchsten Kurs gekauft hätte, zum günstigsten Kurs oder einfach nur zum 1. Januar.

Für Deutschland mag das Ergebnis für Market-Timing-Spezialisten niederschmetternd sein. Beim Einstieg zum höchsten Kurs betrug die Jahresperformance nur 11,9 Prozent. Wer stets den günstigsten Kurs erwischte, hatte eine Performance von 12,8 Prozent, und wer immer zum 1. Januar kaufte, konnte mit dieser Methode eine Performance von 12,6 Prozent erzielen. Also, was soll’s? Der Unterschied zwischen dem besten und schlechtesten Ergebnis lag gerade mal bei 0,9 Prozent pro Jahr. Es ist zwar klar, dass die besten und schlechtesten Tage sehr eng beieinander liegen und dass die größten Kursschwankungen meist in wenigen aufeinander folgenden Tagen stattfinden. Nur darf man sich eben einfach davon nicht irritieren lassen.

Wenn man seine Aktien nach einer gründlichen Analyse auswählt, also Aktien von gesunden Unternehmen mit realistischen Zukunftsperspektiven kauft, spielt das, was tagtäglich an der Börse geschieht, für den gesamten Jahresverlauf nur noch eine untergeordnete Rolle. Für solide Werte gilt die Kostolany-Regel vom Aktienkaufen und Schlafengehen dann doch noch, nur eben nicht mehr über viele Jahre oder gar Jahrzehnte hinweg.

Best-Price-Prinzip an der Börse – sparsam und effektiv

Mit dem Best-Price-Prinzip waren die Stuttgarter die Ersten, die den Anlegern einen Aktienpreis garantierten, der mindestens so günstig ist wie der Xetra-Preis. Inzwischen haben das alle nachgemacht – zum Vorteil der Anleger und um den Umsatz zu fördern. Stuttgart hat in der Vergangenheit unter anderem dafür den Titel -beste Börse Deutschlands- erhalten und möchte diese Auszeichnung auch in Zukunft behalten. Deshalb wurden Ende 2000 neue Dienstleistungen für Privatanleger angeboten. Im Zentrum der neuen Offensive steht das Intelligent Quote System. Es soll dem Anleger die exklusive, bestmögliche Ausführung seiner Wertpapieraufträge ermöglichen.

Wesentliche Bausteine sind vollautomatische Limitkontrollsysteme und die Erweiterung des Best-Price-Prinzips auch auf ausländische Börsen, und zwar zunächst für die Eurostoxx-50-Werte, das sind die 50 führenden europäischen Aktien. Wenn zum Beispiel ein Anleger Nokia- oder Unilever-Aktien kaufen will, erhält er sie an der Stuttgarter Börse mindestens zu dem Preis, den er an den so genannten Heimatmärkten, hier in Helsinki oder Amsterdam, hätte zahlen müssen. In der Regel sind nämlich die Aktien am Heimatmarkt billiger als an anderen Börsen, ganz einfach weil dort mehr davon vorhanden sind. Das bedeutet, die Anleger müssen sich nicht mehr um unterschiedliche Handels- und Abwicklungsmodalitäten sowie Abwicklungskosten auf verschiedenen, auch ausländischen, Märkten kümmern. In Stuttgart suchen so genannte Personal Order Guides auf den wichtigen Märkten für das jeweilige Wertpapier den jeweils günstigsten Preis und führen die Order zu diesem Preis aus. Die Personal Order Guides werden mit Eintreffen einer Order aktiv. Jeder Auftrag wird sofort unter Mithilfe vollelektronischer Limitkontrollsysteme auf seine Ausführbarkeit untersucht. Besteht bei Auftragseingang keine Möglichkeit zum An- und Verkauf, wird die Order während der gesamten Handelszeit permanent elektronisch auf Ausführung überprüft.

Alle im Zuge einer Auftragsausführung angesammelten Daten stehen der Handelsüberwachung beziehungsweise der Börsenaufsicht zur Verfügung. Darüber hinaus können die Anleger selbst die Arbeit der Personal Order Guides überprüfen. Die entsprechenden Daten sind im Internet abrufbar. Ende 2000 hat die Börse Stuttgart ihr Internetangebot boerse-stuttgart*de weiter verbessert. Als erste Börse in Deutschland bietet sie über ihre Website eigene Echtzeitkurse an. Anleger können kostenlos in Realtime darauf zugreifen. Sie müssen sich lediglich registrieren lassen. Die Kursentwicklungen anderer Börsen werden allerdings noch zeitverzögert dargestellt – ein technisches Problem oder Absicht? Kursgrafiken und Nachrichten zu den jeweiligen Aktienkursen gibt es ebenfalls in ausreichender Zahl.

Darüber hinaus können die Anleger ihr persönliches Portfolio zusammenstellen und über eine Watch-Liste permanent im Auge behalten. Aktuelle Nachrichten über das Geschehen an den Märkten sowie ein Kurslaufband runden das Angebot ab. Für Börsenvorstand Dr. Peter Ladwig ist dieses nur ein erster Schritt. Da das Bedürfnis des Privatanlegers nach umfassender und neutraler Information ständig zunimmt, will er sein Internetangebot noch wesentlich verbessern und erweitern.

Frankfurter Börse: die Macht am Main
Wer hätte das gedacht: Auch der Marktführer am Main, lange mit großen Plänen für internationale Allianzen und sogar Fusionen beschäftigt, hat den Kleinanleger entdeckt. Als Kunden und sogar als Aktionär, denn die Frankfurter Börse ist jetzt selbst an der Börse und kann ge- und verkauft werden. Das war noch vor einigen Jahren undenkbar. Aber: Immer noch 80 Prozent aller Transaktionen im traditionellen Parketthandel (außer Xetra) entfallen auf Privatleute, und die will man halten und nicht an die Regionalbörsen abwandern lassen. Seit Februar 2001 bietet deshalb auch die Frankfurter Börse wie die Regionalbörsen in Berlin, Düsseldorf und Stuttgart ein spezielles Internetportal für den Privatanleger, und zwar unter neuermarkt*com. Abzurufen sind in Echtzeit die Kurse der deutschen Börsen und zumindest zeitnahe Kurse von den wichtigsten internationalen Märkten sowie aktuelle Nachrichten, daneben gibt es Links zu ausgewählten Onlinebrokern. Bisher gehören dazu Comdirect, Entrium Direct Bankers, Eqonline und die 1822direkt. Diese Dienstleistungen sind kostenlos. Demnächst soll der Kleinanleger auch die Möglichkeit erhalten, Analystenreports herunterzuladen, was aber kostenpflichtig sein wird.

Ein Blick ins Orderbuch gefällig?
Über Xetra Life kann nun der Kleinanleger in das Xetra-Orderbuch schauen, muss dafür allerdings eine Anmeldegebühr von 25 Euro und außerdem 46,50 Euro monatlich für die Nutzung zahlen. Hier kann man verfolgen, mit welchen Stückzahlen und zu welchen Preisen ein Wertpapier aktuell nachgefragt oder zum Verkauf angeboten wird. Damit ist man fast dem Profi gleichgestellt – aber nur fast. Denn für den Privatmann oder die Privatfrau gibt es für jede Aktie nur jeweils die fünf besten Verkaufs- und Kaufangebote, der Profi kann alle vorhandenen Orders sehen. Aber der Kleinanleger kann ja zusätzlich noch die Zahl der gehandelten Aktien eines Unternehmens abrufen, den aktuellen Kurs sowie Tageshöchst- und -tiefststände.

Durch solche Informationen wird er in die Lage versetzt, seinen eigenen Auftrag besser zu limitieren, und er kann einschätzen, welche Limits überhaupt realistisch sind. Und weil er auch sieht, wie viel Stück einer bestimmten Aktie zum Verkauf angeboten werden, kann er bis zu einem gewissen Grade einen Trend erkennen. Eine große Anzahl auf der Briefseite, also der Verkaufsseite, kann auf einen Abgabedruck und fallende Kurse hinweisen. Direkt handeln kann der Privatanleger über Xetra Life aber noch nicht, der Auftrag selbst läuft weiter über einen Broker oder eine Bank. Auch eine Best-Price-Garantie, wie sie die Regionalbörsen bieten, gibt es in Frankfurt nicht.

