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Geschichte über Infomatec – die Pleite eines Börsenlieblings

Wie schlampig, ja geradezu fahrlässig Banken, Börsenaufsicht, Wirtschaftsprüfer und Analysten die Börsendebütanten bisweilen geprüft haben, wird mit jeder Pleite am Neuen Markt deutlicher. Ob die Firmen ihr Geld wert waren, wurde in jenen Tagen des Börsenhypes nicht abgeklopft. Kaum einer der Börsenprofis kam offenbar ins Grübeln, als der Film- und Markenrechtehändler EM.TV, eine junge Firma ohne unternehmerische Erfolgsbilanz und mit ein paar Hundert Mitarbeitern, gemessen am Börsenwert damals mehr wert war als die Deutsche Lufthansa, einer der Branchenführer mit einer Luftflotte neuester Jets und 70.000 Mitarbeitern.

Die Analysten der Investmentabteilungen, die eigentlich zu kritischer Überprüfung der börsennotierten Unternehmen verpflichtet sind, beriefen sich für ihre Kaufempfehlung oft nur auf Informationen der Unternehmensleitung. Der Zulassungsausschuss der Deutschen Börse AG prüft die geforderten Unterlagen auf Vollständigkeit, aber nicht auf ihre inhaltliche Richtigkeit. Anschließend wird kassiert: Die Bank gibt ihre Anteile zu Vorzugskursen an die Alteigentümer zurück und streicht ihre Provision ein, Fondsmanager, die das Wertpapier in ihre Portfolios nehmen, verdienen an den Ausgabeaufschlägen und Verwaltungsgebühren, und die Altaktionäre sind plötzlich nicht mehr Inhaber einer fragwürdigen Pleitefirma, sondern an einem viel versprechenden Millionenunternehmen beteiligt. Wenn dann noch die Finanzmarktmedien Gefallen an der Aktie fanden, ließ sich der Strom von Anlegerkapital kaum noch aufhalten.

Wie leicht es Firmengründern gemacht wurde, sich durch Aktienplatzierungen am Neuen Markt zu bereichern, enthüllt der Fall der Augsburger Infomatec AG, bei der Hunderte von Kleinanlegern insgesamt 300 Millionen € verloren haben.

Wettlauf in die Pleite
Der Fall Infomatec AG geriet zu einem Lehrstück für Kleinaktionäre und Wirtschaftsjuristen: Selten konnte bisher in einer Aktiengesellschaft eine ähnliche Häufung von dubiosen Machenschaften, peinlichen Pannen sowie Schlampereien bei den Firmengründern, ihren Wirtschaftsprüfern und den beteiligten Banken beobachtet werden. Der Krimi um die Firma, die sich in dem Augsburger Vorort Gersthofen angesiedelt hatte, begann Mitte der 90er Jahre. Bei einem Stammtisch für Unternehmensgründungen erhielten die beiden Unternehmer Alexander Häfele und Gerhard Harlos wohl die entscheidenden Tipps zur Kapitalbeschaffung und zur Mehrung ihres persönlichen Wohlstands. Ein Finanzberater bot sich an, ihnen einen Businessplan für den Börsengang auszuarbeiten. Ein Geschäftsmann mit besten Kontakten zur WestLB war auch zur Stelle. Danach war alles ganz einfach. Die Bank übernahm die fünf Firmen, die Harlos und Häfele bereits gegründet hatten, zahlte die bisherigen Gesellschafter aus und schoss einen Kredit für den Börsengang vor. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Haarmann, Hemmelrath ft Partner wurde beauftragt, ein Gutachten zu erstellen. Darin sollten die Experten untersuchen, ob der Wert von fünf kleineren Beratungs und Internetfirmen, die Harlos und Häfele in die Dachgesellschaft Infomatec (Integrated Information Systems AG) eingebracht hatten, eine Kapitalerhöhung um rund 16,5 Millionen € durch Ausgabe von 5,4 Millionen neuer Aktien absichert.

