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Welche Renditen erzielt die Aktienanlage

Die Fragen, die sich aufdrängen, sind: Sind Aktien wirklich so lukrativ, wie immer wieder behauptet wird? Kann man mit Aktien reich oder zumindest wohlhabend werden? Natürlich lassen sich diese Fragen nicht einfach beantworten, aber man kann dennoch einige wichtige Aussagen machen. Die empirische Finanzmarktforschung hat eine Vielzahl wissenschaftlicher Studien angefertigt, um die langfristigen Renditen der Aktienanlage zu ermitteln. Teilweise wurden Dat(in für einen Zeitraum erhoben, die sich auf ein ganzes Jahrhundert erstrecken. Glücklicherweise sind Börsendaten leicht verfügbar, da die Kurse in Zeitungen veröffentlicht wurden, so dass man sogar die Börsenentwicklung bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts zurückverfolgen kann. Beispielhaft sind dafür die USA, in denen es eine kontinuierliche Börsengeschichte gibt, die weder durch Kriege noch durch andere historische Ereignisse unterbrochen wurde.

In der Geschichte gab es Perioden, in denen die Aktienanlage sehr schlecht abschnitt; in anderen Jahrzehnten hingegen boomten die Aktienmärkte und bescherten den Anlegern traumhafte Gewinne. Eine besonders ungünstige Phase waren die Jahre nach 1929; in diesem Jahr begann die Weltwirtschaftskrise, die an dem so genannten „schwarzen Freitag“ im Oktober in New York begann. Die Aktienkurse rutschten an einem einzigen Tag um fast 20 Prozent ab und fielen danach kontinuierlich. Manche Aktien verloren innerhalb von Monaten oder Jahren über 90 Prozent ihres Wertes. Die Szenen, die sich damals an der Wall Street abspielten, waren unbeschreiblich. Verzweifelte Anleger, die vollkommen ruiniert waren, sprangen aus dem Fenster. Banken brachen reihenweise zusammen, und die Arbeitslosigkeit stieg auf Rekordwerte. Vorausgegangen waren die 1920er Jahre, die als „Roaring Twenties“ in die Geschichtsbücher eingingen. Lebensfreude und Erfolgsstreben prägten die Dekade; die Aktienkurse kannten nur noch eine Richtung – nämlich die nach oben, und immer mehr Anleger kauften Aktien auch auf Kredit. Die Börsenaufsicht ließ die Zügel locker, und die Banken spekulierten immer mehr ohne Sicherheiten an der Börse.

Als der Zusammenbruch kam, war niemand darauf vorbereitet. Die 1930er und 1940er Jahre waren magere Börsenjahre; denn die meisten Aktienkurse waren um mehr als die Hälfte gefallen. Selbst Standardaktien erreichten Tiefstwerte, und niemand war bereit, an der Börse zu kaufen. Erst Ende der fünfziger Jahre setzte eine leichte Erholung ein, die jedoch nicht lange währte. Bereits Ende der 1960er Jahre zeichnete sich wieder ein Rückgang ab. Die siebziger Jahre waren geprägt von den Ölkrisen und den Konflikten im Nahen Osten. Während der Goldpreis zum Höhenflug ansetzte, stagnierten die meisten Aktienmärkte.
Angesichts dieser Rückschau werden Sie nun denken, dass Aktien nicht wirklich lukrativ sind. Tatsächlich hätten Anleger, die 1929 Aktien gekauft hätten, fast 30 Jahre warten müssen, um ihre Einstandskurse wieder zu erreichen. Dennoch hätte man auch damals einen Reibach machen können, wenn man bei Tiefstkursen etwa im Jahre 1932 wieder eingestiegen wäre. Darüber hinaus verloren nicht alle Aktien. Anleger konnten auch in den dreißiger und vierziger Jahren reich werden, wenn sie auf die richtigen Unternehmen setzten.
Der eigentliche Aufschwung der Börsen setzte 1983 ein, als niemand mehr wirklich Vertrauen zu den Aktien hatte. Unmerklich begannen die Kurse zu steigen. Was dann geschah, war ein wahres Kursfeuerwerk, das bis zum Jahr 2000 mit kleinen Unterbrechungen anhielt. Wer damals in Aktien eingestiegen wäre, hätte bis zur Jahrtausendwende eine jährliche Rendite von fast 30 Prozent erwirtschaftet. Die 1980er und 1990er Jahre sind in der gesamten Börsengeschichte einzigartig. In diesen zwei Jahrzehnten hätten Sie mit etwas Glück innerhalb weniger Jahre Millionär werden können.