Als weiterer Service für Privatanleger soll Mitte 2002 auch in Frankfurt die Mindestauftragsgröße für Xetra-Orders im Bereich der DAX- und MDax- Werte von derzeit in der Regel 100 Stück auf eine Aktie gesenkt werden. Für den Parketthandel soll als Erwiderung der von Berlin angekündigten Halbierung der Maklercourtage eine Servicegebühr eingeführt werden, die die Maklercourtage ersetzt, über deren Höhe aber noch nichts bekannt ist. Beim Xetra-Handel entfällt diese Gebühr ja sowieso. Wenn es schon die Deutsche Börse AG in Frankfurt nicht tut, so werden die Frankfurter Kursmakler demnächst auf eigene Faust ein System anbieten, das eine Best-Price-Garantie gibt. ICF, der Zusammenschluss aus neun amtlichen Kursmaklern in Frankfurt, baut als Erster in seiner Branche ein eigenes elektronisches außerbörsliches Handelssystem (Electronic Communications Network = ECN) auf. Ab April 2001 wollen sie über das ICF German Trading System den besten Preis für rund 500 Aktien an allen deutschen Parkettbörsen und Xetra garantieren, und zwar für Orders in Höhe von bis zu 50 000 Euro. Dabei soll keine Maklercourtage anfallen. Privatanleger können diesen Service ebenfalls nur über ihre Bank oder einen Broker in Anspruch nehmen.

Börsen an der Börse
In der Branche gab es bisher weltweit nur zwei börsennotierte Unternehmen, die schwedische Börsengesellschaft OM Gruppen und die australische Börse. Als die Deutsche Börse Ende Januar 2001 ihre Aktien an den Mann bringen wollte, bemühte sie sich auch um den Kleinaktionär, obwohl der Ausgabepreis mit 335 Euro eigentlich ziemlich hoch war. So stand zum Beispiel tagelang ein Truck vor dem Börsengebäude in Frankfurt, und man konnte nicht daran vorbeikommen, ohne aufgefordert zu werden, doch auf den DAX zu wetten. Und es waren keine seriös auftretenden Herren im dunklen Anzug, welche die Vörbeigehenden ansprachen, sondern smarte Youngsters in Sweatshirt und kurzem Blouson, wie sie sonst in Promotiontruppen für Lifestyleprodukte auftreten. Insgesamt wurden 3,2 Millionen Aktien verkauft, und das Orderbuch war 23fach überzeichnet. Nach Abzug der Aktien, die die Altaktionäre bezogen haben, und derjenigen, die für Mitarbeiter der Deutsche Börse AG reserviert waren, verblieben 2,75 Millionen Aktien, die zu 80 Prozent an institutionelle und zu 20 Prozent an private Kleinanleger gingen.

Obwohl man sich nach außen sehr demonstrativ um den Kleinanleger bemühte, war die wichtigste Zielgruppe aber nicht das breite Publikum, wie Börsenchef Seifert schließlich zugab. Er würde vor allem gern große amerikanische Brokergesellschaften, Fonds und Versicherungen als neue Anteilseigner begrüßen sowie Technologie- und Medienunternehmen, insbesondere die, welche Börseninformationen verbreiten. Also nach Möglichkeit nur solche Investoren, die selbst mit der Börse als Kunde ihr Geld verdienen. Warum? Weil die nicht an einer Dividende interessiert sind wie viele Kleinaktionäre. Seifert sagte wörtlich: Mein Ziel ist ganz klar, dass die Aktionäre keine Dividende haben wollen, sondern alles Geld in der Company lassen, weil es einfach besser angelegt ist. Apropos Dividende, früher wurde darüber noch anders gedacht. Nur zur Erinnerung, die Deutsche Börse AG wurde bereits 1992 gegründet. Da gab es aber keine Kleinaktionäre, die Anteile lagen zu 85 Prozent bei Banken, Sparkassen und anderen Finanzdienstleistungsinstituten, zu 10 Prozent bei den Regionalbörsen und zu 5 Prozent bei den Kursmaklern. Und es war üblich, die Gewinne immer ganz an die Aktionäre zu verteilen. Diese Zeiten sind vorbei, erklärte der Börsenfinanzchef Mathias Hlubek. Man werde sich bei künftigen Dividenden an Unternehmen orientieren, die bei Größe, Entwicklung, Wachstums- und Gewinnperspektiven mit der Frankfurter Börse vergleichbar sind. Nachtigall, ick hör dir trapsen!

Hedge-Funds – ohne Rücksicht auf Verluste

Der neue Kick für risikofreudige Anleger heißt Hedge-Funds: Nichts für den kleinen Mann! Hedge heißt absichern, aber sicher ist diese Art der Geldanlage keineswegs. Hedge-Funds waren ursprünglich dazu gedacht, ein Fondsvermögen abzusichern. Heute haben sie nur das Ziel, möglichst schnell das Vermögen zu vermehren, allerdings ohne viel Rücksicht auf das Risiko. Es wird ständig gekauft und verkauft, und zwar alle möglichen Anlageformen, Optionen, Futures oder Swaps, hinzu kommen Zinsdifferenzgeschäfte und Währungsspekulationen.

Im Gegensatz zu normalen Investmentfonds unterliegen die Hedge-Funds keiner staatlichen Kontrolle. Deshalb dürfen die Banken in der Bundesrepublik sie nicht selbst auflegen. Die Deutsche Bank und andere Großbanken haben einige Produkte, die auf Hedge-Funds basieren, in ihr Angebot aufgenommen, doch deren Heimat liegt immer im Ausland, oft in Steueroasen. Der Einstieg in das hoch spekulative Geschäft mit Hedge-Funds ist meist ab einem Einsatz von 100 000 Euro möglich, also wirklich nichts für Kleinaktionäre.

Derivate: zur Kursabsicherung und für Zocker
Derivate sind Finanzinstrumente, die von einem so genannten Basiswert abgeleitet sind. Sie sind immer zeitlich befristet. Diese Basiswerte können Finanzprodukte wie Aktien, Anleihen, Devisen oder Gold sein, aber auch Waren wie Rohstoffe, Weizen oder – Schweinebäuche. Ursprünglich dienten Derivate nur zur Kursabsicherung der entsprechenden Basiswerte, heute sind sie auch ein Geschäft für Zocker, da ihre Kurse wesentlich stärker schwanken als die der Basispapiere. Sie besitzen wie die vorher beschriebenen Optionsscheine einen Hebeleffekt. Im Gegensatz zu den Optionsscheinen handelt es sich bei Derivaten aber rechtlich nicht um Wertpapiere, sondern um Finanzierungsinstrumente. Während man bei Aktien oder Gold nur auf steigende Kurse setzen kann, lässt sich mit Derivaten sowohl auf steigende als auch auf fallende Kurse spekulieren.

Trotz – oder gerade wegen – des hohen Risikos erfreut sich der Handel mit Optionen wachsender Beliebtheit. Nach Angaben der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich wurden 1999 weltweit Derivate im Volumen von 98,720 Billionen Dollar gehandelt, aber nur 17,262 Billionen Dollar davon an den Börsen, der größte Teil lief direkt zwischen den Brokern oder Banken ab.

Die wichtigsten Derivate sind Optionen und Futures. Letztere können Warenterminkontrakte (= Commodity Futures) sein oder Financial Futures. Optionen (Trades Options) und Financial Futures werden an Terminbörsen gehandelt, zum Beispiel an der deutsch-schweizerischen Eurex in Frankfurt, Warenterminkontrakte an speziellen Warenterminbörsen. Die einzige deutsche Warenterminbörse befindet sich in Hannover. Der Kauf oder Verkauf von Derivaten kann nur über Finanzdienstleister erfolgen, die zum Handel an einer Terminbörse zugelassen sind.

