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Einen Auslastungsfaktor berücksichtigen – Projektmanagement Methoden

Sie sollten darüber nachdenken, einen gesonderten Auslastungsfaktor mit einzukalkulieren, wenn Sie Ihre Schätzungen aufgrund der persönlichen Meinung von Personen vornehmen, die mit ähnlichen Tätigkeiten bereits Erfahrungen gesammelt haben oder die die jeweiligen Tätigkeiten in Ihrem Projekt durchführen sollen.
Zunächst bitten Sie den betreffenden Mitarbeiter, den notwendigen Arbeitsaufwand zu schätzen, und zwar so, als wäre die Auslastung 100 Prozent. (Mit anderen Worten: Kümmern Sie sich nicht um die normalen Unterbrechungen während eines Arbeitstages, gehen Sie davon aus. dass Sie immer nur eine Aufgabe gleichzeitig erledigen und so weiter.) Erst dann nehmen Sie sich den Schätzwert vor und modifizieren ihn folgendermaßen:
✓ Wenn Sie Ihre Arbeitszeit akkurat in einem Zeitplan erfassen, in dem es eine oder mehrere Rubriken für nicht-projektbezogene Tätigkeiten gibt, rechnen Sie keinen Auslastungsfaktor mit ein.
✓ Wenn Sie Ihre Arbeitszeit exakt in einem Zeitplan erfassen, in dem es keine Rubrik für nicht-projektbezogene Tätigkeiten gibt, rechnen Sie einen Auslastungsfaktor mit ein.

Sie schätzen, dass jemand 30 Personalstunden für eine bestimmte Aufgabe benötigt (wenn er zu 100 Prozent ausgelastet arbeiten könnte), und in seinem Zeiterfassungsplan gibt es keine Rubrik für nicht-projektbezogene Tätigkeiten. Wenn Sie seine tatsächliche Auslastung mit 75 Prozent beziffern würden, sollten Sie 40 Personalstunden für diese Aufgabe einplanen (75 Prozent von 40 Stunden ergeben 30 Personalstunden – die Zeit, die tatsächlich notwendig ist). Wenn Sie den Faktor Auslastung bei der Schätzung des Arbeitsaufwands und bei der Überprüfung der tatsächlich investierten Stunden vernachlässigen, führt das möglicherweise zu falschen Rückschlüssen bezüglich der Leistung einzelner Teammitglieder.

Stellen Sie sich vor, am Montagmorgen überträgt Ihr Vorgesetzter Ihnen ein Projekt. Er teilt Ihnen mit, dass seiner Meinung nach 40 Personalstunden für die Erledigung notwendig sind, dass er die Ergebnisse aber bis Freitag zum Feierabend benötigt. Stellen Sie sich weiter vor, dass Sie während der ganzen Woche intensiv an diesem Projekt arbeiten und die Aufgabe tatsächlich bis Freitag-nachmittag beenden. Während dieser Zeit haben Sie die Arbeitszeiten erfasst und es stellt sich heraus, dass Sie 55 Personalstunden für dieses Projekt aufgewendet haben.

Unterscheiden Sie sorgfältig zwischen Auslastung und Verfügbarkeit
Vor einiger Zeit lernte ich in einem meiner Seminare jemanden kennen, der davon überzeugt war, den Faktor Auslastung mit einzukalkulieren, wenn er den Bedarf an Ressourcen für sein Projekt ermittelte. Er erklärte mir, dass in seinem Unternehmen eine interne Studie durchgeführt worden war, bei der herauskam, dass der durchschnittliche Mitarbeiter in diesem Unternehmen 25 Prozent seiner Arbeitszeit aufgrund von Krankheit, Urlaub, Feiertagen und betriebsbedingter Abwesenheit nicht am Arbeitsplatz verbrachte. Deshalb definierte er volle Verfügbarkeit mit 120 Personalstunden pro Monat, was 75 Prozent der schätzungsweise 160 Stunden pro Monat betrug, die jemand am Arbeitsplatz ver-brachte. (Auf die 160 Stunden kam er, indem er acht Stunden pro Tag mit fünf Tagen pro Woche und vier Wochen pro Monat multiplizierte – zugegebenermaßen ist das nur ein Näherungswert.)

