Doch zur Enttäuschung der Anwälte, Anleger- und Datenschützer kam alles ganz anders. Der Bundesgerichtshof folgte den Argumenten der Anwälte nicht. In seinem Urteil vom 27.02.2007 (BGH XI ZR 195/05) stellte das oberste deutsche Zivilgericht klar, dass ein Verstoß gegen das Bankengeheimnis und gegen Datenschutzbestimmungen keinerlei Auswirkungen auf die Wirksamkeit von Forderungsabtretungen habe.
Dr. Thilo Weichert, Leiter des Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD), übte scharfe Kritik an dem höchstinstanzlichen Richterspruch: Seit vielen Jahren ist anerkannt, dass die Verletzung des Arztgeheimnisses bei der ärztlichen Abrechnung zur Unwirksamkeit der Forderungsabtretung führt. Dies gilt, wenn der Forderungsempfänger seinen Sitz in Deutschland hat und dem deutschen Datenschutzrecht unterworfen ist. Hierzu steht die jetzige BGH-Entscheidung in einem Wertungswiderspruch, wenn der Bankkunde hinsichtlich seines Bankgeheimnisses völlig rechtlos gestellt wird. Wir müssen feststellen, dass in Bankgeschäften der Datenschutz oft wenig ernst genommen wird, wie der seit Jahren anhaltende tausendfache Verstoß bei der Weitergabe von Transaktionsdaten an US-Geheimdienste durch SWIFT zeigt. Datenschutz kann leicht zum Papiertiger werden, wenn von den Gerichten nicht anerkannt wird, dass der Umgang mit Vertragsdaten ein zentraler Bestandteil jedes Vertrages ist. Die deutsche Rechtsanwendung muss hier die strengen Vorgaben der Europäischen Datenschutzrichtlinie beachten. Wird dies nicht sichergestellt, so ist auch die Europäische Kommission gefordert.
Doch nach dem Richterspruch des XI. Senats steht dem Ausverkauf von Forderungen – notleidenden wie planmäßig bedienten — zur Sanierung der Bankbilanzen durch Private-Equity- Gesellschaften erst einmal nichts mehr im Wege. Heuschrecken- Firmen erhielten sozusagen grünes Licht für ihre Beutezüge in Deutschland.
Schon vor der Entscheidung des BGH waren sich einige Banken ihrer Sache recht sicher. Die Hypo-Real-Estate-Gruppe, die im Jahr 2003 von der Hypo-Vereinbank-Gruppe abgespalten und an die Börse gebracht wurde, war sicher eines der ersten Institute in Deutschland, die sich durch diese Art von Transaktionen ihrer Kreditengagements entledigte, aber keineswegs die einzige Bank, die zu diesem Rettungsring griff, um die eigene Bilanz zu sanieren.
Die Hypo Real Estate allein veräußerte in den Jahren 2003 und 2004 ein Kreditvolumen von über 4,1 Milliarden, und die Muttergesellschaft HypoVereinsbank verscherbelte in den Jahren 2005 und 2006 weitere Kreditportfolios im Wert von knapp fünf Milliarden Euro an die US-Investmentbank Goldman Sachs.
Auch die Dresdner Bank nutzte seit 2003 die Hilfe von Kreditverwertern, um Immobilienkredite von 3,1 Milliarden Euro loszuwerden. Eine halbe Milliarde davon ging an die Deutsche Bank, die sich auch beim internationalen Geschacher mit distressed Loans, wie wackelige Kredite im anglophilen Bankerjargon genannt werden, einen Namen machen möchte. Selbst die DZ-Bank, die Zentralbank der Volksbanken Raiffeisenbanken, hat Forderungen aus Immobilienkrediten in Höhe von 0,6 Milliarden Euro an die US-Investmentbank J.P. Morgan versilbert.
Die Banken vertreten ihre eigene Interessen. Sie wollen ihre Bücher bereinigen. Sie hatten in den vergangenen Jahren Immobilienkredite im Wert von 100 und 200 Milliarden Euro vergeben, die sie nun gerne loswerden wollen. Ob sie mit ihrer Altlastenentsorgung die Häuslebauer oder Immobilieninvestoren unter Druck setzen, ist ihnen ziemlich gleichgültig.