Futures und Optionen sind immer ein Vertrag zwischen zwei Parteien, dem Verkäufer und dem Käufer. Die Börse dient nur als Clearingstelld, die den reibungslosen und sicheren Ablauf des Geschäfts sicherstellt. So genannte Market-Maker an den Terminbörsen haben dafür zu sorgen, dass ein kontinuierlicher Handel möglich ist. Diese Banken oder Wertpapierhäuser haben sich verpflichtet, zu fairen Kursen jederzeit als Verkäufer oder Käufer am Markt zu erscheinen, wenn ein Anleger etwas kaufen oder verkaufen will.

An der Eurex werden unter anderem folgende Optionen und Futures gehandelt:

  • Optionen auf den DAX,
  • Optionen auf die DAX-Aktien,
  • Futures auf Bundesobligationen, genannt Bobl-Futures,
  • Futures auf langfristige Bundesanleihen, genannt Bund-Futures,
  • Futures auf den DAX,
  • Futures auf den MDAX,
  • Futures auf den Euro Stoxx 50,
  • Futures auf Zinskontrakte,
  • Optionen auf Bund- und Bobl-Futures.

Der Hauptunterschied zwischen Futures und Optionen ist, dass bei Ersteren der Käufer die Verpflichtung hat, etwas zu einem bestimmten Zeitpunkt zu erwerben, bei Letzteren dagegen hat er das Recht, etwas zu erwerben beziehungsweise zu verkaufen, ebenso gut kann er es aber auch bleiben lassen. Bei Futures-Geschäften gehen zwei Vertragspartner, Käufer und Verkäufer, eine Verpflichtung ein. Sie vereinbaren verbindlich, eine bestimmte Anzahl des Basiswerts zu einem bestimmten Termin zu einem festgelegten Preis zu liefern beziehungsweise abzunehmen. Futures haben ihre Ursprünge in Warentermingeschäften. Farmer oder Bauern haben sich damit gegen Preisschwankungen ihrer Produkte abgesichert. Mit einen Future- Kontrakt konnten sie so zum Beispiel schon den Weizen des nächsten Jahres zu einem festen Preis verkaufen.

Futures können vor Ablauf des vereinbarten Termins an der Börse ver- und gekauft werden. Dabei gibt es nur zwei Geschäftsarten. Wer einen Future kauft, geht eine so genannte Long-Position ein. Wer einen Future verkauft, geht eine Short-Position ein. Sowohl für den Kauf als auch für den Verkauf müssen laut Börsengesetz Sicherheiten hinterlegt werden. Eine Option ist ebenfalls ein Vertrag zwischen zwei Parteien. Der Verkäufer einer Option wird Stillhalter genannt. Eine Option verbrieft das Recht, einen Basiswert, zum Beispiel Aktien oder Währungen, zu einem bestimmten Zeitpunkt (europäische Version) oder innerhalb eines bestimmten Zeitraums (amerikanische Version) und für einen bestimmten Betrag zu kaufen oder zu verkaufen. Der Preis, den man für dieses Recht zahlen muss, ist die so genannte Optionsprämie. Macht der Anleger innerhalb des vereinbarten Zeitraums beziehungsweise zum vereinbarten Zeit von seinem Optionsrecht keinen Gebrauch, so verfällt dieses Recht und der Schein ist nichts mehr wert, also Totalverlust.

Es gibt Kaufoptionen, Call genannt, und Verkaufsoptionen, Put genannt. Eine (europäische) Kaufoption beinhaltet das Recht, am Stichtag den Basiswert zu dem vereinbarten Preis zu kaufen, eine (europäische) Verkaufsoption das Recht, einen Basiswert am Ende der Laufzeit zu verkaufen.

Wer mit steigenden Kursen rechnet, kauft eine Kaufoption (Longcall). Als Basispreis bezeichnet man den vereinbarten Kaufpreis. Steigt der Kurs des Basiswerts, zum Beispiel der Aktie, bis zum Ende der Laufzeit über die Summe aus Basispreis plus Optionsprämie, dann wird der Anleger sein Optionsrecht ausüben und die Aktie für den Basispreis kaufen, um sie dann sofort an der Börse zum höheren aktuellen Kurs zu verkaufen. Man sagt dann, die Option ist in-the-money. Der Gewinn ist also die Differenz zwischen dem Börsenkurs des Basiswerts und dem Basispreis, abzüglich der bereits gezahlten Optionsprämie. Wenn der Aktienkurs noch innerhalb der Laufzeit entsprechend steigt, kann der Besitzer einer Kaufoption auch diese zu einem höheren Preis verkaufen, anstatt sie einzulösen.

Wenn der Börsenkurs bis zum Ende der Laufzeit unter dem Basispreis liegt, so ist diese Option out-of-money. Sie ist am Ende nichts mehr wert. Der Verlust des Käufers der Kaufoption ist die gezahlte Optionsprämie.

Wer eine Verkaufsoption kauft (Longput), kann sich gegen Kursverluste absichern. Man erwirbt damit das Recht, seine Aktien zu einem bestimmten Zeitpunkt zu einem bestimmten Preis zu verkaufen. Diese Art von Optionen wird oft von Fondsmanagern genutzt, um das Kursrisiko für ihre Anleger zu minimieren. Sie können fallende Aktien auf jeden Fall zu einem für sie günstigen Preis loswerden.

Fällt der Kurs der Aktie unter den vereinbarten Basispreis, wird der Besitzer der Verkaufsoption sein Optionsrecht einlösen und damit die Aktie zu einem höheren Preis verkaufen, als er an der Börse erzielen würde. Sein Gewinn ergibt sich aus der Differenz zwischen dem Basiskurs, zu dem er verkauft hat, und dem aktuellen Börsenkurs, abzüglich der gezahlten Optionsprämie. Wenn er die Option bis zum Ende der Laufzeit nicht ausübt, hat er Verluste in Höhe der Optionsprämie.

Die Börse fordert für den Handel mit Derivaten hohe Sicherheiten, so ‚ genannte Margins. Der Anleger muss, wie es im Fachjargon heißt, seine Position decken, das heißt entweder Wertpapiere oder Bargeld hinterlegen. Beim DAX Futures zum Beispiel verlangt die Eurex pro Kontrakt 10 000 Euro an Sicherheiten, und Aufträge unter zwei Kontrakten sind in der Regel gar nicht möglich. Man kann als Privatmann nicht selbst an der Eurex handeln, sondern braucht eine Bank, einen Broker oder ein Wertpapierhaus, das Mitglied der Eurex ist. Die Hausbanken schlagen für gewöhnlich zu den von der Eurex geforderten Mindestsicherheiten gut 50 Prozent auf, dazu kommen noch die Gebühren.

Der Handel an der Eurex war bisher nur Finanzprofis Vorbehalten. Neuerdings will man ihn auch Privatkunden ermöglichen, die dann aber mindestens ein sechsstelliges Spielgeld zur Verfügung haben müssen. Die Eurex will mittelfristig einen Privatanlegeranteil von 20 Prozent erreichen. Dazu sollen die Produkte weiter standardisiert und die Preise übersichtlicher gestaltet werden. Es wird auch an kleinere Kontrakte gedacht, für die weniger Sicherheiten hinterlegt werden müssen. Dennoch werden die Geschäfte an der Eurex auch in Zukunft nur für Privatanleger mit viel Geld, Erfahrung und Durchhaltevermögen infrage kommen. Denn eines ist klar: Wenn einer etwas gewinnt, dann verliert es der andere. Und es ist fraglich, ob man es als Privatmensch mit den hoch spezialisierten Finanzfachleuten und ihren jahrelangen Erfahrungen mit dem Handel von Futures und Optionen aufnehmen will.