Natürlich gab es auch in dieser Zeit Krisen und Einbrüche; beispielsweise brach die Börse 1987 kurzfristig ein, so dass die wichtigsten Aktienindizes an einem Tag bis zu 15 Prozent einbüßten. Doch schon zwei Jahre später war das Debakel vergessen, und die Aktienkurse erreichten wieder Höchststände. In den neunziger Jahren erschütterte der Irak-Krieg kurzfristig die Märkte, die sich aber schnell wieder erholten. Für kleinere Eintrübungen sorgten eine Krise in Lateinamerika 1995, die Asienkrise 1997 und die Russlandkrise 1998. Trotz dieser Ereignisse stiegen die Aktienkurse danach um so deutlicher, und als der Neue Markt als Börsensegment in Deutschland eröffnet wurde, gab es kein Halten mehr. Einige der Technologie- und Internetaktien waren bereits nach der Erstnotierung an der Börse ein Vielfaches ihres Ausgabepreises wert. Manche Aktien der so genannten New Economy zeigten atemberaubende Wertsteigerungen von mehreren hundert oder gar tausend Prozent. Internetunternehmen, die allenfalls Bücher oder CDs verkauften, hatten eine höhere Marktkapitalisierung als bekannte Unternehmen. Manche Menschen gaben ihren Beruf auf und setzten sich vor den Bildschirm, um täglich die Aktienkurse zu studieren. Daytrader spekulierten mit winzigen Kursschwankungen im Minutentakt. Die staunende Öffentlichkeit sah Zivis, die in Luxuslimousinen durch die Kaiserstraße in Frankfurt fuhren und über Nacht reich geworden waren. Selbst renommierte Unternehmen wie Siemens, die Deutsche Bank und andere hatten das Gefühl, hoffnungslos altmodisch zu sein und suchten händeringend nach Jungunternehmern mit innovativen Ideen für eine hippe Dot*com, wie man damals die aufstrebenden Internetunternehmen nannte. Die verrücktesten Ideen fanden ungeteilten Applaus. Beispielsweise hatte ein Student in den USA die simple, aber bestechende Idee, Pannenvideos auf eine Webseite zu stellen.

Sie kennen sicherlich diese Slapsticks, bei denen die Braut bei der Hochzeit auf einer Bananenschale ausrutscht oder der Hund die Geburtstagstorte vernascht. Die Videos wurden kostenlos im Internet publiziert; die Seite selbst finanziert sich über Werbeeinnahmen. Inzwischen residiert dieses Unternehmen in Manhattan und der Student ist Multimillionär geworden. Doch solche Erfolgsgeschichten bleiben die Ausnahmen; viele andere Internetunternehmen scheiterten.

Als der Siemens- Ableger Infineon an die Börse ging, kannte die Euphorie keine Grenzen mehr. Tausende von Rentnern, Hausfrauen und Studenten strömten in die Banken, um noch rechtzeitig ein Wertpapierdepot zu eröffnen und um Infineon-Aktien vor der ersten Börsennotiz zu zeichnen. Taxifahrer sprachen mit ihren Fahrgästen nicht mehr über Fußball oder das Wetter, sondern über die Börse. Selbst die Boulevard-Zeitungen berichteten nun ausführlich über Wertpapiere. Früher hätte man dieses Phänomen als Milchmädchen-Hausse bezeichnet.