Risiken klein gerechnet
Ende 1997 kamen die Kontrolleure zu dem Schluss, dass die fünf Gesellschaften, die die Infomatec-Chefs Harlos und Häfele als Sacheinlage einbringen wollten, durchaus einen Wert von 207,575 Millionen € darstellen könnten – allerdings nur bei sehr günstigem Geschäftsverlauf. Bei Zugrundelegung eines pessimistischen Szenarios, in welchem die Erträge und Aufwendungen des Geschäftsbereichs Internet unberücksichtigt blieben, die Entwicklungsaufwendungen auf zehn Prozent des Umsatzes festgelegt wurden, die durchschnittliche Auslastung der Mitarbeiter im Beratungs und Schulungsbereich von 200 auf 180 Tage reduziert wurde sowie die durchschnittlichen Personalaufwendungen von 106.000 € pro Jahr auf 120.000 € pro Jahr erhöht wurden, ergab sich nach Rechnung der Wirtschaftsprüfer nur noch ein Unternehmenswert von 92 Millionen €.

Nach Ansicht der Gutachter war das aber genug, umweiterhin den Umfang der Kapitalerhöhung von 16,5 Millionen € abzudecken. Doch potenzielle Infomatec-Anleger hätte eine Herabstufung des Unternehmenswerts um rund 50 Prozent bei geringfügiger Verschlechterung der Geschäftsentwicklung wohl eher abgeschreckt – wenn sie diese Risiken denn gekannt hätten.

Die Bank hielt Informationen zurück
Im Verkaufsprospekt, in dem die WestLB als Emissionspartner potenziellen Anlegern die wirtschaftliche Lage des Unternehmens schilderte und die Bedingungen für den Erwerb von 5,64 Millionen Inhaber- und Stückaktien erklärte, werden die unterschiedlichen Prognosen aber nicht erwähnt. Für die Wirtschaftsprüfer kein ungewöhnlicher Vorfall: Da wäre ja die Bank verrückt, wenn man Aussagen über den Unternehmenswert reinschreibt, so Hansjörg Zeiger, Wirtschaftsprüfer bei Haarmann, Hemmelrath ft Partner und einer der Verfasser der Infomatec-Expertise.

Daran hatten die WestLB und die von ihr protegierten Infomatec-Chefs auch kein Interesse. Die Platzierung von 4,7 Millionen Aktien sollte mindestens 240 Millionen € einspielen. Bei dem ursprünglich anvisierten Aktienkurs von 60 € wären sogar 282 Millionen € zusammengekommen. Tatsächlich lag der Emissionspreis bei 53 €. Die WestLB hat dabei gut verdient: Ihre Provision aus dem Börsengang betrug rund 8,5 Millionen €.

Zweifel an der Arbeit von Haarmann, Hemmelrath ft Partner hatte keiner der Beteiligten. Die Banken nicht, die Analysten nicht und auch nicht die Börsenaufsicht. Man ziehe bei der Bewertung von Unternehmen die üblichen Planungsverfahren wie Cashflow-Entwicklung und dergleichen heran, die auch Analysten bei der Bewertung von Unternehmen für ihre Kursprognosen nutzen. Diese Experten wiederum verließen sich auf die Informationen, die die Infomatec-Führung ihnen zur Bewertung präsentierte. So konnte das Blendwerk prächtig funktionieren.

Fahrlässige Gutachter
Erst knapp vier Jahre später wurden die Ergebnisse der Wirtschaftsprüfer zur Lage der Unternehmensgruppe vor dem Börsengang noch einmal untersucht. Zu diesem Zeitpunkt hatte Infomatec längst Konkurs angemeldet, und gutgläubige Anleger hatten ihre Einsätze verloren. Im Auftrag der Augsburger Staatsanwaltschaft, die gegen die Infomatec-Gründer Harlos und Häfele wegen Kapitalanlagebetrugs ermittelte, wurde der Münsteraner Betriebswirtschaftsprofessor Klaus Röder mit dieser Aufgabe betraut. Röder kam zu überraschenden Erkenntnissen: Die Infomatec AG, die im Mai 1998 durch Zusammenführung von fünf kleineren Firmen entstanden war, hätte schon damals als ein hoffnungsloser Kandidat für den Gang an die Börse – im Börsenjargon auch Initial Public Offering (IPO) genannt – angesehen werden müssen: Mit zwei insolventen beziehungsweise der Insolvenz nahe stehenden Gesellschaften wäre ein Börsengang nicht möglich gewesen. Die gesamte Firmengruppe habe wegen ihrer Kapitalverflechtungen und zahlreicher Scheingeschäfte vor dem Konkurs gestanden.

