Wer kennt sie nicht, die lapidaren Absagebriefe, in denen man lesen kann „leider mussten wir einem anderen Bewerber den Vorzug geben“ oder „bedauerlicherweise hat sich bei der Besetzung der hier relevanten Position eine interne Lösung ergeben, sodass wir Ihre Bewerbung leider nicht weiter- verfolgen können“. In der Regel sind solche Formulierungen nicht ehrlich, sondern höfliche Floskeln. Dahinter verbergen sich aber ganz konkrete Überlegungen des Arbeitgebers in Bezug auf eine zu besetzende Position. Sie als Bewerberin oder Bewerber an diese mitunter recht diffizile Gedankenwelt heranzuführen ist das Anliegen dieses Bewerbung-Artikels. Die wenigsten Bewerber machen sich ernsthafte Gedanken über die spezielle Situation bei einem (neuen) Arbeitgeber, weil sie zu sehr mit den eigenen Problemen beschäftigt sind. Das wird leicht als mangelndes Interesse am Unternehmen ausgelegt und kann eine Bewerbung schon im Ansatz zum Scheitern bringen. Das Bestreben eines geschickten Bewerbers sollte es sein, die Beweggründe und Erwartungen des Arbeitgebers aufzuspüren, die die ausgeschriebene Position betreffen. Das bedeutet im Einzelnen, dass man sich auseinander zu setzen hat mit der Person des Arbeitgebers, seinen Produkten oder Dienstleistungen, seinem Stellenwert in der Branche oder in der Stadt und mit möglichen anderen Besonderheiten (die Firma war mal im Konkurs, der Chef ist Präsident eines Sportverbandes, die Firma sponsert soziale Einrichtungen, die Firma hat keinen Betriebsrat usw.).
Sodann sollte man versuchen zu ergründen, warum die Stelle überhaupt ausgeschrieben wurde, z. B. weil jemand gekündigt hat und der Arbeitgeber Ersatz sucht oder weil der Arbeitgeber gekündigt hat. Denn an solche Konstellationen knüpfen sich beim Arbeitgeber durchaus unterschiedliche Erwartungshaltungen. Sehr wichtig sind natürlich auch Überlegungen zur fachlichen Kompetenz. Auch hier werden leider immer wieder – vermeidbare – Fehler gemacht, weil Bewerber die Stellenanzeigen nicht aufmerksam genug lesen und dann unzureichende Bewerbungsschreiben abgeben, die natürlich keinen Erfolg bringen. Je aufmerksamer man die Stellenanzeigen liest, desto eher hat man die Chance, auf spezifische Besonderheiten beim Arbeitgeber aufmerksam zu werden, die es dann, sollte es zu einem Vorstellungsgespräch kommen, geschickt zu hinterfragen gilt. Und: Je besser man die Absichten und Erwartungen des Arbeitgebers bezüglich der ausgeschriebenen Position durchschaut, desto größer ist die Chance seine Bewerbung der angestrebten Position gemäß zu profilieren.
Qualifikation der zu besetzenden Position
Die Arbeitgebersituation bei der Besetzung vakanter Positionen ist gekennzeichnet von zwei großen Bereichen: Zum einen müssen die Bewerber den fachlichen Anforderungen genügen und zum anderen müssen sie auch persönliche Merkmale aufweisen, die eine Eignung nahe legen. Das kommt in aller Regel im Anforderungsprofil einer Stellenanzeige deutlich zum Ausdruck.
