Bereits Mitte der 1990er Jahre entdeckten die Banken einen neuen Köder für ihre Klientel: das Onlinebanking. Per Computer und Internet sollten die Kunden nun ihre Geldgeschäfte tätigen, vom Schreibtisch oder vom Sofa im Wohnzimmer aus.
Pionierarbeit auf diesem Gebiet leistete 1994 die DABbank AG, die Direkt Anlage Bank. Sie empfahl sich als Unternehmen, über das besonders günstig Aktien, Rentenpapiere, Fondsanteile und andere Wertpapiere gekauft werden konnten. Per Telefon und Computer konnten die DAB-Kunden ihre Depots selber managen und bestimmen, welches Papier zu welchem Kurs gekauft oder abgestoßen werden sollte. Der Kunde war sein eigener Anlageberater, und die Bank honorierte ihre selbständig arbeitende Klientel mit besonders niedrigen Transaktionskosten.
Die DAB bot auch Girokonten und andere Bankdienstleistungen an, zu günstigen Konditionen, sofern der Kunde bereit war, seine Geschäfte per Telefon und Computer abzuwickeln. Der Service kam gut an bei der preisbewussten Klientel, die mit Computer und Internet umgehen konnte. Sie konnte sich über die kostenlose Kontoführung freuen, musste aber auf ein Filialnetz und persönlichen Service verzichten. Ärgerlich waren die Automatengebühren, die Kunden der DAB für Bargeldentnahme an den Geldautomaten anderer Geldinstitute bezahlen mussten. Da wurde für die Sparsamen unter den Bankkunden oft der doppelte Satz fällig.
Dennoch machte das Geschäftsmodell Schule. Innerhalb weniger Monate schossen Direktbanken wie Pilze aus dem Boden. Auch Traditionshäuser wie die Deutsche Bank, die Dresdner | Bank und die Commerzbank gründeten eigene Töchter. Sparkassen, Volksbanken und Raiffeisenkassen entwickelten eigene Onlinebanking-Konzepte. Innerhalb weniger Jahre verfügte fast jede Großbank über einen No-Service-Ableger.
Der offizielle Grund für die Innovation klang ziemlich pompös: Die Loyalität des Kunden zu seinem Geldinstitut nimmt ab, sagte Thomas Holtrop von der Bank 24, der damals neu gegründeten Direktbank der Deutschen Bank. Vor allem Kunden mit gehobenem Einkommen und guter Bildung, die in einer Großstadt leben und sehr engagiert in ihrem Beruf sind, zeigten großes Interesse an diesem Modell. Für den Entschluss, die Bank zu wechseln, bräuchten viele der schätzungsweise 65 Millionen Kunden in Deutschland aber ein rationales Argument: den Preis.
Da kamen ihnen die Banken mit ihren Billigtöchtern entgegen. Keine Gebühren, keine Beratung. Der Bankkunde als Manager seines finanziellen Universums.
Neben der Bank 24 gab es die Advance Bank, den Ableger der Dresdner Bank, und die Commerzbank gründete Comdirekt. Zum Angebot gehörten in der Regel eine EC-Karte, 50 kostenlose Buchungen pro Quartal, ein monatlicher Kontoauszug und Bargeld aus den Automaten.
Auch ein konventionelles Institut wie die damals noch selbständige Bank für Gemeinwirtschaft (BfG) machte mit: Der Markt entwickelt sich in Richtung Kundenmacht, damit geht der Trend zu geringeren Kontogebühren, erklärte 1996 der ehemalige BfG- Sprecher Jürgen Kurz. Wir haben uns damals an die Spitze dieser Bewegung gesetzt, gleich ganz auf Gebühren verzichtet. Zuvor gab es lediglich für Schüler, Auszubildende und Studenten kostenlose (Girokonten. Der Verlust von Einnahmen sei von der überraschend hohen Zahl neuer Kunden schnell wettgemacht worden, berichtete Kurz. 60 000 Neukunden waren für 1996 geplant, doch schon in den ersten Monaten des Jahres kamen mehr als 100 000. Die Idee hatte besser eingeschlagen als erwartet.
Die neue Gebührenfreiheit währte jedoch nicht lange. Wettbewerbern waren die Billiganbieter ein Dorn im Auge, ihre Kunden mussten es büßen. Sparkassen erhöhten für Direktbank-Kunden die Benutzungsgebühren an ihren Geldautomaten. Der in Bonn angesiedelte Deutsche Sparkassen- und Giroverband stand der kostenlosen Kontoführung der Konkurrenz äußerst skeptisch gegenüber. Man muss sich auch fragen, wer letztlich die Kosten trägt, die bei der Führung eines Kontos nun einmal entstehen, so ein Verbandsvertreter. Der Kunde solle genau prüfen, welche Leistungen die Bank ihm biete.