Zu diesem für die verantwortlichen Banker und Wirtschaftsprüfer vernichtenden Urteil kommt der Finanzwissenschaftler nach einer Analyse des Gutachtens, das die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Haarmann, Hemmelrath Ö Partner angefertigt hatte. In diesem Schriftstück, auf das sich auch die Infomatec-Emissionsbank WestLB in ihrem Börsen- und Verkaufsprospekt beruft, hatten die Wirtschaftsprüfer dem Unternehmen wie bereits erwähnt noch einen Gesamtwert von 207 Millionen € attestiert.

Die Rechnung geht nicht auf
Röder kommt bei seiner Rechnung nur auf einen Firmenwert von 5,324 Millionen €. Durch Scheingeschäfte, unzulässig niedrige Risikozuschläge und allzu optimistische Prognosen der künftigen Zahlungsströme seien die Unternehmenswerte der fünf Firmen aufgebläht worden. Die Berechnungen im Gutachtenentwurf weisen einen Rechenfehler auf, der auf der Basis des prognostizierten Cashflows zu einer Überbewertung der Gesellschaften um 192.000€ führt.“ Dabei hätten die Wirtschaftsprüfer von Haarmann, Hemmelrath H Partner die Angaben der Firmenchefs Harlos und Häfele zur Entwicklung der Zahlungsströme (Cashflow) ab 2001 ohne Plausibilitätsprüfung übernommen, obwohl diese Kennziffer im Kalenderjahr 2001 bei allen Gesellschaften durch einen starken Anstieg gegenüber dem Vorjahr gekennzeichnet ist, so das Resümee des Betriebswirtschaftlers Röder: Dadurch bleibt nach Berechnung im Gutachtenentwurf ein wesentlicher Wertbeitrag in Höhe von insgesamt 191,778 Millionen € ungeprüft.

Schwere Mängel entdeckte Röder auch in der Bewertung des Risikos, das in den kalkulatorischen Zinsen ausgedrückt wird. Die Gefahr, dass die prognostizierten Geschäfte, Umsätze und Gewinne nicht erzielt werden können, spiegelt sich normalerweise im reduzierten Unternehmenswert wider. Die Wirtschaftsprüfer von Haarmann, Hemmelrath ft Partner hätten lediglich mit einem Zins von rund zwölf Prozent diskontiert, üblich wären bei Neugründungen aber 25 Prozent gewesen. Röders Fazit: Die im Gutachtenentwurf angesetzten Kalkulationszinsen spiegeln das Risiko der prognostizierten Cashflows nicht angemessen wider.

Um die vernichtende Kritik von Professor Röder an ihrer Arbeit zu entkräften, hatte die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Haarmann, Hemmelrath ft Partner ein neues Gutachten in Auftrag gegeben. Prof. Dr. Dr. h.c. Wolfgang Ballwieser vom Seminar für Rechnungswesen und -prüfung im Department für Betriebswirtschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität in München kam in seinem 48 Seiten umfassenden Gutachten zur Bewertung von Unternehmen der Infomatec-Gruppe durch Haarmann, Hemmelrath ft Partner am B. Mai 1998 zu dem folgenden Ergebnis: Die wesentlichen Vorwürfe von Röder sind nicht berechtigt; seine eigenen Rechnungen sind nicht begründet.

