Bei den Anlagestrategien, die den Markt übertrumpfen und zu edier Überrendite führen sollen, unterscheidet man solche, die auf der Fundamentalanalyse und damit den Bilanzkennzahlen beruhen, und solche, die sich auf die technische Analyse der Aktienkurse berufen. Alle diese Anlagestrategien wurden wissenschaftlich überprüft und an mehreren unterschiedlichen Zeiträumen getestet.
Obwohl etliche Anlagestrategien alle Tests bestanden, mussten einige im Nachhinein aufgegeben werden. Es stellte sich heraus, dass die zu erzielenden Überrenditen so gering waren, dass die Transaktionskosten (beispielsweise die Bankprovision) und die Steuern aufgrund der vielen Umschichtungen deutlich höher lagen. Das alte Börsensprichwort „Hin und her macht Taschen leer“ bewahrheitet sich auch hier. Ein anderes Problem ist die so genannte Overpopularity. Wenn viele Anleger auf dieselbe Strategie setzen, müsste der Überrendite-Effekt sich langfristig aufheben; dies gilt insbesondere für unterbewertete Aktien, die durch die starke Nachfrage stark ansteigen, so dass die erzielbaren Renditen deutlich sinken. Obwohl viele dieser Marktanomalien schon lange bekannt sind, gibt es Phänomene wie den Januar-Effekt immer noch.
Alle Anlagestrategien haben das entscheidende Ziel, eine Überrendite zu erzielen, d.h. die Wertentwicklung der auswählten Aktien muss stets höher sein als der Marktdurchschnitt, denn sonst könnte man bequem und ohne komplizierte Strategie auf den Index setzen. Darüber hinaus muss jede Anlagestrategie eine so hohe Überrendite erbringen, dass sich die Anlage auch nach Abzug von Transaktionskosten und Steuern noch lohnt.
Die Dividendenstrategie
Die Dividendenstrategie ist eine der populärsten, bekanntesten und ältesten Anlagestrategien. Ihre wissenschaftliche Grundlage wurde erstmals im Jahre 1988 im Wall Street Journal erörtert. In einer Untersuchung fand John Slatter heraus, dass Aktien mit hoher Dividendenausschüttung in dem Zeitraum von 1972 bis 1987 eine jährliche Wertsteigerung von 18,4 Prozent erreichten, während der als Vergleichsmaßstab verwendete Dow-Jones-Index es nur auf eine jährliche Wertsteigerung von 10,8 Prozent brachte. Damit übertraf die Dividendenstrategie das Indexinvestment um mehr als 7,6 Prozentpunkte.
Dieses Ergebnis löste eine Flut von Folgeuntersuchungen aus, und im Jahre 1992 machten Michael O’Higgins und John Downes in ihrem Buch „Beating the Dow“ die Dividendenstrategie weltweit bekannt. Das in den USA berühmte Börsenmagazin, JBarron’s“ stellte verblüfft fest, dass die Dividendenstrategie in zwei Jahrzehnten nur drei Verlustjahre mit sich brachte.
Die Dividendenstrategie erschien als ein wahres Wunder und wurde weiter verfeinert. Eine der wichtigsten Dividendenstrategiert ging unter dem Namen „Dogs of the Dow“ in die Börsengeschichte ein. Diese Strategie funktioniert folgendermaßen: Anfang Januar sortiert der Anleger die 30 Aktien des Dow Jones nach ihrer Dividendenrendite. Der Dow Jones ist zwar nach seiner Berechnung ein veraltetes Börsenbarometer, aber aufgrund der historischen Bedeutung wurde es beibehalten. Der Dow Jones umfasst die 30 größten amerikanischen Standardwerte. Die Aktie mit der höchsten Dividendenrendite ordnen Sie an erster Stelle ein, und dann folgen die anderen Aktien in Höhe der Dividendenrendite. Im zweiten Schritt nehmen Sie die zehn Aktien mit der höchsten Rendite und kaufen Sie. Alle Aktien sollen im Depot den gleichen Anteil einnehmen. Nach einem Jahr schichten Sie Ihr Portfolio um und wählen erneut die zehn Aktien des Dow Jones mit der höchsten Dividendenrendite.