Ich erklärte ihm, dass die 120 Personalstunden, auf die er kam, die Gesamtzeit darstellte, die ein Mitarbeiter pro Monat zur Verfügung stand, und dass Mitarbeiter leider nicht während aller Stunden, die sie verfügbar sind, mit einer Auslastung von 100 Prozent arbeiteten. Ich sagte ihm, dass er, um genau zu sein, bedenken sollte, dass jeder nur ungefähr 90 produktive Stunden pro Monat zur Verfügung habe, die für Projektarbeit eingesetzt werden könnten, wenn man von einer durchschnittlichen Auslastung von 75 Prozent ausgehe. (Auf die 90 Stunden bin ich gekommen, indem ich die 160 maximal möglichen Stunden mit dem Verfügbarkeitsfaktor von 75 Prozent und dann noch mit dem Auslastungsfaktor von 75 Prozent multipliziert habe.) Seine Reaktion auf meine Rechnung war interessant. Er lehnte sie rundweg ab!

Er sagte, dass er keinesfalls bereit wäre, den Teammitgliedern zu sagen, dass sie von ihren acht Arbeitsstunden, die dem Projektkonto belastet wurden, tatsächlich nur sechs Stunden daran arbeiten sollten. Er verstand nicht, dass sie dies bereits taten. Er konnte diese Tatsache entweder akzeptieren und in seine Planung mit einkalkulieren oder sie ignorieren; sie zu ignorieren änderte jedoch nichts an der Realität. Leider erkannte er nicht, dass es nicht darum ging, den Mitarbeitern zu erlauben, acht Stunden zu berechnen, obwohl sie nur sechs arbeiteten. Sie machten das schon die ganze Zeit. Er musste nur noch entscheiden, ob er diese Tatsache anerkennen und in seinen Plänen berücksichtigen wollte, oder sie weiter ignorieren und so tun wollte, als würde das nicht vorkommen. Aber die Tatsache ignorieren ändert die Realität nicht.

Wenn Ihr Vorgesetzter nicht erkennt, dass seine ursprüngliche Schätzung mit 40 Personalstunden auf einer Auslastung von 100 Prozent basierte, wird er glauben, dass Sie für die Aufgabe 15 Stunden länger gebraucht haben, als Sie sollten. Mit anderen Worten; Ihr Vorgesetzter interpretiert die 55 Personalstunden so, als entsprächen sie 40 Personalstunden projektbezogener Arbeit, und bedankt sich dafür, dass Sie zusätzliche Stunden investiert haben, um seinen engen Zeitrahmen einzuhalten.

Achten Sie auf die Hierarchie der Aufwandsschätzung
Je besser Sie die Realität in Ihrem Plan berücksichtigen, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass Sie ihn einhalten können. Es kann aber auch passieren, dass Sie bei dem Versuch, wirklich alle Einflussfaktoren zu berücksichtigen, bestimmte Dinge überkompensieren und Ihr Plan dadurch weniger realistisch wird. Sie wollen Herrn Müllers Gruppe eine Aufgabe übertragen. Herr Müller überträgt die Aufgabe an Frau Thom, die sie wiederum an Frau Schmitt weitergibt, und die wiederum gibt sie an Herrn Jahn weiter, der die Arbeit dann schließlich erledigt. Sie bitten Herrn Müller, den Stundenaufwand für die Aufgabe abzuschätzen.

Herr Müller fragt Frau Thom, Frau Thom fragt Frau Schmitt und die fragt Herrn Jahn. Herr Jahn schätzt, dass zwei Personenwochen erforderlich sind, um die Aufgabe zu erledigen. Herr Jahn, Frau Schmitt, Frau Thom und Herr Müller wissen, dass in ihrem Unternehmen festgelegt wurde, dass die Auslastung 75 Prozent ist, also berücksichtigt jeder von ihnen diesen Faktor in seiner Schätzung, um möglichst realistische Zahlen anzugeben. Also sagt Herr Jahn Frau Schmitt, dass er 2,7 Personenwochen benötigt, Frau Schmitt sagt Frau Thom, es sind 3,6 Personenwochen notwendig; Frau Thom sagt Herrn Müller, dass 4,8 Personenwochen notwendig sind und Herr Müller erzählt Ihnen, dass 6,4 Personenwochen erforderlich sind! Das Problem hier war natürlich die Kommunikation (oder ihr Fehlen!). Jeder bezog den Faktor Auslastung mit ein, ohne die anderen in der Gruppe darüber zu informieren. Diesen Faktor einmal zu berücksichtigen ist korrekt; ihn aber viermal zu berücksichtigen ist überflüssig und irreführend.

