„US-Zölle gefährden bis zu 90.000 Arbeitsplätze in Deutschland“
Ein Interview mit Andrea Nahles, Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit Veröffentlicht in der Süddeutschen Zeitung
Die wirtschaftliche Lage in Deutschland bleibt angespannt – und nun droht neue Unruhe von außen. Die Zollpolitik der USA unter Ex-Präsident Donald Trump könnte den deutschen Arbeitsmarkt massiv unter Druck setzen. Andrea Nahles, Chefin der Bundesagentur für Arbeit, warnt im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung vor gravierenden Folgen: Zehntausende Arbeitsplätze könnten betroffen sein – und das innerhalb nur eines Jahres.
Frau Nahles, wie ernst ist die Lage?
Nahles: Es ist sehr ernst. Die Zahlen sprechen für sich: Wenn die USA tatsächlich Zölle in Höhe von 25 Prozent durchsetzen, dann könnte das laut aktuellen Berechnungen bis zu 90.000 Jobs in Deutschland kosten. Diese Zahl stammt nicht von uns allein, sondern basiert auf Analysen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) sowie weiterer Forschungsinstitute.
Was ist das eigentliche Problem – die Höhe der Zölle oder deren Unberechenbarkeit?
Nahles: Ganz klar: die Unberechenbarkeit. Die erratische Handelspolitik der USA richtet enormen Schaden an – nicht nur durch konkrete Maßnahmen wie Zölle, sondern weil sie jede Planungssicherheit nimmt. Unternehmen investieren nicht mehr, stellen keine neuen Leute ein, bilden nicht aus. Und das in einer Zeit, in der der deutsche Arbeitsmarkt ohnehin unter Druck steht.
Welche Auswirkungen zeigen sich bereits jetzt?
Nahles: Die Arbeitslosigkeit steigt spürbar. Im vergangenen Monat hat sie sich deutlich stärker erhöht als erwartet. Zum ersten Mal seit zehn Jahren bewegen wir uns wieder auf die Marke von drei Millionen Arbeitslosen zu. Das ist ein Alarmsignal – zumal wir gleichzeitig in vielen Branchen unter einem gravierenden Fachkräftemangel leiden. Wir haben also auf der einen Seite freie Stellen, und auf der anderen Seite einen wachsenden Pool an Menschen ohne Arbeit.
Was bedeutet das für die Politik der Bundesregierung?
Nahles: Kanzler Friedrich Merz hat angekündigt, die deutsche Wirtschaft aus der Krise zu führen. Aber das wird nicht funktionieren, solange äußere Faktoren wie US-Zölle ungebremst auf uns einwirken. Wenn sich dieser Kurs aus Washington fortsetzt, droht Deutschland in eine dritte Rezession in Folge zu rutschen – das wäre ein historischer Tiefpunkt seit Bestehen der Bundesrepublik.
Was wäre nötig, um gegenzusteuern?
Nahles: Zum einen braucht es auf europäischer Ebene eine klare handelspolitische Antwort. Deutschland kann das nicht allein lösen. Zum anderen müssen wir hierzulande unsere Hausaufgaben machen – die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verbessern, Unternehmen entlasten, mehr Tempo bei Digitalisierung und Bildung schaffen. Nur so bleibt der Standort Deutschland attraktiv.
Fazit
Die Zahlen sind besorgniserregend: Bis zu 90.000 Arbeitsplätze könnten durch amerikanische Zölle bedroht sein. Die Unsicherheit wirkt lähmend auf Investitionen und Personalplanung. Und das alles zu einem Zeitpunkt, an dem der Arbeitsmarkt ohnehin unter Druck steht. Für die Politik – national wie europäisch – ist das ein dringender Weckruf.