Wie zwei Experten zu so unterschiedlichen Bewertungen kommen, zeigt sich am Beispiel der von Röder monierten kalkulatorischen Zinsen, die seiner Ansicht nach bei einem Venture-Capital- Projekt mit rund 25 Prozent angesetzt werden müssten, aber von Haarmann, Hemmelrath nur mit zwölf und 12,5 Prozent berechnet wurden. Ballwieser führt nun aus, dass in der Literatur höchst unterschiedliche Sätze für junge Unternehmen in ihren einzelnen Entwicklungsstadien angegeben werden, die zwischen 15 und 50 Prozent liegen können, je nach der Höhe des Risikos. Nach detaillierter Abwägung kommt der Gutachter dann zu dem Schluss, dass ein Satz von 13,5 Prozent durchaus angemessen sei und von den in drei Fällen im HHP-Gutachten verwendeten Diskontierungssätzen von zwölf Prozent und 12,5 Prozent nicht sehr weit entfernt.

Ebenso akribisch beschäftigt sich Ballwieser mit der Fragestellung, ob es sich bei der Gründung der Infomatec Information Systems AG überhaupt um ein Venture-Capital-Projekt gehandelt habe, wovon Röder in seinem Gutachten noch ausgeht: Die Geschäftsbeziehung zwischen der WestLB und Infomatec weist die klassischen Merkmale einer Venture-CapitalBeziehung auf. Ein externer Kapitalgeber beteiligt sich mit Eigenkapital an einer jungen Gesellschaft, mit dem Ziel mit einem Ertrag auszusteigen, der eine Vergütung für das eingegangene Risiko erwarten lässt.

Ballwieser sieht das anders, seine Argumentation gibt aber auch interessante Hinweise auf die wahren Absichten der Unternehmensgründer Häfele und Harlos: Die WestLB wurde nach Auskunft von Herrn Zeiger aus steuerlichen Gründen als Eigentümer an der neu zu gründenden IIS AG eingeschaltet. Harlos und Häfele sollten ihre Anteile in die IIS AG einbringen, hierbei jedoch keine steuerschädliche Aufdeckung stiller Reserven erleiden. Um die Einbringung handelsrechtlich zu höheren als Buchwerten, steuerlich jedoch nur zu Buchwerten zu realisieren, hat man die IIS AG mehrheitlich von der WestLB gegründet. Von den 20.400 Stückaktien im Nominalwert von fünf € hielt die WestLB 20.000, Häfele und Harlos hielten je 200 Stück. Der Emissionsvertrag für Aktien der IIS AG sah vor, dass die von der WestLB bei Gründung übernommenen Aktien wieder verkauft werden sollten. Ankauf- und Verkaufskurs wurden nach Auskunft von Herrn Zeiger als identisch geplant. Das passt zu der Absicht zum damaligen Zeitpunkt, eine steuerschädliche Aufdeckung stiller Reserven zu vermeiden, nicht aber zu dem Verhalten von Venture-Capital- Gebern. Vom Landgericht Augsburg wurde im Sommer 2002 noch ein Obergutachten bestellt.

Das verschwundene Gutachten
Erstaunlich ist allerdings, dass die Luftbuchungen der Infomatec – Gründer beim Börsendebüt dem Zulassungsausschuss der Deutschen Börse AG nicht aufgefallen sind. Verwirrend ist auch, dass das Haarmann-Hemmelrath-Gutachten im Original nicht aufzufinden war. Selbst das emittierende Bankhaus – die WestLB – hat erst im Januar 2001 ein testiertes Exemplar des ursprünglichen Gutachtens erhalten. Der EIHP-Prüfer Zeiger schrieb dazu: In der Anlage erhalten Sie unser Gutachten zum Unternehmenswert der Infomatec Gesellschaften zum Bewertungsstichtag 31. Dezember 1997/1. Januar 1998. (…) Ich möchte darauf hinweisen, dass die Durchsicht unserer Korrespondenz ergeben hat, dass das Gutachten uns als Entwurf, d. h. nicht in einer unterschriebenen Form, an Infomatec ausgeliefert wurde.

