Wer seinen Immobilienkredit vorzeitig ablöst, müsste den Banken doch eigentlich einen Gefallen erweisen. Doch weit gefehlt. Die Geldhäuser wollen das geliehene Kapital gar nicht vor Ablauf der Darlehenszeit zurück. Denn dann müssten sie ja über neue Anlagen für das Geld nachdenken. Das macht Arbeit, und die muss der Kunde bezahlen. Also wurde die Vorfälligkeitsentschädigung erfunden. Diese Gebühr sollte sich an den Zinsen orientieren, die die Bank erhält, wenn sie das Geld für die Restlaufzeit des Kredites in andere, ähnlich sichere Anlagen investiert. Die Differenz zwischen den Zinsen, die das Kreditinstitut aus der Bedienung des Hypothekendarlehens erhalten hätte, und der Rendite, die die Bank durch ein Investment – beispielsweise in festverzinsliche Wertpapiere wie Pfandbriefe – erwirtschaften würde, muss der Kunde zahlen, der ein Darlehen vorzeitig ablöst.
Die Summe, die dem Darlehensnehmer allerdings tatsächlich in Rechnung gestellt wird, liegt irgendwie im Gutdünken der Banken. Sie entscheiden, wie sie das vorzeitig erhaltene Kapital reinvestieren, und zur Berechnungsgrundlage werden natürlich besonders niedrigverzinste Papiere herangezogen, damit der Kunde richtig für seine Entscheidung bluten muss, vorzeitig einen Kredit zurückzuzahlen.
Das Hamburger Institut für Finanzdienstleistungen (IFF) hat bei einem Vergleich festgesteilt, dass in Deutschland die höchsten Vorfälligkeitsentschädigungen in ganz Europa eingefordert werden. Danach werden zum Beispiel für ein Darlehen über 100000 Euro mit einer Laufzeit von zehn Jahren und einem festen Zinssatz von sechs Prozent bei einer vorzeitigen Rückzahlung nach fünf Jahren eine Entschädigung von 10000 Euro fällig. In Österreich, dem zweitteuersten Land in diesem Vergleich, müssen nur 5000 Euro bezahlt werden, in Frankreich nur 3000 Euro und in Portugal kommt der Kunde mit 1400 Euro weg.
Doch die Kunden werden nicht nur abgezockt, sondern auch über die Methoden, wie die Banken ihren Anteil errechnen, im Unklaren gelassen. Selbst die Experten des IFF konnten die Kalkulationen der Banken oft nicht nachvollziehen. Schon die Begriffe sind für Laien völlig unverständlich: Da werden Zerobond-Abzinsungsfaktoren oder Zins-Interpolationen herangezogen, oder die Kosten werden nach der Barwertmethode anhand von fiktiven Wideranlagen sowie kalkulatorischen Risiko- und Verwaltungskosten ermittelt. Gern wird auch der PEX-Index herangezogen, um die Gebühr auf ein für Kunden schädliches Maß heraufzutreiben. Ein äußerst perfides Vorgehen. In der Definition der Deutschen Bundesbank ist der PEX ein Kursindex, der in seiner Zusammensetzung einem Pfandbriefportfolio aus 30 synthetischen Pfandbriefen mit ganzzahligen Laufzeiten von 1 bis 10 Jahren und jeweils drei Kupontypen von 6 Prozent, 7,5 Prozent und 9 Prozent entspricht.
Dieser Index bildet nicht nur realisierte Kurse ab, sondern basiert auf den Konditionen von deutschen Pfandbriefinstituten, zu denen sie bereit wären, Pfandbriefe zu verkaufen. Dabei haben die Herausgeber von Pfandbriefen immer ein Interesse daran, die Konditionen – Ausgabekurs, Zinssatz und Laufzeit – so niedrig wie möglich zu halten, um ihre Kosten zu kontrollieren. Die Käufer solcher Wertpapiere wollen genau das Gegenteil, mehr Zinsen und in Hochzinsphasen auch längere Laufzeiten. Allein der Bezug auf diese fiktive Größe macht die Vorfälligkeitsberechnung für jeden Kunden zum Buch mit sieben Siegeln. Nicht einmal nachvollziehbar für Experten. Solange nicht die Annahmen bekannt sind, die die Bank ihren Berechnungen zugrunde gelegt hat. Doch die werden besser gehütet als das Bankgeheimnis. Diese Unsitte beschäftigte auch den Bundesgerichtshof, der im November 2004 befand, dass eine Orientierung an den Hypothekenpfandbriefen Möglichkeiten zu einer realistischeren Darstellung der Zinsdifferenz böte. Doch es brauchte Zeit und Druck von Seiten der Kunden, bis die Banken Bereitschaft zur Korrektur zeigten.
Manche Hypothekenbank beschreitet sogar einen ganz anderen Weg: Sie sattelt noch ein paar Euro obendrauf und verlangt zusätzlich Bearbeitungs- und sonstige Gebühren. Den Rekord im Abzocken auf diesem Gebiet hält wohl die Aareal Bank mit Sitz in Mainz.
Wer einen Immobilienkredit dieses Instituts vorzeitig zurückzahlen will, muss nicht nur eine Vorfälligkeitsentschädigung entrichten, sondern auch noch eine Treuhandgebühr von oft über 400 Euro. Das ist zwar rechtswidrig, aber viele Kunden zahlen diesen Betrag, um die Ablösung nicht zu gefährden. Gegen diese unrechtmäßige Bereicherung der Bank will die Hamburger Verbraucherzentrale mittels Sammelklage Vorgehen. Für Kunden, die ihre Abhängigkeit von ihrer Bank reduzieren und ihre Schulden vorzeitig zurückzahlen wollen, lohnt es sich in den meisten Fällen, die Verträge genau zu prüfen und nachzurechnen. Diese Mühe zahlt sich eigentlich immer aus – auch wenn fremde Hilfe in Anspruch genommen wird und ein Honorar von 100 bis 200 Euro anfällt.