Auch wenn es den Reichen und Superreichen besonders gut geht: Wer sich zur Mittelschicht zählt, kann auch nicht klagen. Wie das Prognos-Institut ermittelte, verfügt derjenige, der im Zentrum des statistischen Spektrums steht, immerhin über ein Immobilienvermögen im Werte von 32 000 Euro und über ein Geldvermögen in Höhe von 25 500 Euro. Damit lässt sich doch schon etwas anfangen. Für die Dresdner Bank steht außer Frage, dass das Einkommen aus Geldvermögen in seiner Bedeutung immer mehr gewonnen hat. In den neunziger Jahren machte das Einkommen aus Arbeit um 21 Prozent aus, das Einkommen aus Vermögen jedoch um 34,5 Prozent. Also, Leute, ihr müsst euer Geld nur richtig anlegen! Auch da rechnet die Dresdner Bank ihren Kunden vor, dass man in 25 Jahren Millionär werden kann, wenn man monatlich zwischen 200 und 250 Euro anlegt – es kommt eben nur drauf an, wie.
Das Wichtigste ist, dass man den Schritt von der Darlehenswirtschaft zur Investitionswirtschaft wagt. Was bedeutet das? In der Darlehenswirtschaft verleiht man sein Geld an andere, damit die damit ihr Unternehmen aufbauen können und Profite machen. Dafür zahlen sie Zinsen, die natürlich geringer sind als die Gewinne, denn sonst würde sich für sie die ganze Veranstaltung ja nicht lohnen. Nichts anderes macht man ja mit seinem normalen Sparbuch, bloß dass man der Bank oder der Sparkasse auch noch ein ordentliches Häppchen abgibt. In der Investitionswirtschaft schlägt man sich gleich auf die Seite der Unternehmer und beteiligt sich am Unternehmen direkt – und damit auch an den zu erwartenden Gewinnen. Diesen Überlegungen sind bis zum Jahr 2000 immerhin über 11 Millionen Deutsche gefolgt, die Aktien oder Anteile von Aktienfonds gekauft haben. Seit 1992 ist die Zahl der direkten Aktienbesitzer von 3,98 Millionen um 56,4 Prozent gestiegen. Ich kann nur sagen: weiter so!
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass die Aktienbestände
der privaten Haushalte zwischen 1950 und 1999 außerordentlich stark gestiegen sind, nämlich von 3,4 Milliarden auf 87,5 Milliarden Euro, dass prozentual jedoch ihr Anteil am Aktienbesitz von 46,8 Prozent im Jahre 1950 auf 17,8 Prozent im Jahre 1990 zurückgegangen ist. Bis zum Jahr 1996 sackte er sogar auf 16,8 Prozent. Welchen Grund hat diese merkwürdige Entwicklung? Ganz einfach: Unternehmen, Banken und Versicherungen haben sich ebenfalls Aktien zugelegt. 1950 besaßen Unternehmen nur Aktien im Wert von 1,3 Milliarden Euro, das machte gerade mal 18 Prozent des Aktienbestands aus. 1990 hatten sich die prozentualen Verhältnisse des Aktienbesitzes dann fast umgekehrt. Da besaßen die Unternehmen nämlich 43,4 Prozent. Das Deutsche Aktieninstitut ist mit dieser Entwicklung nicht besonders glücklich. Besser wäre es, wenn mehr Privatleute über Aktien verfügten und so die geballte Macht von Unternehmen, Banken und Versicherungen etwas eindämmen könnten. In den USA und in Großbritannien besitzt schon jeder zweite Haushalt Aktien.
Warum kauft also nicht jeder Bundesbürger Aktien? Auf diese Frage hat das Deutsche Aktieninstitut Antworten gesammelt, die man mögen kann oder auch nicht. Es hat ermittelt, dass der durchschnittliche Geldanleger 30 bis 40 Jahre alt ist und männlich. Er befindet sich in leitender Angestelltenfunktion, ist selbstständig oder Beamter, und er hat ein Nettoeinkommen zwischen 3 000 und 4 000 Euro im Monat. Das ist natürlich viel Geld, aber vielleicht sollten sich die Leute, die netto etwas weniger in der Lohntüte haben, auch mal überlegen, was sie mit ihrem Geld Sinnvolles anstellen könnten. Immerhin sagen mehr als 50 Prozent in der für Anleger typischen Altersklasse, dass sie zurzeit kein oder zu wenig Geld zum Anlegen hätten. Dass sie sich mit Aktien zu wenig auskennen würden, ist das Argument von weniger als einem Drittel der Befragten. Man könnte also sagen, das Know-how ist da, aber die Kohle fehlt. Das Aktienrisiko spielt nicht einmal für ein Viertel von ihnen eine Rolle, und dass Aktien nur was für reiche Leute seien, glauben lediglich 12 Prozent. Also, was denn nun? Informationen haben sie, welche Aktien gerade attraktiv sind, nur 14,4 Prozent glauben nicht zu wissen, was gerade läuft, für 90 Prozent ist auch das Geschehen an der Börse transparent, und die Gebühren und Spesen sind nur für rund 7 Prozent zu hoch.
Im Grunde genommen behaupten alle, sie wüssten Bescheid, und die Konditionen wären auch nicht schlecht – und kneifen trotzdem. Das kann doch wohl nicht sein! Eigentlich sollte man den 11 Millionen, die den anderen jetzt schon vormachen, wie es geht, ein Denkmal setzen. Dafür gäbe es übrigens auch noch andere Gründe. Denn der deutsche Kleinanleger hat im vergangenen Jahr so extreme Situationen und Härtetests durchstehen müssen wie seit 1994 nicht mehr. Viel Geld und viele Hoffnungen sind im Börsenjahr 2000 im Neuen Markt verbrannt worden. Was hatte man dem Kleinanleger nicht alles für Versprechungen gemacht! Aber er hat nicht groß gejammert oder die Analysten beschimpft, die hoch bezahlten und raren jungen Damen und Herren, die früh das Börsengras wachsen zu hören glaubten und voll auf die Nase fielen. Nicht einmal Ron Sommer wurde in die Wüste gejagt, obwohl dessen zwei Börsennummern, T-Aktie und T-Online, extrem schlecht liefen und die Leitfiguren aus der Werbung, Manfred Krug und Robert T-Online, nach den Börsengängen sang- und klanglos verschwanden. Erst die Leute heiß machen, besonders bei der dritten Tranche der T- Aktie, und dabei geschickt die drohende Zuteilung an die Wand malen (Motto des Kleinanlegers: Hoffentlich kriegen wir welche, Liebling …), dann den Markt entscheiden lassen. Und der ist nun einmal gnadenlos. Von wegen Shareholder-Value.
Aber gut, 2000 ist vorbei. Und wie immer kamen die Bedenkenträger, die alles haben kommen sehen, zu spät.