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Dauerkrise in der Hauptstadt, Bankgesellschaft Berlin neue Fakten

Die EU-Kommission hat nicht nur die WestLB ins Visier genommen, sondern 2002 auch die schwer angeschlagene Bankgesellschaft Berlin. Das Berliner Institut, an dem das Land Berlin mit einem Anteil von 56,6 Prozent Mehrheitsaktionär ist, soll Zinsen aus der Übertragung von Wohnungsbaugesellschaften aus dem Eigentum des Landes Berlin an die Bank nachzahlen. Damit trifft die EU-Kommission eine Bank, die nach jahrelangem Missmanagement am Rande der Pleite steht.

Hochfliegende Erwartungen am Start
Entstanden ist die Hauptstadtbank 1994 durch den Zusammenschluss der damals schon schwächelnden Berliner Bank AG, der Berlin-Hannoverschen Hypothekenbank AG und der Landesbank Berlin-Girozentrale. Die Bankgesellschaft wurde als Muttergesellschaft mit Holdingfunktionen ausgestattet. Schon diese Konstruktion war ein Missgriff: Die drei Tochterbanken entwickelten in den folgenden Jahren ein hochriskantes Eigenleben und schotteten sich gegen die Eingriffe der Muttergesellschaft ab. Doch für solche Feinheiten betriebswirtschaftlicher Organisationslehre hatten die Gründerväter der Bank, allen voran der Berliner Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) und sein Parteifreund Klaus Landowsky, wenig Interesse. Die beiden Unionspolitiker träumten vielmehr von einer mächtigen Hauptstadtbank, die im internationalen Wettbewerb der großen Finanzinstitute mithalten kann. Auch der Berliner SPD gefiel die Vision, sie half kräftig mit, das Projekt einer Großbank für die neue Weltmetropole Berlin anzuschieben. Zum ersten Aufsichtsratschef wurde der überzeugte Berliner und damalige Daimler-Benz-Vorstandschef Edzard Reuter ernannt.

Doch schon bald verstrickten sich die drei Institute unter dem Dach der Berliner Bankgesellschaft in Grabenkämpfe. Gleichzeitig waren sie aber jeder für sich genommen zu schwach, um die hohen Erwartungen zu erfüllen. Durch die Expansion um jeden Preis türmten sich immer höhere Risiken auf. Besonders die Immobilientochter Berliner Hyp ging immer waghalsigere Immobiliengeschäfte ein. Die Banker finanzierten alles – Neubauten, Platte und jedes Prestigeobjekt, für das sich die Berliner Politiker begeisterten.

Zwei Jahre nach der Gründung, im Herbst 1996, fielen bereits Wertberichtigungen von zwei Milliarden € an. Die beiden Vorstandssprecher Wolfgang Steinriede und Hubertus Moser mussten Ende des Jahres gehen. Aufsichtsratschef Reuter setzte daraufhin den früheren BHF-Banker Wolfgang Rupf an die Spitze der Bankgesellschaft. Rupf hatte zwar keinerlei Erfahrung im Management einer öffentlich-rechtlichen Bank, fand aber dafür größten Gefallen an den Größenfantasien, die die Berliner Politik der Bank in die Wiege gelegt hatte. Auch Rupf wollte den Expansionskurs fortsetzen und die Bank zu einem der größten Immobilienfinanzierer Deutschlands machen. Darüber hinaus ließ Rupf durch- blicken, dass er für die Berliner Bankgesellschaft an eine Übernahme der BHF, also seinen früheren Arbeitgeber, oder aber der BfG-Bank denke. Auch einen Zusammenschluss der Sparkassen von Berlin, Hannover, Hamburg und Potsdam hielt der neue Bankchef für eine attraktive Alternative.

Riskante Immobiliengeschäfte
Aus dem Aufschwung der Bank wurde jedoch nichts. Schon 1996 geriet die Konjunkturentwicklung im Osten ins Stocken. Die Insolvenzen erreichten Rekordhöhen, die Zahl der Arbeitslosen ebenfalls. Die Bankgesellschaft bekam die negative Seite des Strukturwandels in Berlin voll zu spüren.