Wenn man den Einfluss der Auslastung vernachlässigt, erscheint man weniger leistungsfähig, obwohl die Leistung dieselbe ist. Wenn man die Auslastung richtig mit einbezieht, wirkt man konzentriert und engagiert. Je mehr Zeit Sie für eine Aufgabe investieren müssen, desto wichtiger ist es, Auslastung und Verfügbarkeit mit einzukalkulieren. Angenommen, Sie beschließen, dass Sie für eine Aufgabe eine Stunde ansetzen müssen. Sie können davon ausgehen, dass Ihre Verfügbarkeit bei 100 Prozent liegt und Ihre Auslastung ebenfalls. Wenn Sie sechs Stunden für eine Aufgabe investieren müssen, können Sie vielleicht davon ausgehen, dass Ihre Verfügbarkeit 100 Prozent beträgt, Ihre Auslastung aber möglicherweise nur 75 Prozent (oder welchen Faktor Sie auch immer hier einsetzen möchten). Deshalb sollten Sie für dieses Projekt einen kompletten Arbeitstag (acht Arbeitsstunden) einplanen, damit Sie wirklich sechs Stunden an der eigentlichen Aufgabe arbeiten können.

Wenn Sie für eine Aufgabe einen ganzen Monat oder mehr veranschlagen, denken Sie daran, dass Sie in diesem Zeitraum möglicherweise ein paar freie Tage haben. Auch, wenn Ihr Urlaub oder Ihre Krankheitstage nicht zu Lasten des Projektkontos gehen, so müssen Sie doch einkalkulieren, dass Ihnen ungefähr 97 Stunden für produktive projeklbezogene Arbeit zur Verfügung stehen, wenn man von 75 Prozent Auslastung und 75 Prozent Verfügbarkeit ausgeht (2.080 Stunden pro Jahr: 12 Monate x 75 Prozent x 75 Prozent). Die Zahlen in Tabelle 6.1 geben die produktiven Personenstunden bei unterschiedlichen Auslastungs- und Verfügbarkeitsniveaus wieder.

  Verfügbare produktive Personalstunden  
  100 Prozent Aus­lastung 75 Prozent Auslastung, 75 Prozent Auslastung,
  100 Prozent 100 Prozent Verfügbar­keit 75 Prozent Verfügbar­keit
  Verfügbarkeit    
1 Personentag 8 6 4,5
1 Personenwoche 40 30 22,5
1 Personenmonat 173 130 98
1 Personenjahr 2.080 1.560 1.170

 
Tabelle 6.1: Verfügbare Personals hindert für Projektarbeit

Entwickeln Sie Ihre eigenen Planungswerte, wenn in Ihrem Unternehmen unterschiedliche Auslastungs- oder Verfügbarkeitsniveaus verwendet werden. Um nicht nur die Auswirkungen von Auslastung und Verfügbarkeit zu berücksichtigen, sondern die Genauigkeit Ihrer Arbeitsaufwandsschätzungen noch weiter zu verbessern, gehen Sie folgendermaßen vor: Wenn es in Ihrem Unternehmen andere Erfahrungswerte gibt, die Sie als Auslastungs- und Verfügbarkeitsfaktoren einsetzen können, legen Sie diese zu Grunde.

✓ Definieren Sie die Tätigkeiten ganz konkret: Benutzen Sie so wenig Fachausdrücke wie möglich und beschreiben Sie den jeweiligen Arbeitsablauf detailliert .
✓ Unterteilen Sie die Tätigkeiten, bis die Lowest-Level-Aktivitäten nicht mehr als zwei Personenwochen in Anspruch nehmen.
✓ Aktualisieren Sie Ihre Arbeitsaufwandsschätzungen, wenn sich das Projektteam oder die Aufgabenstellung ändern.