Diese Anlagestrategie ist bestechend einfach, da sie auch ohne großen Rechenaufwand und komplexe Umschichtungen durchgeführt werden kann. Eine Untersuchung der in den USA sehr beliebten Investmentgemeinde Motley Fool, die sich durch ihren populären Stil auszeichnet, zeigte, dass die Dividendenstrategie eine deutliche Überrendite erreicht. Im Zeitraum von 1961 bis 1999 erwirtschaftete man damit eine Wertsteigerung von 14,6 Prozent pro Jahr, wobei das Ergebnis nur in drei Jahren im Minus lag. Eine Indexstrategie, die im selben Zeitraum auf den Dow-Jones-Index gesetzt hätte, hätte eine Rendite von 12,4 Prozent jährlich erbracht.
Wenn Sie diese Zahlen betrachten, erkennen Sie zwei Dinge: Zum einen ist die Aktienanlage jeder anderen Anlageform (wie Anleihen, Bausparverträge, Lebensversicherungen, Immobilien) weit überlegen; denn selbst wenn man nur auf den Index gesetzt hätte, ohne selbst Aktien auszuwählen, hätte man in dem betrachteten Zeitraum problemlos eine Rendite von über 12 Prozent erreicht. Sie sollten allerdings beachten, dass bei jeder Aktienanlage die langen Zeiträume entscheidend sind. Geduld und Disziplin zahlen sich immer aus. Mit der Dividendenstrategie hätten Sie so- gar 14,6 Prozent pro Jahr erzielt. Sie müssen natürlich beachten, dass solche Werte nur dadurch zustande kommen, dass man einen sehr langen Zeitraum berücksichtigt. Kurzfristig können bei einer Aktienanlage deutliche Verluste eintreten; das gilt vor allem dann, wenn Sie einen Zeithorizont von weniger als fünf Jahren zugrunde legen.
Die Dividendenstrategie schnitt in der Boomphase der Technologiewerte Ende der 1990er Jahre wesentlich schlechter ab. Denn die Dividendenstrategie setzt in erster Linie auf Substanzwerte mit einer hohen Ausschüttung; daher rechnet man sie zu den Value- Strategien. Zwischen 1995 und 1999, als der Neue Markt entstand und Technologietitel zu den Favoriten zählten, brachte die „Dogs of Dow“-Strategie lediglich eine jährliche Wertentwicklung von 18,9 Prozent. Sie mögen über diese Zahl staunen, denn sie ist wirklich sehr hoch; aber ein passives Investment in den
Dow- Jones-Index hätte Ihnen in demselben Zeitraum eine Superrendite von 27 Prozent jährlich eingebracht. Ende der 1990er Jahren hatten die Wachstumswerte die Substanzwerte überflügelt. Daher war die Growth-Strategie, die auf Gewinnwachstum bei Technologietiteln setzte, die bessere Alternative.
Andere Untersuchungen belegen indes, dass in den letzten Jahrzehnten die Value-Strategien mit ihren Substanzwerten wesentlich besser abschnitten. Nur die zweite Hälfte der 1990er Jahre widersprach diesem Befund. In den Krisenjahren zwischen 2000 und 2004, als die Internetaktien und die Technologietitel ins Bodenlose fielen, erreichte man mit der „Dogs of the Dow“- Strategie immerhin 4,4 Prozent Wertsteigerung im Jahr, während der Dow- Jones-Index es auf magere 0,7 Prozent pro Jahr brachte.
Die „Dogs of the Dow“- Strategie ist nicht unumstritten, denn sie führt zu einigen Fehleinschätzungen. In den letzten Jahren haben sowohl in Deutschland als auch in den USA die Aktienrückkäufe deutlich zugenommen. Durch den Aktienrückkauf erfolgt eine verdeckte Dividendenausschüttung, die dann bei dieser Analysemethode unberücksichtigt bleibt. Ein weiterer Kritikpunkt ist die Gefahr der Overpopularity, d.h. dadurch dass immer mehr Anleger die „Dogs-of-Dow-Strategie“ anwenden, werden diese Dividendenschwergewichte im Dow Jones stärker nachgefragt und steigen im Kurs, was zu einer hohen Bewertung führt. Die Aktien sind dann bereits „teuer“, und die Chancen auf einen weiteren Kursanstieg schwinden.
Darüber hinaus wird die zu erzielende Rendite durch die Transaktionskosten (wie Bankprovisionen, Depotgebühren) und Steuern gemindert.