Mit ein bisschen Überlegung kann man die meisten Aufgaben in einzelne Komponenten unterteilen. Es gibt jedoch einige Ausnahmefälle, die ein bisschen Kreativität erfordern.
Eine Umfrage mit Hilfe einer Projektstruktur durchführen
Ihr Chef bittet Sie, abzuschätzen, wie lange Sie dafür brauchen, eine Befragung durchzuführen, um herauszufinden, welche Merkmale ein Produkt, das entwickelt werden soll, haben muss. Nach kurzer Überlegung schätzen Sie, dass Sie mit den Leuten in der Hauptniederlassung und in zwei Regionalniederlassungen sowie mit einem repräsentativen Querschnitt der aktuellen Kunden sprechen müssen. Sie sagen Ihrem Chef: Zwischen einem und sechs Monaten. Haben Sie auch schon einmal festgestellt, dass viele ein Problem damit haben, wenn man ihnen auf die Frage, wie lange etwas dauert, mit Zwischen einem und sechs Monaten antwortet? Sie sind der Meinung, dass Sie Ihr Ziel erreicht haben, wenn Sie in weniger als sechs Monaten fertig werden; Ihr Chef erwartet, dass Sie, wenn Sie sich ein bisschen anstrengen, in einem Monat fertig sein müssten. In Wirklichkeit haben Sie keine Ahnung, wie lange es dauern wird, weil Sie noch nicht genau wissen, aus welchen Tätigkeiten die Aufgabe im Einzelnen besteht.
Mit der Ausarbeitung einer Projektstruktur werden .Sie gezwungen, ein klares Bild von dem zu entwickeln, was Sie tun müssen, und somit auch zu erkennen, wie lange es dauert. Als Erstes beschließen Sie, drei verschiedene Arten von Befragungen durchzuführen: persönliche Interviews mit Personen aus der Hauptniederlassung, telefonische Befragungen mit Personen aus den beiden Regionalniederlassungen und die schriftliche Befragung einer Auswahl von Kunden. Alle drei Befragungen müssen weiter unterteilt werden, aber gehen wir einmal davon aus, Sie konzentrieren sich lediglich auf die schriftliche Befragung. Jemand, der schon einmal eine Befragung per Briet durchgeführt hat, würde Ihnen sagen, dass man dazu fünf Tätigkeiten erledigen muss:
✓ Eine repräsentative Gruppe von Kunden auswählen, die befragt werden soll: Sie
schätzen, dass es eine Woche dauert, bis Sie die richtigen Kunden ausgewählt haben, vorausgesetzt, dass es in der Vertriebsabteilung eine aktuelle Liste mit allen Firmenkunden gibt. Sie überprüfen das und die gewünschte Liste ist vorhanden.
✓ Einen Fragebogen entwickeln und drucken lassen: Sie haben Glück. Eine Kollegin erzählt Ihnen, dass sie der Meinung ist, eine ähnliche Befragung wäre schon einmal vor einem Jahr mit einer anderen Zielgruppe durchgeführt worden und es müssten noch irgendwo alte Fragebogen herumliegen. Sie Finden heraus, dass in einem Lager noch 1.000 dieser Fragebogen liegen, und als Sie sie überprüfen, stellen Sie fest, dass diese Fragebogen für Ihre Befragung perfekt geeignet sind. Wie viel Zeit benötigen Sie für die Entwicklung und den Druck der Fragebogen? Keine!
✓ Den Fragebogen verschicken und die Antworten sammeln: Sie sprechen mit den Verantwortlichen, die solche Befragungen schon einmal durchgeführt haben, und finden heraus, dass Sie die Durchführung der Befragung in drei Phasen vornehmen sollten, wenn Sie mit einer Rücklaufquote von 70 Prozent leben können: Den ersten Teil der Fragebogen verschicken und vier Wochen lang die Rückläufe sammeln. Dann den zweiten Teil der Fragebogen verschicken und wieder vier Wochen warten. Und schließlich muss zwei Wochen lang eine telefonische Nachfassaktion bei den Befragten durchgeführt werden, die noch immer nicht geantwortet haben.
✓ Erfassen und Auswerten der Daten: Sie schätzen, dass es ungefähr zwei Wochen dauert, die Datenmenge, mit der Sie rechnen, zu erfassen und auszuwerten.
✓ Den Abschlussbericht erstellen: Sie schätzen, dass Sie für die Erstellung des Abschlussberichts zwei Wochen brauchen.
