Nutzen
Spüren Sie die Macht der Gedanken in Ihrem Körper. Um die Auswirkungen der Gedanken auf den Körper etwas näher kennenzulernen, versetzen Sie sich bitte in die folgende Situation (lesen Sie hierfür die Sätze langsam durch und lassen Sie die inneren Bilder auf sich wirken):
Übung 1
Sie kommen gerade nach Hause, nachdem Sie auf dem Markt eingekauft haben. Dort haben Sie bei Ihrem Gemüsehändler zwei Zitronen erworben, weil Sie gerne das neue Rezept Ihrer Kommilitonin Hähnchen in Zitrone ausprobieren möchten. Nun beginnen Sie mit der Vorbereitung des Gerichts. Sie holen eine Zitrone aus der Einkaufstasche und riechen an der Zitrone, um das Aroma zu testen. Nun legen Sie die Zitrone auf ein Küchenbrett und schneiden sie mit einem scharfen Messer in der Mitte durch. Bereits beim Schneiden strömt der Geruch der aufgeschnittenen Zitrone Ihnen entgegen. Um ganz sicher zu gehen, dass Sie die richtigen Zitronen gekauft haben, nehmen Sie eine Zitronenhälfte in die rechte Hand und lecken ganz leicht an der Schnittseite. Haben Sie etwas bemerkt? Den meisten Menschen läuft bei dieser kleinen Geschichte das Wasser im Munde zusammen.
Ergebnis
Machen Sie sich klar: Das passiert nicht etwa dadurch, dass Sie tatsächlich eine Zitrone in der Hand haben, sondern die körperliche Reaktion (das Wasser läuft im Munde zusammen) kam nur durch das Hineinversetzen, das Eintauchen in die Gedanken zustande.
Übung 2
Eine weitere Übung lässt sich aus einer Geschichte ableiten, die sich vielleicht in einem Shaolin-Kloster abspielen könnte:
Meister Lee führt seine sechs Schüler im Alter von zehn Jahren in einen Raum. Dort befindet sich ein zwei Meter langes, zwei Meter breites und zwei Meter tiefes Becken, also ein kleiner Swimmingpool mit angenehm warmem Wasser. Über dem Becken liegt ein dreißig Zentimeter breiter stabiler Balken. Meister Lee bittet nun seine Schüler nacheinander, über den Balken zu balancieren.
Die Schüler freuen und wundern sich über die leichte Übung und lösen einer nach dem anderen die Aufgabe mit Bravour. Nach dieser Übung führt Meister Lee die Schüler in einen zweiten Raum, der architektonisch ein Spiegelbild des ersten Raumes darstellt. Nun bittet Meister Lee seine Schüler, auch über diesen Balken zu balancieren.
Ich möchte zuerst dran kommen, ruft sein Schüler Hu und bittet seinen Lehrer um den Vortritt. Hast du dir das gut überlegt?, fragt ihn der Meister. Aber das ist doch ganz leicht. Meister Lee, antwortet der Schüler Hu etwas verwirrt.
Dann eröffnet der Meister seinen Schülern: Bevor ihr diese Übung macht, sollt ihr wissen, dass sich in diesem Becken Salzsäure befindet. Das Kindergrab hinter unserem Kloster stammt von einem Schüler, der vor zwei Jahren von dem Balken gefallen ist. Nun, wer möchte zuerst über den Balken laufen?. Im Raum herrscht Totenstille. Niemand traut sich an die Aufgabe des Meisters heran. Deshalb macht der Meister die Übung vor und spricht laut den Satz: Ich bin in der Lage, über diesen Balken zu laufen. Nur zögernd meldet sich einer der Schüler, hinter dessen Rücken der Schüler Hu sich versteckt: Ich würde es ja versuchen, aber ich denke immer, ich könnte in die Salzsäure fallen. Während er das sagt, zittert der Schüler leicht. Deshalb gibt Meister Lee die Instruktion: Der Balken ist 30 cm breit. Ich bin in der Lage, über diesen Balken zu laufen. Mit diesem Satz überquert der Schüler den Balken an der Hand seines Meisters vorsichtig und sicher. Schüler Hu denkt jedoch so sehr an seine Angst und die Möglichkeit, ins Becken zu fallen, dass er die Instruktion seines Meisters nicht hört. Obgleich auch er von dem Meister geführt wird, wäre er ins Becken gefallen, wenn der Meister ihn nicht festgehalten und weitergeführt hätte. Zum Schluss der Übung eröffnet der Meister seinen Schülern, dass sich auch in dem zweiten Becken lauwarmes Wasser befindet. Die Schüler erkennen nun den Sinn der Übung, den Meister Lee verdeutlichen wollte.