Im Mai 1997 schien sich die Konjunktur in der Hauptstadt wieder etwas zu stabilisieren, der zaghafte Aufschwung ließ die Banker allerdings wieder leichtsinnig werden – in der Erwartung eines neuen Booms am Immobilienmarkt reduzierten sie die Kreditvorsorge kräftig und besserten dadurch ihr Jahresergebnis auf. In diesem Jahr begannen auch die Gespräche mit der Nord/LB über ein Zusammengehen beider Häuser. Ein Jahr lang wurde verhandelt, im März 1998 stimmten die Anteilseigner, vor allem die niedersächsische Landesregierung und der Berliner Senat, dem Fusionskonzept zu: Danach sollte das gesamte Stammkapital der Nord/LB per Sacheinlage in die Bankgesellschaft Berlin AG eingebracht werden. Darüber hinaus hatte sich die Bankgesellschaft zur Zahlung von zusätzlich 1,3 Milliarden € an die Nord/LB-Eigner verpflichtet. Weitere 1,5 Milliarden € sollten an das Land Berlin gezahlt werden, das im Gegenzug auf alle ihm zustehenden zukünftigen Gewinne der Landesbank Berlin verzichten wollte. Doch bevor der Plan umgesetzt werden konnte, kippte die Konjunktur und die Bankgesellschaft musste wieder neue Wertberichtigungen ihrer dramatisch gestiegenen Immobliengeschäfte vornehmen.
Die Nord/LB hielt diese Risiken für nicht mehr vertretbar und sagte im Oktober 1998 den Zusammenschluss ab, der zum 1. Januar 1999 hätte in Kraft treten sollen.

Bankgesellschafts-Chef
Rupf musste alleine weitermachen. Er verkündete ein umfangreiches Restrukturierungsprogramm um den Konzern zu straffen. Im Mai 1999 legte Reuter den Aufsichtsratsvorsitz nieder. Neuer Chef des Kontrollgremiums wurde der Frankfurter Rechtsanwalt Dieter Feddersen.

Gut ein Jahr später brach die Krise mit voller Wucht über den Vorstand und seine Räte herein: Die Immobiliendienstleistungstochter IBG hatte einen Verlust von rund 750 Millionen Euro angehäuft. Dieses Defizit war aufgelaufen, weil die Immobilientochter Mietgarantien bei den zahlreichen Immobilienobjekten ausgleichen musste. Die Bankgesellschaft hatte ein großes Rad gedreht, das Volumen ihrer geschlossen Immobilienfonds hatte sich seit Rupfs Amtsantritt auf neun Milliarden Euro verdreifacht. Weil aber die Objekte kaum die den Anlegern versprochenen Garantiemieten einbrachten, musste die IBG die Differenz zahlen.

Von da an ging es steil bergab, im Monatstakt kamen neue Risiken hoch: Im Januar 2001 meldete die Berliner Hyp, bei der der Unionspolitiker und langjährige Vorsitzende der CDUFraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, Klaus Landowsky, den Vorstand führte, eine Schieflage bei einem Kredit an die Wohnungsbaufirma Aubis in Höhe von 300 Millionen Euro. Die Aubis gehörte Landowskys alten Parteifreunden Klaus Hermann Wienhold und Christian Neuling. Als wenig später auch noch bekannt wurde, dass Landowsky eine Barspende von der Aubis für die CDU angenommen hatte, brach ein Sturm der Empörung in der Berliner Presse los, der schnell ein bundesweites Echo fand. Weitere Enthüllungen über Landowskys Kreditvergabe folgten. So habe der CDU-Politiker gern auch seinen Parteifreunden mit Krediten der Bankgesellschaft ausgeholfen und diese auch schon mal abgeschrieben, wenn die Kreditnehmer klamm waren. Oder er sponserte mit dem Geld der Bank den Promitennisclub LTTC Rot-Weiß in Grunewald, in dem er selbst Mitglied war.

