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Die Berg-und-Tal-Fahrt im Fall mit WestLB

Die Frankfurter Großbanker hatten lange auf eine Gelegenheit gewartet, sich an Neuber und an seiner Bank schadlos halten zu können. Die feinen Herrschaften der großen Geldhäuser irritierte weniger sein barocker Lebensstil, seine Trinkfestigkeit und seine Nähe zu den Sozialdemokraten in Nordrhein-Westfalen als vielmehr der Nutzen, den der gewiefte Finanzmann Neuber aus dem Status seiner Bank als öffentlich-rechtliches Institut ziehen konnte.
Unter Neubers Führung war die WestLB zu einem der größten Kreditinstitute Deutschlands aufgestiegen. Die Bilanzsumme wuchs in den 20 Jahren seiner Regentschaft von 124 Milliarden auf 782 Milliarden €. Damit hatte die WestLB sogar den ewigen Dritten in der deutschen Bankenlandschaft, die Commerzbank, überholt. Während Neubers Amtszeit hatte sich die Regionalbank zu einem der großen Powerhäuser mit eigener Investmentbank gemausert. Die nordrhein-westfälischen Landesbanker hatten Zweigstellen und Repräsentanzen in 18 europäischen Staaten eröffnet und sind weltweit in 35 Ländern vertreten. In Asien finanziert die Bank den Bau von Hafen- und Kraftwerken, in Nordamerika sind es Projekte im Energiebereich, in Europa engagiert sich die Bank im Telekommunikationssektor, bei Infrastrukturprojekten sowie im Tourismus und im Flugverkehr. In Großbritannien führte sie das Konsortium, das den Neubau des Londoner Wembley-Stadions mit einem Gesamtkostenvolumen von 1,1 Milliarden Euro finanzierte. Die WestLB sollte dabei ein Finanzierungspaket für rund die Hälfte der Kosten schnüren.

So richtig in Fahrt kam Banker Neuber aber erst, wenn er über Beteiligungen im großen Stil Industriepolitik betreiben konnte. Jahrelang herrschte Neuber zudem über die Chartergesellschaft LTU, die Kaufhaus-Reisetochter ITS und den Reiseveranstalter TUI. Mit diesen Engagements hatte Neuber die Entwicklung des Tourismusmarktes entscheidend beeinflusst und beim Umbau des Maschinen- und Anlagenbauer Preussag zum Ferienveranstalter TUI kräftig nachgeholfen. Die WestLB erweiterte ihr Imperium zudem durch das Zusammengehen mit anderen Landesbanken.

Die Großbanken versuchten, den Macht- und Geschäftszuwachs des Düsseldorfer Powerhauses mit allen Mitteln zu bremsen. Immer wieder wurden sie bei der EU-Kommission vorstellig und beschwerten sich über die Wettbewerbsverzerrungen, die im deutschen Markt durch die öffentlich-rechtlichen Landesbanken entstünden. Weil sie nicht den Haftungsbedingungen und Mindestreserveauflagen der privaten Bankwirtschaft unterlägen, könnten sie sich günstiger refinanzieren und billigere Kredite vergeben. Für die Schieflagen der Landesbanken müsste die jeweilige Landesregierung (und damit der Steuerzahler) einspringen.
Nach jahrelangem Streit einigten sich die EU und die Landesbanken darauf, bis zum Jahr 2005 ihre Organisation zu teilen: Die Finanzierung der landespolitischen Strukturpolitik hat die öffentlich-rechtliche Landesbank NRW übernommen, die kommerziellen Bankgeschäfte die WestLB AG, bei der jetzt die Sparkassen das Sagen haben. Seit 1. Juli 2005 fielen – auf Druck der EU- Kommission – die Staatsgarantien weg, die bisher für die erstklassige Bonität des Instituts gesorgt hatten.

Bei der alten WestLB war die EU-Kommission aber noch auf ein spezielles Problem gestoßen. Die Übertragung von Wohnungseigentum des Landes auf die WestLB zu Beginn der 1990er Jahre wurde nach Ansicht der EU-Wettbewerbshüter zu einem deutlich zu niedrigen Zinssatz vollzogen. Nach langer Prüfung der Umstände deklarierte Brüssel diese Zuwendung 1999 als unzulässige Beihilfe und forderte die WestLB auf, Zinsen in Höhe von mehr als 800 Millionen € nachzuzahlen.
Das waren aber längst noch nicht alle Altlasten, die Neubers Nachfolger Jürgen Sengera abarbeiten musste. Zu den weniger gelungenen Deals der WestLB zählte auch das Engagement der Bank im Formel-1 -Rennsport. So hatte sie 1998 als Konsortialführerin eine Anleihe über 1,4 Milliarden Dollar für die Formel- 1-Tochter Formula One Finance BV auf den Markt gebracht. Weil die Anleihe jedoch nicht zu platzieren war, musste die WestLB Papiere im Wert von rund einer Milliarde Euro ins eigene Portfolio nehmen. Außerdem hatte sich die WestLB bei den Börsendebüts von Infomatec und EM.TV kräftig ins Zeug gelegt, deren Gründer und Manager die Aktionäre mit betrügerischen Machenschaften über den Tisch gezogen hatten.

Zu den gröbsten Fehlgriffen aus der Zeit nach Neuber gehörte allerdings das Engagement der Bank bei der britischen TV-Leasinggesellschaft Box Clever. Nachfolger Jürgen Sengera hatte der Bank einen neuen Kurs verpasst: den Aufbruch in Richtung internationale Investmentbank und Vermögensverwalter. Erst im Jahr 2004 gelang es der Bank, diese Bürde wieder loszuwerden. Die beiden US-Investmentgesellschaften Fortress Investor Group LLC und Cerberus Capital haben die notleidende Gesellschaft übernommen – für 290 Millionen Euro. Die WestLB blieb auf einem Verlust von 600 Millionen Euro sitzen. Box Clever kostete auch Sengera Mitte 2003 den Job und beschäftigt noch heute die Gerichte.