Es kam, wie es kommen musste. Die Kurse fielen drastisch in die Tiefe. Die Kursverluste bei Technologieaktien waren so dramatisch, dass sie seihst die Weltwirtschaftskrise von 1929 in den Schatten stellten. Der Index des Neuen Marktes, der NEMAX, der nach diesem Prestigeverlust schlicht abgeschafft wurde, büßte mehr als 90 Prozent seines Wertes bis 2003 ein. Anleger, die auf Technologiewerte gesetzt hatten, verloren nahezu alles. Anders als 1929 hatte diesmal die Krise glücklicherweise keine größere Auswirkung auf die Gesamtwirtschaft; das Wirtschaftswachstum verlangsamte sich, aber die Arbeitslosigkeit stieg nicht rasant an. Der DAX, der Aktienindex der wichtigsten 30 deutschen Standardwerte, fiel von über 8000 Punkten auf magere 2500 Punkte im Frühjahr 2003. Erst als der Irak-Krieg einsetzte, stiegen die Kurse wieder, so dass der DAX im Jahre 2007 wieder die Marke von immerhin 7000 Punkten zurückgewinnen konnte.

Angesichts dieser turbulenten und spannenden Börsengeschichte werden Sie Aktien eher mit gemischten Gefühlen betrachten. Sie sollten aber bei der Beurteilung Folgendes berücksichtigen: Wenn Sie in den 1980er Jahren Aktien gekauft hätten, hätten Sie trotz aller Turbulenzen, Krisen, Unwägbarkeiten und trotz des Zusammenbruchs des Neuen Marktes im Schnitt bis heute fast 20 Prozent Rendite pro Jahr erzielt. Das ist mehr, als Sie je mit den meisten Anleihen, einer Lebensversicherung oder einer Immobilie hätten verdienen können.

Sie werden nun einwenden, dass die guten Jahrzehnte nach so einer langen Erfolgsperiode vermutlich vorbei sind. Das kann niemand wirklich sicher prognostizieren, aber ein anderer Gesichtspunkt spielt eine Rolle. Die oben genannte Rendite hätten Sie mit dem Durchschnitt der wichtigsten Aktien erreicht, d.h. beispielsweise mit den Standardwerten, die im DAX enthalten sind. Wenn Sie einseitig auf Technologiewerte gesetzt hätten, hätten Sie drastische Verluste erlitten. Das Ergebnis wäre anders ausgefallen, wenn Sie beispielsweise auf osteuropäische, brasilianische, indische und chinesische Aktien gesetzt hätten. Diese Märkte boomen seit der Jahrtausendwende.

Es gibt verschiedene Anlagestrategien, die Ihnen helfen können, die Durchschnittswerte noch zu übertreffen. Diese Phänomene, die man als Überrendite-Effekte bezeichnet, sind bereits wissenschaftlich untersucht worden und können Ihnen helfen, eine noch höhere Wertsteigerung zu erreichen. Was Sie jedoch nicht tun sollten, ist nur auf eine Aktie oder wenige Werte zu setzen; denn Unternehmen können insolvent werden oder sich schlecht den Marktbedingungen anpassen, was unweigerlich zu Verlusten führt.

