Die Badenia legte gegen das Karlsruher OLG-Urteil Revision ein. Der Fall landete beim Bundesgerichtshof. Für die Klägerin waren das keine guten Aussichten, denn die BGH-Urteile hatten sich in den Jahren zuvor nicht immer als verbraucherfreundlich erwiesen. Wir hoffen, dass die im Urteil [des OLG Karlsruhe] genannten Gründe auch vor dem BGH ausreichen, sagte damals der Anwalt der Klägerin.
Grund für zaghaften Optimismus lieferte 2006 der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit einer Entscheidung. Dessen Richter entschieden, dass die Banken und Bausparkassen das Risiko eines überhöhten Kaufpreises oder ausbleibender Mietzahlungen tragen müssen, wenn sie nicht ordnungsgemäß über das Widerrufsrecht belehrt haben. Doch der BGH schwächte die Forderungen der Straßburger Richter ab. Der Text des Urteils in der Formulierung der Presseabteilung des BGH spricht für sich:
Der u. a. für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte darüber zu entscheiden, welche Rechte Verbrauchern zustehen, die ihren zur Finanzierung einer Eigentumswohnung geschlossenen Realkreditvertrag nach den Vorschriften des Haustürwiderrufsgesetzes widerrufen haben. Die Kläger waren 1995 von einem Vermittler in ihrer Privatwohnung geworben worden, zum Zwecke der Steuerersparnis ohne nennenswertes Eigenkapital eine Eigentumswohnung zu kaufen. Sie schlossen deshalb zunächst einen entsprechenden notariellen Kaufvertrag ab und traten einer Mieteinnahmegesellschaft bei. Zur Finanzierung des Kaufpreises schloss sodann die beklagte Bausparkasse als Vertreterin einer Bank mit den Käufern einen Darlehensvertrag, wobei das den Käufern gewährte Vorausdarlehen mit Hilfe von zwei bei der Beklagten abgeschlossenen anzusparenden Bausparverträgen getilgt werden sollte. Eine Belehrung der Käufer und Darlehensnehmer nach dem Haustürwiderrufsgesetz erfolgte nicht. Die Käufer bestellten für die Bausparkasse eine Grundschuld an der gekauften Eigentumswohnung über die Darlehenssumme, übernahmen dafür die persönliche Haftung und unterwarfen sich der Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen. Nachdem die Kläger das aufgenommene Vorausdarlehen einige Jahre bedient hatten, widerriefen sie ihre Darlehensvertragserklärungen, da sie über ihr Widerrufsrecht nach dem Haustürwiderrufsgesetz nicht belehrt worden seien. Mit ihrer Klage wenden sie sich gegen die Zwangsvollstreckung der beklagten Bausparkasse, an die die darlehensgebende Bank ihre Ansprüche abgetreten hat. Sie machen insbesondere geltend, mit Rücksicht auf die unterbliebene Widerrufsbelehrung nach dem Haustürwiderrufsgesetz könnten sie die Rückzahlung des Darlehens verweigern und die Bausparkasse auf die gekaufte Eigentumswohnung verweisen. Außerdem behaupten sie, über die mit der Eigentumswohnung verbundenen Risiken, insbesondere die tatsächlich zu erzielende Miete und den Wert der Wohnung getäuscht bzw. nicht hinreichend aufgeklärt worden zu sein. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat aber die Revision zugelassen.