Swaps: Instrumente der Hochfinanz
Um es gleich vorweg zu sagen: Swaps sind auch nichts für Kleinaktionäre. Das Mindestvolumen, um in diesem Geschäft tätig zu werden, liegt bei etwa 5 Millionen Euro. Swap bedeutet eigentlich, dass zwei Vertragspartner Zahlungsströme gegenseitig austauschen, um Kostenvorteile zu nutzen. Dabei gibt es Zinsswaps, Währungsswaps und Equity Swaps. Ein Zinsswap ist eine vertragliche Vereinbarung zwischen zwei Partnern, ihre Zinszahlungen auszutauschen, für eine bestimmte Laufzeit und bezogen auf eine bestimmte Währung und einen bestimmten Kapitalbetrag. So können zum Beispiel feste oder variable Zinsen ausgetauscht werden, Festzinsen unterschiedlicher Laufzeit oder unterschiedliche variable Zinsen. Bei Equity Swaps verpflichten sich die Vertragspartner, variable Zinsen gegen die prozentuale Veränderung einer Aktie, mehrerer Aktien oder eines Aktienindex auszutauschen. Bei Währungsswaps werden Zahlungen in unterschiedlichen Währungen ausgetauscht. Beim Abschluss von Swap- Geschäften üben Banken eine Maklerfunktion aus. Swaps dienen beispielsweise Unternehmen zur Absicherung ihrer mit variablen Zinsen abgeschlossenen Kredite gegen steigende Zinsen. Unternehmen, deren Kredite zu Festsätzen verzinst werden, können umgekehrt, wenn sie mit fallenden Zinssätzen rechnen, diese mithilfe eines Swaps in variable Sätze tauschen, um so von den erwarteten Zinssenkungen zu profitieren.

Caps, Floors und Collars
Wer die gesamte Spielwiese der Finanzanlagen ausnutzen will, der erfreut sich an Begriffen, die heiß in Mode sind, aber nichts mit Textilien zu tun haben: Caps, Floors und Collars. Klingt schick und macht bei Partys richtig Eindruck. Dahinter verbergen sich unter anderem Finanzinstrumente, die im Alltag Zinsbegrenzungsprämie heißen und zum Beispiel auch im Zusammenhang mit Hypothekendarlehen verwendet werden, wenn man sich ein Haus oder eine Wohnung kauft. Sich mit dem inneren Mechanismus dieser Instrumente auseinander zu setzen, ist eigentlich nur Sache von Bankkaufleuten. Trotzdem hier ein kurzer Überblick für den, der es genauer wissen will:

Caps sind Instrumente, mit denen Zinsbelastungen aus Zahlungsverpflichtungen wie bei Festsatzfinanzierungen begrenzt werden können, ohne jedoch auf die Kostenvorteile und Flexibilität einer variablen Finanzierung zu verzichten. Sie werden auch immer mehr von mittelständischen Unternehmen nachgefragt. Ein Cap ist eine Vereinbarung zwischen dem Verkäufer und Käufer. Sobald ein festgelegter Referenzzinssatz über eine Zinsobergrenze steigt, erstattet der Verkäufer dem Käufer den Differenzbetrag, bezogen auf einen vereinbarten Nennwert. Der Käufer zahlt für den Cap an den Verkäufer eine pauschale Summe, entweder bei Vertragschluss oder in vereinbarten Teilbeträgen.

Das bisher Beschriebene war ein Solo-Cap oder Cap ohne Kapital, weil nicht an eine zugrunde liegende Verbindlichkeit des Käufers gebunden. Diese Form ist üblich im Geschäft zwischen Banken. Caps in Verbindung mit variabel verzinslichen Verbindlichkeiten sind eine Zinsversicherung. Steigen die Marktzinsen, erhöhen sich an den Roll-over-Stichtagen die Zinssätze der V-Satz-Verbindlichkeiten (V steht für Variabel); andererseits erstattet der Cap-Verkäufer die Differenz zur Obergrenze, sodass die echte Zinsbelastung nie höher liegt als die Obergrenze der V-Satz-Verbindlichkeiten plus Kreditmarge.

Kreditgeber und Cap-Verkäufer müssen nicht identisch sein, aber viele Banken bieten Pakete von Krediten und Caps, also V-Satz-Darlehen mit Zinsbegrenzungsgarantie; dabei enthält die genannte Zinsobergrenze bereits die Kreditmarge. Floors sind das spiegelbildliche Gegenstück zu Caps. Sie geben dem Käufer die Garantie für eine Zinsuntergrenze bei einer Geldanlage. Gegen Zahlung einer einmaligen oder von laufenden Prämien erstattet der Verkäufer dem Käufer die Differenz des Referenzzinssatzes zur vereinbarten Zinsuntergrenze, gemessen an festgelegten Stichtagen und bezogen auf ein vereinbartes Kapital. Der Anspruch aus dem Kauf des Floors ist ebenfalls nicht an eine zugrunde liegende Geldanlage gebunden.

Collars sind Kombinationen von Caps und Floors. Der variable Zinssatz einer Verbindlichkeit des Käufers wird auf eine bestimmte Bandbreite zwischen Unter- und Obergrenze limitiert. Dadurch ist der Käufer eines Collars sowohl der Käufer eines Caps als auch der Verkäufer eines Floors. Er zahlt für das Recht auf eine Obergrenze und wird für die Einräumung des Rechts auf eine Untergrenze bezahlt. Die Nettokosten eines Collars sind: Cap-Wert abzüglich Floor-Wert. Die Kosten eines Caps können also durch Collars reduziert werden. Auch Collars sind nicht an zugrunde liegende Verbindlichkeiten oder Anlagen gebunden.

Was lernen wir daraus? Machen Sie jemandem, der unbedingt mit Ihnen über Caps, Floors und Collars sprechen möchte, das Angebot einer Informationstauschbörse. Sie hören ihm zu, wenn er sich verpflichtet, anschließend Ihnen zuzuhören. Stellen Sie ihm interessante Themen in Aussicht: Details aus dem Arbeitsalltag eines Histologen oder die Geheimnisse der Kernspintomographie. Diesen Austausch von Informationen sollten Sie dann einen Info-Cap nennen.

Börse für Anfänger – braucht man ein Analysten-Gütezeichen

Brauchen wir ein neutrales Gütezeichen für die Zunft, eine Art TÜV- Siegel? Deutsche-Bank-Chef Breuer hat zwar davor gewarnt: Bitte keine Überregulierung des Finanzmarktes. Aber die Erfahrungen des Jahres 2000 schreien förmlich danach.

Auch für das Bundesaufsichtsamt ist nicht immer Verlass auf die Analysen. Aber BAWe-Präsident Wittich hält eine staatliche Regulierung des Berufsbilds der Analysten in Deutschland für überflüssig. Das muss der Markt zum großen Teil selbst regeln, hat er gesagt. Der Markt sollte wissen, ob ein Analyst unabhängig ist oder einer Bank angehört und ob diese Bank etwa am Börsengang des Unternehmens beteiligt war/ist.

Margarete Wolf, Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium, marschierte vor, will verbindliche Kriterien für die Unabhängigkeit von Analysten festlegen. Man plant einen Ethik-Katalog, der aber nicht gesetzlich festgelegt werden soll. Dieses neue Gütesiegel war von der Standesvertretung DVFA zunächst heftig angegriffen worden. Mittlerweile begrüßt man es. Bereits jetzt existiert ein Ehrenkodex auf freiwilliger Basis, der jedoch nicht ausreicht.

Der Wirtschaftsclub Rhein-Main hatte 100 Banker und große Unternehmensführer gefragt: Glauben Sie, dass ein Finanzanalyst in seiner Beurteilung abhängig von seiner Bank ist? 75 der Probanden, darunter auch Banker, bejahten die Frage.

Es gibt bisher weltweit keine einheitlich gesetzlich oder aufsichtsrechtlich geregelten Anforderungen an die persönliche Berufsqualifikation von Analysten am globalen Kapitalmarkt, bemängelt die Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management e.V. Deshalb habe man eine effektive Selbstkontrolle organisiert, so die Geschäftsführerin Ulrike Diehl. Sie hält aber nichts von nationalen Alleingängen und bemüht sich seit Jahren um eine international geltende Regelung.

Bereits 1995 wurden die DVFA-Standesrichtlinien festgeschrieben, in denen die Mindestanforderungen an die fachliche und berufsethische Kompetenz der Bemfsangehörigen niedergelegt sind. Als selbst regulierende Institution will der Berufsverband damit die Überprüfbarkeit und Vergleichbarkeit von professioneller Qualifikation und beruflichem Wöhlver- halten sicherstellen. Die DVFA sorgt für eine solide Berufsausbildung und eine Berufsausübung nach geltendem Recht und international anerkannten Prinzipien. Sie bietet eine Ausbildung zum Investmentanalysten/DVFA, die den Absolventen vor allem auch für die recht schwierige Bewertung von Wachstumsunternehmen qualifiziert.