Zwar behauptet der Pionier, die Hypo Real Estate Bank, dass sich die rechtliche Position des Darlehensnehmers durch den Portfolioverkauf nicht verschlechtert, (…) weil auch für den neuen Gläubiger die gleichen Rechten und Pflichten aus dem Kreditvertrag gelten.
Die Erfahrungen düpierter Kreditkunden entlarven dieses Versprechen als schlechtes Marketing und Lüge. Denn die Portfoliokäufer sind nicht an einer langfristigen Beziehung zu den Schuldnern interessiert, sondern an einer schnellen Verwertung – notfalls durch die Übernahme und den Verkauf der Sicherheiten, um das Kreditverhältnis möglichst schnell und profitabel abzuwickeln, erklärte Rechtsanwalt Jochen Weck von der Münchner Kanzlei Rössner Rechtsanwälte gegenüber der Zeitschrift Focus Money.
Für die schmutzigen Geschäfte verlassen sich die Beteiligungsgesellschaften, wie das Beispiel Lone Star zeigt, auf die Dienste von Inkassofirmen, die oft ebenfalls zum Imperium der Heuschrecken gehören. Diese Gesellschaften haben eine ganz einfache Philosophie. So stellt sich Hudson Advisors auf seiner Homepage (hudson-advisors*com) als äußerst effizienter Partner im Dienste der Kapitalgesellschaften vor, der in den vergangenen zehn Jahren Problemkredite abgewickelt und komplexe Immobilien-Anlagen verwaltet [hat]. Zu diesen Investments in Asien, Nordamerika und Europa, die sich insgesamt auf mehr als 31 Milliarden Dollar beliefen, gehörten auch verschiedene Eigentümermodelle und Investmentstrukturen, die ein konzentriertes und aggressives Vorgehen erfordern, um die Renditen für den Investor zu maximieren.
In Deutschland haben die Kredithaie, Heuschrecken und Pleitegeier zudem leichtes Spiel: Denn deutsche Kreditnehmer müssen in der Regel mit ihrem Vermögen für den Kredit haften. Das sind für die Kreditaufkäufer beste Aussichten für die erfolgreiche Erfüllung ihrer Aufträge. Sie übernehmen mit dem Kreditvertrag auch einen Titel, den sie vollstrecken können.
Für die Kunden ist dieser florierende Handel mit ihren Krediten so gemütlich wie ein Tanz auf einem Vulkan. Zu den Opfern der auf Kreditverwertung spezialisierten Geldeintreiber zählen längst nicht mehr nur säumige Schuldner, die mit ihren Raten in Rückstand geraten sind, sondern auch gute Darlehensnehmer, die immer pünktlich ihren Schuldendienst geleistet haben.
Die Banken, die ihre Kreditportfolios bereinigen wollen, müssen nicht einmal mehr die Zustimmung ihrer Darlehensnehmer einholen. Sie haben ein Schlupfloch gefunden, das sie sogar von der Mitteilungspflicht befreit. Die Kredite, die aussortiert werden sollen, werden samt Sicherheiten gebündelt und als Portfolio in eine eigens gegründete Gesellschaft ausgegliedert. Die Anteile an dieser Gesellschaft werden dann an die Heuschrecken verkauft.
Bei der Übertragung der Kredite samt Sicherheiten im Wege der Ausgliederung nach dem Umwandlungsgesetz ist eine Zustimmung des Kunden gerade nicht erforderlich, erklärt die Hypo Real Estate. Denn das Umwandlungsgesetz will volkswirtschaftlich notwendige Umstrukturierungen eines Unternehmens ermöglichen.
Auf einem Symposium im April 2007 erklärte die Hypo Real Estate, dass ein Markt für faule Kredite außerhalb der Banken entstanden sei. Und nicht nur für faule Immobilienschulden. Auch große Firmenkredite und Verbraucherkredite könnten künftig an Dritte verscheuert werden. Und da sei noch reichlich Spielraum für glänzende Geschäfte in den nächsten Jahren.