Sie haben die Wahl zwischen zwei grundsätzlich verschiedenen Methoden: Sie Irinnen den Durchschnitt einer Aktienauswahl kaufen; dann erhalten Sie in der Regel auch eine Durchschnittsrendite. Man bezeichnet dieses Vorgehen als Index- oder passive Investmentstrategie, denn Sie kaufen gleichsam mit dem Index einen ganz Korb voller Aktien. Wenn Sie nun denken, diese Strategie sei langweilig, mittelmäßig und eben nur „durchschnittlich“, kann ich Sie beruhigen: Ein Großteil der angeblich so professionell gemanagten Investmentfonds erreicht noch nicht einmal diese Durchschnittswerte. Im Gegenteil: Die Mehrheit der Investmentfonds schneidet wesentlich schlechter ab. Wenn Sie also beispielsweise einen Aktienfonds mit deutschen Standardwerten in Ihrem Wertpapierdepot haben, der um 12 Prozent gestiegen ist, während der DAX im gleichen Zeitraum um 15 Prozent zulegte, dann sollten Sie diesen Investmentfonds verkaufen und gleich in ein DAX- Zertifikat investieren. Machen Sie sich einmal den Spaß und vergleichen Sie die Wertentwicklung von ein paar Fonds mit dem jeweiligen Index, der als Vergleichsmaßstab oder Benchmark dient. In fast allen Fällen werden Sie bestürzt feststellen, dass der Aktienfonds hinter dem Index zurückfällt. Nur wenige Spitzenfonds schaffen es, den Vergleichsindex um wenige Prozentpunkte zu übertreffen, Dabei ist häufig umstritten, ob diese Spitzenfonds „zufällig“ besser sind als der Markt oder ob dies auf besserem Wissen , Management und Können beruht.

Sie werden einwenden, wenn ein Fonds schon seit fünf oder zehn Jahren den Vergleichsindex geschlagen hat, dann kann dies kein Zufall sein. So leicht ist die Beweisführung nicht. Stellen Sie sich vor, Sie würden 500 Affen nehmen, und jeder Affe könnte den Anstieg des DAX durch ein Armheben signalisieren. Irgendwann wäre ein Großteil der Affen ausgeschieden, der die Entwicklung des DAX nicht richtig vorausgesagt hat. Aber ein oder zwei Affen hätten jedes Mal den Arm gehoben, wenn der DAX tatsächlich gestiegen ist. Würden Sie nun behaupten wollen, dass diese Affen herausragende Börsenexperten sind?

Sicherlich nicht. Ein ähnliches Problem entsteht beim so genannten Data Mining. Dabei werden riesige Datenmengen vom Computer durchwühlt und nach Gesetzmäßigkeiten durchsucht. Irgendwann führt diese akribische Suche dazu, dass man scheinbare Zusammenhänge herausfindet. So konnte man beispielsweise ermitteln, dass die Wertentwicklung des amerikanischen Aktienindex Dow Jones an der New Yorker Börse mit der Butterproduktion in Bangla Desh zusammenhängt. Natürlich ist das reiner Zufall. Oder glauben Sie, dass General Electric bei den vielen Tagungen die Sandwichs mit Butter aus Bangla Desh bestreicht und in schlechten Zeiten weniger Butter aus dem asiatischen Land bezieht? Verschwörungstheoretiker mögen bei solchen Szenarien vielleicht erst richtig in Fahrt kommen, aber wenn man es genau betrachtet, fördert das Durchforsten großer Datenmengen skurrile Zusammenhänge an den Tag. In der Mathematik nennt man solche scheinbaren Beziehungen Scheinkorrelationen. Was bei der Butter offensichtlich sein mag, ist es bei anderen gefundenen Zusammenhängen möglicherweise nicht. Es kann auch Vorkommen, dass zwei Variablen zwar einen Zusammenhang aufweisen, dass er aber über eine andere (intervenierende) Variable vermittelt wird. Beispielsweise besteht ein Zusammenhang zwischen den Sprachfertigkeiten und der Schuhgröße. Was anfangs grotesk anmutet, hat einen plausiblen Hintergrund: Die Schuhgröße hängt vom Alter ab. Kinder haben einen geringeren Wortschatz und eine geringere Sprachfertigkeit als Erwachsene.

Beim Data Mining ergeben sich also gleich mehrere Probleme: Zum einen muss man die Scheinkorrelationen Herausfiltern, die sich durch Zufall ergeben. Das ist jedoch in der Praxis fast unmöglich, da es kein Ausgrenzungskriterium gibt. Zum anderen muss man bei möglicherweise wahren Zusammenhängen erst prüfen, ob es nicht eine dritte Variable gibt, die die eigentliche Ursache ist. Auch dies ist bei den vielen Faktoren, die das Börsengeschehen beeinflussen, nur schwer möglich.