Fachliche Qualifikation
Die geforderte fachliche Qualifikation richtet sich in erster Linie nach den Erfordernissen des Unternehmens und seines Organisationsgefüges. Wenn z. B. im Finanzwesen eines großen Unternehmens die Position „Sachbearbeiter Debitorenbuchhaltung“ zu besetzen ist, dann ist damit klar umrissen, wie das ideale Bewerberprofil auszusehen hat. Die Person muss Erfahrungen im Debitorenbereich haben. Liegen diese nicht vor, ist die Bewerbung für den Arbeitgeber uninteressant. Die Bezeichnung „Sachbearbeiter“ besagt zudem, dass eine deutliche Einordnung ins Unternehmensgefüge gegeben ist, in dem es eventuell noch einen Gruppenleiter und einen Abteilungsleiter gibt. Die fachliche Qualifikation hat drei wichtige Komponenten:
∙ qualifizierte Ausbildung
∙ fachliche Berufserfahrung
∙ fachliche „Kompatibilität“ zu anderen Mitarbeitern
Die Forderung nach qualifizierter Ausbildung bedeutet für die zu besetzende Position, dass der Bewerber solide Kenntnisse also von der Pike auf gelernt haben soll. Für viele Positionen ist dies eine Grundvoraussetzung, weil man andere Mitarbeiter nicht anlernen kann oder weil bei der zu besetzenden Position eine längere Anlernzeit einfach nicht möglich ist. Die Ausbildungserfordernisse werden in aller Regel in den Stellenanzeigen deutlich gemacht. Wo man lesen kann, dass auch eine vergleichbare Ausbildung reicht, signalisiert der Arbeitgeber, dass es ihm zwar auf eine fachlich fundierte Ausbildung ankommt, sie aber nicht unbedingt rein positionsbezogen sein muss. Beispiel: Eine Versandbuchhandlung suchte einen Sachbearbeiter für die Kundenbetreuung Ausland, in der Anzeige stand: „Ausbildung als Buchhändler, Bibliothekar oder vergleichbare Ausbildung“. Damit wurde signalisiert, dass man z. B. auch einen Verlagskaufmann einarbeiten würde.
Mit dem Hinweis auf fachliche Berufserfahrung wird bedeutet, dass die zu besetzende Position erstens nicht von einem Berufsanfänger ausgeübt werden kann und zweitens von ihrem Stellenwert her nur qualifiziert besetzt werden kann. Vielfach legen Arbeitgeber auch Wert darauf, neues, wenn nicht gar innovatives Know-how in Gestalt von Mitarbeitern „einzukaufen“, weshalb der fachlichen Berufserfahrung hohe Bedeutung zukommt. Die Wertigkeit der zu besetzenden Position bemisst sich – auch bezogen auf Berufserfahrungen – immer nach dem Organisations- oder Unternehmensgefüge. Der Arbeitgeber weiß anhand eines Organigramms genau, wo und in welcher Funktion was in welchem Umfang zu tun ist. Wenn z. B. ein erfahrener Fachmann ausfällt oder gar kündigt, wird er sehr rasch wissen, welche Folgen im Hinblick auf das Ergebnis zu erwarten sind, wenn die Position nicht bald wieder besetzt wird.
Man sieht, dass der Faktor Berufserfahrung durchaus ein Kostenfaktor sein kann. Doch mit der Berufserfahrung allein ist es oft nicht getan. Gerade wenn ein Team (und sei es noch so klein) für ein Ergebnis verantwortlich ist, muss es darauf ankommen, dass der neue Mitarbeiter oder die neue Mitarbeiterin sich nicht nur persönlich, sondern vor allem auch fachlich möglichst reibungslos einfügt. Dann spricht man im Anforderungsprofil von fachlicher Kompatibilität. Dieser Aspekt wird sehr oft von Bewerbern übersehen, leider gehen aber auch Arbeitgeber manchmal in Ermangelung geeigneter Bewerber hier Kompromisse ein, die sich störend auf die Teamarbeit auswirken. Deshalb sollten Sie als Bewerber besonders zu erfahren suchen, mit wem Sie Zusammenarbeiten werden. Damit erweisen Sie Ihr Interesse an der Firma und am Arbeitsplatz und gewinnen zudem eine gewisse Sicherheit für die eigene Beurteilung, ob der Arbeitsplatz für Sie geeignet ist.
