Millionen von Schulkindern kennen diesen Namen, er prangt auf Schulheften, Ringbüchern, Schreibpapier und Zeichenblöcken. Seit 1904 beliefert die Berliner Firma Herlitz ABC-Schützen wie Gymnasiasten mit ihren Erzeugnissen. Erst als Großhandlung, seit 1953 aus eigener Produktion. Seit dem 3. April 2002 ist das Traditionsunternehmen pleite, der bisher letzte Vorstandschef Christian Supthut hat einen Insolvenzantrag beim Amtsgericht Berlin-Charlottenburg gestellt. Jetzt prüft der vom Gericht bestellte Insolvenzverwalter, der Rechtsanwalt Peter Leonhardt, ob die fast 100 Jahre alte Firma wenigsten in Teilbereichen gerettet werden kann. 3.000 Mitarbeiter bangen um ihre Arbeitsplätze.
Der Aktienkurs des seit 1977 an der Börse notierten Unternehmens sank bereits im Verlauf Vortages, als die Gerüchte über die drohende Zahlungsunfähigkeit des einstigen Familienunternehmens immer konkreter wurden, um 35 Prozent auf 0,90 Euro. Vor einem Jahr kostete das Papier noch knapp fünf Euro. Im Jahr 1994 notierte der Kurs noch bei mehr als 100 Euro.
Managementfehler
Der Absturz kam auf Raten: Allzu großzügig hatte der größte deutsche Schreibwarenhersteller expandiert, Tochtergesellschaften gegründet und in neue Vertriebswege investiert. Doch dann ruinierten neue Konkurrenten wie der US-Anbieter Staples die Margen in einem ohnehin schrumpfenden Markt. Schwer zu schaffen machte Herlitz aber auch der Verlust der Berlin-Beihilfen, die das Unternehmen bis zur Einstellung der Subventionen Ende 1994 kassiert hatte. Ein Jahr später begann der Absturz in die Miesen. Der Bau eines überdimensionierten Logistikzentrums, das jährlich 20 Millionen Euro an Leerstandskosten verursacht, beschleunigte die Talfahrt. Obendrein schwächten häufige Wechsel in der Chefetage die Verhandlungsposition des Managements gegenüber den Banken und behinderten immer wieder die Sanierungsarbeit.
Im März 2001 hatte schließlich ein Bankenkonsortium 70 Prozent der Herlitz-Aktien übernommen. Die Schulden beliefen sich auf insgesamt 350 Millionen Euro bei einem Umsatz von rund 500 Millionen Euro.
Zu den größten Kreditgebern gehörten die HypoVereinsbank mit 17 Prozent, und die schwer angeschlagene Bankgesellschaft Berlin mit 15,15 Prozent. Die Deutsche Bank ist mit 13,10 Prozent beteiligt, die Westdeutsche Landesbank mit 9,14 Prozent und die Bayerische Landesbank mit 7,72 Prozent. Weitere Kreditgeber sind die Dresdner Bank, das Bankhaus Delbrück, die DZ Bank sowie Trinkaus ft Burkhardt.
Im Februar 2002 wurden einige der Geldgeber unruhig und drohten die Kreditlinien zu kappen. Den Vorwand für den Ausstieg lieferten die Unternehmensergebnisse des Geschäftsjahres 2001. Der Verlust war mit 50 Millionen Euro mehr als doppelt so hoch ausgefallen wie das vorher prognostizierte Minus von 20 Millionen Euro. Der Umsatz war durch die schlechte Konjunkturlage sowie den Verkauf von Tochtergesellschaften in Portugal und Frankreich um rund 20 Prozent auf 438 Millionen Euro eingebrochen.
Wurde die Reißleine zu früh gezogen?
Als die Banken die Reißleine zogen, war Herlitz bereits – so jedenfalls die Stellungnahme von Vorstandschef Supthut in der FAZ – auf dem Wege der Besserung: Der Insolvenzantrag sei bedauerlich, weil er zu einem Zeitpunkt komme, in dem Herlitz erstmals positiv vom Plan abweiche. Herlitz habe sich von Geschäftsbereichen getrennt. Im ersten Quartal sei das Ertragsziel um vier Millionen Euro übertroffen worden, wird Herlitz-Vertriebsvorstand Norbert Strecker in der Zeitung zitiert. Saisonbedingt sei allerdings ein – nicht bezifferter – Verlust entstanden. Dennoch waren die beiden Herlitz-Manager zuversichtlich, dass der Schreibwarenhersteller trotz eines operativen Verlustes für das Gesamtjahr, 2003 eine Umsatzrendite von zwei bis drei Prozent schaffen könne – wenn die Firma von ihren Altlasten befreit würde.
Soweit mochten die Kreditinstitute jedoch nicht mehr gehen. Unter der Führung der Deutschen Bank forderte das Konsortium vom Berliner Senat und der Landesregierung Brandenburgs eine Bürgschaft über 20 Millionen Euro. Als die Politik nur neun Millionen Euro anbieten konnte, senkten die Banker den Daumen.
Jetzt versucht der Insolvenzverwalter zu retten, was noch zu retten ist. Für die Banken ist eine Verwertung der Firma, wenn sich bereits erste Sanierungserfolge abzeichnen, keine unprofitable Lösung. Die Filetstücke können leichter und zu besseren Preisen abgestoßen werden. Die restlichen Verluste werden ohnehin vergesellschaftet, sie helfen mit, die Steuerlast der Banken zu senken.
Für Management und Belegschaft des Traditionshauses Herlitz bleibt die bittere Erkenntnis, dass die Banken mit zweierlei Maß messen. Während einige Unternehmer mit luftigen Sicherheiten und windigen Prognosen Kredite in Milliardenhöhe abgreifen konnten, werden mittelständische Unternehmen mit handfesten Produkten und langer Firmengeschichte kurzgehalten und schneller fallen gelassen. Erst nachdem der Berliner Senat mit einem Massekredit von 15 Millionen Euro die Fortführung der laufenden Geschäfte gesichert hatte, waren auch die Banken bereit, Herlitz eine weitere Chance zu geben.