Außerdem sind die DVFA-Mitglieder zur strikten Beachtung und Einhaltung der festgelegten Grundsätze ordnungsgemäßer Analyse und Anlageberatung verpflichtet. Verstöße werden vom Ehren- und Schiedsgericht des Verbands sanktioniert. Die beiden Gerichte sind ähnlich wie Handelsgerichte besetzt, die Vorsitzenden sind Berufsrichter, die Beisitzer Praktiker aus dem Berufsstand. Die Schiedsstelle kann allerdings nur von der DVFA selbst oder ihrer Mitgliederversammlung angerufen werden.

Über 90 Prozent der DVFA-Mitglieder verfügen über ein abgeschlossenes Hochschulstudium, in der Regel kombiniert mit einem – zumeist kaufmännischen – Lehrabschluss und/oder weiteren Abschlüssen in- und ausländischer Universitäten. Nach einer mindestens zweijährigen einschlägigen Berufserfahrung kann dann das europäische Berufsdiplom CEFA-Investmentanalyst DVFA erworben werden. Dieses setzt die Teilnahme an einer zehnmonatigen Postgraduierten-Ausbildung voraus, erfolgreich abgeschlossen mit einem viertägigen schriftlichen Examen über 23 1/3 Stunden zu den Themen Analyse und Bewertung von festverzinslichen Wertpapieren, Aktienanalyse und -bewertung, Futures, Optionen und Riskmanagement, Portfoliomanagement, Analyse von Jahresabschluss und Rechnungslegung, Unternehmensfinanzierung sowie Compliance, Berufsethik und Standesrichtlinien. In Deutschland haben bereits rund 1000 Analysten dieses CEFA- Diplom erworben.

Neben dieser Diplomausbildung bietet die DFVA ein- bis zweitägige so genannte Refresher-Kurse sowie zwei- und sechstägige Fortbildungsseminare an. Verschiedene Richtlinien und Maßnahmen der DVFA sollen zur Qualitätssicherung der Investmentanalyse dienen, zum Beispiel die DVFA- Standards für Researchberichte am Neuen Markt, DVFA-Reporting Standards, Scorecard for German Corporate Governance – Standard DVFA Evaluation Method for CG, Ergebnis nach DVF/SG sowie DVFA-Analysten- konferenzen und -foren. Eine Vorstudie für DVFA-Asset-Management-Standards wurde im Dezember 2000 veröffentlicht.

Die DVFA sieht durchaus ein Spannungsfeld, wenn zum Beispiel eine Bank für ein Unternehmen, das sie an die Börse bringen will, einen möglichst hohen Ausgabekurs erreichen will, der Analyst aber einen niedrigeren Kurs ermittelt. Daher gelte, dass der Analyst in diesem Zusammenhang von konkreten, sachlich nicht begründeten und meinungsbildenden Weisungen seines Arbeitgebers freigestellt ist, heißt es in den DVFA-Richtlinien.

Im laufenden Jahr sollen die Richtlinien überarbeitet werden. So ist zum Beispiel eine Black-out-Periode im Gespräch. Danach sollten Analysten, deren Banken den Börsengang eines Unternehmens organisieren, drei Monate vor und nach der Emission keine Studien zu diesem Unternehmen mehr veröffentlichen.

Einige Banken haben auch bereits Regeln für ihre Analysten festgelegt. So ist ihnen das Frontrunning verboten, der Kauf oder Verkauf einer Aktie vor der Veröffentlichung seiner Empfehlungen. Er muss der Bank eigene Aktienbestände mitteilen und darf die Aktien, die er selbst beurteilt, nicht erwerben. Darüber hinaus gibt es die viel gerühmten Chinese Walls zwischen den Handels- und Researchabteilungen.

Staatssekretärin Wölf forderte, dass Analysten nur noch über Aktien berichten, die weder sie selbst noch ihre Arbeitgeber im Depot haben. Dies wäre aber wohl kaum zu verwirklichen, weil praktisch jede Bank Anteile an Aktiengesellschaften hält. Dann bliebe als einzige Lösung eigentlich nur übrig, die Analyseabteilungen komplett aus den Banken auszugliedern.

Professor Wolfgang Gerke vom Lehrstuhl für Bank- und Börsenwesen an der Universität Erlangen-Nürnberg begrüßt die von Wolf vorgeschlagenen Kriterien für die Unabhängigkeit vom Analysten. Ich kann nicht verstehen, warum sich Analysten darüber aufregen. Wer sich sauber verhält, kann das auch unterschreiben, zitiert ihn die FTD. Sollte sich aber dieser Ehrenkodex als nicht praktikabel heraussteilen, müsse die Regierung ein entsprechendes Gesetz erlassen. Auffällig sei, dass die DVFA-Schieds- stelle bislang nicht ein einziges Mal angerufen worden sei. In den USA seien dagegen zahlreiche Fälle bekannt, bei denen die Börsenaufsicht Analysten unter die Lupe genommen habe.

Welche Konsequenzen haben nun aber all diese Überlegungen für den Kleinanleger? Ein Tipp: Schalten Sie Ihren gesunden Menschenverstand beim Aktienkauf nie ab. Sie sind nicht nur auf die Empfehlungen der Analysten angewiesen. Heute gibt es vielfältige Möglichkeiten, sich über die Unternehmen zu informieren. Orientieren sollten Sie sich an den Fundamentaldaten wie Gewinn und Börsenbewertung, Position am Markt und gegenüber Mitbewerbern.

Bei Kaufempfehlungen von Analysten sollten Sie sich vorher immer fragen, welchen Grund ein Analyst für diese Empfehlung haben könnte. Und wenn Sie unbedingt Analystenempfehlungen zurate ziehen wollen, dann dürfen Sie sich nie auf eine einzelne verlassen, sondern müssen sich mehrere Tipps unterschiedlicher Quellen ansehen. Eins ist jedenfalls sicher: Der beste Analyst ist der Anleger selbst.

Börse für Anfänger – Talentschuppen Börse

Während seines Wirtschafts- und Politikstudiums jobbte Pierre Drach (Jahrgang 1966) als Aktienhändler bei dem Makler Ballmaier & Schultz an der Frankfurter Börse. Als es ihm zu stressig wurde, setzte er seine Idee von einer Aktienanalyseabteilung (Research) durch und hatte bald acht Mitarbeiter. Das hieß für den 27-jährigen Studenten Drach: 40 Stunden Uni – 40 Stunden Research.

Zwei Jahre später – genau vor dem deutschen Aktienboom — wurde der Bereich von Drach ausgegliedert und die Independent Research (IR) gegründet, mit Drach als Geschäftsführer. Die neue Geschäftsidee vom bankenunabhängigen, bezahlten Research wurde ein Erfolg. Das ist Drachs Konzept: Er konstruiert ein Angebot nach dem Baukastenprinzip; jeder kann sich das Passende zusammenstellen.

Die Analystenrunde, ein heiß begehrtes Börsen-Wochenblatt, ist das Basisprodukt. Zusatzinfos gibt’s per Fax oder E-Mail. Institutionelle Kunden werden bei neuen Firmennachrichten beraten; für Neuemissions- Kandidaten schrieb er etliche der rund 150 Emissionsstudien im Jahr.

Drachs Erfolg: Der Umsatz verdoppelte sich seit 1995 jedes Jahr.

Es zahlt sich immer aus, den Trend zu verfolgen, meint Drach. Am Neuen Markt sind seiner Ansicht nach viele Werte sehr hoch bewertet. Dort setzt er nur auf Marktführer und lässt die Finger von solchen Firmen, bei denen die Umsetzbarkeit ihrer Geschäftsstrategie fragwürdig ist. Nicht die Ergebnisverbesserung, sondern die Umsatzsteigerung im Quartal zählt für ihn.

