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Suche nach den einfachen Regeln an der Börse

Seil in May and go away (Im Mai verkaufen und dann weglaufen). Jeder Aktieninteressierte wird diesen Börsenkalenderspruch kennen. Die Idee, dass es an der Börse so genannte Kalendereffekte gibt, also wiederkehrende Kursentwicklungen, die in Abhängigkeit zum Jahresverlauf, aber auch zu Monats- und Wochenrhythmen stehen, ist einfach nicht totzukriegen.

Es tauchen immer wieder Ereignisse auf – und es gibt auch ganz rationale Überlegungen die diese Kalendereffekte zu bestätigen scheinen. Am bekanntesten sind die so genannte Jahresendralley, der Januareffekt und der Montagseffekt.

So soll besonders der Januareffekt darauf beruhen, dass speziell die institutionellen Investoren sich aufgrund der an das Kalenderjahr angepassten Geschäftsjahre in einer bestimmten Art und Weise verhalten. Im Januar, wenn das neue Geschäftsjahr beginnt und das alte abgeschlossen ist, kann man neue Risiken eingehen und kauft deshalb besonders viele Aktien. Also ist der Januar ein Boom-Monat.

Da alle Aktionäre wissen, dass im Januar gut gekauft werden wird, decken sie sich im Rahmen der Jahresendralley im Dezember noch kräftig mit Aktien ein, die sie dann im Januar verkaufen werden, bevor der Kurs Ende Januar wieder fällt. Das hört sich alles zunächst ganz plausibel an, ist es aber nicht, denn wenn alle Kapitalanleger sich in gleicher Weise verhalten, also alle gleichzeitig entweder nur kaufen oder nur verkaufen, lässt das den schönsten Kalendereffekt platzen.

Da aber niemand eine Chance auslassen will, haben die verschiedensten Forschungsinstitute die Kalendereffekte untersucht. Das am besten erforschte Phänomen ist der Januareffekt. Das Ergebnis bestätigt zwar, dass es ihn gibt, aber er ist viel zu klein, um ausgenutzt werden zu können.

Und wie ist es mit der Jahresendralley? 1999 ist sie ganz toll gelaufen. Mitte 2000 bereiteten sich alle drauf vor, und was dann? Sie fiel aus! Und weil das Gedächtnis der Leute so schlecht ist und eher kurzfristig programmiert, darf man damit rechnen, dass niemand eine Jahresendralley für das Jahr 2001 erwartet. Was wird wohl passieren? Sie kommt – oder sie kommt nicht. Je nachdem, wer was prognostiziert: Er wird sich bestätigt fühlen und deshalb auch weiterhin die Botschaft vom Kalendereffekt in die Welt tragen.

Besonders die großen Investoren, bei denen schon im Promillebereich fette Profite eingefahren werden, sind an diesen Effekten interessiert gewesen und haben alles untersuchen lassen. Ihr Ergebnis: Es nützt nichts, diese Überlegungen in die eigene Strategie mit einzubeziehen.

Eine Ausnahme ist eventuell der US-Rentenmarkt, der erstens noch nicht genau erforscht ist, zumindest nicht in Bezug auf den Kalendereffekt, und in dem sich außerdem seit 1994 ein gewisser Rhythmus eingestellt zu haben scheint. Allerdings hat man auch schon eine mögliche Fehlerquote für den Kalendereffekt errechnet. Er liegt beim US-Renten- markt bei 35 Prozent Misserfolg. Ob nun der Erfolg auf anderen Faktoren beruht, ist noch nicht so genau zu sagen.

Jeder Anleger sollte sich vor Augen führen, dass der Kalendereffekt besonders deshalb immer wieder gern als Argument in Empfehlungen einfließt, weil er besonders leicht zu vermitteln und zu planen ist. In einen Kalender gucken kann jeder, und einfache Lösungen sind eben immer noch die beliebtesten, auch wenn sie nicht die effektivsten sind. Der amerikanische Schriftsteller Euro Twain hat das in seinem Ratschlag auf den Punkt gebracht: Für die Börsenspekulation ist der Februar einer der gefährlichsten Monate. Die anderen sind Januar, März, April, Mai, Juni und Juli bis Dezember.