Trotz all dieser Probleme haben Wissenschaftler bestimmte Einflussgrößen herausfiltern können, die zu einer Überrendite führen, d.h. Anleger, die bestimmte Strategien verfolgen, können eine höhere Wertentwicklung als der Durchschnitt des Marktes erreichen. Als Anleger haben Sie die Wahl: Sie können auf die Indexstrategie setzen und sich gleichsam an den Markt ankoppeln und erzielen damit die marktübliche Rendite. Diese Strategie ist zumindest weitaus sicherer, als auf Investmentfonds zu setzen. Die andere Herangehensweise besteht darin, gezielt eine Strategie zu verfolgen, die wissenschaftlich überprüft wurde und eine Überrendite sichert. Ich werde Ihnen die einzelnen Strategien ausführlich in einem eigenen Artikel vorstellen.

Doch eine andere Frage, die Sie interessieren wird: Kann man mit Aktien wohlhabend oder reich werden? In vielen Börsenratgeber wird eine Strategie empfohlen, die wie von selbst dazu führt, dass Sie am Ende Millionär werden, und dazu müssen Sie Ihr Geld noch nicht einmal in Aktien anlegen. Allerdings muss ich Ihre Euphorie an dieser Stelle etwas bremsen: Die Strategie funktioniert zwar im Prinzip hundertprozentig, hat aber einige Voraussetzungen, die nicht jeder erfüllen kann.

Die einfachste Möglichkeit, sich als Millionär zur Ruhe zu setzen, beruht auf dem Zinseszinseffekt. Stellen Sie sich vor, dass Sie im Alter von 2C Jahren eine Summe von 10.000 Euro mit einem Zinssatz von 5 Prozent anlegen. Viele Leser werden entgegnen, dass Sie nicht mehr 20 Jahre alt sind oder dass Sie in diesem Alter keine 10.000 Euro zur Verfügung hatten. Sie haben natürlich Recht; aber die Zinseszinsstrategie beruht auf solchen Voraussetzungen. Ich werde später erläutern, ob es noch andere Möglichkeiten gibt. Wenn Sie nun das Geld zu diesen Konditionen anlegen, haben Sie im Alter von 60 Jahren 70.400 Euro. Sie sind damit noch nicht Millionär; aber wenn Sie jeden Monat zusätzlich 50 oder 100 Euro ansparen und entsprechend verzinsen, kommen Sie dem Ziel relativ nahe. Noch besser ist es, wenn Sie einen höheren Zinssatz wählen. Mit geschickt ausgewählten Anleihen war es in der Vergangenheit möglich, zwischen 6 und 7 Prozent Rendite zu erzielen. Mit einer Aktienanlage, die langfristig mit 10 bis 14 Prozent rentiert, werden bei einem durchschnittlichen Satz von 12 Prozent aus 10.000 Euro in 40 Jahren 930.510 Euro.
Sie sehen, es ist viel einfacher. Millionär zu werden, als manche Menschen glauben. Allerdings ist diese Rechnung in der Realität nicht so einfach, da es einige Hürden und Problempunkte gibt, die aber durch einiges Geschick ausgeräumt werden können.

Der erste Kritikpunkt an dieser Argumentation lautet in der Regel, dass 40 Jahre ein sehr langer und unüberschaubarer Zeitraum sind, in dem sich vieles ereignen kann. Dieser Ein wand ist teilweise richtig. Wenn Sie im Jahre 1915 Geld auf diese Weise angelegt hätten, dann hätten Sie den Ersten Weltkrieg, die katastrophale Hyperinflation von 1923, die Weltwirtschaftskrise von 1929, das Dritte Reich, den Zweiten Weltkrieg und die Währungsreform überstehen müssen. Unter diesen historischen Bedingungen wäre von Ihrer Anlage leider nichts übrig geblieben. Denn schon die galoppierende Inflation im Jahr 1923 hätte Ihr Geld komplett vernichtet. Bedenken Sie bitte, dass damals bereits ein Laib Brot mehrere Millionen Reichsmark kostete. Um diesen Zeitraum unbeschadet zu überstehen, hätten Sie Ihr Vermögen in neutralen Ländern wie der Schweiz oder in Schweden in Aktien oder Anleihen anlegen müssen. Aber wer wusste das schon im Jahr 1915?