Drach sieht Aktien als gute Altersvorsorge. Eine Steuerfreiheit bei allen Aktienanlagen wäre seiner Ansicht nach ein Anreiz gerade für Kleinanleger, mehr Mut am Aktienmarkt zu zeigen und auch kurzfristiger zu investieren.

Man muss dem Vorstandschef in die Augen schauen können, ist eine seiner Maximen beim Aktienkauf. Vor allem sollte man unterbewertete Aktien suchen, interessante Werte aus der zweiten Reihe mit einem überzeugenden Unternehmenskonzept und mit Übernahmefantasien. Drach setzt auf Marktführer mit guten Investor Relations und Shareholder-Value.

Pierre Drach gilt privat als sparsam, fast geizig. Er habe seinen Nissan Sunny nur gegen einen Mercedes SL getauscht, weil der Steuerberater mehr Kosten sehen wollte, heißt es. Wassili Papas (Jahrgang 1970) ist gebürtiger Grieche. Er studierte in den USA Betriebswirtschaft und machte im Alter von 22 Jahren als Jahresbester den Abschluss. Nebenbei hat er Philosophie studiert, was ihm nach eigenen Worten heute mehr nützt als die ganze Betriebswirtschaftslehre.

Er arbeitete zunächst in New York bei der Credit Suisse First Boston als Analyst des First Boston Special Situations Fonds, einem Hedge-Fonds, der sich auf Wertpapiere und Unternehmen mit finanziellen Schwierigkeiten spezialisiert hatte. Ein Jahr später wechselte er als Senior Analyst zu Value Management & Research in Königstein bei Frankfurt, einer Kapitalanlagegesellschaft, die institutionelles und Privatkundenvermögen verwaltet. Seit 1996 managt er bei der Union Investment GmbH deutsche und internationale Fonds mit mittleren und kleinen Aktien.

Mit 29 Jahren managte Papas schon sechs Aktienfonds bei der Völks- und Raiffeisenbank-Fondsgesellschaft Union Investment. Vier bis fünf Millionen Euro bewegte er täglich. Von seinem Büro in Frankfurt verwaltete er über 1,7 Milliarden Euro. Sein Erfolg mit den Fonds EuroAction Midcap und UniDynamic Europa brachte ihm die zweimalige Ehrung zum Fondsmanager 1998 der Zeitschrift Finanzen. Und 1999 wurde er mit dem Standard & Poor’s Award ausgezeichnet, was sozusagen der Oscar der Investmentbranche ist. Mittlerweile wacht Papas über mehr als 5 Milliarden Euro Kundengelder. Papas lebt total in der Börsenwelt. Morgens Punkt sieben liest er das Wall Street Journal und die Börsenzeitung. Er arbeitet täglich zehn Stunden, oft auch am Wochenende. Entspannung findet er bei Waldspaziergängen, beim Joggen oder Schwimmen. Über sein Privatleben redet er nicht, weil er angeblich keines hat.

Papas hat eine Vorliebe für Aktien von Gesellschaften, die nach ihrer Marktkapitalisierung zu den 100 größten europäischen Unternehmen zählen. Das tägliche Kursgeschehen interessiert Papas weniger, vielmehr setzt er auf langfristige Trends. Hightechaktien sollte man seiner Ansicht nach längerfristig halten, weil sie für Spekulationen zu schnelllebig seien. Grundsätzlich hält er wenig von kurzfristigen Anlagen. So macht er für das Desaster am Neuen Markt auch das Verhalten institutioneller Anleger mit kurzfristigen Engagements verantwortlich. Dabei zitiert Papas gern Warren Buffett: Wer eine Aktie nicht im Bewusstsein kauft, sie mindestens zehn Jahre zu halten, der sollte sie auch keine zehn Minuten besitzen.

Die Anlagestrategie von Papas beruht auf einer fundierten Analyse von Markt und Branche. So versucht er die richtigen Wachstumswerte möglichst frühzeitig aus dem Angebot herauszufiltern. Papas hat einen ganz klaren Auswahlprozess, der in fünf Stufen abläuft. Erstens: Wie ist die Nachhaltigkeit des Geschäftsmodells, wie die strategische Positionierung, und ist es ein Markt mit möglichst großen Wachstumschancen? Zweitens: Wie ist die Managementqualität? Drittens: Internes Wachstum gilt als Qualitätssiegel und nicht Wachstum allein durch Akquisitionen. Viertens prüft Papas die Bilanzierungsmethode. Dann erst folgt die Bewertung der Aktie. Die von ihm präferierten Aktiengesellschaften sollten zum Beispiel ein deutlich größeres Gewinnwachstum pro Aktie vorweisen als branchenüblich. Bei denen, die noch mit Verlusten arbeiten, stehe im Vordergrund, wann mit welchen Gewinnen zu rechnen sei. Die Medizin- und Biotechnologiebranche ist Papas zu risikoreich, auch die Medien- und Telekommunikationswerte interessieren ihn nicht, dagegen die Informationstechnologie-Software und der Internet-Infrastrukturbereich.

Eckard Sauren (Jahrgang 1971) gilt als der erfolgreichste Dachfondsmanager Deutschlands. Dachfonds sind Investmentfonds, deren Vermögen ganz oder vorwiegend in Anteilen anderer Fonds angelegt sind. Er wurde in Aachen geboren, machte eine Ausbildung zum Datenverarbeitungskaufmann und ist seit 1991 selbstständiger Unternehmensberater. Er gründete die Sauren Finanzdienstleistungen. Der Sauren Global Growth hat ein Volumen von 120 Millionen Euro und schaffte innerhalb eines Jahres eine Rendite von 48,2 Prozent.

Saurens Erfolgsrezept ist, Fonds genau zu analysieren und mehr zu wissen als andere. Dem Privatanleger rät er, in allen Regionen und Branchen zu investieren, um so das Risiko zu streuen.

Sascha Hirsch (Jahrgang 1970) ist seit 1997 bei der Dresdner-Bank- Tochter Deutsche Investment Trust als Spezialist für europäische kleine und mittlere Unternehmen erfolgreich tätig. Er betreut als Fondsmanager den DIT Spezial und als Ko-Fondsmanager den DIT Neue Märkte Europa. DIT Spezial verwaltet ein Volumen von 196 Millionen Euro und erreichte innerhalb eines Jahres eine Performance von 56,8 Prozent.

Hirsch steht nicht gern im Vordergrund, er weist immer auf sein Team hin, die anderen Fondsmanager und die Analysten, die Hirsch zu seinen Gesprächen mit den Managern der Unternehmen mitnimmt. Ungefähr 300 davon führt er pro Jahr. Hirsch setzt auf fundamentale Fakten. Zunächst sieht er sich den Markt an, danach das Management. Zum Schluss folgt ein Blick in die Bilanz, er- prüft, ob das Ergebnis dynamisch wächst.

 

Über den Dingen stehen

André Kostolany (1906 – 1999) war besonders in Deutschland und Frankreich eine der bekanntesten und bedeutendsten Persönlichkeiten im Zusammenhang mit der Börse. Und selbst jetzt, einige Jahre nach seinem Tode, steht sein Name noch als Markenzeichen für das, was man Börsenkultur nennen kann.

Eigentlich wollte der geborene Ungar Kunstkritiker werden. Schon mit zwölf Jahren begann seine Börsenkarriere in Wien, nachdem seine wohlhabende Familie in den Wirren nach dem Ersten Weltkrieg aus Budapest fliehen und einen großen Teil ihres Vermögens zurücklassen musste. Dann ging es weiter nach Paris, das für ihn bis zu seinem Tode mit einigen Unterbrechungen zur eigentlichen Heimat wurde. Dort assistierte er dem erfolgreichen Börsenmakler Adrien Perquel und wurde bald selbst zum Spekulanten.

1930 stürzte die Pariser Börse in die Tiefe, und Kostolany hatte auf der richtigen Seite investiert. Auf einen Schlag war er reich und hatte, wie so oft, entgegen der allgemeinen Meinung Recht behalten mit seiner Baissespekulation. Nur seine Kollegen und Freunde waren plötzlich arm. Aber schon vier Jahre später, in der anschließenden Hausse, verlor er sein Vermögen wieder fast bis auf den letzten Pfennig. Man wollte Anfang 1934 sogar seine Möbel versteigern.