Sie schätzen, dass Sie die schriftliche Befragung nicht in einem bis sechs Monaten, sondern in 15 Wochen durchführen können. Da Sie detailliert aufgelistet haben, welche Arbeiten erledigt werden müssen und wie Sie sie erledigen wollen, können Sie den zeitlichen Umfang nicht nur leichter abschätzen, sondern Ihre Schätzung ist auch zuverlässiger.
Sich wiederholende Tätigkeiten
Nehmen wir einmal an. Sie sollen eine Aufgabe erledigen, für die eine unbekannte Anzahl von sich wiederholenden Zyklen notwendig ist, beispielsweise die Freigabe eines Berichts, den Sie verfasst haben. Wenn diejenigen, die den Bericht überarbeiten sollen, ihn genehmigen, gehen Sie zur nächsten Tätigkeit über (zum Beispiel die Endversion schreiben). Wenn die Korrektoren den Bericht nicht genehmigen, müssen Sie deren Korrekturen einarbeiten und den Bericht ein zweites Mal vorlegen. Wenn er jetzt genehmigt wird, können Sie zur nächsten Tätigkeit übergehen; wenn nicht, müssen Sie ihn noch einmal überarbeiten (oder versuchen, die Korrektoren zu einem besseren Zeitpunkt zu erwischen).
Den Bericht zu überarbeiten, ist eine Konditionalaufgabe‘, eine Aufgabe, die ausgeführt wird, wenn bestimmte Bedingungen eintreten. Leider kann man in einer Projektstruktur keine Konditionalaufgaben darstellen. Jede Tätigkeit, die in den Plan aufgenommen wird, wird auch durchgeführt. Deshalb kann man solche Fälle nur auf zwei verschiedene Arten darstellen:
✓ Sie können eine Gesamtaufgabe als Bericht Korrektur lesen/überarbeiten definieren und dieser
Aufgabe eine feste Dauer zuordnen. Man könnte also sagen, dass man beliebig viele Wiederholungszyklen durchführen kann, solange man innerhalb dieser Zeitvorgabe bleibt.
✓ Man kann die Anzahl der Überarbeitungsgänge schätzen, die wahrscheinlich notwendig ist, um die
Freigabe zu bekommen, und jeden dieser Durchgänge in der Projektstruktur als einzelne Tätigkeit
definieren. Mit diesem Ansatz wird nach jedem Überarbeitungsgang ein Meilenstein festgelegt, mit
dessen Hilfe eine genauere Fortschrittsüberwachung möglich ist.
Wenn Sie mit drei Änderungsgängen rechnen, heißt das noch lange nicht, dass der Bericht auch wirklich nach der dritten Überarbeitung genehmigt wird. Wenn Ihr Entwurf schon nach dem ersten Durchlauf freigegeben wird, können Sie sofort zur nächsten Aufgabe übergehen (das heißt. Sie führen nicht noch zwei weitere Änderungsgänge durch, nur weil Sie sie eingeplant haben!). Wenn Sie aber auch nach der dritten Überarbeitung noch keine Freigabe haben, überarbeiten Sie das Dokument so lange und legen es immer wieder vor. bis Sie die Freigabe erhalten. Natürlich müssen Sie. wenn Sie die Freigabe endlich bekommen haben, dann noch einmal Ihren Plan dahingehend überprüfen, ob diese zusätzlichen Änderungsgänge Auswirkungen auf weitere Tätigkeiten haben und/oder ob der Zeitplan und die Budgets noch eingehalten werden können. Seien Sie sich immer darüber im Klaren, dass ein Plan keine Garantie für die Zukunft ist: er besagt lediglich, was Sie zu erreichen versuchen. Wenn Sie Ihren Plan nicht einhalten können, müssen Sie ihn umgehend und entsprechend den neuen Gegebenheiten modifizieren.
Eine Aufgabe erledigen, die sich nicht unterteilen lässt
Manchmal gibt es keine erkennbare Möglichkeit, eine Aufgabe in Zweiwochen-Intervalle zu un-terteilen. Und manchmal erscheint das auch nicht notwendig. Trotzdem sollten Sie auch diese Tätigkeiten in kleinere Teile unterteilen, um sich daran zu erinnern, dass Sie in regelmäßigen Abständen überprüfen müssen, ob die ursprünglichen Schätzungen für das Gesamtprojekt hinsichtlich des Zeitrahmens und der Ressourcen noch zutreffen. Egal, wie sorgfältig Sie planen, es kann immer etwas Unerwartetes passieren. Je eher Sie von solchen unerwarteten Ereignissen erfahren, desto mehr Zeit haben Sie. die negativen Auswirkungen auf Ihr Projekt zu minimieren.