Der XI. Zivilsenat hatte die Verhandlung zunächst zurückgestellt, um die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) auf die Vorlage des Landgerichts Bochum (WM 2003,1609) in einer Sache abzuwarten, an der die beklagte Bausparkasse beteiligt ist. Nachdem die Entscheidung des EuGH am 25. Oktober 2005 (WM 2005,2079) ergangen ist, hatte der XI. Zivilsenat nun unter anderem zu entscheiden, welche Konsequenzen aus dem Urteil des EuGH zu ziehen sind. Er ist hierbei zu folgendem Ergebnis gelangt:
Es besteht auch im Hinblick auf die Europäische Haustürgeschäfterichtlinie kein Anlass, die ständige Rechtsprechung des Senats zu ändern, nach welcher der Verbraucher nach dem Widerruf des Darlehensvertrages gemäß § 3 Haustürwiderrufsgesetz (HWiG) zur sofortigen Rückzahlung der Darlehensvaluta zuzüglich marktüblicher Zinsen verpflichtet ist. Der EuGH hat ausdrücklich betont, dass dies auch in Fällen, in denen die Darlehensvaluta nach dem für die Kapitalanlage entwickelten Konzept unmittelbar an den Verkäufer zum Erwerb der Immobilie ausgezahlt wird, der Haustürgeschäfterichtlinie entspricht. Auch soweit der EuGH gemeint hat, Art. 4 der Haustürgeschäfterichtlinie verpflichte die Mitgliedstaaten, dafür zu sorgen, den Verbraucher vor den Risiken einer kreditfinanzierten Kapitalanlage zu schützen, die er im Falle einer Widerrufsbelehrung der kreditgebenden Bank hätte vermeiden können, bestehen weder Grund noch Möglichkeit zu einer anderslautenden richtlinienkonformen Auslegung des § 3 HWiG.
Die Frage, ob im Hinblick auf die genannte Vorgabe des EuGH aus der unterbliebenen Widerrufsbelehrung – wie in Literatur und Rechtsprechung zum Teil vertreten – ein Schadensersatzanspruch der Kläger folgen könnte, hat der Senat offengelassen. Ein derartiger Schadensersatzanspruch wegen unterbliebener Widerrufsbelehrung scheidet hier nämlich schon wegen Fehlens der erforderlichen Kausalität aus, weil die Kläger den Kaufvertrag bereits geschlossen hatten, bevor es zum Abschluss des Darlehensvertrages kam. Die Erteilung einer Widerrufsbelehrung konnte sie daher vor den Risiken ihres Immobilienkaufs nicht mehr schützen.
Der XI. Zivilsenat hat aber im Interesse der Effektivierung des Verbraucherschutzes bei realkreditfinanzierten Wohnungskäufen und Immobilienfondsbeteiligungen, die nicht als verbundene Geschäfte behandelt werden können, und um dem in den Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 25. Oktober 2005 zum Ausdruck kommenden Gedanken des Verbraucherschutzes vor Risiken von Kapitalanlagemodellen im nationalen Recht Rechnung zu tragen, seine Rechtsprechung zum Bestehen von eigenen Aufklärungspflichten der kreditgebenden Bank in diesen Fällen ergänzt. Danach können sich die Anleger in Fällen eines institutionalisierten Zusammenwirkens der kreditgebenden Bank mit dem Verkäufer oder Vertreiber des finanzierten Objekts unter erleichterten Voraussetzungen mit Erfolg auf einen die Aufklärungspflicht auslösenden konkreten Wissensvorsprung der finanzierenden Bank im Zusammenhang mit einer arglistigen Täuschung des Anlegers durch unrichtige Angaben der Vermittler, Verkäufer oder Fondsinitiatoren bzw. des Fondsprospekts über das Anlageobjekt berufen. Die eine eigene Aufklärungspflicht auslösende Kenntnis der Bank von einer solchen arglistigen Täuschung wird widerleglich vermutet, wenn Verkäufer oder Fondsinitiatoren, die von ihnen beauftragten Vermittler und die finanzierende Bank in institutionalisierter Art und Weise Zusammenwirken, auch die Finanzierung der Kapitalanlage vom Verkäufer oder Vermittler angeboten wurde und die Unrichtigkeit der Angaben des Verkäufers, Fondsinitiators oder der für sie tätigen Vermittler bzw. des Verkaufs- oder Fondsprospekts nach den Umständen des Falles evident ist, so dass sich aufdrängt, die Bank habe sich der Kenntnis der arglistigen Täuschung geradezu verschlossen.
Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen, damit dieses Feststellungen zu der von den Klägern behaupteten arglistigen Täuschung und der Frage eines institutionalisierten Zusammenwirkens der beklagten Bausparkasse mit den Vermittlern treffen kann. (Urteil vom 16. 05. 2006 – XI ZR 6/04, zitiert nach der entsprechenden Verlautbarung der Pressestelle des Bundesgerichtshofs) Bemerkenswert an diesem Urteil ist vor allem, dass der XI. Senat vor allem die Banken schützt, indem er die Beweislast umkehrt. Der düpierte Kunde muss nachweisen, dass der Verkäufer, der ihm die Immobilie angedreht hat, und die Bank, die bereitwillig dafür ein Darlehen herausgerückt hat, ein institutionalisiertes Zusammenwirken verbunden hat. Im Grunde genommen wird verlangt, dass der abgezockte Kunde einen Vertrag über die interne Kooperation präsentiert, möglichst mit Vereinbarungen über Provisionszahlungen zwischen Immobilienvermittler und Kundenberater der Bank. Ein aussichtsloses Unterfangen.
Die Richter erkannten nicht einmal den vorliegenden Fall als verbundenes Geschäft an, weil der Kauf der Wohnung von einer Immobiliengesellschaft und der Abschluss eines Darlehensvertrages sowie der Abschluss von zwei Bausparverträgen zeitlich und räumlich getrennt nacheinander erfolgten.
Noch schwieriger ist es nach diesem Urteil geworden, die deutschen Geldhäuser auf den Tatbestand der arglistigen Täuschung festzunageln: Da müssen die Versprechen der Wohnungsverkäufer offensichtlich schon so phantastisch ausfallen, dass sie jedem unbedarften Zuhörer auffallen, so dass sich dann doch jedem (auch den Richtern an deutschen Zivilgerichten) der Eindruck aufdrängt, die Bank habe die betrügerischen Angaben eigentlich nicht übersehen können.
Mit der Einsicht von Banken ist es allerdings manchmal nicht weit her. Das hat bereits der Fall des berühmten Immobilienbetrügersjürgen Schneider Mitte der 1990er Jahre bestens demonstriert. Da hat sich die Kreditabteilung der Deutschen Bank nicht einmal darüber informiert, ob die tatsächliche Größe eines von ihnen wesentlich mitfinanzierten Gebäudes mit den Plänen übereinstimmte.
Verbraucherschützer, Juristen und – natürlich – die Anwälte der frustrierten Anleger gingen wegen des BGH-Urteils auf die Barrikaden. Der Senat habe mit seinen bisherigen Entscheidungen gezeigt, dass er gegen den Verbraucherschutz, seine eigene frühere Rechtsprechung und große Teile der Wissenschaft urteilt, sagte Udo Reifner, Chef des, Hamburger Instituts für Finanzdienstleistungen (IFF).
Ich halte die Anforderungen, ab wann ein massiver Beratungsfehler der Banken und Versicherungen angenommen wird, für zu hoch. Das äußerte der Bankrechts-Professor Hans-Peter Schwintowski von der Berliner
Humboldt-Universität. Prof. Dr. Volker Emmerich, langjähriger Direktor des Bankrechtlichen Institutes an der Universität Bayreuth, hat das oben zitierte Urteil des BGH zu den Schrottimmobilien in der Zeitschrift Juristische Schulung‘ heftig kritisiert und die Rechtsprechung des Bankensenats unter seinem Vorsitzenden Richter Nobbe aufs schärfste gerügt:
Der XI. Zivilsenat bestätigt erneut seinen Ruf als Bankenschutzsenat, der den Anlegern praktisch jeden Schutz verweigert, um die Banken gegen die Risiken der von ihnen sehenden Auges mitfinanzierten Schrottimmobilien abzusichern. Die Behauptung, die Banken hätten nicht gewusst, was sie tun, ist angesichts der Umstände der Fälle – Zehntausende von Verträgen, die von denselben Banken finanziert werden – geradezu grotesk und absurd und nicht ernst zu nehmen. Ebenso
bitter ist es, sehen zu müssen, dass sich der XI. Senat offenkundig weigert, den vom EuGH verlangten verbesserten Anlegerschutz zu gewähren.