Im Prospekt zum Börsendebüt von Infomatec berief sich die WestLB aber auf ein Gutachten vom 15. Mai 1998 der Haarmann, Hemmelrath Et Partner GmbH, Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und Steuerberatungsgesellschaft, München. Tatsächlich gibt es nur ein Gutachten vom 8. Mai 1998. Haarmann, Hemmelrath ft Partner behauptete aber, dass es nur dieses Gutachten vom B. Mai gebe und dass die Datumsangabe im Börsenprospekt ein Tippfehler sei.

Gepflegte Kurse
Dies waren nicht die einzige Ungereimtheit im Fall Infomatec. Kaum hatten die Unternehmensgründer die Aktien ihrer Klitsche am Neuen Markt platziert, als sie auch massive Kurspflege betrieben – so nennen Börsianer Maßnahmen zur Stützung des Aktienwerts. Die Infomatec-Chefs schossen jedoch über das Ziel hinaus. Sie schürten das Interesse der Anleger immer wieder mit falschen oder völlig übertriebenen Meldungen: So hatte Infomatec am 29. Dezember 1998 in einer Ad-hoc-Mitteilung einen Großauftrag über die Lieferung von 30.000 Lizenzen an die neu gegründete Schneider Cybermind Systems AG verkündet. Am 20. Mai 1999 wurde – ebenfalls ad hoc – der größte Deal der Firmengeschichte, ein Millionenauftrag von Mobilcom, angekündigt: Für 55 Millionen € (28,1 Millionen Euro) habe Deutschlands zweitgrößter netzunabhängiger Mobilfunkanbieter per Rahmenabkommen Surfstationen und JNT-Lizenzen geordert.

In einer dritten Ad-hoc-Meldung verkündete Infomatec dann einen weiteren Großauftrag über rund 55 Millionen € mit der Global Wellcom AG, einer Vertriebsorganisation mit über 5.000 Mitarbeitern, die in den Bereichen Telekommunikation und Internet tätig ist. Am 16. November 1999 wurde ein vierter Deal veröffentlicht. Diesmal sollte die Worldwide Database Company Ltd. für 50 Millionen € JNT-Lizenzen bestellt haben.

Die Meldungen verfehlten nicht ihre Wirkung auf den Börsenkurs: Vom Ausgabepreis von 27,10 Euro am 7. Juli 1998 stieg er auf 126,55 Euro Anfang November 1998 und erreichte mit 263 Euro im Februar 1999 seinen Höchststand. Nach dem Aktiensplit im Verhältnis von 1:5 im August 1998 attestierten Analysten dem Unternehmen nach ausführlichen Gesprächen mit der Firmenleitung noch im März 2000 ein Kurspotenzial von 60 Euro, was einem ungesplitteten Kurswert von 300 Euro entsprach.

Die glänzenden Aufträge wurden jedoch nie realisiert. Im August 2000 kursierten vielmehr Gerüchte, dass die Verträge gar nicht existierten oder aber die Auftragssummen deutlich überzogen seien. Erst am 29. August 2000, nachdem längst Presseberichte die Jubelmeldungen entzaubert hatten, entschloss sich schließlich auch das Infomatec-Management zu einer Korrektur der Megadeals. Der Mobilcom-Auftrag schrumpfte von 100.000 Surfstationen auf magere 14.000 Geräte, der Vertrag mit Global Wellcom entpuppte sich als vage Vereinbarung, 100.000 Surfstationen gemeinsam zu vermarkten. Und die Bestellung von Worldwide Database im Wert von 50 Millionen € zerplatzte gar wie eine Seifenblase. Aus diesem Projekt sind keine weiteren Umsätze mehr zu erwarten, ließ das Unternehmen am 29. August 2000 lapidar mitteilen – zusammen mit der Nachricht, dass für das Jahr 2000 nun mit einem Umsatz von 50,1 Millionen Euro und einem Ergebnis von minus 25,9 Millionen Euro zu rechnen sei.