Milliardenverluste kippen die Berliner Koalition
Im Mai 2001 trat Klaus Landowsky als Fraktionsvorsitzender der Berliner CDU schließlich zurück. Die Bankgesellschaft schockte ihre Anteilseigner mit neuen Horrorzahlen, Kredite in der Höhe von fünf Milliarden € seien beobachtungswürdig30. Zudem rügte die Bankenaufsicht die Vergabepraxis, die bei der Berliner Bankgesellschaft bei Immobilienfinanzierungen üblich war. Im April war bereits im Berliner Abgeordnetenhaus ein Untersuchungsausschuss eingesetzt worden, nachdem der Finanzsenator Peter Kurth den Verlust auf drei bis fünf Milliarden € beziffert hatte. Um den Bankkonzern zu retten, musste der Senat eine Patronatserklärung abgeben. Der zusätzliche Kapitalbedarf der Bankgesellschaft wurde vom Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen mit insgesamt vier Milliarden € angegeben.

Und so musste der Berliner Senat einen rigorosen Sparkurs beschließen, um überhaupt einen Etat für die Bundeshauptstadt aufstellen zu können. Darüber zerbrach schließlich die große Koalition zwischen CDU und SPD. Der SPD-Politiker Klaus Wowereit wurde Regierender Bürgermeister von Berlin an der Spitze eines rot-grünen Übergangssenats.

Immer wieder melden sich Interessenten, die den angeschlagenen Bankkonzern ganz oder in Teilen übernehmen wollen. Zu den ersten Bewerbern, die noch im Sommer des Jahres 2001 ein Angebot angekündigt hatten, gehörte auch der US-Investor Christopher Flower. Im Juli gab der Deutsche Sparkassen- und Giroverband eine Offerte für das Sparkassengeschäft der Bankgesellschaft ab.

Auf der Hauptversammlung der Bankgesellschaft im August 2001 musste sich Vorstandschef Rupf wütenden Anlegern stellen. Der Aufsichtsrat verzichtete darauf, den Antrag auf Entlastung des Vorstands vorzulegen. Im Oktober begann die Staatsanwaltschaft auch gegen den früheren Berliner-Hyp-Vorstand Landowsky wegen Untreue zu ermitteln, seine Immunität als Abgeordneter wurde jedoch nicht aufgehoben.

Wenig später musste die Immobilientochter IBAG eine Schiefläge von 1,22 Milliarden € melden, im Sommer war diese Summe noch mit 500 Millionen beziffert worden.

Im November sagte dann die Nord/LB, die einen zweiten Anlauf unternommen hatte, zusammen mit der Hamburger Sparkasse die Berliner Bankgesellschaft zu übernehmen, alle weiteren Gespräche ab. Die Informationen über die wirtschaftliche und finanzielle Lage des Schuldenkonzerns seien nicht ausreichend.

Nun endlich trennte sich der Aufsichtsrat von Vorstandschef Rupf. An seine Stelle setzte die damalige Interimsfinanzsenatorin Christiane Krajewski den Immobilienfachmann Hans-Jörg Vetter. Allerdings entschied sie sich für den forschen Manager mit seinem im deutschen Geldadel unüblich ruppigen Auftreten erst, nachdem zwei prominente Vertreter aus dem deutschen Bankgewerbe wegen zu hoher Gehaltsforderungen von sechs bis acht Millionen € – wie das Manager Magazin berichtete – ausgeschieden waren. Der neue Vorstandschef Vetter erkor sich einen hochkarätigen pensionierten Banker zum Berater: Michael Endres, einst Vorstandsmitglied der Deutschen Bank, soll dem Neuling helfen, die Bank zu retten.

Die Bilanz dieses mehr als acht Jahre währenden Missmanagements von Bankern und Politikern ist verheerend: 4.000 Arbeitsplätze wurden gestrichen, die Aktionäre konnten dem Verfall ihrer Wertpapiere zuschauen: Von knapp 26 Euro im Jahr 1997 sank das Papier auf 1,91 Euro im Juni 2002. Das Land steckte nach den Finanzspritzen und der Übernahme von Milliarden Risiken in einer schweren Finanzkrise, die Berliner müssen unter der Finanznot leiden und Abstriche in vielen Bereichen hinnehmen. Am Ende wird der Steuerzahler die Zeche zahlen. Wirklich profitiert hat eigentlich nur der Ex-Bankchef Rupf: Er bekam noch Ende 2000 einen neuen Fünfjahresvertrag.