Da entschloss er sich, eher zwangsweise, für seinen Lebensunterhalt zu arbeiten. Eine neue Erfahrung, die ihm so gut gefiel, dass er entschied, dabei zu bleiben, wie er selbst schreibt. Er wurde Makler. 1936 verdiente er bereits 150 000 Franc, das entspräche, an der Kaufkraft gemessen, heute etwa einer Viertelmillion Dollar. Bereits mit Mitte 30 war er bereits Generaldirektor, Präsident und Hauptaktionär der G. Ballai and Cie Financing Company.

Dann kam die Flucht vor den Nationalsozialisten nach Amerika. Mit 200 000 Dollar (heutiger Wert etwa 4 Millionen Dollar) begab er sich erneut ins Börsengeschäft. Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte er zurück nach Europa. Weil nicht alle Geschäfte so gut liefen wie erwartet, begann er Zeitschriften und Bücher zu schreiben sowie Seminare abzuhalten. 1957 erschien sein erstes Buch, das noch kein Bestseller war wie die späteren. Bis zu seinem Lebensende schrieb er für französische Zeitschriften, den NDR und die Capital monatliche Börsenkolumnen. Von Ruhestand wollte er nichts wissen.

1,5 Millionen Menschen haben seine polemisch-bissigen Bücher gelesen. Tausende ließen sich ein Kostolany-Börsenwochenende 1000 Euro kosten. In Frankreich wurde er für seine Leistungen mit dem Orden Ritter der französischen Ehrenlegion ausgezeichnet. Mit seinem scharfen Verstand und seinen Erfahrungen aus den Weltkriegen und Wirtschaftskrisen schaffte Kostolany sich einen auskömmlichen Lebensstandard. Dauerhaften Reichtum gewann er nicht – und wollte er wohl auch nicht, denn er war mit Leib und Seele Spekulant, der allerdings mit zunehmenden Alter immer weiser wurde. Finanzielle Unabhängigkeit bedeutet allerdings nicht, Multimillionär zu sein. Jemand mit geringen Lebensansprüchen kann auch schon mit einem sehr kleinen Vermögen finanziell unabhängig sein-, sagte der große Meister einmal selbst. Bei meinen Geschäften habe ich zu 49 Prozent falsch und zu 51 Prozent richtig gelegen. Diese 2 Prozent haben den Erfolg ausgemacht.

Hauptberuf Börsen-Guru
Bodo Schäfer (Jahrgang I960) traf mit seinem Buch Der Weg zur finanziellen Freiheit. In sieben Jahren die erste Million 1998 genau den Nerv der deutschen Nation. Jeder wollte schnell reich werden, und wenn ihm dafür einfache Rezepte geboten wurden, umso besser. Wie er selbst zu seinem Vermögen gekommen ist, verschleiert Schäfer gern dezent, sagt aber umso deutlicher, dass er als 26-Jähriger auf einem großen Schuldenberg gesessen hat.

Aber es geht ihm auch gar nicht um seine finanzielle Situation, sondern um die finanzielle Situation seiner Mitmenschen. Und die möchte er als so genannter Money Coach nachhaltig verbessern. Gegen seine Rezepte ist nichts einzuwenden. Sie sind mehrheitlich von ganz solider Natur. Allerdings hat sich bei seinem Auftritt in einer Sendung im Hessischen Rundfunk gezeigt, dass die konkreten Ratschläge, Geld in bestimmte Fonds zu investieren, nicht unbedingt von Erfolg gekrönt waren. Auch hier sollte sich der private Anleger also lieber auf sein eigenes Gespür verlassen.

Ob man nun unbedingt immer einen 1 OOO-Euro-Schein in der Brieftasche tragen, ob man als Vegetarier leben und auf Schlaf verzichten sollte, um mehr Bücher zu lesen, sei dem persönlichen Geschmack überlassen. Dass auch nicht jeder in sieben Jahren die erste Million zusammenhaben wird, dürfte ebenfalls den meisten klar sein. Aber so genau nimmt’s ja auch niemand. Es reicht schon das schöne Gefühl, es möglicherweise schaffen zu können.

Börse für Anfänger – Verschärfte Regeln an Neuen Markten

Nach heftiger Kritik durch die Aktionärsschützer hat die Deutsche Börse zum Jahresanfang 2001 ihre Regeln für den Neuen Markt verschärft. Wichtigste Neuerung ist die Einführung einer Meldepflicht für Geschäfte mit Aktien der eigenen Gesellschaft. Die Unternehmen selbst und die Insider, das sind die Vorstände und Aufsichtsräte, müssen seit März unverzüglich, spätestens aber innerhalb von drei Tagen veröffentlichen, wenn sie Aktien der eigenen Gesellschaft kaufen oder verkaufen. Außerdem müssen sie beim Börsengang im Emissionsprospekt einzeln aufschlüsseln, wie viele Aktien ihrer Firma sie besitzen. Vorher musste nur die Gesamtzahl genannt werden. In den USA gehen die Regeln noch weiter. Da müssen Insider Aktienverkäufe sogar vor der Transaktion anmelden. Man will mit dieser Neuregelung verhindern, dass Insider ihre Aktien einfach verkaufen, bevor sie Informationen, die sich negativ auf den Kurs auswirken könnten, ad hoc mitteilen, und nur die anderen Aktionäre nachher die Verluste hinnehmen müssen.
Investmentfonds können mit ihren großen Aktienpaketen auch die Kurse beeinflussen. Sie sind jedoch von der Meldepflicht für Wertpapier geschälte nicht betroffen. Aktionärsschützer hoffen, dass dieses mit Verabschiedung des vierten Finanzmarktförderungsgesetzes geschehen wird.

Seit Januar 2001 werden auch strengere Maßstäbe an die Quartalsberichte der Unternehmen am Neuen Markt gelegt und Verstöße harter bestraft. Quartalsberichte sind jetzt umfangreicher geworden; es ist eine standardisierte Form vorgeschrieben, und sie müssen bestimmte wichtige Kennzahlen enthalten. Außerdem müssen Quartalsberichte die Bilanz für den Berichtszeitraum enthalten sowie die Anzahl der Aktien, die vom Unternehmen, den Vorständen und Aufsichtsräten gehalten werden. Volker Potthoff, Mitglied des Vorstands der Deutsche Börse AG, sagte, man wolle mit den Neuerungen wieder ein Zeichen für das Qualitätsmerkmal Transparenz setzen, das den Erfolg des Neuen Marktes ausmache. Allerdings wies er auch darauf hin, dass das Regelwerk weder sinkende Kurse noch Fehlverhalten der Vorstände verhindern könne. Die neue Form der Quartalsberichte biete eine bessere Vergleichbarkeit. Das stimmt sicher. Aber Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Für den Kleinaktionär wäre es besser, wenn auch vorgeschrieben wird, dass die Quartalsberichte von Wirtschaftsprüfern testiert werden müssen, das brauchen sie nämlich nach der jetzigen Rechtsprechung, auch nach der Verschärfung, nicht.

Halten die Unternehmen die Vorgaben für die Quartalsberichte nicht ein oder liefern sie diese nicht innerhalb von 60 Tagen, dann wird das im Internet unter neuer-markt*com veröffentlicht, und die Börse behält sich zusätzlich vor, die Aktiengesellschaft abzumahnen, mit einem Bußgeld von bis zu 100 000 Euro zu belegen oder auch vom Neuen Markt auszuschließen. Dies ist Ende Februar 2001 erstmalig geschehen. Der zuständige Ausschuss der Börse hat der Gigabell AG die Zulassung zur Börsennotierung entzogen. Begründet wird dieser Schritt damit, dass das Unternehmen den Bericht für das dritte Quartal 2000 trotz mehrfacher Mahnungen nicht vorgelegt hat. Gigabell hatte im Herbst als erstes Unternehmen am Neuen Markt Insolvenz angemeldet. Eine Übernahme durch einen finnischen Internetprovider platzte. Wenn die Gigabell-Aktie mit Ablauf des 23. Februar den Neuen Markt verlässt, rückt sie nicht automatisch in das Börsensegment des geregelten Marktes. Dazu müsste sie zusammen mit einem zugelassenen Kreditinstitut erst einen Antrag stellen.