Persönliche Qualifikation
Mitunter werden an den Bewerber um eine bestimmte Position konkrete persönliche Anforderungen gestellt. Dazu gehören Faktoren wie Alter, Geschlecht, Mobilität, Flexibilität und Belastbarkeit. In aller Regel finden sich diese Angaben in einer Stellenanzeige wieder; wenn nicht, wird der Arbeitgeber im persönlichen Gespräch überprüfen, ob der Bewerber seinen Vorstellungen entspricht. Obwohl es inzwischen gesetzlich normiert ist, dass Stellenausschreibungen grundsätzlich geschlechtsneutral zu erfolgen haben, gibt es immer wieder kleine Mogeleien, die für den außenstehenden Bewerber kaum zu durchschauen sind. Selbst wenn z. B. die Position eines Anzeigenleiters in einem Verlag für männliche und weibliche Bewerber ausgeschrieben wurde, heißt das noch lange nicht, dass sowohl Frauen als auch Männer gleiche Chancen hätten. Denn wenn das bisherige Team nur aus Frauen besteht, wäre es möglich, dass dort wiederum nur eine Frau erwünscht ist. Für den Bewerber ist es deshalb wichtig, im Bewerbungsgespräch sein neues Umfeld in dieser Hinsicht vorsichtig auszuloten.
Der Faktor Alter findet sich hingegen in vielen Stellenanzeigen, manchmal direkt, manchmal verschleiert. Wenn es heißt, dass ca. 5 Jahre Berufserfahrung erwartet werden, geht man von einer Person von ca. Mitte 20 aus. Wenn in einer Anzeige steht, Sie passen am besten zu uns, wenn Sie zwischen 40 und 45 Jahre alt sind, dann dürfen Sie voraussetzen, dass diese Position Berufs-erfahrung, menschliche Reife und Verantwortungsbewusstsein mit sich bringt. Ignorieren Sie nie die Alterswünsche der Arbeitgeber. Wenn die Mobilität in einer Stellenanzeige angesprochen wird, dann handelt es sich um einen Arbeitsplatz, der entweder Reisen oder sogar längere Aufenthalte z.B. in auswärtigen Niederlassungen des Unternehmens mit sich bringt. Solche Anforderungen findet man in letzter Zeit sehr häufig. Denn in manchen Positionen, besonders auf der Führungsebene, sind Reisen – auch ins Ausland – zwingend notwendig, wenn nicht gar Bestandteil der Position. Flexibilität kann hingegen vielerlei bedeuten: einmal die Bereitschaft zur Mobilität (siehe oben), zum anderen aber auch die Bereitschaft über die üblichen Arbeitszeiten hinaus tätig zu sein oder in angrenzenden Arbeitsgebieten bei Bedarf Aufgaben zu übernehmen.
Die Flexibilität als Arbeitstugend nimmt an Bedeutung immer mehr zu. Die Zeiten klar umrissener Arbeitsgebiete mit festen Arbeitszeiten sind weitgehend vorbei. Hochgeschätzt sind schließlich auch persönliche Qualifikationen wie Loyalität, Verschwiegenheit und Kooperationsbereitschaft. Solche Forderungen sind durchaus ernst zu nehmen, wenn sie in einer Anzeige stehen. Für die Kooperationsbereitschaft wird z. B. vorausgesetzt, dass Sie mit einer Vielzahl von Personen innerhalb und außerhalb des Betriebs gut zusammenarbeiten. Kooperationsbereitschaft bedeutet Kontaktfreudigkeit, die Fähigkeit, Anregungen und Wünsche von Mitarbeitern und Kunden aufzunehmen und umzusetzen, und auch das Vermögen, Rat entgegenzunehmen und Fehler zuzugeben. Die Loyalität ist für viele Positionen unerlässliche Voraussetzung, z.B., wenn Sie mit Umsatzzahlen oder anderen Interna in Berührung kommen. Auf solche persönlichen Erfordernisse muss man sich einstellen.