Ergebnis
Gedanken können sich so stark auf den Körper auswirken, dass eine leichte motorische Übung plötzlich nicht mehr bewältigt werden kann. Wie ein unsichtbarer Faden haben sie eine direkte oder indirekte Wirkung auf den Körper.
Übung 3
Machen Sie bitte auch noch die folgende Übung (Achtung: Halten Sie sich dabei gut an dem Treppengeländer fest). Gehen Sie zu einer kleinen Treppe, die Sie schon häufig benutzt haben. Diese Treppe stellt für Sie normalerweise nur eine kleine Hürde dar, bevor Sie Ihr Ziel (z.B. Wohnung, Hochschulgebäude) erreichen. Sie verschwenden normalerweise keinen Gedanken daran, dass Ihnen das Treppensteigen schwer fallen konnte oder dass diese Treppe für Sie überhaupt eine wirkliche Hürde darstellen könnte. Nun suchen Sie genau diese Treppe mit der inneren Einstellung auf, dass Sie auf der Treppe ausrutschen und sich beim Sturz ernsthaft verletzen könnten. Das möchten Sie natürlich unbedingt vermeiden. Um den möglichen Treppensturz zu verhindern, achten Sie auf jede Bewegung, die sie auf der Treppe machen. Konzentrieren Sie sich besonders auf Ihre Beine und Füße, beachten Sie jede Einzelheit bei der Koordination Ihrer Schritte.
Ergebnis
Wenn Sie die Übung richtig gemacht haben, werden Sie feststellen, dass Ihnen das Treppensteigen plötzlich sehr schwer gefallen ist. Für Außenstehende wirkte das vermutlich sehr ungeschickt und unbeholfen. Beim Treppensteigen waren die Gedanken (Erwartung eines Sturzes, Konzentration auf die Koordination der Beine und Füße) irgendwie störend. Vielleicht ging es Ihnen in der Übung wie dem Tausendfüßler in der Parabel, der seine Beine immer koordiniert bewegen konnte, bis er eines Tages über die Koordination seiner Beine nachdachte und stolperte.
Körperliche Symptome
Negative Gedanken können bei Menschen dazu beitragen, dass sich langfristig körperliche Symptome derart intensiv einstellen, dass der Betreffende fest davon ausgeht, es handle sich um eine organische Störung. Diese Störungen werden als somatoforme Störungen bezeichnet und zählen zu den häufigsten Erkrankungen, da ca. 10% der Bevölkerung darunter leiden. Die Bezeichnung somatoforme Störungen dient als Oberbegriff für eine Gruppe von Krankheiten, bei denen medizinisch unklare körperliche Symptome, Befürchtungen bezüglich körperlicher Erkrankung oder äußerer Entstellung im Vordergrund stehen. Die Störungen erscheinen körperlich verursacht, sind es jedoch nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand nicht. Patienten mit somatoformen Störungen hegen jedoch die Befürchtung oder Überzeugung, eine schwere körperliche Krankheit zu haben. Im Extremfall können negative Gedanken, insbesondere aufgrund traumatischer Erfahrungen, sogar so weit führen, dass spezifische körperliche Funktionen ausfallen, obgleich keine organische (neurologische) Erkrankung vorliegt. Solche Störungen werden in dem Klassifikationssystem der psychischen Störungen nach ICD-10 als Konversionsstörungen bezeichnet.
Übrigens: Die Psychosomatik ist das Lehrgebiet, das sich intensiv mit der Beziehung zwischen psychischen Prozessen (dazu gehören Gedanken) und den körperlichen Reaktionen und den Wechselwirkungen zwischen Psyche und Körper beschäftigt.
Das bringt Sie weiter
Wenn Sie den Eindruck haben, dass negative Gedanken bei Ihnen einen starken Einfluss auf unangenehme körperliche Symptome haben, dann kann Ihnen vielleicht ein Entspannungstraining weiterhelfen. Aber sprechen Sie dies bitte immer vorher mit Ihrem Hausarzt ab und lernen Sie die Technik unbedingt bei einem Profi (z. B. Psychologen)!