Die Folge: Der Börsenkurs sackte weg, die Infomatec-Anleger sahen ihre Investitionen dahinschmelzen. Die Vorstände Harlos und Häfele hatten da bereits vorgesorgt und ansehnliche Batzen ihres Vermögens beiseite geschafft: Im Februar 1999 – also beinahe zum Höchstkurs – hatten sie jeweils 62.500 Aktien verkauft und knapp 29 Millionen € erlöst. Im Juli 2000 veräußerten sie noch jeweils 39.500 Aktien für eine Million € pro Nase.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt
Weder die Aktionäre noch die Analysten wurden im Sommer 2000 darüber informiert, dass die Augsburger Staatsanwaltschaft schon seit Mai 2000 gegen die beiden Firmengründer ermittelte – wegen Insiderhandels, Kursmanipulation und unrichtiger Darstellung von Firmendaten. Im November 2000 wurde schließlich Haftbefehl gegen die beiden Unternehmer erlassen, umfangreiche Kapitalanlagen auf Schweizer Bankkonten legten nach Meinung der Ermittler den Verdacht nahe, dass sich die beiden Manager ins Ausland absetzen wollten. Erst im Mai 2002 wurden die Unternehmer auf Beschluss des Münchner Oberlandesgerichts – zum Ärger der Augsburger Ermittlungsbehörden – wieder aus der Untersuchungshaft entlassen, allerdings nur gegen Kaution und mit der Auflagestrenger Meldepflicht. Die Firma hatte mittlerweile Konkurs angemeldet.

Die Wirtschaftsprüfer von Haarmann, Hemmelrath Et Partner, die das erste Prüfgutachten erstellt hatten, hatten nach der Hauptversammlung von Infomatec im Sommer 1999 das Mandat niedergelegt. Die Begründung, so sagte HHP-Prüfer Hansjörg Zeiger, der Infomatec für den Börsengang begutachtet hatte, im Jahr 2001: Die Infomatec-Chefs Harlos und Häfele waren sich ihrer Verantwortung den Aktionären gegenüber nicht bewusst. Heute füllt das einst so begehrte Unternehmen unzählige Aktenordner bei Anwälten sowie bei Ermittlungsbehörden. Frustrierte Anleger, die den Prognosen von Firmenchefs und Anlageberatern geglaubt und ihnen ihre gesamten Ersparnisse anvertraut haben, wollen jetzt ihr Geld zurück. So mancher hat bereits gegen die Manager des abgewirtschafteten Unternehmens Klage auf Schadensersatz erhoben. Zu Recht, wie der Münchner Rechtsanwalt Klaus Rotter meint: Wie mit dem Kapital der Kleinaktionäre umgegangen wurde, ist die moderne Form der Geldvernichtung.

Leidgeprüfte Kleinanleger
Rotter weiß, wovon er redet, er vertritt Hunderte geschröpfter Kleinaktionäre, die bei Infomatec und EM.TV zum Teil ansehnliche Vermögen eingebüßt haben. Rund 120 Mandanten haben allein bei dem Augsburger Geräte- und Softwareentwickler Infomatec rund 4,3 Millionen € (2,2 Millionen Euro) verloren. Im Einzelfall reicht die Bandbreite der entstandenen Vermögensschäden von 900 bis 518.000 €, berichtet Rotters Sozius Bernd Jochem. Zu den Geprellten gehört auch der Rundfunk- und Fernsehtechniker Adam E. Die Infomatec-Gründer Harlos und Häfele hat er beim Augsburger Oberlandesgericht auf Schadensersatz für seine Investition von 12.000 € (6.136 Euro) verklagt. Aufgrund von falschen Informationen über die zukünftige Geschäftsentwicklung bei Infomatec habe er im April und Mai des Jahres 2000 noch 300 Aktien des Unternehmens zum Preis von 26 Euro gekauft. Den Ausschlag für den Aktienkauf hätten die Meldungen gegeben, in denen das Management den Abschluss von lukrativen Kaufverträgen bekannt gegeben und damit eine glänzende Geschäftsentwicklung in Aussicht gestellt habe.

Am 23. April 2002 hat die Augsburger Staatsanwaltschaft Anklage gegen die einstigen Vorzeigeunternehmer Harlos und Häfele erhoben – wegen Kapitalanlagebetrug, Insiderhandel und Kursmanipulation.