Ein Anleger, der diese Strategie im Jahre 1965 begonnen hätte, könnte sich heute eines beträchtlichen Vermögens erfreuen und wäre sicher mehrfacher Millionär, da die Aktienmärkte in den achtziger und neunziger Jahren besonders stark boomten.
Ein anderer Kritikpunkt an der Zinseszinsstrategie lautet, dass man die Inflation mit einbeziehen müsse. Tatsächlich wird eine Million im Jahre 2020 oder 2040 wesentlich weniger wert sein als heute, so dass selbst Millionäre in der Zukunft wahrscheinlich nur noch als relativ wohlhabend eingestuft werden. Aber wenn Sie Ihr Geld mit 7 oder gar 12 Prozent angelegt haben, haben Sie schon alles unternommen, um die Inflation erheblich auszugleichen. Dieses Argument spricht nicht wirklich gegen die Zinseszinsstrategie. In der Vergangenheit lag die Inflationsrate in Deutschland im Durchschnitt bei zirka zwei Prozent, wenngleich es auch Phasen wie in den siebziger Jahren gab, als die Geldentwertung Rekordwerte von über 7 Prozent erreichte.

Ein dritter Kritikpunkt gegen diese Strategie bezieht sich auf die Realisierbarkeit. Bei Anleihen ist es relativ einfach, eine solche Anlagestrategie umzusetzen, da es Langläufer mit über zehn Jahren gibt. Ein Problem ergibt sich meist aus der Wiederanlage. Nehmen wir an, Sie legen Geld in einer Anleihe an, die Ihnen 6 Prozent Rendite einbringt. Nach zehn Jahren müssen Sie Geld erneut anlegen, doch diesmal rentieren sich Anleihen vielleicht nur mit vier Prozent. In dieser Situation können Sie nur Fremdwährungsanleihen nehmen, die höhere Zinssätze aufweisen; aber hier ergibt sich ein gewaltiges Währungsrisiko. Beispielsweise ist der Dollar gegenüber der D-Mark kontinuierlich gesunken. Ein Anleger, der in den sechziger Jahren Dollar-Anleihen für 30 Jahre gekauft hätte, hätte enorme Verluste verbucht. Eine andere Möglichkeit besteht darin, Anleihen mit geringerer Bonität zu kaufen. Doch in diesem Fall riskieren Sie, wenn der Schuldner nicht mehr zahlen kann, den totalen Verlust. Bei Staatsanleihen war dies erfreulicherweise relativ selten der Fall; in den letzten Jahren sorgte nur Argentinien mit einem Staatsbankrott für Aufsehen. Doch bei Unternehmensanleihen häuften sich auch in der Vergangenheit die Insolvenzen.

Solche Schwierigkeiten sind nicht nur bei Anleihen anzutreffen, sondern auch bei Aktien. Sie haben zuerst das Problem, dass Sie ein Aktienportfolio zusammenstellen müssen. Eine Auswahl von Aktien bedeutet immer ein Risiko, das Sie aber minimieren können, wenn Sie sich an bestimmte Strategien halten. Für Anleger, die eine Indes Strategie bevorzugen, wäre diese in den sechziger Jahren nicht realisierbar gewesen, denn es gab damals keine Anlageinstrumente, mit denen man den gesamten Index hätte erwerben können. Erst seit den 1990er Jahren gibt es nämlich in Deutschland Indexzertifikate, die einen Index abbilden. Doch auch solche In des Zertifikate bergen über lange Zeiträume Risiken in sich, denn es handelt sich um Inhaberschuldverschreibungen von Banken. Wenn nun im Jahre 2030 eine schwere Wirtschaftskrise ausbricht und die Bank, die das Zertifikat herausgegeben hat, Insolvenz anmelden muss, haben Sie einen Totalverlust erlitten.
Sie müssen einfach zur Kenntnis nehmen, dass ein Zeitraum von 30 oder 40 Jahren voller Überraschungen sein kann. Es hilft nichts darüber zu spekulieren, wie riskant es sein könnte. Vielmehr können Sie durch geschickte Maßnahmen sich vor solchen Gefahren schützen,. Wenn Sie die Wahl haben, Ihr Geld für 40 Jahre in Aktien anzulegen oder in die staatliche Rentenversicherung einzuzahlen, werden Sie sehr schnell erkennen, welche Entscheidung wirklich riskanter ist.