Den Aktionärsschützern gehen die Verschärfungen der Bestimmungen des Neuen Marktes noch nicht weit genug. Sie fordern, dass wie in den USA Aktienkäufe bereits vorher angemeldet werden müssen, dass die Lock-up-Periode verlängert wird und dass die Zulassungsbedingungen für Börsenkandidaten am Neuen Markt verschärft werden.

Ad-hoc-Meldungen: gut gemeint, oft schlecht gemacht
In der schönen neuen Aktienwelt gibt’s das Wort unverzüglich oder ad hoc. Auch wer beim Latinum geschlafen hat, zuckt an der Börse bei einer Ad-hoc-Meldung zusammen, wenn die – von wem auch immer – über den Bildschirm flattert. Sonne oder Gewitter? Schon wieder eine Gewinnwarnung oder diesmal was Positives? Vorstand und Investor-Relations- Abteilung formulieren sie, die Gesellschaft für Ad-hoc-Publizität in Frankfurt bringt sie unters Volk: an Nachrichtenagenturen, Zeitungen, Funk und TV. Damit alle gleichzeitig informiert sind und – wie auch immer – handeln können. Alles im Sinne des fairen Anlegerschutzes und genau geregelt. Bei Ankündigungen mit gravierenden Kursfolgen (Verlust- oder Gewinnansage, Fusionsabsichten, drastische Strukturänderungen im Unternehmen) sicherlich auch zweckmäßig.

Oder auch nicht. Was heißt denn erhebliche Kursrelevanz? Schon wenn im Vorstand Stühle gerückt werden, wenn Aufträge kommen oder storniert werden, eine Tochtergesellschaft verkauft, saniert, was immer wird? Könnte ja alles erhebliche Auswirkungen auf den Kurs haben, wenn ein Großauftrag abgesagt, der Finanzvorstand gegangen wird oder Ähnliches. Die Unsicherheit jedenfalls ist seit der Einführung groß. Auch beim Bundesaufsichtsamt, das sich bei Anfragen bedeckt hält und sich höchstens hinterher äußert, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist.

Etwa beim Börsenwert Borussia Dortmund, der ad hoc die Krankheit eines Stürmerstars mit dem Hinweis meldete, er leide an einem Gehirntumor. Das erregte und rührte die ganze Nation: eine Ad-hoc-Meldung über eine Veränderung eines Vermögenswerts in der Bilanz. Doch – es ist ein Mensch und keine Maschine! Muss das sein? Nein, es muss nicht, sagt das Amt. Krankmeldung ja, denn ein wichtiger Aktivposten der Aktiengesellschaft Borussia fällt aus. Das reicht, die Art der Erkrankung ist Intimsphäre.

Solche Klarstellungen wünscht sich die Börse öfter, sonst würden nicht Meldungen ins Kraut schießen, die Marketingabteilungen massenhaft als ad hoc, also höchst wichtig ansehen: Wir haben eine neue Software, unsere Telefontarife werden gesenkt oder am nächsten Montag kommen Analysten zu uns ins Haus. Toll, alles mit erheblicher Kursrelevanz. Die für Anleger wichtigsten Informationen, nämlich die Prognosen, dürfen leider nicht Inhalt von Ad-hoc-Meldungen sein. Genau die wären’s aber, denn an Börsen wird ausschließlich Zukunft gehandelt. Nur neue Tatsachen, die einer objektiven Klärung zugänglich sind, machen den Kohl nicht fett. Die Ad-hoc-Regelung ist wichtig, aber offen für Missbrauch und daher stark verbesserungsfähig.

Ob es früher, zu Zeiten des Börsenaltmeisters André Kostolany, als es noch keine Ad-hoc-Meldungen gab, besser um Informationen bestellt war? Für die Presse und für viele der Börsenteilnehmer auf jeden Fall interessanter. Es gab immer was zu hören und zu sagen, was andere noch nicht wussten. Heute reduziert sich das Parkettgeflüster oft auf belanglose Informationen oder eben nur Gerüchte. Kursrelevante Informationen müssen allen gleichzeitig zur Verfügung gestellt werden. Wer hat also heute noch einen Informationsvorsprung? Selbst wenn man einen Manager der zweiten Reihe anruft, heißt es: Sony, wir vom Führungskreis dürfen die Informationen aufgrund der Gesetzgebung des Wertpapierhandels nicht nach draußen geben. Also: Auch der normale Mitarbeiter eines Unternehmens ist Insider, darf nichts ausplappern. Wenn’s wichtig ist und es kommt raus, wird er verknackt.

Nur ein Verweis an die Pressestelle oder an die Abteilung Investor Relations ist erlaubt. Nur die sind befugt, etwas zu sagen.

Die Zahl der Ad-hoc-Meldungen ist im Jahre 2000 geradezu explodiert. 1995 verzeichnete das Bundesamt für den Wertpapierhandel gerade einmal 1001 Ad-hoc-Meldungen, 1999 waren es schon 3 417 und 2000 genau 5 693- In sechs Fällen hat das Bundesaufsichtsamt im Jahr 2000 wegen falscher Angaben Bußgelder verhängt, 1999 waren es zwei. Die meisten eingeleiteten Verfahren enden mit einer Einstellung.

Nach der Krise am Neuen Markt fühlen sich inzwischen auch Politiker für die Kleinanleger verantwortlich. Die vom Bundeskanzler im Sommer 2000 eingerichtete Grundsatzkommission Corporate Governance sollte ursprünglich Regeln für Firmenübemahmen und moderne Unternehmensführung aufstellen. Nun hat sie die Aufgabe bekommen festzustellen, ob die Rechte der Kleinanleger nicht auch per Gesetz gestärkt werden müssen. Die Mitglieder der Kommission – Banker, Börsenmanager, Aktionärsschützer, Vorstände börsennotierter Unternehmen, Juristen und Politiker -, sind sich bisher keinesfalls einig. Vor allem die Banker und Börsianer fürchten eine Überregulierung. Auch das Deutsche Aktieninstitut ist der Ansicht, dass keine Gesetzesänderungen nötig sind, es reiche eine bessere Durchsetzung der bestehenden Regeln. Rüdiger von Rosen, Chef des Deutschen Aktieninstituts, fordert eine starke Börsenaufsicht nach dem Muster der amerikanischen SEC.

Arthur Levitt, ehemaliger Chef der amerikanischen Börsenaufsicht SEC (Securities and Exchange Commission), gilt als Anwalt der Investoren. Er verfolgte vor allem ein Ziel: den Aktienhandel für Privatanleger transparenter zu machen. Aus diesem Grund hat er sich auch viele Feinde an der Wall Street gemacht.

In seinen acht Amtsjahren hat Levitt für den Kleinanleger gekämpft. Dabei hat er den Fondsmanagern und Analysten das Leben schwer gemacht, vor allem denjenigen, die im Fernsehen ihre Tipps zum Besten gaben. Er hat sich auch mit den führenden amerikanischen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften angelegt, weil diese immer mehr in das Beratungsgeschäft eingestiegen sind, anstatt ihrer Prüfungsaufgabe nachzugehen. Eine von ihm eingeführte SEC-Regelung verbietet den Wirtschaftsprüfern zwar nicht ganz die (besser als die Prüfung bezahlten) Beratungsgeschäfte, erschwert aber ziemlich stark die Verknüpfung beider Mandate.

Kurz vor seinem Abtritt hat Levitt noch eine ganze Reihe von Regeln zur Verbesserung der Transparenz beim Aktien- und Fondskauf eingeführt. So schaffte er das Privileg der Wertpapieranalysten ab, von den Unternehmen vorher mit kursrelevanten Informationen versorgt zu werden. Den Fondsgesellschaften drückte er einige neue Vorschriften auf, die dem Anleger helfen, Fonds besser vergleichen zu können.