Ein langfristiges Projekt
Ein langfristiges Projekt stellt eine ganz andere Herausforderung dar. Oft hangen die Aufgaben, die Sie in einem Jahr oder noch später erledigen müssen, von Ergebnissen von Tätigkeiten ab, die Sie vorher erledigen müssen. Selbst wenn Sie heute schon mit Sicherheit Vorhersagen könnten, wie diese Aufgaben gelöst werden, ändert es nichts an der Tatsache, je weiter Sie in die Zukunft planen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich etwas ändert und Sie Ihre Pläne modifizieren müssen.
Behalten Sie Ihr Projekt sorgfältig im Auge
Vor einigen Jahren lernte ich in einem meiner Seminare einen Ingenieur kennen. Schon kurze Zeit nach dem Seminar bekam er den Auftrag, für einen Kunden eine Anlage zu entwickeln und zu installieren. Als er in der Einkaufsabteilung nach den Rohmaterialien für diese Anlage fragte, wurde ihm gesagt, dass das Material in sechs Monaten geliefert werden würde. Man bat ihn, die Einkaufsabteilung zu benachrichtigen, falls er die Materialien bis zum zugesagten Termin noch nicht erhalten hätte. Da er jung und unerfahren und noch nicht lange im Unternehmen war, traute er sich nicht, etwas gegen diese eingefahrene Vorgehensweise zu unternehmen. Also wartete er sechs Monate. Als er nach sechs Monaten sein Material immer noch nicht hatte, informierte er die Einkaufsabteilung.
Der Chefeinkäufer bekam heraus, dass es fünf Monate zuvor bei dem betreffenden Lieferanten einen Brandschaden gegeben hatte und die Produktion unterbrochen war. Die Produktion war gerade eine Woche zuvor wieder aufgenommen worden und der Lieferant schätzte, dass die Lieferung in ungefähr fünf Monaten erfolgen könnte. In seiner Projektstruktur war die Tätigkeit Rohmaterial einkaufen lediglich als eine einzige Tätigkeit mit einer einzigen Dauer von sechs Monaten aufgenommen. Er war davon ausgegangen, dass ja, nachdem er die Bestellung aufgegeben hatte, fünfeinhalb Monate lang nichts weiter passieren würde. Erst dann würde die Arbeit an seiner Bestellung beginnen und das Rohmaterial würde in zwei Wochen ausgeliefert werden. Wie sollte er diese Aufgabe weiter unterteilen?
Ich schlug vor, dass er ja die Wartezeit in Intervalle von einem Monat hätte unterteilen können und er hätte am Ende jedes Monats prüfen können, ob in der Zwischenzeit etwas passiert war, das den Endtermin des Projekts beeinflussen könnte. Durch diese Rückversicherung hätte er zwar das Feuer nicht verhindern, aber schon fünf Monate früher davon erfahren und sofort seinen Plan ändern können. Wenn Sie eine Projektstruktur für langfristige Projekte entwickeln, tun Sie dies in verschie-denen Zyklen. Im Verlauf des Projekts verfeinern Sie Ihre Pläne immer mehr, weil Sie das Projekt und sein Umfeld immer besser verstehen lernen. Durch diese Planungszyklen berücksichtigen Sie, dass Unsicherheiten den Detaillierungsgrad und die Genauigkeit Ihres ursprünglichen Plans beeinträchtigen können und stellen gleichzeitig sicher, dass die genauer werdenden Informationen im Plan berücksichtigt werden, sobald sie bekannt sind. Gehen Sie bei dieser zyklischen Planung folgendermaßen vor:
1. Legen Sie detailliert (also in Tätigkeiten, die in höchstens zwei Wochen erledigt werden können) den Plan für die ersten drei Monate fest.
2. Planen Sie den Rest des Projekts etwas weniger detailliert, vielleicht in Abschnitte von einem bis zwei Monaten.
3. Am Ende der ersten drei Monate überprüfen Sie noch einmal Ihren ursprünglichen Plan und unterteilen die Aufgaben für die nächsten drei Monate in Teiltätigkeiten, die ebenfalls innerhalb von zwei Wochen erledigt werden können.
4. Wenn notwendig, modifizieren Sie. auf der Grundlage der Arbeit der ersten drei Monate, die in der Zukunft zu erledigenden Tätigkeiten,
5. Überarbeiten Sie Ihren Plan während des gesamten Projekts immer wieder in dieser Form.