Bei Aktien besteht ein weiteres Problem: Wenn Sie sich einmal eine alte Ausgabe der Frankfurter Allgemeinen aus dem Jahre 1970 ansehen, werden Sie die meisten Aktien, die auf dem Kurszettel verzeichnet sind, gar nicht kennen oder nur noch aus der Erinnerung. In einem Zeitraum von 30 oder 40 Jahren verschwinden viele Unternehmen von der Bildfläche; das liegt nicht nur an Insolvenzen, sondern viel häufiger an Fusionen oder Unternehmensübernahmen. Die Aktien aus dem Jahre 1970 gibt es heute größtenteils nicht mehr. Natürlich finden sich dort auch Werte wie Siemens, BASF oder Bayer Aber die meisten Aktien werden vom Kurszettel verschwunden sein. Denken Sie nur an Unternehmen wie Hoechst oder AEG. Branchen, die heute als wichtig und bedeutsam angesehen werden, gab es damals noch gar nicht – wie die Internetbranche, die Telekommunikation oder die Biotechnologie. Dies alles spricht aber nicht wirklich gegen die Zinseszinsstrategie, denn Sie müssen nur Ihr Depot in sinnvollen Abständen überprüfen.

Insgesamt betrachtet ist es möglich, mit Hilfe von Aktien Millionär zu werden. Sie sollten sich aber auf einen sehr langen Zeitraum von 20 oder 30 Jahren gefasst machen. Natürlich kann man auch durch gewagte Spekulationen reich werden, aber die meisten dieser Hasardeure enden verarmt und im Elend. Je größer nämlich der Hebel einer Spekulation ist, desto beträchtlicher ist auch das Verlustrisiko. Soziologische Untersuchungen aus den USA zeigen ohnehin, dass die meisten Millionäre nicht durch Wertpapierspekulation reich geworden sind, sondern durch eine selbstständige Tätigkeit. Als Angestellter oder Beamter können Sie nie ein so hohes Einkommen erzielen, dass Sie in wenigen Jahren reich werden. Jedoch ist auch die Selbstständigkeit keine Garantie für Wohlstand und Reichtum, denn in Deutschland scheitert jedes vierte Unternehmen innerhalb von fünf Jahren. Es zeigt sich auch, dass es bestimmte Branchen gibt, in denen die Chance, sehr reich zu werden, größer ist als in anderen. Die meisten großen Privatvermögen in den USA wurden durch Immobiliengeschäfte geschaffen. In vielen Fällen wurden Häuser und Grundstücke zu Spottpreisen in einer wirtschaftlichen Flaute aufgekauft, die Gebäude grundlegend renoviert und später zu hohen Preisen wieder abgestoßen. Ein anderer lukrativer Wirtschaftszweig sind die Finanzdienstleistungen. Wenn Sie in Harvard oder Yale Wirtschaftswissenschaften oder – speziell – Finance studiert haben, könnte ein renommierter Wallstreet- Broker Ihre Fahrkarte zum Glück sein; denn allein die Provisionen, die dort ausgeschüttet werden, erreichen mehrere hunderttausend Dollar. Viele Broker können sich bereits Mitte 30 zur Ruhe setzen.