Gute Zeiten, schlechte Zeiten
Das so genannte Market-Timing kann man in gewisser Weise als eine Variante des Kalendereffekts betrachten. Market-Timing geht davon aus, dass es besonders günstige Kurstage gibt — und natürlich auch besonders ungünstige. Man braucht vorher nur zu wissen, um welche Tage es sich handelt, um dann durch den Kauf und Verkauf seiner Aktien zusätzliche Gewinne zu erwirtschaften.

Fidelity Investments, das größte unabhängige Fondsmanagementunternehmen der Welt, wollte nun gern wissen, was an diesem Market-Timing dran ist. Dafür startete man eine groß angelegte Studie, die sich die Entwicklung der renommierten Aktienindizes rund um die Welt in den Jahren 1987 bis 2000 vornahm. Die Fragestellung war: Welche Konsequenzen hat es, wenn ein Anleger die besten Kurstage verpasst hat und stattdessen Aktien kontinuierlich behielt, ohne sie zwischendurch zu verkaufen und dann wieder zurückzukaufen? Die Ergebnisse verblüffen. Bezogen auf den DAX 30 erreichte ein Anleger, wenn er die zehn besten Tage des Jahres verpasst hat, eine jährliche Performance von 10,3 Prozent. Hat er sogar die 40 besten Tage des Jahres verpasst, liegt seine Performance nur noch bei 1,6 Prozent. Der Anleger, der sich gar nicht um diese Tage kümmert und einfach nichts tut, erwirtschaftet allerdings eine Performance von 15,4 Prozent.

Und wie sieht es mit den schlechtesten Kurstagen aus? Wer die 40 schlechtesten Kurstage am DAX 30 umgangen hat, konnte eine jährliche Performance von 33,1 Prozent erzielen. Wer die schlechtesten zehn Tage umging, lag immerhin noch bei 21,5 Prozent. Beide Mal hätte man besser abgeschnitten als bei einer ununterbrochenen Anlage. Aber das sind natürlich alles nur hypothetische Zahlen mit Ausnahme deren, die sich auf eine durchgehende Anlage beziehen. Es käme nämlich darauf an, nicht im Nachhinein festzustellen, welcher Tag gut oder schlecht war, sondern dies bereits vorher zu wissen.

Man müsste also Hellseher sein. Und damit hat es bisher immer noch gehapert, wie sich ebenfalls mit Statistiken beweisen lässt. Es gibt unzählige Experten, die für die Jahre 1994 bis 1998 jeweils das Ende des Booms vorausgesagt haben und jedes Mal falsch lagen. Fidelity Investments untersuchte dann auch noch, wie das jährliche Ergebnis sich darstellen würde, wenn man seine Aktien stets zum höchsten Kurs gekauft hätte, zum günstigsten Kurs oder einfach nur zum 1. Januar.

Für Deutschland mag das Ergebnis für Market-Timing-Spezialisten niederschmetternd sein. Beim Einstieg zum höchsten Kurs betrug die Jahresperformance nur 11,9 Prozent. Wer stets den günstigsten Kurs erwischte, hatte eine Performance von 12,8 Prozent, und wer immer zum 1. Januar kaufte, konnte mit dieser Methode eine Performance von 12,6 Prozent erzielen. Also, was soll’s? Der Unterschied zwischen dem besten und schlechtesten Ergebnis lag gerade mal bei 0,9 Prozent pro Jahr. Es ist zwar klar, dass die besten und schlechtesten Tage sehr eng beieinander liegen und dass die größten Kursschwankungen meist in wenigen aufeinander folgenden Tagen stattfinden. Nur darf man sich eben einfach davon nicht irritieren lassen.

Wenn man seine Aktien nach einer gründlichen Analyse auswählt, also Aktien von gesunden Unternehmen mit realistischen Zukunftsperspektiven kauft, spielt das, was tagtäglich an der Börse geschieht, für den gesamten Jahresverlauf nur noch eine untergeordnete Rolle. Für solide Werte gilt die Kostolany-Regel vom Aktienkaufen und Schlafengehen dann doch noch, nur eben nicht mehr über viele Jahre oder gar Jahrzehnte hinweg.